Eigenes Nichts und Gottvertrauen

Gedanken zum 4. Sonntag nach Pfingsten.

Zum heutigen Sonntag schreibt P. Gabriel a S. Maria Magdalena O.C.D. im zweiten Band seines Werkes „Geheimnis der Gottesfreundschaft“ (Freiburg i.Br. 1958): „Zwei Empfindungen beherrschen die Liturgie der heutigen Messe. Ein großes Vertrauen auf Gott und das lebhafte Gefühl für das Elend und Ungenügen des Menschen. Zwei Empfindungen, die einander eng verbunden sind; denn eben das Bewußtsein unseres Nichts läßt uns alles Vertrauen auf Gott setzen, und dieses Vertrauen wird um so mehr in uns erblühen, je mehr wir von unserer Nichtigkeit überzeugt sind“ (S. 275).

Der wunderbare Fischfang

„Das heutige Evangelium (Luk. 5, 1-11)“, so schreibt er weiter, „ist eine konkrete Erläuterung des Wortes Jesu: ‚Ohne mich könnt ihr nichts tun’ (Joh. 15, 5). Simon [Petrus] und seine Gefährten haben sich die ganze Nacht abgemüht, ohne etwas zu fangen: das also war das Ergebnis ihres auf sich selbst allein gestellten Bemühens.“ Wie oft geht es auch uns so. Wir mühen uns ab, wollen einen Fehler überwinden, ein gutes Werk tun, eine Seele bekehren und finden uns doch nur „mit leeren Händen, so wie Petrus sich vor seinem unerbittlich leeren Netze fand“. Doch verlieren wir nicht den Mut. „Statt dich über deinen Mißerfolg zu ärgern, gestehe ihn demütig ein; so wird er zum Anfang deines Sieges werden. So ist es dem hl. Petrus ergangen, nachdem er öffentlich eingestanden hatte, er habe ‚nicht gefangen‘“ (S. 276-277).

Die hl. Therese v. Kinde Jesu hat zu dem vorliegenden Evangelium einmal angemerkt: „Hätte der Apostel ein paar Fische gefangen, so hätte Jesus vielleicht das Wunder nicht gewirkt; weil er aber nichts gefangen hatte, füllte Jesus schnell sein Netz so sehr, daß es fast zerrissen wäre. Dies ist die Eigenart Jesu: Er gibt als Gott, doch Er will die Demut des Herzens“ (Briefe 140).

P. Gabriel führt dazu aus: „Bei all deinem guten Willen, in der Tugend voranzukommen, läßt der Herr es nicht zu, daß du irgendeinen Erfolg erringst, ehe er dich nicht zutiefst von deiner Ohnmacht, deiner Unzulänglichkeit überzeugt sieht. Und eben um dir diese Überzeugung beizubringen, läßt er dich, gleich Petrus, ‚die ganze Nacht arbeiten, ohne etwas zu fangen‘. Dann aber wird er dir in dem Maße zu Hilfe kommen, in dem er dich von deiner Bedürftigkeit überzeugt sieht und bereit, sie offen einzugestehen“ (S. 277).

Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) schrieb ein unbekannter Soldat folgende uns überlieferte Sätze (Eismann-Wiggers, Vorlesebuch zum Katholischen Katechismus, 2. Band, München 1956, S. 260-261):

„Ich bat Gott um Stärke – er aber machte mich schwach, damit ich Bescheidenheit und Demut lernte.
Ich erbat seine Hilfe, um große Taten zu vollbringen – er machte mich kleinmütig, damit ich gute Taten vollbrächte.
Ich bat um Reichtum, um glücklich zu werden – er machte mich arm, damit ich weise würde.
Ich bat um alle Dinge, um das Leben zu genießen – er gab mir das Leben, damit ich alle Dinge genießen könnte.
Ich erhielt nichts von dem, was ich erbat – aber alles, was ich mir erhofft hatte.
Gegen mich selbst wurden meine Gebete erhört, Ich bin unter allen Menschen ein gesegneter Mensch.“

