Ökumenisches Ereignis (1/3)

Das Jahr 2025 ist nicht nur ein „Heiliges Jahr“, sondern auch das Jubiläumsjahr des Konzils von Nizäa, des ersten Ökumenischen Konzils überhaupt. Nicht nur die „katholische Kirche“, nein auch die anderen „christlichen Kirchen“ erinnern daran mit großen Jubiläums-Veranstaltungen. Die „EKD“ („Evangelische Kirche Deutschlands“) verkündete froh unter dem Jubeltitel „Das Jahrtausend-Konzil“: „In diesem Jahr jährt sich zum 1.700. Mal das erste ökumenische Konzil der Welt in Nizäa. Die Versammlung von 325 gilt als Schlüsselmoment in der Geschichte des christlichen Glaubens und ist wegweisend für die heutige Ökumene.“ Wie das?

1700 Jahre Konzil von Nizäa

In diesem „wichtigen Jahr für die weltweite Christenheit“ werde „das 1.700-Jahr-Jubiläum des ersten Ökumenischen Konzils in Nizäa“ gefeiert, werden wir unterrichtet, einer „Versammlung“, die „wahrscheinlich im Mai des Jahres 325“ begann und „wegweisend“ (schon wieder!) für „die Entwicklung des Christentums“ gewesen sei. „Sie sollte theologischen Streit beilegen und die Einheit der Kirche fördern.“ Aha. Deswegen war es wohl so „wegweisend“ auch für „die heutige Ökumene“. Außerdem habe das Treffen so „wichtige Fragen wie die Festlegung des Osterdatums“ behandelt. „Seit dem Konzil kommen Bischöfe zusammen, um Glaubensfragen zu klären“, werden wir belehrt. „Es gilt als die erste ökumenische Debatte der frühen christlichen Kirche.“ Nun wissen wir das auch. Ein „Ökumenisches Konzil“ ist eine „ökumenische Debatte“, bei der „Bischöfe zusammen“ kommen, „um Glaubensfragen zu klären“.

In der Hauptsache sei es „um die theologische Auseinandersetzung über die Natur Jesu Christi und seine Beziehung zu Gott, dem Vater“ gegangen, weiß die „EKD“: „Ist Jesus ein von Gott geschaffenes Wesen und dem Vater untergeordnet, oder sind Vater, Sohn und Heiliger Geist gleichrangig?“ Zum Behufe der Klärung dieser Frage, die den „Kirchenfrieden“ zu stören drohte, habe Kaiser Konstantin der Große „im Jahr 325 die Bischöfe seines gesamten Reichs zu einem Konzil in das kleine Städtchen Nizäa“ zusammengerufen, „das heute in der Türkei südlich von Istanbul liegt“. Es lag damals auch schon dort, wo es heute liegt, nur war dort früher noch keine Türkei, und Istanbul hieß noch Konstantinopel (bzw. eigentlich Byzanz, denn den Namen Konstantinopel bekam die Stadt erst 330, als Kaiser Konstantin dort seine Residenz eröffnete).

Wir werden daran erinnert, daß es für die Kirche seinerzeit eine „neue Situation“ gewesen sei, da sie „nach den letzten schweren Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian“ plötzlich und zum „ersten Mal in ihrer Geschichte“ im Römischen Reich „nicht mehr die verfolgte, sondern die offiziell geduldete und anerkannte, ja in manchem schon geförderte Religion“ gewesen sei, wie der „renommierte evangelische Kirchenhistoriker Bernhard Lohse (1928-1997)“ herausgefunden hat. Es sei dem Konzil jedoch nicht gelungen, den „Kirchenfrieden“ wiederherzustellen, vielmehr sei im Gegenteil „eher die Saat zu neuem Hader gelegt“ worden, wie manche „Historiker“ kommentierten. Dennoch gelte „das legendäre Konzil der ‚318 Väter‘“ – selbstverständlich nur eine „legendäre“ Zahl, denn „wahrscheinlich waren wohl eher um die 200 Bischöfe anwesend“ – als „Grundlage aller weiteren Lehrentscheidungen in der alten Kirche“. Na, immerhin.

