„Katholisch.de“, das „umstrittene“ halb-offizielle „Nachrichten- und Erklärportal der katholischen Kirche in Deutschland“, wie es sich selber nennt, hat sich mit einem dort ungewohnten Thema beschäftigt, dem „Sedisvakantismus“. „Die ‚Lehre‘ vom leeren Papststuhl“, war der Beitrag überschrieben, „Die Welt des Sedisvakantismus“. „Für sie ist der Stuhl Petri leer, obwohl jemand darauf sitzt: Ultratraditionalistische Gruppierungen vertreten die Ansicht, dass es keinen rechtmäßigen Papst gibt – und das mindestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ein Blick auf den Sedisvakantismus und seine Spielarten.“ So wird der Inhalt im „Abstract“ kurz zusammengefaßt.
Prominenter Zuwachs
Wenn „Katholisch.de“ sich am „Sedisvakantismus“ „abarbeitet“, ist zu vermuten, daß für sie dort eine „wachsende Gefahr“ sich anzubahnen scheint. Denn bisher hat man die „Sedisvakantisten“ einfach ignoriert. Der Grund dafür taucht gleich im ersten Absatz des Artikels auf: „Glaubt man traditionalistischen Blogs, hat die Bewegung der Papst-Leugner vor nicht langer Zeit prominenten Zuwachs erhalten: Erzbischof Carlo Maria Viganò, früherer US-Nuntius und in den vergangenen Jahren einer der lautstärksten radikal-konservativen Kritikern [sic!] von Papst Franziskus und dessen Amtsführung, soll sich den sogenannten Sedisvakantisten angeschlossen haben.“ Der „prominente Zuwachs“ ist es, der in unserer virtuellen Medien-Welt das „Gefährungspotential“ ausmacht und sie hellhörig werden läßt.
„Der aus der Piusbruderschaft ausgeschlossene Richard Williamson habe ihn [Viganò] ‚sub conditione‘, unter Bedingung, erneut zum Bischof geweiht“, meint der Autor Mathias Altmann vernommen zu haben. Das würde eher darauf schließen lassen, daß Viganò kein „Sedisvakantist“ geworden ist, denn Williamson ist von jeher ein verschworener Anti-Sedisvakantist. „Wenn das stimmt“, fährt Altmann fort, „geht Viganò offenbar davon aus, dass seine von Papst Johannes Paul II. gespendete Bischofsweihe 1992 ungültig gewesen sein könnte. Warum ungültig? Einerseits, weil sie von einem Papst der ‚Konzilskirche‘ gespendet wurde, der gar kein richtiger Papst sei. Und andererseits, weil der Weiheritus seit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gar nicht gültig sei.“ Letzteres wäre der einzige theologisch zulässige Grund. Daß eine Weihe von einem „Papst der ‚Konzilskirche‘ gespendet wurde, der gar kein richtiger Papst sei“, würde sie nicht automatisch ungültig machen, zumal „Johannes Paul II.“ – anders als seine Nachfolger – sogar noch ein gültig geweihter Bischof war. Von der Ungültigkeit des „nachkonziliaren Weiheritus“ sind zwar die „Sedisvakantisten“ in der Regel überzeugt, nicht aber ein Bischof Williamson, der ihn für höchstens zweifelhaft hält. Er muß also andere Gründe gehabt haben, wenn er tatsächlich eine „Nachweihe“ Viganòs vorgenommen haben sollte.
