Nicht nur die Katholiken feiern in diesem Jahr die eintausendsiebenhundertste Wiederkehr des Konzils von Nizäa, nein auch die „Konziliare“ Menschheitskirche begeht dieses Jubiläum, außerdem die „EKD“ und viele andere „christliche Gemeinschaften“, die in der Erinnerung an dieses erste „Ökumenische Konzil“ die Hoffnung auf (Wieder-)Herstellung der wahren Ökumene wiederbeleben wollen. Wir haben uns bereits mit dem „Osterfeststreit“ befaßt, den dieses Konzil zu lösen hatte und auch gelöst hat, bis die „Orthodoxen Gemeinschaften“ sich von dem gemeinsamen Termin trennten. Wir haben vom „Großen“ und „Kleinen“ Glaubensbekenntnis gehört und uns den Arianismus als Musterbeispiel aller großen Häresien angesehen. Nun wollen wir uns das Konzil von Nizäa genauer ansehen.
Die Einberufung des Konzils, seine Teilnehmer und seine Dauer
Es gab leider, wie es stets vorzukommen pflegt, auch einige Bischöfe, die für Arius Partei nahmen, darunter besonders Eusebius von Nikomedien, „ein früherer Mitschüler des Arius und entfernter Verwandter des Kaisers Constantin“. Dies sollte sehr verhängnisvoll werden. Bei seinem Freund Eusebius in Nikomedien fand Arius Unterschlupf, „verfaßte dort seine Thalia“, und wahrscheinlich auf dessen Eingebung hin sandte er „an Bischof Alexander eine Art Symbolum, worin er in geschickter Weise seine Rechtgläubigkeit zu erheucheln und zu verteidigen wußte“ (ebd.). Bischof Eusebius „trat immer offener für die neue Lehre auf“, und auch „der berühmte Kirchenhistoriker Eusebius von Cäsarea begünstigte offenkundig, ohne freilich entschiedener Arianer zu sein, die Partei des Arius“. Bischof Alexander „warnte in mehreren Rundschreiben an die katholischen Bischöfe vor den Umtrieben des Häretikers und legte seine Irrtümer dar“. Politische Wirren verschlimmerten um 322 die Lage, und in dieser Zeit kehrte Arius „voll Trotz nach Alexandrien zurück“ (ebd.).
Nachdem Konstantin die Wirren und Widerstände überwunden hatte und „323 Alleinherrscher geworden war, hielt er es für seine Pflicht, neben dem bürgerlichen Frieden auch den kirchlichen wiederherzustellen“. Er hielt die ganze Angelegenheit für ein „bloßes Wortgezänk“, das „plebejisch, kindisch und für Priester unwürdig sei und am allerwenigsten vor das Volk gehöre“ (Sp. 1277-1278). „In dieser Meinung wurde der Kaiser, der eine fast krankhafte Sucht zum Predigen und Moralisieren hatte, durch Eusebius von Nikomedien bestärkt“ (Sp. 1278). Er sandte Schreiben an Alexander und Arius, die „zum Frieden mahnten“. Als alles nicht fruchtete und „außerdem der Osterstreit eine Entscheidung erheischte, berief der Kaiser unter Zustimmung des Papstes Sylvester I. (ex sacerdotum sententia, Rufinus, Hist. eccl. I, 1) ein allgemeines Konzil nach Nizäa“ (ebd.). Der „ungetaufte Laie“ Konstantin tat das nicht auf eigene Faust, sondern erst „mit Zustimmung des Papstes“. Das wollen wir hier festhalten.