Osterfeststreit

Zwar konnte der schon lange schwelende „Osterfeststreit“ beigelegt werden, indem der Termin für Ostern auf den „Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang“ festgelegt wurde. Dies hielt an bis ins 16. Jahrhundert. Dann unternahm Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 eine Kalenderreform, um den Zeitpunkt der „Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche der nördlichen Erdhalbkugel“ zu korrigieren, der sich „im Laufe der Jahrhunderte bis zum Jahre 1582 um zehn Tage verschoben“ hatte („Wikipedia“). Deshalb verfügte er, daß „auf Donnerstag, den 4. Oktober, Freitag, der 15. Oktober“ folgte, was dazu führte, daß wir das Fest der heiligen Theresia von Avila am 15. Oktober begehen, denn sie starb gerade am Abend jenes 4. Oktober und wurde am folgenden Tag begraben, welcher der 15. Oktober war.

Diese Kalenderreform wurde von den „Orthodoxen“, die sich seit 1054 von der Kirche getrennt hatten und den Papst nicht als ihr Oberhaupt anerkannten, nicht übernommen. Sie blieben beim „alten“ Kalender, und so kam es, daß ihr Ostertermin von dem der Kirche abweicht. Die Protestanten hingegen haben den Gregorianischen Kalender akzeptiert, obwohl sie damals ebenfalls bereits im Schisma waren. „Seit Jahrzehnten gibt es Pläne der Weltkirchen, das zu ändern“, seufzt die „EKD“, „Orthodoxie, Katholizismus und Protestantismus – die drei großen Konfessionsfamilien – wollten wenigstens in diesem Punkt Einigkeit untereinander erreichen.“ Doch, ach: „Alle Anstrengungen blieben allerdings bisher ohne Erfolg.“

Dabei hat sich erst noch „Papst Franziskus“ „mit Nachdruck für einen gemeinsamen Ostertermin aller christlichen Kirchen ausgesprochen“, was „katholisch.de“ zu berichten wußte. Da ausgerechnet im Jubiläumsjahr von Nizäa „das Osterfest zufällig wieder zeitgleich in den Ost- und Westkirchen gefeiert“ wird („EKD“), sah Bergoglio darin ein „wichtiges Zeichen“. Er „unterstütze alle Bemühungen“, zu einem gemeinsamen Osterdatum zu gelangen, „betonte der Papst“. Wie Felix Neumann, ebenfalls auf „katholisch.de“, herausgearbeitet hat, blieb bislang der „Vorstoß des Zweiten Vatikanischen Konzils, einen gemeinsamen festen Ostertermin zu akzeptieren“, ebenso „ungehört wie der Vorschlag von Papst Franziskus, den orthodoxen Termin in der katholischen Kirche zu übernehmen“. Auch „ein Vorschlag des Ökumenischen Rats der Kirchen fand keine Akzeptanz, weil jede Annäherung an astronomisch exaktere Berechnungsmethoden für die Ostkirchen größere Abweichungen vom Traditionstermin als für die westlichen bedeuten würde“. Bei den „Orthodoxen“ gilt die „Tradition“ noch etwas!

„Die Orthodoxie ist sich in sich uneins, wie sie sich zur Terminfrage positionieren soll. Keine Einigung ist möglich, die nicht alle ins Boot holt“, bedauert Neumann. Tja, dann wird es wohl so schnell nichts mit einem „gemeinsamen Ostertermin“. Trotzdem ermutigt die „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK)“ ihre „Mitgliedskirchen dazu, das gemeinsame Osterdatum als Möglichkeit zu sehen, ‚weitere Schritte hin zu einem gemeinsamen Osterdatum aller Christinnen und Christen zu unternehmen’“, vermerkt die „EKD“. An Bergoglio wird es nicht scheitern, der nur allzu bereit ist, die katholische und abendländische Tradition samt der korrekten Astronomie auf dem Altare der „Ökumene“ großzügig zu opfern.

Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel

Doch der Ostertermin war nicht der einzige und wichtigste Punkt, um den es in Nizäa ging. Das Konzil „legte auch den Grundstein für das heute in fast allen christlichen Kirchen anerkannte Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel von 381“, ein „Bekenntnis“, das „fast alle Christen gemeinsam sprechen“ können, freut sich die „EKD“. Daher werde „im Jubiläumsjahr 2025 auch an diesen Text erinnert“. „Die ACK ruft die Kirchen dazu auf, das Glaubensbekenntnis in seiner ökumenischen Version regelmäßiger gemeinsam zu beten und sich der Verbundenheit weltweit bewusst zu werden.“ Die „EKD“ bietet dieses Glaubensbekenntnis an einer eigenen Stelle ihrer „Website“ dar und bemerkt dazu: „Neben dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, das in jedem Gottesdienst gesprochen wird, gibt es auch das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Es gilt als das ökumenische Bekenntnis und wird an hohen Feiertagen im Gottesdienst gesprochen. Im Zentrum des Textes steht die Dreieinigkeit Gottes, der sich in drei Gestalten zeigt: als Vater, Sohn und Heiliger Geist.“ In einer „Anmerkung“ wird hinzugefügt: „Das ‚und dem Sohn‘ (filioque) wurde später in das Glaubensbekenntnis eingefügt und in karolingischer Zeit im ganzen Frankenreich gebräuchlich. Es entspricht westlicher, nicht ostkirchlicher Tradition.“

Da sehen wir schon einige Differenzen. Mögen die Protestanten auch dieses „Bekenntnis“ mit uns „gemeinsam sprechen“, so verstehen sie es doch anders. Für uns Katholiken nämlich besteht das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit nicht darin, daß sich Gott „in drei Gestalten zeigt“, sondern daß Er ein Gott in drei Personen ist. Eine Person ist etwas anderes als eine „Gestalt“. Auch ist für uns das „Filioque“ nicht nur eine von der „ostkirchlichen“ abweichende „westliche Tradition“, sondern schlicht ein Glaubenssatz. Der Text der „EKD“ bekennt sich deswegen auch nicht zur katholischen Kirche, sondern glaubt an „die eine, heilige, christliche und apostolische Kirche“. Das allerdings macht bei der heutigen sog. „katholischen Kirche“ keinen großen Unterschied.

Das „große“ und das „kleine“ Glaubensbekenntnis

Das „Domradio“ befragte zum Jubiläum von Nizäa den Herrn Professor Dr. Jan-Heiner Tück vom „Arbeitsbereich Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Wien“, der feststellte, im „Glaubensalltag“ sei „das nicäno-konstantinopolitanische Bekenntnis als Großes Glaubensbekenntnis nach wie vor bekannt, auch wenn es nur an den großen Festtagen, also Weihnachten, Ostern und Pfingsten, gebetet wird“. Meistens werde „in den Pfarrgemeinden das Apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen“. Da sehen wir eine deutliche Parallele zu den Protestanten, bei denen allerdings „in jedem Gottesdienst“ das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ gesprochen wird, während das „Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel“ nur „an hohen Feiertagen im Gottesdienst“ zum Einsatz kommt.

Das ist in der (wahren) katholischen Kirche ganz anders. Dort wird in der Messe überhaupt nie das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ gebetet, sondern stets das „große“, „nicäno-konstantinopolitanische“ Credo. Und das keineswegs nur an „großen Festtagen“, geschweige nur dreimal im Jahr, sondern an sämtlichen Sonn- und Feiertagen, an allen Muttergottesfesten, an allen Duplexfesten Erster und meist auch Zweiter Klasse, in den Oktaven der großen Feste, an den Festen heiliger Kirchenlehrer und einigen anderen Festen wie z.B. der heiligen Maria Magdalena usw. Erst den bugninischen Reformen in den 1950er Jahren ist es zu verdanken, daß dieses Gebet deutlich „ausgedünnt“ wurde. In den „Büchern von 1962“ findet es sich auf die Sonn- und Feiertage sowie auf Feste Erster und manchmal Zweiter Klasse und die einzigen drei übrig gebliebenen Oktaven reduziert. Im „Novus Ordo“ wurde es weiter zurückgedrängt bis auf die drei von Tück genannten „großen Festtage“, und ansonsten durch das deutlich kürzere „Apostolische Glaubensbekenntnis“ ersetzt, sofern überhaupt noch ein „Credo“ gebetet wird.

