Nachrufe (2/3)

Ein weiterer „Traditionalisten“-Nachruf auf den verschiedenen Bergoglio, ebenfalls auf „Rorate Caeli“ veröffentlicht, kam von dem unvermeidlichen Professor Roberto de Mattei. Ob der Tod von „Papst Franziskus“ das „Ende einer Ära“ einläute, stellt sich dieser die Frage.

Sechster Chef der Menschheitskirche

Hochdramatisch beginnt er zugleich im Chronisten- wie im Predigerstil: „Um 7 Uhr 35, am 21. April 2025, Ostermontag, trennte sich die Seele Jorge Mario Bergoglios von seiner sterblichen Hülle [woher will er das wissen? Der amtliche Todeszeitpunkt ist nicht unbedingt identisch mit der Trennung von Seele und Leib], um sich dem Göttlichen Gericht zu stellen. Erst am Tage des Jüngsten Gerichtes werden wir wissen, welches Urteil das höchste Tribunal, dem jeder von uns sich eines Tages selber stellen muß, über Papst Franziskus verkündet hat.“ Ja, das sind erschütternde Worte voll Salbung und eschatologischer Tiefe! Es folgt die fromme Aufforderung zum Gebet für die abgeschiedene Seele, dem der Herr Professor jedoch den Versuch einer „historischen Beurteilung“ von Bergoglios „Pontifikat“ anhängen will, weil nämlich die Kirche eine „öffentliche Gesellschaft“ sei, und da gehöre sich das so. Nun denn.

„Jorge Mario Bergoglio, der 266. römische Pontifex, der erste mit dem Namen Franziskus, war zwölf Jahre lang der Stellvertreter Christi, obwohl er dieser Bezeichnung die eines Bischofs von Rom vorzog“, schildert der Professor die „Fakten“ und irrt hierin bereits. Nein, Bergoglio war nicht „der 266. römische Pontifex“, sondern der sechste Chef der „Konziliaren“ Menschheitskirche. Richtig ist, daß er „der erste mit dem Namen Franziskus“ war, was allerdings bei der kurzen Reihe von nur fünf Vorgängern wenig besagt. Abgesehen davon, daß auch diese bei der Namenswahl oft recht kreativ und originell waren, angefangen mit Roncalli, der sich nach einem Gegenpapst aus dem „Abendländischen Schisma“ benannte, über die „Johannes-Paul-Päpste“, die sich einen Doppelnamen beilegten, um anzudeuten, daß sie die von ihren beiden Vorgängern begonnene „neue“ Linie der „Konzilspäpste“ fortzusetzen gedachten, bis hin zu Ratzinger, der ganz aus dem Rahmen fiel mit seiner Selbstbenennung als „Benedikt“, die keiner erwartet hätte.

Da er nicht „römischer Papst“ war, war Bergoglio auch nicht „Stellvertreter Christi“, weshalb er sich denn lieber „Bischof von Rom“ nannte, was er ebenfalls nicht war. Denn wäre es gewesen, dann, so folgert de Mattei richtig, hätte er auch mit seiner Wahl das Petrinische „munus“ empfangen. Auch, so weiß der Professor, erhalte der Papst mit der Annahme des Pontifikats die Titel, welche im „Päpstlichen Jahrbuch“ auftauchen, nämlich „Bischof von Rom, Vikar Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberster Hirte der Universalen Kirche, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Provinz Rom, Souverän des Vatikanstaates, Diener der Diener Gottes und Patriarch des Westens“. Der letztere Titel sei 2024 „wiederhergestellt“ worden, nachdem er 2006 von „Benedikt XVI.“ entfernt worden sei. Da schau! Der „traditionelle“ Ratzinger hat den Titel abgeschafft, und ausgerechnet der „Traditionsfeind“ Bergoglio hat ihn wieder eingeführt! Das ändert nichts daran, daß er auch kein „Patriarch des Westens“ war, da er nicht Papst gewesen ist.