„Constantin suchte den Bischöfen die Reise zum Konzil auf alle Weise zu ermöglichen“, berichtet das Kirchenlexikon (ebd.), „oder doch zu erleichtern. Er stellte ihnen die öffentlichen Wagen und Lasttiere zur Verfügung, und während der Dauer der Versammlung sorgte er reichlich für ihren Unterhalt. 318 Bischöfe, welche Ambrosius treffend mit den 318 Knechten Abrahams vergleicht, waren auf den Konzil anwesend; größtenteils waren es Orientalen.“ Die Zahl 318 gilt den „modernen“ Historikern als mythisch, wie wir schon bei Herrn Tück gesehen haben, bzw. als reine Symbolzahl, angelehnt an jene 318 Knechte Abrahams. Das Kirchenlexikon bemerkt dazu an anderer Stelle (9. Band, Freiburg i.Br. 1895) unter dem Stichwort „Nicäa“: „Die Zahl der angekommenen Bischöfe gibt Eusebius (…) auf mehr als 250 an mit dem Beifügen, daß die Menge der dieselben begleitenden Priester etc. fast unermeßlich gewesen sei; Athanasius dagegen spricht mehrmals von ungefähr 300, und einmal ausdrücklich von 318 Bischöfen, die zu Nicäa versammelt gewesen (…); letztere Zahl wurde fortan als die wahrscheinlichste angenommen“ (Sp. 226). Ohnehin kann man davon ausgehen, daß die Zahl der anwesenden Bischöfe im Verlauf des Konzils, das sich über mehrere Monate hinzog und verschiedene Perioden kannte, schwankte. Jedenfalls ist die 318 keine reine Symbolzahl.
Wir lesen wieder weiter im ersten Band des Kirchenlexikons: „Viele von den Vätern trugen noch die Narben aus der Verfolgung an sich (…); andere waren ausgezeichnet durch Wundergaben, wie Jakob von Nisibis, Nikolaus von Myra, Spiridion aus Zypern; wieder andere durch Weisheit und Gelehrsamkeit“ (a.a.O.). „Besonders ragte hervor Alexander von Alexandrien“, der Bischof und „Erzfeind“ von Arius. „Diesem stand treu zur Seite der junge und gelehrte Diakon Athanasius, ‚der kräftigste Kämpfer gegen die Arianer‘ (Socr. I, 8) und ‚geistig wohl der hervorragendste Mann der Synode, auch ein gewandter Dialektiker‘ (Hefele l.c. 294)“ (ebd.). Den Vorsitz der Versammlung führte im Namen von Papst Sylvester I. „Bischof Hosius nebst den frommen Priestern Vitus und Vincentius“. „Die Stellung dieser drei Männer brachte es mit sich, daß sie vor den ‚ersten Prälaten des Orients‘ (…), den Patriarchen von Alexandrien und Antiochien, die Beschlüsse des Nicänums unterschrieben. Auch Socrates stellt in seiner Kirchengeschichte (I, 8), wo er die bedeutendsten Mitglieder der Synode aufzählt, die Stellvertreter des ersten Bischofs der Christenheit an die Spitze der Liste“ (ebd.). Das ist nicht unwichtig, weil die Sache gerne so dargestellt wird, als sei das Konzil von Nizäa völlig ohne den Papst abgelaufen, präsidiert vom Kaiser, einem „ungetauften Laien“. In Wahrheit hatte sehr wohl der Papst den Vorsitz, allerdings, da er nicht persönlich anwesend war, vertreten durch den von ihm beauftragten Bischof Hosius und dessen Begleiter.
„Das Ehrenpräsidium wurde dem Kaiser Constantin eingeräumt, der für die Sache das größte Interesse bewies, wie er sich auch gern als ‚Bischof des Äußern der Kirche‘ zu bezeichnen pflegte. Die Leitung der theologischen Verhandlungen überließ Constantin der Natur der Sache gemäß den kirchlichen Häuptern der Synode“ (ebd.). Zum Datum der Synode besteht vollkommene Einhelligkeit über das Jahr, während die Monatsangaben variieren. Das hat folgenden Grund: „Die Beratungen begannen am 22. Mai, am 29. Juni wurde das Symbolum aufgestellt, und am 25. August die Synode geschlossen“ (ebd.). Es gab eben verschiedene Perioden, wie das bei jedem Konzil der Fall zu sein pflegt, die sich vom 22. Mai bis zum 25. August 325 hinzogen.
Das „Homousios“
Der Erzhäresiarch Arius selber war ebenfalls erschienen, „und 18-22 Bischöfe, die nach ihrem Hauptführer Eusebius von Nikomedien die Eusebianer hießen, unterstützten seine Opposition gegen die katholische Lehre“ (Sp. 1279). Leider findet die Häresie immer wieder Anhänger auch unter den Bischöfen. „Die anderen Bischöfe waren empört über die Gotteslästerungen, die Arius auszusprechen wagte“, eine für Katholiken und namentlich Bischöfe nur natürliche Reaktion. „Die Eusebianer traten äußerlich weniger schroff auf als die strengen Arianer, suchten aber um so eifriger durch Verdrehung der heiligen Schrift und alle möglichen Winkelzüge ihrer arianischen Ansicht Geltung zu verschaffen.“ Ohne diese Art von „Vermittlern“ wären Häresien weit weniger erfolgreich. Auch Luther wäre ohne Melanchthon nicht so weit gekommen. „Besonders erhoben sie sich gegen den zuerst vom Papste Dionysius gebrauchten Ausdruck ‚gleichwesentlich‘ (homousios), weil er nicht schriftgemäß sei“ (ebd.). Eine beliebte Ausrede der Häretiker, die wahre Lehre sei „nicht schriftgemäß“.