„Ultratraditionalistische Gruppierungen“
„Diese zwei Argumentationslinien [??] liefern die zentralen Thesen von ultratraditionalistischen Gruppierungen, die die Anschauung vertreten, der Stuhl (lat. sedes) Petri sei vakant – daher der Begriff ‚Sedisvakantismus‘“, glaubt der Autor zu wissen. Die „Sedisvakantisten“ meinten, „der Stuhl des Papstes sei leer, obwohl jemand darauf sitzt“. Passend dazu zeigt das Titelbild zum Artikel die leere Kathedra der Lateran-Basilika. „Bei demjenigen auf dem Stuhl handele es sich nicht nur um einen nicht rechtmäßigen Papst, sondern einen ‚Scheinpapst‘.“ Man hätte zur besseren Illustration wenigstens einen per Photoshop durchsichtig gemachten Bergoglio auf die Kathedra setzen können. Über die historischen Hintergründe erfahren wir: „Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Papstes gab es in der Kirchengeschichte immer wieder. Der Sedisvakantismus als Theorie oder Anschauung entwickelte sich aber erst im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils.“ Denn: „In den Augen der Sedisvakantisten haben sich das Papsttum in Rom und seine Anhänger mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vom wahren katholischen Glauben entfernt. Die ‚Konzilskirche‘ oder gar ‚Novus-Ordo-Sekte‘ (nach dem lateinischen Namen der reformierten Messliturgie, Novus Ordo Missae) lehnen sie ab, da sie unvereinbar mit der Lehre der Päpste vor dem Konzil sei.“ Naja, eine sehr profunde und kenntnisreiche Darstellung ist das nicht.
Autor Altmann zeigt aber, daß er sich eingelesen hat, und erwähnt die „frühneuzeitliche Theorie des ‚papa haereticus‘ des Theologen und Kardinals Robert Bellarmin“. Nur war diese „Theorie“ weder „frühneuzeitlich“ noch die des „Theologen und Kardinals Robert Bellarmin“, sondern die Beschäftigung mit der Frage des „papa haereticus“ stammt bereits aus dem Mittelalter, und der heilige Kirchenlehrer (das hat uns Altmann unterschlagen; warum wohl?) Robert Bellarmin hat lediglich aufgeschrieben, was er als „die Ansicht aller alten Väter“ sowie „der gelehrtesten Neueren“ zu diesem Thema gefunden hat (Robert Bellarmin, Disputationen über die Streitpunkte des christlichen Glaubens, Bd. III, Kulmbach 2014, S. 212). Von „einer richtigen Bewegung“ möchte der Autor nicht sprechen, vielmehr handle es sich „meist um kleineste [sic!] Splittergruppen und Einzelpersonen“, die auch „von einer inhaltlich homogenen Gruppierung“ „weit entfernt“ seien, was „schon bei der Beurteilung“ dessen anfange, „wer denn der letzte legitime Papst gewesen sei“. „Für die meisten ist es Pius XII. (1958-1963): Mit seinem Tod habe die Sedisvakanz begonnen; sein Nachfolger, Konzilspapst Johannes XXIII. (1958-1963), habe sein Papstamt verwirkt.“ Da hat sich ein kleiner Fehler in den Jahreszahlen eingeschlichen. Oder waren Pius XII. und „Johannes XXIII.“ bereits die erste „päpstliche Doppelspitze“, die in trauter Gemeinsamkeit von 1958-1963 die Geschicke der Kirche leitete? Nein, Pius XII. regierte natürlich nicht von 1958, dem Jahr seines Todes, und fünf Jahre über seinen Tod hinaus, sondern von 1939-1958.
Weiter: „Manche nennen das Jahr 1965 als Beginn der Sedisvakanz, da das Konzil damals die Erklärung ‚Dignitatis humanae‘ über die Religionsfreiheit verabschiedete.“ Es gibt noch andere Theorien, wie wir gleich hinzufügen wollen. Darauf kommt es aber nicht an. „Sedisvakantismus“ ist ohnehin ein sehr verengender, fragwürdiger Sammelbegriff, ein plakatives Etikett, das die Sache überhaupt nicht trifft, weshalb man auch keine „inhaltlich homogene Gruppierung“ ausmachen kann, die ihm zuzuordnen wäre. In Wahrheit handelt es sich bei den so Abgestempelten für gewöhnlich um schlichte Katholiken, die dem Papst als Stellvertreter Christi die Treue halten und deshalb derzeit „wie verlorene Schafe“ als „Kirche in der Zerstreuung“ ihr Dasein fristen müssen, nachdem das „II. Vatikanum“ sie ihrer Hirten beraubt und eine falsche Afterkirche etabliert hat, um die wahre Kirche zu verdrängen.
