Bergoglio veranstaltet ein „Heiliges Jahr“, und die „Piusbruderschaft“ macht mit als „Pilger der Hoffnung“. Das gab uns Gelegenheit, ein wenig anzuschauen, was ein Heiliges Jahr überhaupt ist und wie das erste „Jubeljahr“ anno 1300 unter Papst Bonifaz VIII. verlief. Erstaunlicherweise wurde gerade dieses „Jubljahr“ zu einem Punkt der „Zeitenwende“, denn von da an begann der „große Abfall“ der Völker von Gott und der Kirche, eine schwindelnde Abwärtspirale, die sich bis heute fortsetzt. Wir wollen ihr ein wenig weiter folgen und sehen, wo wir die wahre Hoffnung finden.
Vom „Hosianna“ zum „Kreuzige ihn“
Noch einmal wirft Stangl einen Blick zurück auf die Entwicklung, welche die „geistige Gewalt“ der Päpste seit der Zeit der Katakomben bis ins Mittelalter genommen hat und stellt fest: „Doch ihren Höhepunkt erreichte diese ‚geistige Gewalt’ [der Päpste] im elften, zwölften und dreizehnten Jahrhundert oder vom Jahre 1300 bis 1301, als ganz Europa den christlichen Glauben angenommen hatte. Die Päpste und die von ihnen gekrönten römischen Kaiser regierten die Welt. Aber ihr Verhältnis und ihre gegenseitige Stellung wurde mit jener der Sonne zum Monde verglichen. Wie nämlich die Sonne den Mond übertrifft, weil der letztere sein Licht von ihr empfängt, so übertraf auch die ‚geistige Gewalt‘ der Päpste jene weltliche der Kaiser in den Augen der christlichen Völker. Und Gott war mit seinen Statthaltern, auf daß sie ihre Gewalt zum Wohle und Heile der Völker ausübten. Der Anstoß zu allem Erhabenen ging von Rom aus. Das war der Zustand Europas bis zum Anfang der Zeit, die wir jetzt zu beschreiben haben“ (S. 687).
Er fährt fort: „‚Im vierzehnten Jahrhundert‘, schreibt Stiefelhagen, ‚dessen Anfang die Christenheit, auf Anordnung des Papstes Bonifatius VIII., so fromm durch ein kirchliches Jubiläum gefeiert hatte, fand allmählich ein bedauernswerter Umschwung statt. Die Fürsten und Völker hielten es nicht mehr für das Höchste und Beste, der Kirche und der allgemeinen Christenheit zu dienen, wie dies die großen Kaiser der früheren Zeit offen ausgesprochen und die Völker durch die zweihundertjährigen Kreuzzüge [die nicht der Ausbreitung des Christentums, sondern der Verteidigung der Christenheit dienten] bewiesen hatten, sondern fortan schlossen sie sich engherzig in die Grenzen ihres eigenen Landes ein, vertauschten die christliche Begeisterung, welche auf allen Gebieten des äußeren wie des geistigen Lebens in der Völkergeschichte so große Taten vollbracht, so wunderbare Schöpfungen erzeugt hatte, mit dem niedrigen Gefühle eines Landespatriotismus, aus dem für die Menschen die größten Übel hervorgingen.‘ Die Päpste hatten immer dahin getrachtet, daß alle Völker im christlichen Europa sich als eine große Völkerfamilie betrachteten und sich gegenseitig liebten. Das wollten nun die Fürsten auf einmal nicht mehr. Jedes Volk sollte nur für sich bestehen und die anderen Völker, wenn nicht hassen, doch auch nicht lieben. Europa zerfiel auf diese Weise in viele von einander sorgfältig abgeschlossene Nationen und Staaten“ (ebd.). Der im Nationalismus aufsprießende Keim des Partikularismus zersetzte die Universalität der Kirche und der christlichen Ordnung.