„Theologie der Sichtbarkeit des Unsichtbaren“

Diesen Titeln gebühren spezielle Ehrenerweise, betont de Mattei, besonders demjenigen des „Vikars Christi“, welcher den Papst zwar nicht zum Nachfolger, wohl aber zum irdischen Statthalter des Gottmenschen und „Erlösers der Menschheit“ Jesus Christus mache. Diese Ehre gebühre dem Papste freilich nicht aufgrund seiner Person, sondern aufgrund der Würde der von Christus dem Petrus übertragenen Sendung. Da schwant uns schon ein wenig, worauf der Professor hinaus will. So wie bei den „christlichen Sakramenten“, so fährt er fort, die unsichtbare Gnade durch eine Handlung ausgedrückt werde, so seien die Ehrenzeichen wie Titel, Gewandung und Zeremonien sinnliche Zeichen für geistige oder auch institutionelle Realitäten. Eine solche geistige und unsichtbare Wirklichkeit sei die Autorität, und damit diese erkannt werde, müsse sie sich sichtbar manifestieren, durch Gesten und Rituale. Andernfalls laufe die Institution Gefahr, unsichtbar zu werden, und religiöse Gemeinschaften versänken ebenso ins Chaos wie politische.

Nun ja, das scheint uns eine etwas gewagte These zu sein, insbesondere in ihrer Anspielung auf die Sakramente. Sakramente sind von ihrer Natur her heilige Zeichen, die das bewirken, was sie bezeichnen. Das aber bedeutet, daß die geistige und übernatürliche Realität, die durch die Sakramente gewirkt wird, ohne diese Zeichen tatsächlich nicht gegeben ist. Ganz anders bei einer Wirklichkeit wie der Autorität, die auch ohne äußere Zeichen bestehen kann, wenngleich diese Zeichen nützlich und hilfreich sein können für deren Anerkennung und Wirksamkeit. Grundsätzlich aber kann die Autorität auch ohne solche Zeichen auskommen. Wir wüßten z.B. nicht, daß der Heiland selber oder der heilige Petrus und dessen Nachfolger in den ersten Jahrhunderten besonderer Zeichen wie „Titel, Gewandung und Zeremonien“ bedurft hätten, um ihre Autorität zu manifestieren. Es fehlte jedes höfische Zeremoniell, und doch versank die Kirche nicht ins Chaos und in die Unsichtbarkeit.

De Mattei geht aber noch weiter und will seine These auch in der Heiligen Schrift verankert wissen mit einigen Zitaten des heiligen Johannes: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Jo 1, 14), und: „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoße des Vaters ist, hat es uns kundgetan“ (Jo 1, 18). Beide Schriftworte passen in keiner Weise in unseren Zusammenhang, zeigen aber für unseren Herrn Kirchenhistoriker, wie sehr der heilige Johannes eine „Theologie der Sichtbarkeit des Unsichtbaren“ betreibt, bis hin in sein Buch der Offenbarung, in dem das Symbol zur prophetischen Vision wird, welche Gottes verborgenes Handeln in der Geschichte beleuchte.

Verweltlichung

Eine nette Spekulation für einen Historiker, doch was hat das für einen Bezug auf Bergoglio? Für de Mattei diesen: „Papst Franziskus“ habe keinerlei Respekt für die päpstliche Etikette gezeigt, angefangen von seinem legeren „Guten Abend“ auf der Loggia des Petersdoms am Tage seiner Erwählung bis hin zu seinem öffentlichen Auftritt vom 9. April, als er im Rollstuhl in der Basilika erschien, bekleidet mit einer gestreiften, ponchoähnlichen Decke und ohne jegliche Insignien seiner päpstlichen Würde. Ein Skandal ohnegleichen! Nun, vielleicht waren auch dies Zeichen, die das „Unsichtbare sichtbar“ gemacht haben? Z.B. daß Bergoglio gar kein Papst war?