Das „kleine“, „Apostolische Glaubensbekenntnis“ wurde und wird in der katholischen Kirche ebenfalls häufig gebetet, nicht nur beim Rosenkranz und anderen Privatandachten, sondern auch in der Liturgie. Allerdings nicht in der Heiligen Messe, sondern im Brevier. Das „Credo“ steht dort zusammen mit dem Paternoster und dem Ave zur Eröffnung vor der Matutin, dann zur Eröffnung vor der Prim und schließlich zum Abschluß nach der Komplet, also mindestens dreimal jeden Tag. An den Tagen mit Preces, z.B. in der Fastenzeit, an den Vigilien, aber auch an anderen Ferialtagen sowie bei Simplex- oder Semiduplexfesten betet der Priester weitere zwei Credos in der Prim und in der Komplet, also insgesamt fünfmal. Und diese Tage sind gar nicht selten. Hinzu kommt das „Symbolum Quicumque“, das „Athanasische Glaubensbekenntnis“, das an allen gewöhnlichen Sonntagen in der Prim rezitiert wird, auf die nicht wenigstens ein Duplex-Fest fällt. Bereits in der „pianischen Reform“ der 1950er Jahre wurde damit aufgeräumt. Im Brevier nach den „Büchern von 1962“ wird das Apostolische Glaubensbekenntnis überhaupt nicht mehr gebetet (höchstens freiwillig „ad libitum“), das Athanasische Symbolum nur noch einmal im Jahr, und zwar am Dreifaltigkeitsfest.

Dieser dramatische Rückgang des „Credo“ im öffentlichen Gebet der Kirche spricht nicht nur Bände, sondern hat auch ganz konkrete Wirkungen. Der heilige Ludwig Maria Grignion de Montfort weist in seinem Büchlein „Der heilige Rosenkranz“ auf die „wunderbare Wirksamkeit“ hin, die allein „die drei ersten Worte: ‚Credo in Deum, ich glaube an Gott‘, welche die Akte der drei göttlichen Tugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe in sich schließen“, besitzen, um „die Seele zu heiligen und die Dämonen niederzuschmettern“. „Mit diesen Worten haben manche Heilige die Versuchungen überwunden, besonders jene gegen den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, sei es während ihres Lebens, sei es in der Todesstunde.“ Wer außer den „Dämonen“ konnte ein Interesse besitzen, dieses Gebet weitestmöglich zum Verschwinden zu bringen, um nicht weiter „niedergeschmettert“ zu werden und ungestört am Verderben der Seelen, vor allem der Priester, arbeiten zu können, indem sie ihnen dieses wunderbare Mittel, die Seele zu heiligen und die Versuchungen gegen Glaube, Hoffnung und Liebe zu besiegen, aus der Hand nahmen? Eine Kirche, die ihren Glauben nur noch selten bekennt, zu überwinden, war dann ein Kinderspiel für sie, wie wir an der „Konziliaren Kirche“ bemerken.

Tradition der lateinischen Westkirche

Doch kehren wir zu Herrn Professor Dr. Jan-Heiner Tück zurück, der für das „nicäno-konstantinopolitanische Bekenntnis“ hohes Lob findet, sei es doch „auch ökumenisch bedeutsam“, da es „das einzige Glaubensbekenntnis“ sei, „das von orthodoxen, reformatorischen und katholischen Christinnen und Christen geteilt wird“ (man beachte die Bemühung des Professors um gendergerechte Sprache). Ganz stimmt das freilich nicht, wie wir oben gesehen haben. Leichte Abänderungen gibt es da schon bei den „Christinnen und Christen“ zumindest der „reformatorischen“ Richtung. Vor allem aber und „nicht zu vergessen: Es hat auch eine ästhetische Resonanz gefunden, weil es in den großen Messvertonungen von Bach über Beethoven bis zu Olivier Messiaen und Arvo Pärt immer wieder auch kirchenmusikalisch zu Gehör gebracht wird“. Warum das wohl so ist, und ob nicht diese ästhetisch-künstlerische Seite, die wenigstens noch wahrgenommen wird, auf den tiefen theologischen und liturgischen Gehalt hinweist, der das eigentliche ist? Die Kunst ist immer nur ein Ausfluß der religiösen Substanz, eine Art (Ab-)Glanz, der aus dem Inneren strömt.

