Nach anfänglicher Begeisterung über ihren neuen „Papst“ sind die „Traditionalisten“ bereits wieder in ihren üblichen Widerstands-Modus zurückgefallen. Wie sehr hatten sie sich gefreut und gehofft, als Prevost alias „Leo XIV.“ auf der Loggia des Petersdomes erschien, die rote Mozzetta trug und den Segen sang! Als er auch noch ankündigte, den Apostolischen Palast wieder beziehen und Castel Gandolfo reaktivieren zu wollen, kannte der Jubel kaum Grenzen. Nur das mit den roten Schuhen wollte nicht so recht werden. Zwar trägt Prevost „wieder elegante Schuhe – aber in Schwarz“, wie eine charismatisch-„konservativ-katholische“ „Website“ meldete.
Doch längst herrschen wieder Argwohn und Mißtrauen, hat Prevost doch nicht nur die Fortsetzung des „synodalen Wegs“ angekündigt, ein eigenes „Meßformular“ zur „Bewahrung der Schöpfung“ herausgegeben und einige den „Traditionalisten“ mißliebige Personalentscheidungen getroffen, sondern ist neuerdings sogar mit dem Brustkreuz seines den „Traditionalisten“ verhaßten Vorgängers Bergoglio aufgetreten. Unerhört! Schon tauchen auf den einschlägigen „Tradi“-Portalen üble Verdächtigungen, spitze Kritiken, beißender Spott und giftige Karikaturen gegen ihn auf. Nun fehlt nur noch, daß er ihrer über alles – auch über den Papst! – geliebten „TLM“, der „alten Messe“, etwas antut. Dann ist ihm der abgrundtiefe Haß und die ewige Feindschaft der „Traditionalisten“ gewiß – ohne daß diese freilich aufhören werden, ihn als den „Heiligen Vater“ und „Stellvertreter Christi“ zu bezeichnen, denn sonst wären sie ja – was Gott verhüte! – „Sedisvakantisten“.
Der Papst in der katholischen Tradition
Haß und Widerstand gegen den von ihnen anerkannten „Papst“ ist so sehr zur zweiten Natur der „Traditionalisten“ geworden, daß sie sich überhaupt nichts mehr dabei denken. An welch unselige „Tradition“ sie damit anknüpfen, ist ihnen gar nicht bewußt. Die katholische Tradition ist es jedenfalls nicht. Wie die katholische Tradition aussieht, hat der heilige Papst Pius X. – Gott weiß, wieso ausgerechnet er das Unglück hatte, von der „Piusbruderschaft“ zu ihrem Namenspatron ausgewählt zu werden, obwohl sie ihn in nichts zu ihrem Vorbild nimmt – einstens ausgeführt. In einer Ansprache an die Priester der Vereinigung der Apostolischen Union am 18. November 1912 erklärte er mit väterlicher Wärme das Papstamt so:
„Um den Papst zu lieben, braucht man nur darüber nachzudenken, was der Papst ist. – Der Papst ist der Wächter des Dogmas und der Moral; er ist der Depositar der Grundsätze, welche die Familie ehrbar, die Nationen groß, die Seelen heilig machen; er ist der Berater der Fürsten und der Völker; er ist das Haupt, unter dem sich niemand tyrannisiert fühlt, weil er Gott selber repräsentiert; er ist im höchsten Sinne der Vater, der in sich alles das vereinigt, was liebevoll, zart, göttlich ist (…). Und wie muß man den Papst lieben? ,Non verbo neque lingua, sed opere et veritate.’ (Nicht mit Worten oder der Zunge, sondern in der Tat und Wahrheit) Wenn man eine Person liebt, sucht man sich in allem ihren Gedanken gleichförmig zu machen, ihre Willensmeinungen auszuführen, ihre Wünsche zu erraten. Und wenn unser Herr Jesus Christus von sich sagte: ,si quis diligit me, sermonem meum servabit’ (wenn jemand mich liebt, wird er meine Gebote halten), so ist es, um unsere Liebe zum Papste zu beweisen, notwendig, ihm zu gehorchen. Wenn man also den Papst liebt, so macht man keine Diskussion über das, was er anordnet oder verlangt, oder bis wohin der Gehorsam gehen muß und in welchen Dingen man gehorchen soll; wenn man den Papst liebt, sagt man nicht: er hat nicht klar genug gesprochen, als ob er verpflichtet wäre, seinen Willen jedem einzelnen ins Ohr zu wiederholen, den er so oft nicht nur mit Worten, sondern durch Schreiben und andere öffentliche Dokumente klar ausgedrückt hat; man setzt seine Anordnungen nicht in Zweifel unter dem leichten Vorwand eines, der nicht gehorchen will, als sei es nicht der Papst, der befiehlt, sondern seine Umgebung; man zieht nicht der Autorität des Papstes diejenige anderer noch so gelehrter Personen vor, die, wenn sie gelehrt sind, doch nicht heilig sind, denn wer heilig ist, kann nicht vom Papste abweichen“ (Alloc. ad sacerdotes Consociationis „l’Unione Apostolica“; 18. Nov. 1912, A. Ap. S. IV, 693).