Man beachte, daß dieser so entscheidende Ausdruck „homousios“ ursprünglich von Papst Dionysius (260-268) stammte, dem Nachfolger Petri, der damit ein glänzendes Glaubenszeugnis abgelegt und sich wieder einmal der Verheißung Christi gemäß als der „Fels“ gezeigt hat, auf dem Glaube und Kirche sicher ruhen (insofern war dieser Ausdruck sogar überaus „schriftgemäß“). Wir haben oben schon von diesem Papst gehört und erfahren, daß Arius dessen Lehrschreiben gekannt haben muß. Er war nicht „bona fide“, sondern erhob sich von Anfang an bewußt gegen den Papst, was nicht gut ausgehen konnte. Gleich wie bei der ersten Revolte des Luzifer im Himmel, steckte er mit seiner Empörung auch andere an und zog sie in seinen Aufstand hinein, darunter jene Eusebianer.
Die Katholiken hingegen wurden durch jenen Ausdruck „homousios“, welcher „die katholische Lehre am schärfsten ausdrückte, (…) wie Möhler treffend sagt, auch hinsichtlich der Sprache Eins, wie sie es in der Lehre schon waren“ (ebd.). Der Papst ist derjenige, der die katholische Einheit wirkt, wie wir an diesem Vorgang bestens sehen können. Das Kirchenlexikon zitiert Möhler mit den Worten: „Der Glaube war immer gleich; nur wurde eine eigene Terminologie eingeführt, um den Ketzern gegenüber die Lehre behaupten zu können“ (Kirchengeschichte I, 359). Ein Schulbeispiel für das, was wir „Dogmenentwicklung“ nennen.
Das Symbolum
Den Entwurf für das Symbolum, das nizänische Glaubensbekenntnis, lieferte Eusebius von Cäsarea, der auf dem Konzil eine „eigentümliche Stellung“ einnahm (denn er begünstigte an sich die Partei des Arius, wie wir oben gehört haben). In manchen Punkten wurde dieser Entwurf tatsächlich zur Grundlage, doch den „stärksten Einfluß auf den Inhalt des neuen Symbolums“ übte „Hosius von Corduba aus“, der Vertreter des Papstes, von dem Athanasius sagte, daß er in Nizäa die „Erläuterungen über den Glauben gegeben“ habe. Die Synode gab endlich „ihr Glaubensbekenntnis in so bestimmten Ausdrücken, daß weder den entschiedenen Arianern, noch den halben, den sogen. Eusebianern, dein Schlupfwinkel übrig blieb“ (ebd.). Von dieser Art ist die Sprache ökumenischer Konzilien: klar, eindeutig und bestimmt, ohne Ausflüchte zuzulassen oder einer „Hermeneutik der Reform“ oder einer „Interpretation im Lichte der Tradition“ zu bedürfen.
Zunächst wurde die Lehre des Arius, die wir oben kennengelernt haben, verworfen und mit dem „Anathem“ belegt. „Sodann wurde positiv der Kern des katholischen Glaubens in folgenden zwei Sätzen nieder gelegt: 1. der Sohn ist gezeugt aus dem Vater, d.i. aus dem Wesen des Vaters (…); 2. der Sohn, gezeugt, nicht geschaffen, ist dem Vater wesensgleich (…)“ (ebd.). Dabei ist die klare Unterscheidung zwischen „gezeugt“ und „geschaffen“ das „eigentliche Formalprinzip des Bekenntnisses der nicänischen Väter“, weil es von den „strengen Arianern“ aufgehoben, von den Semiarianern aber gelockert wurde.