Das „Domradio“ will nun wissen, ob demgegenüber das „Apostolische Glaubensbekenntnis, welches wir Katholiken eher aus dem liturgischen Gebrauch kennen, in den anderen Konfessionen weniger verbreitet“. Wie wir oben schon sagten, kennen „wir Katholiken“ dieses Glaubensbekenntnis im „liturgischen Gebrauch“ hauptsächlich vom Brevier. Die meisten Laien dürften es daher vor allem aus dem weitverbreiteten außerliturgischen Gebrauch kennen und natürlich aus dem Katechismus und dem Religionsunterricht. Die „Konzilskatholiken“ sind es, die vermutlich aus Bequemlichkeitsgründen ganz auf diese Version umgestiegen sind und denen es allenfalls aus ihrer „Novus-Ordo-Liturgie“ bekannt ist, wo es bisweilen lustlos heruntergeleiert wird.

Wie Tück weiß, kennen die „Reformationskirchen“ es jedoch auch, „denn das Apostolische Glaubensbekenntnis ist eine Tradition der lateinischen Westkirche“, das seinen Ursprung in „einem stadtrömischen Taufbekenntnis“ habe, „das in einer Frage-Antwort-Form im liturgischen Taufritus seinen Ort hatte“. „Im 5. Jahrhundert“ sei es dann „in Gallien und Spanien aufgekommen“ und „zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert in die Taufliturgie aufgenommen“ worden. Kurz, es stammt aus der römischen Taufliturgie und hat deswegen bis heute seinen liturgischen Ort – neben dem Brevier – im römisch-katholischen Ritus der Taufe. Wieder läßt der Herr Professor seine geschichtlichen Kenntnisse glänzen und kann uns versichern, daß sich „mit dem 13. Jahrhundert“ das „Apostolische Glaubensbekenntnis als fester Bekenntnistext in der Kirche des Westens nachweisen“ lasse, während die „Kirchen des Ostens … bei dem nicäno-konstantinopolitanischen Bekenntnis geblieben“ seien; hier gebe es „eine Differenz in der liturgischen Praxis“.

Kein Wunder. Da die „Kirchen des Ostens“ sich unseligerweise von Rom getrennt haben und eine zunehmend feindselige Haltung gegen Papst und Rom entwickelten, weigerten sie sich auch, römische Gebräuche anzunehmen. Das gilt für den Gregorianischen Kalender ebenso wie für das „Apostolische Glaubensbekenntnis“. Weil die „Reformationskirchen“ sich erst im 16. Jahrhundert von der römischen Kirche abspalteten und ursprünglich zur „lateinischen Westkirche“ gehörten, findet sich bei ihnen vieles von dieser, was sie übernommen haben, darunter neben dem Gregorianischen Kalender auch das „Apostolische Glaubensbekenntnis“. Das ist nur logisch.

Kontroverse

Im Mai dieses Jahres will Herr Professor Tück offensichtlich zusammen mit einer „evangelischen Kollegin“ ein Buch herausbringen „über das erste Konzil von Nicäa“. In diesem Zusammenhang habe er „das nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis als eine Provokation“ bezeichnet. Was sei „an diesem Text so provokant“, will das „Domradio“ wissen. Hier kommt Tück auf die „Kontroverse“ zu sprechen, der sich dieses Bekenntnis verdankt. Arius nämlich, ein „sprachmächtiger Theologe“, habe „die These vertreten“, „dass der Sohn dem Vater untergeordnet ist“ statt Ihm gleich zu sein. Dies nenne man „Subordinatianismus“ (lat. subordinare = unterordnen). Schon der „Heimatbischof von Arius, Alexander von Alexandrien“, habe darin „ein Problem“ gesehen und, „nachdem er sich nicht mit dem streitbaren Arius einigen konnte, schon vor der Synode von Nicäa eine Exkommunikation ausgesprochen“. Doch habe es einige Bischöfe gegeben, die Arius unterstützten, wodurch sich „die Kontroverse ausgeweitet und zugespitzt“ habe. Deswegen habe „am Ende“ der Kaiser Konstantin, ein „ungetaufter Laie“, „im Jahr 325 eine Synode in die kaiserliche Sommerresidenz nach Nicäa einberufen“, um diese „Kontroverse“ und „einige andere Fragen einvernehmlich zu klären“.