Leere und besetzte Stühle
Richtig stellt Altmann fest: „Die vermutlich bekannteste traditionalistische Vereinigung, die Piusbruderschaft, ist hingegen nicht sedisvakantistisch. Sie lehnt zwar zentrale Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils ab – für sie sind die Päpste seither allerdings rechtmäßige Päpste.“ So ist es. Die „Piusbruderschaft“ gehört nicht zur „Kirche in der Zerstreuung“. Sie ist eine schismatische Gruppierung, die „noch nicht in voller Gemeinschaft“ mit der „Konziliaren Kirche“ steht. Als Schismatiker kann man dieser „Kirche“ nämlich sehr wohl angehören, wenngleich nicht „in voller Gemeinschaft“. Nur als Katholik gehört man nicht dazu.
„Uneinigkeit“ herrsche „in dem Spektrum auch darüber, wie man mit dem Zustand der angenommenen Sedisvakanz umgehen“ müsse. „Während sich einige offenbar damit abfinden, haben manche einen Papst gewählt – sie sind sogenannte ‚Konklavisten‘.“ Die „bekannteste Gruppierung“ sei „die vor allem in Spanien bekannte palmarianisch-katholische Kirche, die auf angebliche Marienerscheinungen und Visionen des Spaniers Clemente Domínguez y Gómez zurückgeht, der sich nach dem Tod Papst Pauls VI. nach einer solchen Vision als ‚Gregor XVII.‘ zum Papst krönen ließ“. „Anderer [sic!] ‚Päpste‘ erklärten, von den Engeln gekrönt oder vom Himmel ernannt worden zu sein.“ Was für ein kunterbuntes und widersprüchliches Kuddelmuddel dieser Mann doch in sein „Spektrum“ gepackt hat! (Übrigens sind die „Palmarianer“ keine „Konklavisten“; ihr erster „Papst“ berief sich auf eine „mystische“ Erwählung, und seither bestimmen ihre „Päpste“ jeweils im voraus, wer sie beerben soll.) Und alles das nennt er „Sedisvakantismus“, obwohl zumindest die „Konklavisten“, die „einen Papst gewählt“ haben, die „Palmarianer“ und die „anderen Päpste“ gewiß keinen „leeren Stuhl“ behaupten. Für sie gibt es ja einen „wahren Papst“, nur sitzt der nicht mehr in Rom.
Nach „palmarianischer“ Lehre beispielsweise ist der „Apostolische Stuhl“ durch göttlichen Ratschluß von Rom nach El Palmar de Troya gewandert und ist dort heute durch „Petrus III.“ besetzt. Die von uns bereits erwähnten Katholiken der „Kirche in der Zerstreuung“ werden sich weder mit dem gegenwärtigen Zustand „abfinden“, noch werden sie einfach einen „Papst“ wählen wie die „Konklavisten“, noch werden sie sich der Sekte eines „mystisch erwählten Papstes“ anschließen wie die Palmarianer. Sie werden geduldig ausharren unter Leiden und Seufzern, und sie werden inständig den Himmel bestürmen, daß Gott diesem schrecklichen und seelenverderbenden Zustand bald ein Ende machen, Seine Kirche wiederherstellen und ihnen wahre Hirten schenken möge.