„Die Furcht, Amt und Würde zu verlieren, bewog die meisten Bischöfe, welche es vorher mit Arius hielten, zur Nachgiebigkeit“ (ebd.). Leider laufen die Dinge oft so, auch in der Kirche. In diesem Fall war es zum Heile der Bischöfe, beim „II. Vatikanum“ zu ihrem Unheil. Auch Eusebius von Nikomedien leistete seine Unterschrift, „um nicht verbannt zu werden“, und bewies darin nach unserem Lexikon die „größte Charakterlosigkeit“ (ebd.), zumal er in einem Bericht an seine Gemeinde „dem Urteile gegen Arius seine Anerkennung“ versagte. Nach Bekanntwerden seiner Unaufrichtigkeit wurde er doch noch in die Verbannung geschickt, ebenso wie Arius und ein paar wenige seiner unbußfertigen Anhänger. „Der Kaiser war so erbittert, daß er sogar den Namen ‚Arianer‘ austilgen wollte“ und die Schriften „des Häresiarchen und seiner Freunde“ verbrennen ließ (Sp. 1280). „Das häretische Feuer war aber damit noch nicht erstickt“ (ebd.), und auch der Kaiser sollte noch eine unrühmliche Rolle im weiteren Verlauf spielen.
Modernistische Christologie
Das aber ist hier nicht unser Thema. Wir kehren wieder zurück zu Tück (reimt sich so schön: „zurück“ und „Tück“), der uns auf die etwas naive Frage des „Domradios“, ob denn eine Unterordnung des Sohnes unter den Vater nicht „natürlich“ wäre, da Jesus „ja erst Weihnachten zur Welt“ kam, mit einigen dogmatischen Ausführungen kontert. Man müsse, so sagt er, „zwei Ebenen unterscheiden: die ewige Geburt aus dem Vater und die zeitliche aus Maria“. Das ist schon etwas sonderbar formuliert. Warum spricht er von einer „ewigen Geburt“, während doch die Kirche stets die Formel von der „Zeugung“ des Sohnes durch den Vater verwendet hat, und warum weist er nicht einfach auf die beiden Naturen in Christus hin, die göttliche und die menschliche?
Für ihn ging es im „arianischen Streit“ um die Frage: „Sind Vater, Sohn (und Heiliger Geist) ontologisch, also in ihrem Sein, auf derselben Ebene anzusiedeln – oder nicht? Ist Gott ein Gott in Beziehung oder ist er von Ewigkeit her eine beziehungslose Monade? Der Begriff der Homoousie, der Gleichwesentlichkeit, trägt in den Gottesbegriff eine symmetrische Beziehung ein.“ Ah ja, die „Beziehung“, das moderne Zauberwort! Im modernistischen System ist die „Beziehung“ alles. Tück sieht im Bekenntnis des Konzils von Nicäa eine „Provokation“, wenn man es „auf heutige Debatten“ beziehe, denn es rufe in Erinnerung, „dass der Sohn, der in Jesus Christus Mensch wird, von Ewigkeit her bei Gott war oder ist, müsste man eigentlich sagen“. Aber müßte man nicht auch sagen, daß Er nicht nur „bei Gott war oder ist“, sondern daß Er selber Gott ist? Wie es im Johannesprolog heißt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ (Joh 1, 1).
Der Professor weist immerhin darauf hin, daß man „unzulänglich von Jesus Christus“ spreche, „wenn man ihn als sittliches Vorbild, als Lehrer der Humanität, als wunderbaren Gleichniserzähler, als galiläischen Wanderrabbi kennzeichnet, was er natürlich auch war“, wie er schnell hinzufügt. Doch das Konzil von Nicäa halte wach, „dass uns in Jesus Christus das Geheimnis Gottes selbst begegnet und nicht nur ein Mittler, ein Prophet oder ein bevorzugtes Geschöpf“. Wieso redet er wieder so verschwurbelt vom „Geheimnis Gottes selbst“, das uns in Christus „begegnet“, und sagt nicht, daß uns in Christus Gott selber gegenübertritt?