Den heiligen Symbolen habe Bergoglio die medialen vorgezogen, bestehend aus Bildern, Worten und Begegnungen, die zu Botschaften wurden, die oftmals deutlicher sprachen als offizielle Dokumente. Hier zählt er auf das „Wer bin ich um zu urteilen?“, das Waschen der Füße von Frauen und Muslimen und zuletzt, 2025, seine Teilnahme am Sanremo Festival durch eine Videobotschaft. Manche, so ärgert sich de Mattei, hätten darin eine „Vermenschlichung“ des Papsttums erblickt, doch sei es eine Trivialisierung und Verweltlichung gewesen. Aber was will er? Das „Konziliare“ Pseudo-Papsttum ist weltlich und trivial. Es hat keinerlei höhere Weihe. War also Bergoglio nicht viel wirklichkeitsgetreuer und ehrlicher, ja integrer als beispielsweise sein unmittelbarer Vorgänger, der sich gerne mit päpstlichem Zierrat umgab, ohne doch Papst gewesen zu sein, und sich mit päpstlichen Utensilien schmückte, die ihm nicht zustanden (und selbst noch, als er offiziell „zurückgetreten“ war)?

Für den Professor steht fest, daß auf diese Weise die „Institution des Papsttums“ geschädigt und entwertet worden sei, da die Sprache und die Zeichen, welche die Kirche stets gebrauchte, um das göttliche Mysterium auszudrücken, verweltlicht worden seien. Da ist de Mattei ein paar Jahrzehnte zu spät dran. Die „Verweltlichung“ ereignete sich bereits vor sechs Jahrzehnten, als die wahre Kirche Gottes mit ihren Mysterien durch eine freimaurerische Organisation verdrängt wurde, eine Art „religiöse UNO“, die aber noch viele äußere Elemente der katholischen Kirche übernahm, um sich zu tarnen. Das große Verdienst Bergoglios war es, diese „christliche Maskerade“, wie Brandmüller es einst nannte, zunehmend abzulegen und mehr und mehr das wahre Gesicht dieser „Konziliaren“ Menschheitskirche zu zeigen. Dafür ist er zu loben, nicht zu tadeln.

De Mattei selber sieht ein, daß es nicht „Franziskus“ war, der den „ersten Schritt“ gemacht habe, die „Kirche ihrer Majestät zu entkleiden“, sondern „Paul VI.“, als er am 13. November 1964 feierlich seine Tiara ablegte, gefolgt von der Abschaffung der „Sedia gestatoria“, der Nobelgarde, des päpstlichen Hofes usw. So gesehen bedeute das „Pontifikat“ des „Franziskus“ keinen „Bruch“ mit seinen Vorgängern, sondern die „Weiterführung einer vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführten pastoralen Linie, deren Verlauf Benedikt XVI. nur teilweise umzukehren versucht hat“. Wir dürfen in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß es Ratzinger alias „Benedikt XVI.“ war, der die Tiara endlich auch aus dem „päpstlichen“ Wappen tilgen ließ, wo sie bis Wojtyla noch ihren verschämten Platz hatte, und der – wie wir oben hörten – einen der Papsttitel ablegte. Wir sähen nicht, wo er irgendetwas auch nur „teilweise umzukehren versucht“ hätte. Er hatte nur seine eigene Art, die Dinge voranzutreiben, und seine spezielle Vorstellung, wie es weiterlaufen sollte.

„Was eine Frau ist“

Natürlich dürfen auch weitere Tradi-Aufreger nicht fehlen wie die „Exhortation Amoris Laetitia“ vom 19. März 2016, das Abu-Dhabi-Dokument vom 4. Februar 2019, die Befürwortung der „Migration“, die „Förderung der globalistischen Agenda“, die Ausrufung des „Synodalismus“, die „Diskriminierung der Traditionalisten“, die Eröffnung der Möglichkeit zur Segnung „gleichgeschlechtlicher Paare“, die Zulassung von Laien und sogar Frauen in kurialen Führungspositionen usw. All diese Schandtaten und Skandale hätten zu legitimen heftigen Reaktionen „in der katholischen Welt“ geführt, und es sei zum Teil diesem Widerstand zu verdanken, daß die „progressiven Bischöfe“ ihre Ziele – Abschaffung des Zölibats, Weihe der Frauen etc. – unter „Franziskus“ zu ihrer großen Enttäuschung nicht hätten durchsetzen können.