„Es trat demnach im vierzehnten Jahrhundert ein, was in Jerusalem einmal geschehen war: ‚Der Erde Könige stehen auf und die Mächtigen kommen zusammen wider den Herrn und seinen Gesalbten. Zerreißen lasset uns ihre Bande, schleudern von uns ihr Joch‘ (Ps. 2). Die Veränderung in der Gesinnung der Fürsten und Völker ging sehr rasch vor sich. Wer die geschichtlichen Tatsachen genau beobachtete, denkt unwillkürlich an Jesus in Jerusalem, als er auf einer Eselin reitend dort einzog. Das Volk rief: ‚Hosanna dem Sohne Davids! Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!‘ Und noch in derselben Woche schrie dasselbe Volk: ‚Ans Kreuz mit ihm! Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!‘“ (S. 688). Ja, die Kirche mußte ihrem geliebten, gekreuzigten Meister folgen und in ihre Karwoche eintreten.
Geist der Auflehnung
„Im Jubeljahr 1300 eilten die Völker in unzählbaren Scharen nach St. Peter und legten Geld in schwerer Menge zu den Füßen des Statthalters Christi. Aber bald nachher erwachte ein eigentümlicher Geist; es war der Geist der Auflehnung gegen eine Macht, die bis dahin so Großes, so Erhabenes, so Übermenschliches in der Mitte von Europa gewirkt, die diesen Weltteil aus seiner heidnischen Wildheit herausgehoben und an die Spitze der übrigen Welt gesetzt und ihm die Bildung der ganzen alten Welt übermittelt hatte. Auf einmal hörte man die Fürsten und viele von ihnen bezahlte Höflinge sagen: ‚Die Macht der Päpste ist schädlich. Man muß sie beschränken.‘ Dieser böse Geist der Auflehnung ist die Ursache gewesen, daß in dem ersten Dezennium des vierzehnten Jahrhunderts zwei Päpste ermordet wurden“ (ebd.). Heutzutage werden die Päpste nicht mehr ermordet. Man hat sie sang- und klanglos ausgetauscht und durch apostatische Pseudo-Päpste ersetzt. Das hatte zugleich die Folge, daß selbst die „glaubenstreuen Traditionalisten“ heute in den Ruf einstimmen: „Die Macht der Päpste ist schädlich. Man muß sie beschränken.“
Stangl hat beobachtet: „Anfangs hatte es den Anschein, als wollte sich der Geist der Auflehnung bloß auf das öffentliche Leben der Fürsten und Völker beschränken. Denn in dieser Beziehung war die ‚geistige Gewalt‘ der Päpste manchmal sehr unbequem geworden. Ehrgeizige Fürsten durften nicht regieren, wie sie wollten, nicht ungerechte Kriege gegen christliche Völker führen. Die Päpste widersetzten sich und geboten Ruhe“ (ebd.). Die Revolte ging jedoch weiter, wie es Revolutionen zu eigen ist, die gleich einer Lawine immer mehr Fahrt aufnehmen, wenn sie einmal losgetreten sind.
Nüchtern muß man registrieren: „Aber es blieb der Geist der Auflehnung gegen die ‚geistige Gewalt‘ der Statthalter Christi auf dem bürgerlichen Gebiete nicht stehen, sondern machte sich sehr bald auch in der Religion selbst geltend. Sogar auf den Konzilien trat der offene Widerspruch hervor. In den früheren Jahrhunderten hatten die Väter eines Konzils, nachdem eine Entscheidung des Papstes vorgelesen war, gerufen: ‚Durch den Mund des heiligen Leo hat Petrus gesprochen.‘ ‚Hat Rom gesprochen, so ist die Sache entschieden.‘ Im vierzehnten Jahrhundert änderte sich diese Sprache. Es traten Männer auf, welche die Stirne hatten zu behaupten, daß ein Konzil über dem Papste stehe. In früheren Jahrhunderten hörte man die Bischöfe sprechen: ‚Der heilige Stuhl wird von niemandem gerichtet.‘ Im vierzehnten Jahrhundert wollten Konzilien den Papst richten. Denn man sah in ihm nicht mehr das von Gott bestellte, unfehlbare Haupt der Kirche, ohne das der ganze Leib tot ist; sondern man meinte, das Haupt sogar entbehren zu können“ (ebd.). Dieser Irrtum hat heute fast die gesamte Christenheit einschließlich der „Traditionalisten“ erfaßt. Nur ein verschwindend kleines Häufchen ist es, welches am Glauben der Kirche an die „geistige Gewalt“ der Statthalter Christi festhält. Ausgerechnet sie schmäht man als „Sedisvakantisten“.