An dieser Stelle ist es nun das „Domradio“, das den Johannesprolog ins Spiel bringt, und Tück beeilt sich zu bestätigen, daß die „Logostheologie des Johannes-Evangeliums“ selbstverständlich „eine große Rolle“ spiele. Es sei um die Frage gegangen, „wie das Evangelium in den hellenistisch geprägten Kulturraum übersetzt werden kann“, und dazu habe Johannes – nein, nicht Johannes, sondern „der Johannesprolog“, denn für die Modernisten stammt das Johannesevangelium ja nicht vom heiligen Johannes, sondern von einer anonymen „Gemeinde“ aus dem 2. oder 3. Jahrhundert –; der „Johannesprolog“ also habe zu diesem Zweck „den prominenten Begriff ‚Logos‘“ aufgenommen und auf Jesus Christus bezogen. Damit werde die „Präexistenz des Logos“ gelehrt, „also dass der Logos von Ewigkeit her beim Vater ist“. „Dieser Logos wird Fleisch, wie das Johannesevangelium [nicht der heilige Johannes, sondern „das Johannesevangelium“!] sagt, sodass hier eine hohe Christologie entfaltet wird: Präexistenz und Inkarnation sind die Grundlage für das, was dann im Zusammenhang von Leben, Tod und Auferstehung narrativ entfaltet wird.“ Wieder sagt uns der Herr Professor nicht, daß der Logos Gott ist und die „hohe Christologie“ darin besteht, daß Christus der menschgewordene Sohn Gottes ist: wahrer Gott und wahrer Mensch. Damit scheint er seine Probleme zu haben, ebenso wie mit der Tatsache, daß der heilige Johannes als Augen- und Ohrenzeuge in seinem Evangelium einen authentischen Bericht abgibt und nicht nur eine „Gemeinde“ ihre „hohe Christologie“ „narrativ entfaltet“.
Bleibende Herausforderung
Das „Domradio“ will wissen, ob der Arianismus nicht in „moderner Form“ weiterlebe, da doch das „Bild vom Wanderrabbi und Gleichniserzähler“ nach wie vor „populär“ sei. Doch Herrn Tück wäre das „zu unpräzise, weil Arius streng genommen gar kein Arianer war“. Wie meint er das? In gewissem Sinn ist das bei allen Häretikern so. Auch Luther war kein „Lutheraner“. In Arius sieht Tück einen „spekulativen Kopf“, „dem es um kosmologische Fragen ging und der den Sohn als Schöpfungsmittler eingestuft hat“, weshalb hat er eine „abgeschwächte Form der Präexistenz des Sohnes vertreten“ habe. Der Sohn sei „zwar dem Vater untergeordnet, aber aller Schöpfung vorgeordnet“, und alles, was ist, sei „aus dem Sohn als dem Schöpfungsmittler und Demiurgen hervorgegangen“. Das ist genau die Lehre des Arianismus, wie wir sie oben vernommen haben. War Arius vielleicht doch eine Arianer? Auf jeden Fall war er ein Häretiker, denn er hat die Gottheit Christi geleugnet.
Mit Vehemenz richtet sich der Arius-Versteher Tück gegen die heutige „popularisierende Begriffsverwendung von Arianismus“, so als habe Arius die Absicht gehabt, „Jesus nur als Menschen zu beschreiben“. Ihm sei es „weniger um den Menschen Jesus“ gegangen „als vielmehr um den Sohn“, eben jenes „Geschöpf vor aller Schöpfung“. Der Name Jesus hingegen bezeichne ja „den Menschen und Juden Jesus, der um die Zeitenwende von Maria geboren wird, in Galiläa gewirkt hat und in Jerusalem gekreuzigt wurde“, und von dem „die neutestamentlichen Erscheinungsberichte“ erzählen, „dass er auferstanden ist“. Wohlgemerkt, Tück sagt nicht, daß dieser „Mensch Jesus“ auferstanden ist, sondern daß die „neutestamentlichen Erscheinungsberichte“ davon erzählen. Wieder kommen wir nicht umhin, das modernistische Schema zu erkennen, das zwischen dem historischen „Menschen und Juden Jesus“ unterscheidet und dem „Christus des Glaubens“, von dem uns „die neutestamentlichen Erscheinungsberichte“ erzählen, „dass er auferstanden ist“.