Abermals befindet sich der Professor im Irrtum, denn es war nicht der „konservative Widerstand“, sondern Bergoglios ureigenstes Konzept, das diese Pläne der „Progressiven“ nicht von Erfolg gekrönt sein ließ. In seinem Buche „Hoffe“ (München 2025) schreibt Bergoglio: „Die Kirche ist eine Frau, kein Mann. Wir Kleriker sind Männer, aber wir sind nicht die Kirche. Die Kirche ist eine Frau, weil sie eine Braut ist“ (S. 232). Man müsse sich daher verstärket „darum kümmern“, die Bedingungen zu schaffen, „daß die Frauen in den verschiedenen Bereichen des sozialen und kirchlichen Lebens ihre Rolle als Mitwirkende und Protagonistinnen spielen können“, damit „ihre Stimme ein immer stärkeres Gewicht bekommt und ihre Autorität immer mehr anerkannt wird“. Eben deshalb, so rühmt er, sei in „diesem Augenblick die Vizeregierungschefin des Governatorats der Vatikanstadt eine Frau“, zwei weitere Frauen arbeiteten im „Dikasterium für die Bischöfe“. „Sie wählen die Hirten für die Diözesen aller Länder aus.“ Eine Frau sei „Direktorin der Vatikanischen Museen“ usw.

„Wenn wir Kleriker nicht begreifen, was eine Frau ist, was die Theologie einer Frau sein kann, werden wir nie verstehen, was die Kirche ist“, fährt Bergoglio fort und mahnt, es sei „eine der großen Sünden, die wir begangen haben“, die Kirche zu „maskulinisieren“, weshalb sie nun zu „de-maskulinisieren“ sei, und zwar ohne die Frau selber zu „maskulinisieren“. „Daher geht es nicht darum, alle Frauen in den Klerus aufzunehmen, alle und jede zum Diakon zu weihen, sondern das marianische Prinzip wertzuschätzen, das in der Kirche noch wichtiger ist als das petrianische. Maria ist bedeutsamer als Petrus, und die Mystik der Frauen ist größer als die eines Dieners des Herrn“, schreibt „Franziskus“ (S. 233). Deshalb sehe er „keine Gründe, warum Frauen in der Kirche keine Führungsrolle übernehmen sollten“, und auch „die Frage, ob Frauen zum Weiheamt des Diakons zugelassen werden sollten“, sei „eine offene Frage, die noch einer gründlichen Klärung bedarf“. Doch sollte gleichzeitig „sofort die Präsenz von weiblichen Laiengläubigen und Nonnen bei der Ausbildung neuer Priester“ gefördert werden. „Heute schon“ könnten „viele Frauen einen wesentlichen Beitrag zur theologischen Forschung leisten“ und „verantwortungsvolle Positionen in den kirchlichen Institutionen oder in der Leitung kirchlicher Gemeinschaften einnehmen“ (ebd.).

Wie man sieht, ist Bergoglio den ewig diskutierenden und fordernden Befürwortern der „Frauenweihe“ weit voraus. Er ist Praktiker und nicht Theoretiker, außerdem ist er ein Feind des „Klerikalismus“ und des „Maskulinismus“, und deshalb prescht er voran und fördert die Frauen in Positionen, die bisher dem männlichen Klerus vorbehalten waren, ohne sich groß über die Frage des „Frauendiakonats“ aufzuhalten, den er freilich nicht ausschließt. Nur hat dieser bei ihm keinerlei Priorität und ist für seine Vorstellungen sogar eher kontraproduktiv, würde er doch nur die Frauen „maskulinisieren“ und den „Klerikalismus“ auch bei ihnen fördern. Jedenfalls waren es nicht die „konservativen“ Proteste, die hier irgendeinen Einfluß auf Bergoglio genommen hätten.