Wegmarken im Leben der Kirche
Doch kehren wir zurück zur Geschichte der „Jubeljahre“, die in der Tat entscheidende Wegmarken im Leben der Kirche waren. „Gleich die erste Feier des Jubeljahres verlief großartig, religiös erhebend, völkerverbindend bei der ansteigenden Sonderung der europäischen Länder und Staaten. Klemens VI bestimmte 1343 in einer Bulle von klassischer Ablaßtheologie und im Hinblick auf das altisraelitische Jubeljahr jedes 50., Urban VI. 1389 jedes 33. (= Lebensdauer des Herrn), Paul II 1470 jedes 25. Jahr als Jubeljahr, wobei es verblieb“ (LThK 1933, a.a.O., Sp. 665-666). Das haben wir oben schon gehört. „Papst Clemens VI. kürzte auf Bitten der Römer, die zu diesem Behufe eine Legation an ihn nach Avignon abgeordnet hatten, die Zeit von einem Jubiläum auf das andere ab und verordnete die Feier derselben je nach 50 Jahren“, schreibt Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon (a.a.O. SP. 1907) und fährt fort:
„Die Gnadenzeit begann am Weihnachtstag 1349 und dauerte bis zu demselben Feste 1350. Um die Feierlichkeiten zu leiten und zugleich die Ordnung während derselben aufrecht zu erhalten, sandte Clemens VI. den Kardinal Annibale da Ceccano nach Rom. Trotz der noch herrschenden Pest, der außerordentlichen Kälte, der schlechten Wege und anderer Hindernisse kamen diesmal noch viel mehr Pilger nach Rom als beim ersten Mal. (…) Die ständig anwesende Zahl der Pilger in Rom von Weihnachten bis Ostern schlägt Villan auf 1 000 000 an; geringer war sie im Sommer, aber im Herbst und gegen das Ende des Jubiläums wuchs sie wieder ins Unglaubliche. (…) Unter den Teilnehmern an dem Jubiläum aus hohem Geschlecht ragt die damals zu Rom anwesende schwedische Seherin, die hl. Birgitta hervor, welche durch ihr Beispiel, ihre Liebeswerke und ihre gotterleuchteten Ermahnungen großartig auf die Wallfahrer eingewirkt hat.“ (Sp. 1908).
Danach ging es so weiter: „Papst Urban VI. reduzierte am 14. April 1389 die Feier des Jubiläums auf den Zwischenraum von 33 Jahren, worauf 1390 sein Nachfolger Bonifaz IX. das Jubiläum eröffnete. Dieses war aber wegen des fortdauernden Schisma bei weitem nicht so zahlreich besucht wie die vorigen. Auch das von Papst Martin V. 1423 abgehaltene führte infolge der Zeitumstände nicht so viele Pilger wie früher nach Rom“ (ebd.). Zu diesen „Zeitumständen“ bemerkt Chrysostomus Stangl: „Im Jahre 1425 [wohl eher: 1423] sollte ein Jubeljahr gefeiert werden. Allein die Teilnahme war keine sehr große, wie früher bei solchen Gelegenheiten; denn die Pest herrschte in Italien, und Kriege waren ausgebrochen, während Böhmen in hellem Aufruhr stand. Frankreich und England rangen im blutigen Kampf um die Herrschaft. Im Morgenland dehnte der Türke seine Macht täglich weiter aus“ (Stangl a.a.O. S. 752).