Arius sei es nicht darum gegangen, „Jesus nur als Menschen zu beschreiben“ (kein Wunder, für ihn war Jesus ja auch kein wahrer und eigentlicher Mensch, wie wir gleich noch sehen werden.). Verstünde man den Arianismus so, dann gebe es freilich „heutige Spielarten eines Arianismus“, „die Jesus als menschlichen Menschen würdigen, aber das Bekenntnis zu seiner Gottheit relativieren oder mit antidogmatischem Affekt ganz bestreiten“, worin eine „bleibende Herausforderung für die Theologie“ bestehe. Zumal man „umgekehrt auch sagen“ müsse, „dass Jesus ganz Mensch gewesen ist wie wir“. In diesem Sinne hab das Konzil von Chalcedon im Jahr 451 „den Begriff der Homoousie“ aufgenommen und gelehrt, „dass Jesus Christus auch ‚mit uns wesensgleich‘ ist“. Somit findet Tück es „absolut richtig zu sagen, dass er ein sittliches Vorbild, ein Lehrer der Humanität und ein Gleichniserzähler ist“, was jedoch „unzureichend“ wäre, so lange „nicht dazugesagt wird, dass in der Person und Geschichte Jesu Christi zugleich Gottes Geheimnis selbst begegnet und nicht nur irgendetwas von ihm“. Und wieder vermeidet es der Professor, ein klares Bekenntnis abzulegen, daß Christus beides ist: wahrer Gott und wahrer Mensch.
Nach modernistischer Lesart ist Christus nur ein Mensch, „ein sittliches Vorbild, ein Lehrer der Humanität und ein Gleichniserzähler“, in dessen „Person und Geschichte“ uns jedoch „zugleich Gottes Geheimnis selbst begegnet und nicht nur irgendetwas von ihm“. Wie der heilige Papst Pius X. in seiner Enzyklika „Pascendi“ ausführt, hat der Modernist auf die Frage, „ob Christus wirkliche Wunder gewirkt, wirklich Zukünftiges vorausgeschaut, ob Er wirklich auferstanden und in den Himmel aufgefahren sei“, zwei Antworten: eine als agnostischer Wissenschaftler, Philosoph oder Historiker, die selbstverständlich ablehnend ist, und eine als Glaubender, die ebenso selbstverständlich zustimmend ist, „ohne daß deshalb zwischen beiden Streit entstehen würde“. Diese „conjunctio oppositorum“, die Vereinigung der Widersprüche, ist die „bleibende Herausforderung für die Theologie“ der Modernisten, die sie fortwährend beschäftigt, weshalb auch der „Mozart der Theologie“ Ratzinger beständig an dem Verhältnis zwischen „Glaube und Vernunft“ herumknabberte, ohne es je lösen zu können.
Übrigens leugnete Arius (wie oben bereits angedeutet) nicht nur die Gottheit Christi, sondern auch Seine Menschheit. Wie der Dogmatiker Karl Adam (Der Christus des Glaubens, Düsseldorf 1954, S. 41) herausgearbeitet hat, gab ihm sein Logosbegriff „die Basis, das gottmenschliche Geheimnis in der Weise zu klären, daß der Logos in der wahren Menschheit Christi die menschliche Seele ersetze, und zwar die ganze menschliche Seele als Prinzip des psychisch-vitalen animalischen und des geistigen Lebens“. Demnach hat der Logos „bei der Inkarnation nicht die ganze menschliche Natur“ angenommen, „sondern nur das Fleisch, das Somatische“, „nicht die menschliche Seele“. „Der Gottmensch besteht aus dem menschlichen Fleisch und dem göttlichen Logos. Der Logos ist also eigentlich nicht Mensch, sondern Fleisch geworden.“ Offensichtlich liegt hier eine sehr primitive, allzu wörtliche Auslegung des Johannesprologs vor. „Ebenso naiv und derb wie seine Logoslehre ist seine Deutung des Ineinander von Gott und Mensch in Christus. Christus ist ein Halb-Mensch und ein Halb-Gott, das Monstrum einer Synthese.“ Eine wahrhaft grauenvolle Irrlehre! Eine Entstellung der heiligsten Gestalt unseres Erlösers! Man versteht die Empörung der Bischöfe auf dem Konzil von Nizäa. Der Modernismus ist allerdings auch nicht viel besser. Zwar beläßt er Christus die ganze menschliche Natur, verflüchtigt allerdings Seine Gottheit in das „religiöse Gefühl“, das uns ermöglicht, in der „Person und Geschichte“ dieses „wunderbaren Gleichniserzählers“ und „galiläischen Wanderrabbis“ zugleich „Gottes Geheimnis selbst“ zu begegnen.