Der „sogenannte Sedisprivationismus“
Altmann erweitert das „Spektrum“ noch um den „sogenannten Sedisprivationismus, frei übersetzt ‚Stuhlberaubung’“. Das sei „die Auffassung, der Heilige Stuhl sei lediglich formal besetzt, de facto aber unbesetzt“. Nein, nicht „formal besetzt“, das gerade nicht, sondern „materialiter“ besetzt, „formaliter“ aber unbesetzt, weshalb sich die Anhänger dieser „THESE“ gerne als „materialiter-formaliter“-Vertreter charakterisieren. „Die gültig gewählten Inhaber sind in dieser Denkweise so etwas wie ‚potenzielle‘ Päpste, die aufgrund ihrer Häresien das Amt formal verloren hätten und nicht ausüben könnten.“ Aha, also doch nicht „formal besetzt“, sondern „formal verloren“, oder wie? „Sobald sie aber wieder rechtgläubig würden, wären sie automatisch wieder ‚richtige‘ Päpste.“
Das hat der gute Mann nur zum Teil richtig hingekriegt. Für die „THESianer“ sind die „Konziliaren Päpste“ in der Tat „gültig gewählte Inhaber“ des päpstlichen Stuhles, allerdings nur „materiell“. Ein „Obex“, ein ihnen innewohnendes Obstakel, verhindert jedoch, daß sie die zugehörige Autorität empfangen und somit auch „formell“ Päpste würden. Dieses innewohnende Obstakel ist nicht, wie man glauben könnte, die Häresie; es ist vielmehr die mangelnde Absicht, das „Gemeinwohl der Kirche“ zu verwirklichen. Sie haben also nicht „das Amt formal verloren“, sie können es nur „nicht ausüben“, solange jener Obex nicht entfernt wurde. Würden sie sich endlich zu der „Absicht“ durchringen, das „Gemeinwohl der Kirche“ anzustreben, so wären sie in der Tat „automatisch ‚richtige‘ Päpste“ – allerdings nicht „wieder“, sondern erstmals, da ja bisher das Obstakel dies verhinderte.
Aufgrund ihres wenigstens „materiell“ besetzten „Stuhles“ werden die „Sedisprivationisten“ von zünftigen „Sedisvakantisten“ nicht als ihresgleichen anerkannt. Sie sind keine „wirklichen und wahren Sedisvakantisten“, wie einer von diesen einst gegen sie polterte. Für die von uns erwähnten Katholiken der papstlosen „Kirche in der Zerstreuung“ erscheint ihre „THESE“ wenig hilfreich, denn sie sehnen sich nach wahren Hirten, nicht nach Wölfen, die „verwunschene“ Hirten sind und die man nur „wachküssen“ muß. Wir brauchen echte Hirten, keine Märchen.
Die „großen Fragen der Kirche“
Noch einmal muß Altmann auf die „palmarianisch-katholische Kirche“ zurückkommen, jene „kleine traditionalistische Splittergruppe, die einen eigenen Papst und Vatikan hat“ und im „Süden Spaniens lebt“. An ihr nämlich, so der Autor, ließen sich „einerseits bizarre Ausformungen des Traditionalismus ablesen – aber auch die großen Fragen der Kirche“. Da hat er nicht unrecht. Wenn er jetzt auch noch die richtigen „großen Fragen der Kirche“ stellt… Aber wir werden sehen. „Sedisvakantisten beanspruchen zwar für sich, die wahren Katholiken zu sein, sind aus Sicht der Kirche jedoch im Schisma, da sie dem Papst den Gehorsam verweigern.“ Das ist so nicht richtig. Es sind die Lefebvristen und andere „Tradis“, die „im Schisma“ sind, „da sie dem Papst den Gehorsam verweigern“. Die „Sedisvakantisten“ trifft das nicht, denn sie haben gar keinen Papst, dem sie „den Gehorsam verweigern“ könnten. Schon gar nicht trifft es die „Palmarianer“, die sehr wohl einen „Papst“ haben, dem sie allerdings durchwegs gehorsam sind.