„Dagegen strömten zu dem von Papst Nikolaus V. 1450 abgehaltenen fünften Jubiläum aus allen Ländern der Christenheit zahllose Pilgerscharen nach Rom, deren Opfergaben Nikolaus bestens zu kirchlichen und wissenschaftlichen Zwecken verwendete“ (Kirchenlexikon, a.a.O. Sp. 1908-1909). Bei diesem Jubeljahr war es der Kardinal Nikolaus von Kues (Cusanus), der im Namen des Papstes die Gewährung des Ablasses verkündete. „Papst Paul II. bestimmte 1470 die Wiederkehr des Jubiläums auf das 25. Jahr (wobei es fortan geblieben ist); dies bestätigte Sixtus IV., der dann 1475 das sechste Jubeljahr feierte“ (Sp. 1909). Damals entstand die „Ponte Sisto“ über den Tiber, da Papst Sixtus „für das Heilige Jahr 1475 einen großen Pilgeransturm befürchtete und daher die Infrastruktur Roms verbessern wollte“ (Wikipedia). „Er verfügte für dieses Jahr, dass die Pilger einem bestimmten Verkehrsstrom folgen sollten, um einen Verkehrsinfarkt zu vermeiden. Die Brücken sollten nur im Einbahnsystem benutzt werden: Die Engelsbrücke sollte nur in Richtung Petersdom verwendet werden. Auf dem Rückweg sollten die Pilger die Via della Lungara bis zum Tiber nehmen und dann am Ufer entlanglaufen, um den Ponte Sisto zu benutzen“ (ebd.).
„Alexander VI. publizierte in neuer feierlicher Weise dreimal das von ihm 1500 gehaltene Jubiläum, wobei, ungeachtet der Persönlichkeit des Papstes, Pilger in großer Anzahl erschienen, und führte zuerst den Brauch der Eröffnung und Schließung der heiligen Pforte ein. Auf das von Ausländern nicht stark besuchte achte Jubiläum unter Clemens VII. 1525 folgte das von Julius III. 1550 gefeierte, zu dessen würdiger Feier Julius mehrere Reformen in Rom vornahm und der hl. Philipp Neri mit der von ihm gestifteten Bruderschaft der allerheiligsten Dreifaltigkeit viel beitrug“ (Kirchenlexikon a.a.O.). Das Jubiläum von 1525 hatte unter den Angriffen der Protestanten gegen den „Ablaßhandel“ zu leiden. Am Jubeljahr 1550 nahm neben dem heiligen Philipp Neri auch der heilige Ignatius von Loyola teil. Die „Gegenreformation“ war in vollem Gange.
„Wie im Jubeljahr unter Julius, so waren auch in dem unter Gregor XIII. 1575 zahlreiche auswärtige Pilgerscharen in Rom anwesend, und Gregor hatte die Freude, daß sich mehrere Protestanten, welchen das erbauliche Schauspiel der römischen Jubiläumsfeier die Augen öffnete, zum Katholizismus bekehrten“ (ebd.). Unter den Teilnehmern befand sich der heilige Karl Borromäus. Der Besuch der „sieben römischen Pilgerkirchen“ wurde eingeführt. „Mit ausnehmender Feier wurde unter Clemens VIII. das elfte Jubiläum im Jahr 1600 begangen; ungeheuer war die Anzahl der Pilger; viele Protestanten, Augenzeugen der rührenden allgemeinen Andacht, kehrten zur Kirche zurück, selbst Türken ließen sich taufen. Der Papst selber und seine Kardinäle gaben das herrlichste Beispiel, indem sie die armen Pilger liebreich verpflegten und ihnen die Füße wuschen“ (ebd.). Zu den Kardinälen gehörte damals der heilige Robert Bellarmin.