Das „Filioque“
Im weiteren Verlauf des Gesprächs zwischen „Domradio“ und Tück kommt die Rede auf den „Zusatz“, den das „Große Glaubensbekenntnis“ im Laufe der weiteren „Entwicklung“ in der „Westkirche“ erhielt, daß nämlich „der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgeht, das sogenannte ‚filoque‘“. Warum dies zum „Streit mit der Ostkirche“ geführt habe, will das „Domradio“ wissen. Der Dogmatikgeschichtler erklärt, daß das Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 das „nicänische Credo“ durch die Aussagen über den Heiligen Geist ergänzt habe, welcher „der Herr ist und lebendig macht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherrlicht wird“, wobei der „Begriff der Homoousie“ wohlweislich „vermieden“ werde, den das Konzil von Nizäa verwendet hatte, sondern „zunächst biblische und doxologische Aussagen“ gemacht würden. Statt den Begriff der „Homoousie“, der nach 325 „für weitere Kontroversen gesorgt hatte“, habe man eine „Homo-timie“, „also eine gleiche Anbetungswürdigkeit“ gelehrt, was „die Göttlichkeit des Heiligen Geistes“ betonte. „In der lateinischen Westkirche“ sei es dann „dazu gekommen, dass man das ‚filioque‘ eingefügt hat, um auszusagen, dass der Geist aus dem Vater ‚und dem Sohne‘ hervorgeht“, was „zu Streitereien zwischen Ost und West geführt“ habe.
Für Herrn Tück ist das „filioque“ ein „komplexes Problem, das mehrere Ebenen berührt“. Vor allem habe „die Ostkirche zu Recht gesagt, dass das eine eigenmächtige, nicht durch ein Konzil bestätigte Erweiterung des nicäno-konstantinopolitanischen Bekenntnisses durch einen Papst gewesen ist“. „Diese Erweiterung durch Benedikt VIII. lehnt sie schon aus kanonischen, also aus rechtlichen Gründen ab.“ Zweitens sähen die „Kirchen des Ostens“ darin „ein dogmatisches Problem, wenn der Sohn genauso wie der Vater Ursprung des Heiligen Geistes ist“, denn so scheine es, als gebe es „zwei Ursprünge in Gott“ was „den Glauben an den einen Gott sprengen“ und somit den „biblischen Monotheismus gefährden“ würde. Drittens ergebe sich „auch ein liturgisches Problem, weil die lateinische Westkirche nicht mehr absolut dasselbe betet wie die Christen des Ostens“. Umso schlimmer für die „Kirchen des Ostens“!
Wäre Herr Tück ein wirklich katholischer Dogmatiker, so hätte er weniger Sympathien für Häretiker und Schismatiker als vielmehr ein Interesse, die katholische Sache zu verteidigen. Lassen wir das Kirchenlexikon sagen, was er eigentlich sagen müßte: „Filioque ist eine Formel zur Bezeichnung für den Ausgang des heiligen Geistes auch vom Sohne. Der heilige Geist hat nämlich seinen ewigen Ursprung nicht bloß vom Vater, sondern auch vom Sohne, jedoch nicht wie durch zwei Prinzipien, sondern wie von einem Prinzipe, und nicht durch eine zweifache, sondern durch eine einfache Spiration“ (Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, 4. Band, Freiburg i.Br. 1886, Sp. 1486). Das wäre die Antwort auf das „dogmatische Problem“, die eindeutig widerlegt, daß es „zwei Ursprünge in Gott“ gäbe, und somit weit davon entfernt ist, „den Glauben an den einen Gott“ zu „sprengen“ und den „biblischen Monotheismus“ zu „gefährden“. „Der durch das Filioque ausgesprochenen Wahrheit [!] steht der Irrtum [!] entgegen, daß bloß der Vater, nicht auch der Sohn, das ewige Prinzip des heiligen Geistes sei“ (ebd.). Indem die Kirche das „Filioque“ betonte, hat sie nicht ein „komplexes Problem“ geschaffen, sondern nur die Wahrheit gegen den Irrtum in Schutz genommen. So etwas kann und darf ein Papst übrigens auch ohne Konzil tun, es gehört zu seinen täglichen Aufgaben.