Eine Ära zuende

Eine Ära gehe nunmehr zu Ende, wähnt der Professor und fragt sich, was wohl die „neue Ära“ bringen werde. Der künftige „Papst“ werde womöglich konservativer oder progressiver sein als „Franziskus“, werde aber kein „Bergoglianer“ sein, denn der „Beroglianismus“ sei kein ideologisches Projekt, sondern ein pragmatischer und autoritärer Regierungsstil, der vieles der Improvisation überlasse. Möglicherweise könnten deshalb, aufgrund dieses „fehlenden Erbes“, „die starken Spannungen und Polarisierungen, die sich unter der Herrschaft von Franziskus entwickelt haben“, „bereits in den Tagen des Konklaves explodieren“. Naja, man wird sehen.

Ein paar positive Dinge will der Professor dann doch noch zugunsten Bergoglios anbringen. Er erinnert daran, daß dieser 2021 das „Jahr des heiligen Joseph“ ausgerufen habe, daß er am 25. März 2022 Rußland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht hat (eine solche Weihe Rußlands hatte der „große“ und „heilige“ Wojtyla in den über 26 Jahren seiner Regentschaft nicht zuwege gebracht, wie wir erinnern) und seine vierte „Enzyklika“ mit dem Titel „Dilexit nos“ vom 24. Oktober 2024 dem Kult des Heiligsten Herzens gewidmet hatte. All das habe sich ganz in den Bahnen der „traditionellen Spiritualität der Kirche“ bewegt und sei doch sehr verschieden von dem „heidnischen Kult der Pachamama, dem der Papst ebenfalls im Vatikan gehuldigt“ habe. Tja, Bergoglio war eben sehr vielseitig, und eine gewisse Widersprüchlichkeit finden wir auch bei gestandenen „Traditionalisten“-Führern wie dem großen Erzbischof Lefebvre.

Marianische Frömmigkeit

Einerseits habe Bergoglio der Muttergottes den Titel einer „Miterlöserin“ vehement bestritten, andererseits habe er bekannt, daß er sein ganzes Leben und seinen Dienst der „Mutter unseres Herrn, der heiligsten Maria“ gewidmet habe. In seinem Letzten Willen habe er verfügt, daß er seine irdische Pilgerfahrt in der päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore beenden wolle, um dort den Tag der Auferstehung zu erwarten. In jenes alte Marienheiligtum habe er sich stets begeben um zu beten, „am Beginn und am Ende jeder Apostolischen Reise, um meine Intentionen der Unbefleckten Mutter anzuvertrauen und ihr für ihre sanfte und mütterliche Sorge zu danken“. Eine gewisse marianische Frömmigkeit wird man Jorge Mario Bergoglio nicht absprechen können. Das gibt de Mattei die Gelegenheit, mit einem frommen Aufblick zur seligsten Jungfrau Maria seinen Nachruf zu beenden: „Ihr, der Mutter des mystischen Leibes Christi, vertrauen wir heute alle unsere Hoffnungen an, in der Gewißheit, daß auf die Tage des Leidens der Kirche bald die Tage ihrer Auferstehung und Herrlichkeit folgen werden.“

Sein Wort in Gottes bzw. der Muttergottes Ohr. Wir sehen bislang wenig Aussicht, daß sich das Schicksal der „Kirche in der Zerstreuung“ wenden wird. Alle Anzeichen deuten auf eine noch lange weitere Talfahrt hin. Aber wer weiß? Gott in Seiner Allmacht und die allerseligste Jungfrau in ihrer „fürbittenden Allmacht“ sind stets für Überraschungen gut. Nur eine Überraschung wird es nicht geben: daß aus der „Konziliaren“ Menschheitskirche plötzlich ein katholischer Papst hervorgeht. Das wäre schlicht metaphysisch unmöglich.