Bedrängende „Zeitverhältnisse“
Die Heiligen Jahre 1625, 1650, 1675 und 1700 verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Das Jubeljahr 1725 erlebte den Bau der Spanischen Treppe und 1750 die Einführung der Kreuzwegandacht im Kolosseum. Das Jubiläum von 1775 wurde von Papst Clemens XIV. ausgerufen, der jedoch noch 1774 starb, weshalb das Heilige Jahr von seinem Nachfolger Pius VI. gefeiert wurde. „Auch die folgenden Jubiläen wurden alle sehr würdig begangen und noch immer zahlreich besucht“, faßt des Kirchenlexikon zusammen, „nur das auf das Jahr 1800 treffende konnte wegen der Zeitereignisse nicht gehalten werden“ (ebd.). Diese „Zeitereignisse“ waren die Französische Revolution und ihre Auswirkungen. Napoleon hatte 1799 Papst Pius VI. gefangengenommen und in die Gefangenschaft nach Valence geschleppt, wo er verstarb. Die Revolutionäre triumphierten, mit ihm sei „der letzte Papst“ dahingegangen. Doch im März 1800 wählten die Kardinäle den Benediktiner Chiaramonti, der sich den Namen Pius VII. gab. Für die Ausrufung eines Heiligen Jahres war da keine Gelegenheit.
„In einer bessern Lage befand sich Papst Leo XII., welcher 1825 das neunzehnte Jubeljahr feierte; freilich fanden sich jetzt nicht mehr die großen Völkerscharen wie vormals ein; allein dies hatte zum Teil auch darin seinen Grund, daß die Gläubigen viel mehr als früher von dem allmählich erwachsenen Indult Gebrauch machten, wonach die Päpste nach Schließung des Jubeljahres in Rom dasselbe im darauffolgenden Jahre auf die gesamte Kirche auszudehnen pflegen. Papst Pius IX., welcher während seines langen Pontifikates zwei ordentliche allgemeine Jubiläen hätte halten können, war beide Male wegen der Zeitverhältnisse verhindert, ein Jubeljahr unter den üblichen Feierlichkeiten in Rom zu verkünden; er verlieh deshalb als Ersatz am 2. und 25. Juli 1850 und am 24. Dezember 1874 einen vollkommenen Ablaß in Form eines Jubiläums“ (ebd.). Die „Zeitverhältnisse“, welche die Jubiläen verhinderten, waren zum einen die Besetzung Roms durch die freimaurerischen italienischen Revolutionäre 1848, weshalb Papst Pius IX. aus Rom fliehen mußte und erst im März 1850 zurückkehrte. Zum anderen war es die Annexion des Kirchenstaates durch das neuentstandene Königreich Italien im Jahr 1870, die den Papst zum „Gefangenen im Vatikan“ machte und die „Römische Frage“ in den Raum stellte, die erst 1929 mit den Lateranverträgen gelöst wurde.
Buchbergers „LThK“ von 1933 bilanziert: „Infolge hemmender Bedrängnisse erlebte das 19. Jahrhundert nur 1 vollfeierliches Jubeljahr 1825 unter Leo XII. Allerdings gewährten die Päpste aus besonderen Anlässen auch außerordentliche Jubeljahre (jubilaeum minus), so Pius IV 1560 anläßlich des wiederberufenen Trienter Konzils, Gregor XVI 1842 zur Erflehung des Friedens für die Kirche in Spanien, Pius IX zum Vatikanischen Konzil, Leo XIII 1881 und 1886; ja es ist seit Sixtus V 1585 Sitte, daß jeder Papst einen Jubiläumsablaß (in forma jubilaei) anläßlich seiner Thronbesteigung gewährt, wofür jetzt 30 Tage angesetzt werden; so zuletzt Pius X 2.2.1904“ (a.a.O. Sp. 666). „Die jüngsten Jubeljahre waren 1900 (besonders bedeutsam durch die Weltweihe Leos XIII an das Herz Jesu), unter Pius XI 1925 (mit Nicaenum Jubiläum)…“ (ebd.). Anläßlich dieses Jubiläums von 1925 wurde von Papst Pius XI. das Christkönigsfest eingeführt. „Das letzte Heilige Jahr war 1950“, heißt es lapidar im LThK von 1962 (Bd. 5, Sp. 125), und dabei ist es infolge der „Zeitverhältnisse“ bis heute geblieben. Papst Pius XII. krönte jenes bislang letzte Heilige Jahr mit der Verkündigung des Dogmas der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.