Das eigentliche „Problem“
In den „vier ersten christlichen Jahrhunderten“ gab es keine Leugnung dieser Glaubenslehre, die damals schon bestand und keine spätere „Erfindung“ war. Erst im Zusammenhang mit dem Nestorianismus entstand eine gewisse „Kontroverse“, die jedoch „vorübergehend“ war und „bloß die Orientalen“ berührte, „während sie im Okzident unbekannt oder unbeachtet blieb“ (Sp. 1487). „Im 7. Jahrhundert fand das Filioque in dem gegen die Monotheleten gerichteten Synodalschreiben des Papstes Martin I. bei diesen Häretikern in Konstantinopel […] Widerspruch“ (ebd.). Das war schon lange vor Benedikt VIII. Jedoch gewann der Streit damals „keine weitere Ausdehnung“. „Im Anfange des 9. Jahrhunderts (…) beschuldigte der griechische Mönch Johannes aus dem Kloster des hl. Sabas die fränkischen Mönche aus dem Ölbergskloster zu Jerusalem der Häresie, weil sie das Filioque im Symbolum bekannten (…). Photius, der durch widerrechtliche Entsetzung des Patriarchen Ignatius auf den bischöflichen Stuhl von Konstantinopel gelangt war (858), leugnete den Ausgang des heiligen Geistes vom Sohne und bestritt die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Filioque in das konstantinopolitanische Symbolum. Dasselbe geschah Ende des 10. Jahrhunderts durch die Patriarchen Sisinnius und Sergius und dann um die Mitte des 11. Jahrhunderts durch den Patriarchen Michael Cärularius, der das griechische Schisma erneuerte und vollendete. Seitdem ist die Verwerfung des Filioque oder die Lehre, daß der Vater allein mit Ausschluß des Sohnes das ewige Prinzip des heiligen Geistes sei, neben der Leugnung des römischen Primates der Hauptirrtum der schismatischen griechischen Kirche geblieben“ (Sp. 1487-1488).
Da haben wir die finstere Quelle dieser Irrlehre. Sie stammt aus dem Schisma. Das ist das eigentliche Problem. Bevor sich die Ostkirchen von der kirchlichen Einheit trennten, gab es keine Probleme. „Die heiligen Väter haben die Glaubenslehre des Filioque auf’s Klarste bezeugt und neben den Argumenten der heiligen Schrift und den Zeugnissen der Tradition auch schon die theologischen Beweisgründe benutzt, wie sie bei den Scholastikern sich finden (…). Die Übereinstimmung der orientalischen, insbesondere der griechischen Väter mit den abendländischen Zeugen der Tradition ist, wie Kardinal Bessarion auf dem Konzil von Florenz betonte, im Voraus gewiß und liegt tatsächlich vor. Eine Verschiedenheit der Lehre hätte auch notwendig Widerspruch hervorrufen müssen“ (Sp. 1488). Der Angriff auf das „Filioque“ war nur ein Vorwand, um das Schisma zu rechtfertigen.
„Die Aufnahme des Filioque in das (nicänisch-)konstantinopoltanische Symbolum im Abendlande erfolgte, wenn nicht schon auf dem Konzil von Toledo 447, dann doch auf dem dritten Konzil daselbst 589. Das Beispiel Spaniens fand Nachahmung in anderen Ländern“ (Sp. 1491-1492). Zwar wollte Papst Leo III., „der die Glaubenslehre des Filioque bestätigte“, den Ausdruck dennoch nicht im Symbolum haben. Doch „um die Mitte des 11. Jahrhunderts hatte das Filioque selbst in Rom feste Stellung im Symbolum“ (Sp. 1492). „Über die Zeit dieser Aufnahme herrscht Meinungsverschiedenheit; die meisten glauben, sie sei unter Benedikt VIII. (1014-1015) geschehen. Die Rechtmäßigkeit der Erweiterung des Symbolums durch das Filioque, welche die griechischen Schismatiker in Folge ihrer Leugnung des darin ausgedrückten Dogmas bestreiten mußten, bedarf keines längeren Nachweises“ (ebd.). Natürlich unterließen es die „griechischen Schismatiker“ nicht, sich auf die „Tradition“ zu berufen, wie es alle Häretiker und Schismatiker tun. Jedoch: „Die Berufung auf das allgemeine Konzil von Ephesus und die folgenden Konzilien, welche jede Änderung des Glaubensbekenntnisses untersagt haben, ist hinfällig. Ein solches Verbot, soweit es dogmatischen Charakter besitzt, trifft bloß jede Fälschung, nicht eine nähere Erklärung des Glaubens; soweit es aber disziplinäre Bedeutung hat, bindet es nicht die höchste kirchliche Autorität, wie auch die Konzilien nach dem Ephesinum tatsächlich gezeigt haben“ (ebd.).
Schluß folgt