Weitere Stimmen

Nach diesen Würdigungen durch eher feindlich gesonnene „Traditionalisten“ wollen wir einige dem Papste ergebene Stimmen hören. Da ist zum einen Daniel Amiri, der auf dem „papsttreuen“ Blog „Where Peter Is“ bekennt: Pope Francis broke me“, „Papst Franziskus hat mich gebrochen“. Wie meint er das?

„Früher habe ich an eine Kirche geglaubt, die mir Trost spendete“, lautet Amiris Bekenntnis. „Ich liebte es, die Tiefen und Weiten ihrer Lehre zu erforschen. Ich habe über ihre Größe gestaunt. Im Kreise derer, die meinen Glauben und meine Überzeugungen teilten, erfuhr ich zum ersten Mal vom Primat des Papstes und von der besonderen Rolle, die er bei der Bewahrung der ewigen Lehre der Kirche spielt. Ich habe meinen ersten Sohn nach einem Papst benannt.“ Da wäre natürlich interessant, nach welchem „Papst“. „Johannes Paul“ oder „Benedikt“? Wie auch immer. Doch wie ging es weiter? „Als Franziskus seine Enzyklika zum Klimawandel veröffentlichte, erlebte ich daher den ersten Riß in meinem Verständnis des Glaubens und der Kirche. Diejenigen, die einst die Autorität des Papstes betonten, schränkten diese Autorität nun ein und verwarfen ihn. Sie sagten jedoch, es ginge nur um die ‚Wissenschaft‘, und ich war beruhigt.“ Das war der merkwürdige „Franzl-Effekt“, der gerade viele der „Konservativen“ und „Papsttreuen“ aufschreckte und etliche von ihnen zu Papstkritikern, ja Papsthassern wandelte.

Protestant geworden

Nicht so unseren Amiri. Als die Angriffe auf „Franziskus“ zunahmen, besonders infolge des großen Aufregers „Amoris laetitia“, verfaßte Bergoglio die „wenig bekannte Apostolische Exhortation ‚Gaudete et Exsultate‘“, die weder besonders „provokativ“ noch originell war. In ihr habe der „Papst“ lediglich wiederholt, was die Kirche jahrtausendelang gelehrt habe, nämlich daß wir „nicht durch unsere Werke oder unsere Anstrengung gerechtfertigt“ seien, „sondern durch die Gnade Gottes, der stets die Initiative ergreift“. Das, so Daniel, habe ihn erschüttert und regelrecht ärgerlich gemacht darüber, was ihm in all den Jahren verweigert geblieben sei, nämlich jene „volle und reiche Theologie, die von tiefen spirituellen Ängsten befreit“. Ein bißchen erinnert uns das an das „Turmerlebnis“ Luthers, der da erkannt haben will, daß der Mensch nicht aufgrund seiner guten Werke, sondern durch „den Glauben allein“ gerechtfertigt sei, was ihn aus seinen fürchterlichen Gewissensqualen „befreite“. Wie es scheint, ist unser Autor nicht auf die „jahrtausendelange“ Lehre der Kirche, sondern auf die einige Jahrhunderte alte des Wittenbergers gestoßen.

Ähnlich wie Luther scheint Amiri einiges bezüglich des „geistlichen Kampfes“ mißverstanden zu haben. „Die Ermahnung des Paulus, unser Heil mit Furcht und Zittern zu erarbeiten, war für mich nur Furcht und Zittern“, gesteht er. „Irgendwann hatte ich gelernt, daß meine Kämpfe mit der Sünde ein Zeichen für eine Rechtfertigung waren, die nicht hielt, daß die Gnade Gottes bei einem großen Sünder wie mir unwirksam war.“ Und so vollzog sich bei ihm ein „geistliches Erwachen“ bei den Worten Bergoglios, der tatsächlich die luthersche „Barmherzigkeits“-Auffassung vertrat, wonach auch der ärgste Sünder bei Gott gerechtfertigt ist, wenn er nur feste auf die Barmherzigkeit Gottes vertraut. „Sündige tapfer, glaube tapferer.“ Wir nennen ein solches vermessentliches Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes in der katholischen Theologie eine „Sünde gegen den Heiligen Geist“.