Der „Greuel an heiliger Stätte“
Zwar haben auch die „Konziliaren Päpste“ die katholische Tradition aufgegriffen und ihre „Heiligen Jahre“ durchgeführt, wobei sie die neue Sitte aufbrachten, dieses Jahr jeweils unter ein besonderes „Motto“ zu stellen. „Paul VI.“, der „Konzilspapst“, veranstaltete 1975 sein Jahr unter dem Motto „Erneuerung und Versöhnung“. „Johannes Paul II.“, der wahnsinnige Ökumeniker und Millenarist, beging das epochale Jahr 2000 mit einem gigantischen Aufwand. Vorbereitet wurde es bereits 1994 „mit dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente“, und es wurde „verlängert bis 6. Januar 2001, um den Eintritt ins 21. Jahrhundert zu feiern“ (Wikipedia). So fasziniert war Wojtyla von dem „neuen Jahrtausend“. Sein Motto war: „Christus gestern, heute und in Ewigkeit.“ Nun also ist Bergoglio dran mit seinem Jahr „Pilger der Hoffnung“, nachdem er bereits 2016 ein „außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ zum Gedächtnis des 50. Jahrestags des Abschlusses des „II. Vatikanischen Konzils“ veranstaltet hatte. Die „Piusbruderschaft“ hat sich an all diesen „Heiligen Jahren“ begeistert beteiligt und wird es jetzt wieder tun.
Nun gilt für ein Jubeljahr, daß es vom Papst ausgerufen und eröffnet werden muß. „Das Jubeljahr wird seit Alexander VI vom Papste vor der 1. Weihnachtsvesper feierlich durch Hammerschlag auf das vermauerte Jubeltor (porta aurea, schon 1450 erwähnt) von St. Peter eröffnet und genau nach einem Jahr durch Vermauerung des Tores geschlossen. Die Hauptzüge dieses an die altkirchliche Bußdisziplin und Liturgie gemahnenden, symbolisch die Eröffnung des Paradieses durch die Gnaden des Jubeljahres darstellenden Ritus erscheinen bereits um die Mitte des 15. Jahrh.“, berichtet Buchbergers Lexikon (a.a.O. Sp. 666). „Für die geistlichen Vorteile und Bedingungen des Jubeljahres ist in erster Linie die jedesmalige Jubiläumsbulle maßgebend, die seit Gregor XIII sinnvoll am vorausgehenden Feste der Himmelfahrt Christi erlassen wird. Die geistlichen Vorteile bestehen im vollkommenen Ablaß, der während des Jubeljahres durch jedesmalige Erfüllung der Bedingungen mehrmals gewonnen und gewöhnlich auch den armen Seelen zugewandt werden kann, außerdem aber in weitgehenden Vollmachten für die Beichtväter… (…) Dagegen pflegen während des eigentlichen Jubeljahres (…) andere Vollmachten bezüglich der Sünden, Zensuren, Gelübde und Irregularitäten sowie fast alle übrigen vollkommenen (außer Sterbeablaß) und unvollkommenen Ablässe (außer z.B. Angelus-Ablaß) für die Lebenden aufgehoben zu sein“ (ebd.).