Der Papst bei Luther
Ein ganz anderes Papstbild hatte der „Reformator“ Dr. Marinus Luther. In seiner Schrift „Wider das Papsttum“ polterte er:
„Sehr leicht ists zu beweisen, dass der Papst nicht der Oberste und das Haupt der Christenheit sei, oder Herr der Welt, über Kaiser, Konzile und alles (…). Dies ist allererst die allerärgste Grundsuppe aller Teufel in der Hölle, dass er solche Gewalt dahin ausdehnt, dass der Papst Macht haben will, Gesetze und Artikel des Glaubens aufzustellen, die Schrift (welche er nie gelernt, nicht kann, auch nicht wissen will) nach seinem tollen Sinn zu deuten. Er will alle Welt zwingen, seiner Lehre zu glauben, und lehrt doch nichts als eitel Abgötterei, und zerstört alles, was der Gottessohn, unser Herr, uns mit seinem Blut erworben hat, nimmt den Glauben, christliche Freiheit und rechte gute Werke weg. Und das nennt er in seinen teuflischen, spitzbübischen Drecketen richtig getan und Gehorsam der Kirche, und brüllt daher, wie besessen und voller Teufel, dass wer ihm und seiner römischen Kirche nicht gehorsam ist, der könne nicht selig werden.“
Entscheidung
Möge jeder „Traditionalist“, namentlich solche der „Piusbruderschaft“, sich überprüfen, welche dieser beiden Vorstellungen vom Papst seinen Geist und sein Handeln bestimmt: die des heiligen Pius X., welche von jener Liebe zum Papst erfüllt ist, die es „notwendig“ macht, „ihm zu gehorchen“, oder die des Erzketzers Luther mit seinem Haß und Geifer gegen den Papst, der den Gehorsam gegen den Papst zurückweist und ihn als teuflische Anmaßung ansieht.
Dabei kommt es nicht darauf an, WER der Papst ist, sondern WAS der Papst ist. Ist er das Haupt der Kirche, „unter dem sich niemand tyrannisiert fühlt, weil er Gott selber repräsentiert“, oder ist er der „Diktatorpapst“, der „alle Welt zwingen“ will, „seiner Lehre zu glauben, und lehrt doch nichts als eitel Abgötterei“? Ist er „im höchsten Sinne der Vater, der in sich alles das vereinigt, was liebevoll, zart, göttlich ist“, oder „zerstört“ er „alles, was der Gottessohn, unser Herr, uns mit seinem Blut erworben hat“? Ist er „der Wächter des Dogmas und der Moral“, der „Depositar der Grundsätze, welche die Familie ehrbar, die Nationen groß, die Seelen heilig machen“, oder nimmt er „den Glauben, christliche Freiheit und rechte gute Werke weg“?
Vielleicht kommt die lutherische Abneigung gegen den Papst bei den „Traditionalisten“ daher, daß sie jemanden für ihren „Papst“ halten, der es gar nicht ist? Da fällt es freilich schwer, diesen „Papst“ zu lieben. Statt sich in manischen Papsthaß jagen zu lassen, sollten sie vielmehr ihre Haltung überdenken. Die Lehre des heiligen Pius X. ist auf die „Konziliaren Päpste“ nicht anwendbar. Ist darum diese Lehre falsch, oder sind diese „Päpste“ falsch? Eines von beiden! Man muß sich entscheiden.