Amiri war also nun dank Bergoglio ein Protestant geworden, ohne es zu merken, und im Lichte seines neuen Glaubens erschienen ihm die Argumente der Bergoglio-Gegner schal und kraftlos. „Sie zerpflückten das Latein, stellten Strohmänner auf und gewannen dabei eine hübsche Fangemeinde in den sozialen Medien. Die Gegner von Franziskus gewannen an Macht und Einfluß und verbündeten sich mit autoritären Politikern.“ Da mag zumindest in den USA etwas dran sein.

„Fülle des Glaubens“

Nun fiel es dem guten Daniel wie Schuppen von den Augen. Er sah plötzlich, „wie sehr mein Verständnis des Glaubens durch das Streben nach Macht, Kontrolle, Geld und Ruhm verunreinigt worden war“, während „im Gegensatz dazu“ „Franziskus“ die „Insignien des Christentums“ ablegte, „bescheiden lebte“ und „die Armen und Kranken in sein Haus“ aufnahm. Sieh da, wie man das mit den „Zeichen“ und „Symbolen“ auch sehen kann, ganz anders als der Professor de Mattei! Wie sehr fühlte sich Amiri da an die Schelte der Pharisäer im Evangelium erinnert, als der Heiland mit Zöllnern und Sündern zu Tische saß, und gedachte der Worte Jesu: „Nicht die Gesunden bedürfen der Arztes, sondern die Kranken. Geht und lernet was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder“ (Mt 9, 11-13). Auch eine sehr bibelsichere Auslegung, nicht anders als bei de Mattei. Daß der Heiland diese Worte nicht sagt, um die Sünder in ihren Sünden zu bestärken oder zu belassen, sondern um die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer zurechtzuweisen – das interessiert weder Bergoglio noch Daniel noch hat es Luthern interessiert.

In seinen übrigen „Papstjahren“ überraschte Amiri nichts mehr von dem, was „Franziskus“ tat. Seine Bewunderung wuchs für dessen beherztes Engagement für die Vergessenen und Ausgestoßenen, das sich in all seinen Lehren und Handlungen zeigte. Wo immer sich ihm irgendwelche Traditionen der Kirche („traditions“ mit kleinem „t“, wie Amiri betont) beim Ausdruck der „Fülle des Glaubens“ entgegenstellten, brach er sie, was viele zu der Befürchtung veranlaßte, „Franziskus“ würde die Kirche zerbrechen. In der Tat habe Franziskus ihn „gebrochen“, wie wir schon in der Überschrift hörten. Nunmehr glaube er wirklich an eine tröstende Kirche, eine, welche den Sünder tröste und die Kranken heile. Nun liebt er es, „die Tiefe und Weite ihrer Lehre zu erforschen und mich von Gott jeden Tag zum Herzen des gekreuzigten Jesus bekehren zu lassen“. Er staunt über „die Größe der Kirche, die sich in den Verlorenen und Vergessenen, den Armen und Leidenden verkörpert“. Seinen zweiten Sohn hat er deshalb nach „Franziskus“ benannt. Wir sind gespannt, wie Daniel Amiri seinen dritten Sohn nennen und welche neuen Erkenntnisse über die „Kirche“ und den „Glauben“ er erlangen wird.

Auf „Where Peter Is“ finden sich unter der Rubrik „In memoriam: Pope Francis“ noch etliche weitere „persönliche Zeugnisse“, die eine ganz andere Sprache sprechen als die miesepetrigen Tradis und zum Teil durchaus lesenswert sind. Wir wollen uns jedoch noch eine andere Stimme anhören. Das dann beim nächsten Mal.

Fortsetzung folgt