Doch nun zu den „Fragen“, die die „theologische und kirchenrechtliche Argumentation“ der „Sedisvakantisten“ aufwirft. „Zum Beispiel: Wie können die Päpste nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil häretisch geworden sein, obwohl sie kein kirchliches Dogma geleugnet haben und gar nicht den Anspruch hatten, etwas zum Dogma zu erheben?“ Äh, das scheint uns eine der dümmsten Fragen zu sein. Am liebsten würden wir antworten: „Gute Frage, nächste Frage!“ Wer behauptet eigentlich, daß „die Päpste nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil häretisch geworden“ seien? Altmann selber hat uns belehrt, daß die meisten „Sedisvakantisten“ davon ausgehen, daß Pius XII. der bislang letzte Papst war und wir seit seinem Tod im Jahr 1958 keinen wahren Papst mehr haben. Das war einige Jahre vor dem „Zweiten Vatikanischen Konzil“. Darum nur konnte diese „Konzil“ zu jener „Konstituante einer neuen Kirche“ (Holzer) werden, weil kein Papst da war. Und danach war erst recht kein Papst mehr da, der „häretisch werden“ hätte können. Die Frage müßte, wenn schon, dann an die „Neo-Trads“ gerichtet werden, von denen etliche behaupten, „Papst Franziskus“ sei in Häresie gefallen. Die „Sedisvakantisten“ behaupten das nicht, denn für sie gibt es keinen „Papst Franziskus“.
Leugnung kirchlicher Dogmen
Die „kirchlichen Dogmen“, die das „II. Vatikanum“ explizit oder implizit geleugnet hat, sind Legion. Man muß nicht ein feierlich erklärtes Dogma leugnen, um Häretiker zu sein. Dogma ist vieles, was nicht feierlich erklärt worden ist. Man muß auch nicht erst den Anspruch haben, „etwas zum Dogma zu erheben“, um öffentlich Häresie zu verkünden. „Zum Beispiel“: Die Kirche hat immer erklärt, ob feierlich oder nicht, daß die „Zugehörigkeit zur Kirche … für alle Menschen heilsnotwendig“ ist. Dieser Satz ist „de fide“, also Dogma. So lehrte das 4. Laterankonzil: „Eine einzige ist die allgemeine Kirche der Gläubigen, außerhalb deren keiner gerettet wird.“ „Ebenso lehrte das Unionskonzil von Florenz, desgleichen die Päpste Innozenz III., Bonifaz VIII. in der Bulle ‚Unam Sanctam‘, Klemens VI., Benedikt XIV., Pius IX., Leo XIII., Pius XII. in der Enzyklika ‚Mystici Corporis‘“ (Ott, Dogmatik § 20).
„Pius IX. erklärte gegenüber dem modernen religiösen Indifferentismus: ‚Auf Grund des Glaubens ist festzuhalten, daß außerhalb der apostolischen, römischen Kirche niemand das Heil erlangen kann. Diese ist die einzige Arche des Heiles. Wer nicht in sie eintritt, wird in der Flut umkommen. In gleicher Weise ist aber als sicher anzunehmen, daß diejenigen, die an Unkenntnis der wahren Religion leiden, falls dieselbe unüberwindlich ist, vor den Augen des Herrn darob nicht mit Schuld behaftet sind‘. Der letzte Satz hält die Möglichkeit offen, daß Menschen das Heil erlangen, die tatsächlich (actu) nicht der Kirche angehören“ (ebd.). Letzteres nennen wir „Begierdetaufe“.
Das war die immerwährende Lehre der Kirche. Das „II. Vatikanum“ hingegen erklärt in seinem „Ökumenismus-Dekret Unitatis Retintegratio“ Nr. 3: „Ebenso sind diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften [Protestanten, „Orthodoxe“] trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet.“ Die gleißnerischen Zusätze von den „Mängeln“, die diesen Gemeinschaften „nach unserem Glauben anhaften“, und von der „der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit“, von welcher sich deren „Wirksamkeit“ herleitet, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier ein klarer Widerspruch besteht. Die Lehre der Kirche besagt, daß „außerhalb der apostolischen, römischen Kirche niemand das Heil erlangen kann“ und diese „die einzige Arche des Heiles“ sei; das „II. Vatikanum“ lehrt, daß auch die von dieser „apostolischen, römischen Kirche“ „getrennten Kirchen und Gemeinschaften“ durchaus „Mittel des Heiles“ sind, ja daß der „Geist Christi“ sich „gewürdigt“ hat, sie als solche zu gebrauchen. Dies ist eine klare Leugnung des Dogmas der Kirche, mithin eine Häresie. Diese Häresie lehrte das „II. Vatikanum“, diese Häresie haben alle „Konziliaren Päpste“ bisher gelehrt, von Montini bis Bergoglio, und zwar höchst amtlich und offiziell.