Im Umgang der Gnadenkapelle von Altötting findet sich eine Votivtafel mit folgender Aufschrift:

„Dank hlg. Muttergottes, weil du mich 18 Jahre nicht erhört hast. Mir durch die vielen Prüfungen und Täuschungen beten gelernt hast. Rosenheim 27.5.1939.“

P. Gariel ermutigt uns: „Habe also großes Zutrauen zu Ihm, laß dich durch die bis jetzt erlittenen Mißerfolge nicht zurückschrecken und beginne täglich ‚auf sein Wort hin‘ von neuem. Hast du gelernt, nicht mehr auf deine Kräfte zu vertrauen, so mußt du auch noch lernen, der göttlichen Hilfe voll zu vertrauen. Vielleicht hast du deshalb bis heute ‚nichts gefangen‘, weil dir dieses unerschütterliche Vertrauen fehlte. Dieser Mangel, abgesehen davon, daß er Jesus mißfällt, lähmt dein geistliches Leben. Wiederhole also mit dem Herzensschwung des hl. Petrus: ‚Herr, auf dein Wort hin werde ich das Netz auswerfen.‘ Doch wiederhole es jeden Tag, jeden Augenblick, ohne je müde zu werden“ (a.a.O.).

Das Schifflein Petri

Bei dem Schifflein Petri, in welches der Heiland steigt, und dem wunderbaren Fischfang des künftigen „Menschenfischers“ denken wir sogleich an die heilige Kirche und den Nachfolger Petri, den Papst. Müssen wir nicht gerade im Hinblick auf die Lage der Kirche heute mit dem heiligen Paulus in der heutigen Lesung (Röm. 8, 18-23) klagen: „Wir wissen ja, daß alle Geschöpfe seufzen und in Wehen liegen bis auf diesen Tag. Aber nicht allein sie, auch wir, die wir die Erstlingsgabe des Geistes bereits besitzen, seufzen in unsrem Inneren und harren auf die Kindschaft Gottes, die Erlösung unseres Leibes: in Christus Jesus, unsrem Herrn.“

Der heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort sieht in seinem „Prophetischen Flammengebet“ den apokalyptischen Zustand der Kirche voraus. Er verheißt aber, daß in dieser Lage, in der keine menschliche Hilfe mehr möglich ist, Gott durch einen „gnadenvollen Regen“ Seiner Kirche zur Hilfe kommen wird. „O Herr, welches ist dieser gnadenvolle Regen, den Du bestimmt und vorbehalten hast für dein ermattetes Erbe?“, fragt er. „Sind es nicht die Söhne Mariä, Deiner Braut, diese heiligen Missionäre, die Du von der Welt absondern wirst zum Wohle Deiner Kirche, die so geschwächt und befleckt ist durch die Verbrechen ihrer Kinder?“ Er fährt fort: „Du allein, o Jesus, König des Himmels und König aller Könige, wirst diese Missionäre als Könige von der Welt ausscheiden… Von Dir, o Gott, allein hängt es ab, durch Deine Gnade diese Schar zu erwecken. Wollte der Mensch die erste Hand daran legen, so würde er nichts erreichen, wollte er dabei von dem Seinen mit dem Deinigen mischen, so würde er alles verderben und umstürzen.“

Auch und gerade wenn es um die Kirche geht, müssen wir bekennen, daß wir selber nichts vermögen. Umso mehr müssen wir auf die Hilfe Gottes vertrauen und „jeden Tag, jeden Augenblick, ohne je müde zu werden“, „auf Sein Wort hin“, unsere Netze auswerfen in Gebet, Tugendübungen, Nächstenliebe und Eifer für das Haus Gottes. Erst wenn wir ganz durchdrungen sind von der Überzeugung, daß wir selber nicht vermögen, daß alles von „Gott allein“ abhängt und der Mensch nicht nur „nichts erreichen“, sondern sogar „alles verderben und umstürzen“ würde, wird Gott uns erhören und mehr geben als wir je gebetet und erhofft haben.