Ebenso Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon: „Die Bedingungen, unter welchen das Jubiläum gewonnen werden kann, müssen ganz genau nach der Norm der betreffenden päpstlichen Verleihungsbulle (außerhalb Rom nach dem im päpstlichen Auftrage erlassenen bischöflichen Hirtenbrief) innerhalb der bestimmten Zeit und in der Absicht, das Jubiläum zu gewinnen, vollzogen werden. (…) Die Gnade des Jubiläums besteht in einem vollkommenen Ablasse und in außerordentlichen Vollmachten, welche der Papst den Beichtvätern der Gläubigen verleiht“ (a.a.O. Sp. 1910). „Wenn das Jubiläumsjahr in Rom selbst begangen wird, so werden gewöhnlich in dieser Zeit (von Weihnachten zu Weihnachten) alle zu Gunsten der Lebenden verliehenen vollkommenen und unvollkommenen Ablässe suspendiert mit Ausnahme des vollkommenen Ablasses in der Todesstunde und einiger unvollkommener Ablässe für das vierzigstündige Gebet, den Angelus, die Begleitung des heiligen Sakramentes sowie der von Prälaten aus eigener Macht verliehenen Ablässe; doch können alle suspendierten Ablässe für die Verstorbenen gewonnen werden“ (Sp. 1911).
Ist der Papst aus irgendwelchen Gründen verhindert, die Verleihungsbulle zu erlassen und das Heilige Jahr zu eröffnen, dann fällt es aus, wie es ja im Laufe der Jahrhunderte bereits mehrfach aufgrund der „Zeitverhältnisse“ geschehen ist. Da wir seit Pius XII. keinen Papst mehr haben, sind auch sämtliche Jubeljahre seither ausgefallen. Zudem besteht angesichts der traurigen Verhältnisse in Rom auch gar kein Grund, dort irgendein „Jubeljahr“ zu begehen. Trauerjahre wären viel passender. Denn nicht nur der Kirchenstaat, auch der Vatikan selber ist durch die Feinde der Kirche besetzt, die sich im Petersdom, im Lateran, in allen römischen Kirchen eingenistet haben und dort ihren „Kult des Menschen“, den „Greuel an heiliger Stätte“ errichtet haben.
Klage statt Jubel
Wir sind zur „Kirche in der Zerstreuung“ geworden, weil wir den „Mittelpunkt der Kirche auf dem Erdkreis“ verloren haben. Mit den Worten des Psalms klagen wir: „An den Strömen Babylons, dort saßen wir und weinten, indem wir Sions gedachten“ (Ps 136, 1). Weit entfernt von „Jubelstimmung“ stimmen wir ein in die Klage des Propheten Jeremias: „Wie sitzt sie so einsam die Stadt, einst an Volk so reich; wie eine Witwe ist die Gebieterin der Völker geworden, die Fürstin unter den Ländern ist dienstbar geworden. Ihre Feinde sind ihre Beherrscher, und ihre Widersacher sind reich geworden, denn der Herr hat wider sie gesprochen ob der Menge ihrer Verschuldungen; ihre Kindlein wurden in die Gefangenschaft weggeführt vor dem Dränger her. Gewichen ist von der Tochter Sion all ihre Herrlichkeit; ihre Fürsten sind Widdern gleich geworden, die keine Weide finden, und gehen kraftlos vor dem Verfolger her. Der Feind streckte seine Hand aus nach allem, was ihre Lust war; ja, sie sieht die Heiden in ihr Heiligtum eingedrungen, von denen du geboten, sie sollten nicht in deine Gemeinde kommen“ (Klgl 1, 1. 5. 6. 10).
Daß sich die „Piusbrüder“ in die „unheiligen Jahre“ dieser apostatischen Sekte haben eingliedern lassen, hat ihnen nichts Gutes gebracht. Es ging jedesmal ein Stück weiter abwärts in den geistigen Ruin. Das wird auch diesmal nicht anders sein. Die Erfahrung zeigt, daß jene Priester und Gläubigen der „Piusbruderschaft“, die an der großen „Pius“-Romwallfahrt des „Heiligen Jahres“ 2000 nicht teilgenommen hatten, eher immun blieben gegen den Taumel, der die übrigen erfaßte und sie wie die Lemminge dem Abgrund des „konzilsrömischen“ Moloch entgegen trieb. Wer da nüchtern blieb, konnte dem Treiben nur hilflos und kopfschüttelnd zusehen. Er war der Störenfried und wurde „ausgeworfen“, wenn er nicht freiwillig ging. Wie ein Rausch war es über sie gekommen, und erst allmählich erwacht der eine oder andere mit großem Katzenjammer. Doch schon naht das nächste „Heilige Jahr“, und was läge näher, als nach Art eines Alkoholikers den Kater mit dem nächsten Griff nach dem Rauschtrank zu überwinden?