Neue Spielart des „Sedisvakantismus“
Und das war’s dann schon mit den „großen Fragen der Kirche“. Eine „ganze Reihe von Fragen“ wirft die „theologische und kirchenrechtliche Argumentation“ der „Sedisvakantisten“ angeblich auf, doch der Autor begnügt sich mit einer einzigen, die obendrein falsch gestellt ist, und beantwortet sie nicht einmal. Sie soll ja auch nur ein „Beispiel“ dafür sein, wie „skurril“ diese „Auffassungen und Gruppierungen“ sind. Doch, und das ist wohl das wahre Problem, so „skurril“ sie auch erscheinen, „manchmal scheinen sedisvakantistische Thesen selbst bei Gläubigen zu verfangen, die mit solchen Strömungen nichts zu tun haben wollen“. Verflixt und zugenäht! „So entwickelte sich um den Amtsverzicht von Benedikts [sic!] XVI. im Jahr 2013 der Mythos, dieser habe das ‚munus‘, das petrinische Amt, behalten und nur das ‚ministerium‘, die aktive Ausübung des Pontifikats, aufgegeben. In der Logik dieser These wäre Papst Franziskus kein rechtmäßiger Papst. Somit hat sich gewissermaßen eine neue Spielart des Sedisvakantismus ausgebildet.“ Sapperlot!
Wir dürfen Herrn Altmann aber beruhigen. Es waren nicht die „sedisvakantistischen Thesen“, die für die Entstehung einer „neuen Spielart des Sedisvakantismus“ verantwortlich waren. Es war „Benedikt XVI.“ selber. Er war es, der bei seiner letzten „Generalaudienz“ am 27. Februar 2013 vom „Petrusdienst“ sprach, der den Inhaber „immer und für immer beansprucht“. „Das ‚immer‘ ist auch ein ‚für immer’ – es gibt keine Rückkehr ins Private“, so sagte er damals. „Meine Entscheidung, auf die aktive Ausführung des Amtes zu verzichten, nimmt dies nicht zurück. Ich kehre nicht ins private Leben zurück – in ein Leben mit Reisen, Begegnungen, Empfängen, Vorträgen usw. Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn. Ich trage nicht mehr die amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibe ich sozusagen im engeren Bereich des heiligen Petrus.“ Ratzinger selber war es, kein „Mythos“, der hier erklärte, lediglich „das ‚ministerium’, die aktive Ausübung des Pontifikats“ aufzugeben, das „‚munus‘, das petrinische Amt“ jedoch zu behalten. Deshalb behielt er auch die weiße Soutane an, nannte sich nun „Papa emeritus“, ließ sich weiterhin „Benedikt XVI.“ nennen und als „Heiligkeit“ titulieren, führte weiterhin das Papstwappen und erteilte in seinen Korrespondenzen den „Apostolischen Segen“.
Sein Verbleiben im Vatikan und seine gemeinsamen Auftritte als „Doppelspitze“ mit Bergoglio bei offiziellen Anlässen taten ein übriges, den Eindruck zu stärken, daß er nach wie vor Papst sei, wenngleich er nun als „Alt-Papst“ „im Austrag“ hauste, wie sich das gehört, und mehr ein Rentnerdasein führte, während Bergoglio den „aktiven“ Part übernommen hatte. Kein Wunder, daß jene, die mit der offensiven Progressivität Bergoglios ihre Schwierigkeiten hatten, sich in die Ausflucht retteten, Ratzinger sei nach wie vor der „Papst“, sein Rücktritt sei ungültig gewesen etc. Oder wie Altmann formuliert: „Manche Kritiker des Öffnungskurses von Franziskus spielen immer wieder auf dieses Narrativ an.“ „Sedisvakantisten“ waren sie damit allerdings nicht, denn für sie gab es ja einen Papst. Erst mit dem Hinscheiden Ratzingers standen sie vor ähnlichen Problemen und suchten nach Lösungen. Eine davon bestand übrigens tatsächlich in einem „Konklave“, das im Januar 2023 in Rom stattfand und die zwar absurde, aber höchst praktische und taktisch kluge Entscheidung traf, gleich Bergoglio selber zum „Papst“ zu küren.