Wir wollen uns die Sache mit Arius und die Geschichte des Konzils von Nicäa aus einer zuverlässigeren Quelle schildern lassen als aus der Optik des „Dogmatikers“ bzw. „Dogmatikgeschichtlers“ Tück und greifen deshalb zum bewährten Kirchenlexikon (Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, Band 1, Freiburg i.Br. 1882). Dort lesen wir unter dem Stichwort „Arianismus“, dieser sei „die große Häresie des vierten Jahrhunderts“ gewesen, „gerichtet gegen die Gottheit Jesu Christi“ (Sp. 1274-1275), also ein bißchen mehr als eine bloße „These“. Immerhin ist „die Gottheit des Sohnes, der die menschliche Natur angenommen hat“, ein „Grunddogma der christlichen Religion“. Wer dieses Grunddogma angreift, greift die christliche Religion als Ganze an. „In schweren Kämpfen mußte“ daher „die Kirche diesen Glaubenssatz sicherstellen“ (Sp. 1275). „Den Höhepunkt erreichten diese Kämpfe in den christologischen Häresien des vierten und der folgenden Jahrhunderte. Den Sammelplatz, auf dem alle Feinde des Christentums aus den ersten Jahrhunderten sich versammelten, bildete der Arianismus“ (ebd.). Der Arianismus war damals das „Sammelbecken aller Häresien“, wie es anderthalbtausend Jahre später der Modernismus sein würde, und somit dessen Vorläufer.

Inwiefern kann man im Arianismus alle vorhergehenden Häresien wiederfinden? „Dieser war 1. die höchste Spitze des judaistischen Ebionismus und eine Frucht des in Alexandrien heimischen Philonismus, indem er ähnlich wie diese Systeme von der Anschauung ausging, daß zwischen Gott und dem Menschen eine unausfüllbare Kluft bestehe“ (ebd.). Zweitens war er eine „Akkomodation an den Gnostizismus, insofern der arianische Christus ebenso wie der gnostische Demiurg bestimmt ist, zwischen Gott und der Welt als Bindeglied zu dienen, und beide in gleicher Weise nur Unvollkommenes hervorzubringen imstande sind“ (ebd.). Er war „3. eine Nachwirkung des rationalistischen Sabellianismus, indem er von der Leugnung des Personenunterschiedes zu dem anderen Extrem einer vollständigen Trennung der Personen überging und die Wesensgleichheit zwischen Vater und Sohn in Abrede stellte“ (ebd.). Viertens endlich war er „ein Zugeständnis an das Heidentum, dem die Humanitätsreligion des Subordinatianismus und ein ‚hellenisiertes Christentum‘ weit mehr zusagten als die tief christliche Lehre von der Gleichheit des Sohnes mit dem Vater“ (ebd.).

Der Arianismus als Muster-Häresie

Aus der Geschichte des Arianismus können wir viel über das Wesen der Häresie lernen. Zwar gibt es unzählige verschiedene Häresien, doch entspringen sie derselben Wurzel und sind eigentlich nur Varianten ein und derselben Häresie: der Leugnung der Wahrheit des christlichen Glaubens. Sie haben daher auch denselben Urheber. Denn wie der Glaube Gott, die „Erstwahrheit“, zum Urheber hat, so entspringt die Häresie dem „Vater der Lüge“. Dieser „Menschenmörder von Anbeginn“ ist sehr erfinderisch in der Verkleidung seiner Lüge, doch bleibt sie im Grunde immer dieselbe, mit der er schon Adam und Eva betrog und den Worten Gottes offen widersprach: „Keineswegs werdet ihr sterben. Ihr werdet sein wie Gott, Gutes und Böses erkennend.“ Zur Verbreitung seiner Lügen benutzt er gerne geeignete Werkzeuge, so wie er Eva benutzte, um Adam zu verführen. Ein solches geeignetes Werkzeug war Arius.