Wahre „Pilger der Hoffnung“
Als Katholiken sind wir allezeit „Pilger der Hoffnung“. Denn wir stehen fest in der „vertrauensvollen Erwartung aller Güter, die uns Christus für die Erfüllung des göttlichen Willens versprochen hat“, als da sind „die ewige Seligkeit und die zu deren Erlangung notwendigen Mittel, nämlich die göttliche Gnade, zeitliche Güter zur Erhaltung des Lebens, Verzeihung der Sünden, Hilfe in der Not und Erhörung unserer Bitten“ (Spirago S. 240-241). Das ist die theologische Tugend der Hoffnung, die uns auf unserer „Pilgerschaft“ zur ewigen Seligkeit stets begleitet und stärkt. Wir brauchen dazu kein „Heiliges Jahr“ des „Papst Franziskus“, um „in Zeiten von Kriegen und globalen Krisen eine Zeit der Besinnung und Erneuerung“ zu finden, damit wir – und „alle Menschen guten Willens“ – „wieder Hoffnung schöpfen können“. Was für eine „Hoffnung“ sollte das sein? Was sollte es nutzen, „den Glauben der Menschen [!] zu stärken und sie zu einem tieferen Leben im Einklang mit christlichen Werten [!] zu ermutigen“? Nicht der „Glaube der Menschen“ ist es, der uns Hoffnung gibt, sondern der christkatholische Glaube. Nicht ein „tieferes Leben im Einklang mit christlichen Werten“ – was immer das sein soll, etwa „Offenheit“ und „Toleranz“? – wird uns in den Himmel führen, sondern die Übung der christlichen Tugenden, allen voran der wahre Glaube, die wahre Hoffnung und die wahre Liebe. Das ist es, was wir auch allen „Menschen guten Willens“ wünschen.
Zu unserer Hoffnung gehört auch die „Verzeihung der Sünden“, und selbstverständlich auch der Nachlaß von Sündenstrafen, wie ihn die Ablässe gewähren. Für den Jubiläumsablaß, in welchem die besondere Gnade eines Jubeljahres besteht, wäre freilich eine päpstliche Verleihungsbulle notwendig. Da eine solche nicht vorliegt und auch nicht vorliegen kann, gibt es keinen Jubiläumsablaß und damit kein Jubeljahr. Wir trösten uns jedoch, denn damit sind alle übrigen Ablässe, welche die Kirche gewährt hat, nach wir vor in Kraft und können von uns gewonnen werden. Was aber tun all jene, welche an das „Jubeljahr“ Bergoglios glauben und für die „in dieser Zeit (von Weihnachten zu Weihnachten) alle zu Gunsten der Lebenden verliehenen vollkommenen und unvollkommenen Ablässe suspendiert“ sind „mit Ausnahme des vollkommenen Ablasses in der Todesstunde und einiger unvollkommener Ablässe“? Den „Jubelablaß“ können sie nicht gewinnen, weil es ihn nicht gibt, und alle anderen sind für sie „suspendiert“. Aber wenigstens leiden die Armen Seelen nicht darunter, denn alle Ablässe für die Verstorbenen können weiter erworben werden, sodaß die „Pilger der Hoffnung“ im Fegefeuer bald das Ziel ihrer Reise sehen dürfen und im Himmel Gott schauen von Angesicht zu Angesicht.