Arius war ein Lybier und „schon als Laie zu Alexandrien in das Meletianische Schisma verwickelt“. „Als er sich hiervon zurückzog, weihte ihn der Bischof Petrus von Alexandrien zum Diakon. Die Bekehrung des Arius war jedoch von kurzer Dauer, und Petrus sah sich genötigt, ihn wegen der Verbindung mit den Schismatikern zu exkommunizieren.“ Das waren keine guten Voraussetzungen. Doch es kam noch viel schlimmer. „Wiederum erlangte der Abtrünnige Verzeihung bei dem neuen Bischof Achillas, der ihn sogar zum Priester weihte und ihm die Kirche Baukalis zur Verwaltung übertrug.“ Dafür sprach auch einiges, denn: „Arius besaß nämlich ausgezeichnete Geistesgaben; er war ernst im Äußeren, einnehmend im Umgange, gewandt in der Dialektik und streng in seinen Sitten.“ Jedoch: „Diese Vorzüge des Geistes wurden aber tief herabgedrückt durch eine große Falschheit und Verschlagenheit und eine unbegrenzte Eitelkeit und Selbstsucht, mit der er sich z.B. in seinen Schriften den ‚großen Arius‘ nannte, dem Gott unmittelbar seine Geheimnisse mitgeteilt habe. Hochmut und Ehrgeiz machten Arius ähnlich wie so manchen vor ihm und nach ihm zum Häretiker“ (ebd.).

In der Tat ist Arius das Bilderbuchbeispiel für einen großen Häresiarchen. Als solcher vereinte er außergewöhnliche natürliche Gaben mit einer inneren Verderbtheit, namentlich dem Stolz, der luziferischen Sünde schlechthin. Das machte ihn zum idealen Werkzeug für den „Bösen Feind“, um ihn in die Kirche einzuschleusen und diese „von innen“ zu bekämpfen. Hinzu kamen bei Arius womöglich noch persönliche Motive, weil er bei der Wahl des Nachfolgers für Achillas nicht zum Zuge kam, was seinen Ehrgeiz empfindlich traf und ihn zum persönlichen Feind von Alexander werden ließ, der statt seiner Bischof von Alexandrien wurde. „Arius, dem das herrliche Lehrschreiben des Papstes Dionysius [260-268] an den edlen gleichnamigen Bischof von Alexandrien bekannt sein mußte (…), erhob sich gegen das in dem genannten Schreiben so trefflich dargestellte Fundamentaldogma von der Wesenseinheit des Vaters und des Sohnes“ (Sp. 1276). Er wußte sehr wohl, was er tat, machte sich aber als „alterprobter“ Schismatiker wenig daraus, dem Papst zu widersprechen.

Während er anfangs seine Lehre „nur in Privatkreisen“ verbreitete, begann er ab etwa 320, „dieselbe mit der größten Heftigkeit in Gegenwart des Bischofs Alexander und der Priester seine Diözese“ zu verteidigen. „Mehr mit dialektischer Gewandtheit als mit spekulativer Tiefe, welche ihm gänzlich mangelte“ – auch hierin war er das Muster eines Häresiarchen – „behauptete Arius Folgendes: 1. Christus sei in Folge seiner Zeugung unmöglich gleich ewig mit dem Vater (…); 2. obschon Christus aus Nichts sein Dasein habe (…), so sei er doch nur ein Geschöpf des Vaters, und weil er ein Geschöpf sei, so habe es auch eine Zeit gegeben, wo der Sohn nicht war (…); 3. in Folge der Schöpfung sei Christus seinem Wesen nach veränderlich (…), geistig beschränkt und vom Vater vollständig verschieden (…); den Namen ‚Sohn Gottes‘ führte er in der heiligen Schrift nur deshalb, weil er durch die Gnade des Vaters als Sohn angenommen sei; 4. der Vater habe den Sohn erschaffen, um durch ihn als Mittelwesen die Welt ins Dasein zu rufen und mit dieser in Verbindung zu treten“ (ebd.).

Dies ist die arianische Irrlehre, und um diese zu vertreten, verstand es Arius „in geschickter Weise“, „alle jene Stellen der heiligen Schrift, welche die menschliche Natur Christi betreffen“, für sich zu verwerten. Auch hierin ist er ein wahres Musterbild eines Häretikers. „Die Hauptschrift, worin Arius seine Lehre niederlegte, ist die sehr schwülstig geschriebene Thalia, d.i. Gastmahl“ (ebd.). Es ist ein Charakteristikum häretischer Schriften, zumeist „schwülstig“ und ausschweifend geschrieben zu sein statt klar und nüchtern. „Das Lehrsystem des Arius, welches nicht auf christlichem Boden entsprossen war, sondern heidnische und judaisierende Philosopheme in der Kirche einzubürgern suchte, blieb sich nicht zu allen Zeiten gleich“ (ebd.). Auch da haben wir eine typische Eigenschaft der Irrlehre. Da die Häresie nicht auf Wahrheit beruht, ist sie stets schillernd, schwankend und veränderlich, weshalb sie auch schwer zu fassen scheint.

„Die einzige Konsequenz dieser Lehre war diese, daß sie das christliche Bewußtsein unbefriedigt ließ, das Trinitätsgeheimnis zerstörte, die Predigt der Apostel und den Heldenmut der Martyrer zu Schanden machte“ (ebd.). Doch Gott läßt das Übel zu, um damit Gutes zu wirken: „Im Dienste der göttlichen Vorsehung trug freilich der Arianismus dazu bei, das Dogma von der heiligen Dreifaltigkeit immer klarer zu stellen, so daß der hl. Augustinus die Frage aufwirft: ‚Ist vollkommen über die Dreifaltigkeit geschrieben worden, bevor die Arianer dagegen anbellten?‘“ (ebd.). Gott schreibt auch „auf krummen Zeilen gerade“ und stellt selbst die Häresie in Seinen Dienst, um letztlich der Wahrheit zu dienen. Dazu bedarf es freilich unserer Bemühungen und Anstrengungen im Kampf für die Wahrheit.

Der zuständige Bischof Alexander von Alexandrien ging deswegen sofort daran und „hätte der Irrlehre des Arius am liebsten in aller Stille ein Ende gemacht“ (ebd.). Damit wollte er größeres Aufsehen, Unruhe und Verbreitung der Irrlehre vermeiden. Deshalb richtete er an Arius „sowohl mündliche als auch schriftliche Ermahnungen“, die jedoch „erfolglos waren“ (Sp. 1277). Da „der Anhang des Arius bei Priestern und Laien, am meisten aber bei den gottgeweihten Jungfrauen, immer mehr wuchs, hielt Alexander 320 oder 321 eine Synode ab, auf der gegen 100 Bischöfe aus Ägypten und Libyen anwesend waren“. Dort wurde Arius „samt seinen Anhängern aus der Gemeinschaft der ‚Kirche, welche die Gottheit Christi anbetet‘, ausgestoßen“ (ebd.). Der aber gab nicht auf, sondern „floh davon“ und „suchte hartnäckigen Sinnes nach Genossen“. Diese verbohrte Hartnäckigkeit ist das Merkmal eines jeden „echten“, fanatischen Häretikers. „Kein Mittel verschmähte er, um die Zahl seiner Anhänger zu vergrößern. Der Pöbel sowohl als die weltliche Obrigkeit sollten seine Sache fördern“ (ebd.).

Ebenso taten alle „großen“ Häresiarchen nach ihm. Ihre Mittel sind immer die gleichen: Demagogie und Sophisterei. Deshalb suchte auch Arius „durch sophistische Fragen“ die „einfachen Leute und besonders die Frauen zu gewinnen“. Denn durch die Frauen gewinnt man sehr leicht auch die Männer, wie die Alte Schlange im Paradies bereits wußte. So pflegte Arius den Frauen „die Frage vorzulegen, ob sie einen Sohn gehabt hätten, bevor sie geboren“. Eine ausgesprochen alberne Frage, die aber ihre Wirkung nicht verfehlte. „Für Schiffer, Müller und Reisende verfaßte er Lieder, die er von Haus zu Haus kolportierte, und in denen er seine Lehre volkstümlich machte“ (ebd.). Wir kommen nicht umhin, hier eine gewisse Parallele zu Luther zu sehen, der allerdings mehr auf Kirchenlieder setzte. Die von ihm gewonnenen Jungfrauen sandte Arius aus „zur Gewinnung der Magistrate“, die „größtenteils heidnisch waren“, und da es „überhaupt unerhört war, daß Jungfrauen sich in Glaubensstreitigkeiten mischten, so wurde das Christentum zum Spotte der Heiden“. „Selbst auf den Theatern verhöhnte man die Parteispaltung der Christen“ (ebd.). Es war immer eine Folge der Häresie, daß sie Spott und Verachtung auf das Christentum und die Kirche herabzog. In Vollendung beobachten wir das bei der „konziliaren“ Menschheitskirche, die dabei ist, jeden Rest von Hochachtung für die christliche Religion und die katholische Kirche zu zerstören.

Fortsetzung folgt