Nein, eine „neue Spielart des Sedisvakantismus“ ist nicht wirklich abzusehen, vielmehr eine „neue Spielart des Traditionalismus“; denn immer mehr der „konservativen Konziliaren“ treten aufgrund der Eskapaden Bergoglios besonders in Sachen der Geschlechtsmoral in offene Opposition, darunter auch „Bischöfe“ und ganze „Bischofskonferenzen“. Sie werfen Bergoglio bisweilen sogar „Häresie“ vor und verlangen seinen Rücktritt, rufen zu Ungehorsam und Schisma auf, beten um sein baldiges Ableben – aber sie halten ihn trotzdem für den „Papst“. Dieser „Neo-Traditionalismus“ ist das eigentlich skurrile und interessante Phänomen, an dem sich die „großen Fragen der Kirche“ ablesen lassen. Daneben nimmt natürlich auch die Zahl derjenigen zu, die sich ernsthaft die Frage stellen, ob ein Kasper wie Bergoglio überhaupt noch Papst sein kann. Leider gelangen die wenigsten von ihnen zur richtigen Antwort, zumal für sie die Probleme erst mit Bergoglio angefangen haben, während das „II. Vatikanum“ und die „großen Päpste“ wie der „heilige Johannes Paul II.“ oder der „Mozart der Theologie“, „Benedikt XVI.“ ihnen als Horte der Rechtgläubigkeit erscheinen. (Ratzinger war in den Augen vieler seiner Fans sogar der „Katechon“, der den Antichrist aufhielt, weshalb dieser demnächst erscheinen müßte.)
„Zeiten grassierender Verschwörungstheorien“
Mancherorts aber haben „Alt-Traditionalisten“ wie die „Piusbruderschaft“ oder „Sedisvakantisten“ wie die „CMRI“ dank Bergoglio tatsächlich Zulauf bekommen. Die US-amerikanische „Associated Press“ berichtete am 1. Mai dieses Jahres: „Überall in den USA erlebt die katholische Kirche einen gewaltigen Wandel. Generationen von Katholiken, die die Modernisierungswelle, die in den 1960er Jahren durch das Zweite Vatikanische Konzil ausgelöst wurde, begrüßt haben, weichen zunehmend religiösen Konservativen, die glauben, dass die Kirche durch den Wandel verändert wurde und dass das Versprechen der ewigen Erlösung durch Gitarrenmessen, Essensausgaben in den Gemeinden und lässige Gleichgültigkeit gegenüber der kirchlichen Lehre ersetzt wurde.“ Weiter: „Der Wandel, der durch sinkende Kirchenbesucherzahlen, zunehmend traditionellere Priester und eine wachsende Zahl junger Katholiken auf der Suche nach mehr Orthodoxie geprägt ist, hat die Pfarreien im ganzen Land neu geformt und lässt sie manchmal im Widerspruch zu Papst Franziskus und einem Großteil der katholischen Welt stehen.“ Zwar vollziehe sich dieser „Wandel“ nicht überall gleichermaßen. Immer noch gebe es genügend „liberale Gemeinden, viele, die sich selbst als Mittelweg sehen“, und trotz ihres „wachsenden Einflusses“ blieben „die konservativen Katholiken eine Minderheit“. „Doch die Veränderungen, die sie mit sich gebracht haben, sind unübersehbar.“
Wehret den Anfängen! Deshalb mußte sich auch „katholisch.de“ wohl oder übel mit dem Phänomen befassen, dabei sogar die „Sedsivakantisten“ in den Fokus rücken und sich fragen: „Wie ernst muss man sedisvakantistische Strömungen nehmen?“ Immerhin scheinen sie nicht unbedenklich, denn: „Auch wenn sie zahlenmäßig sehr klein und ihren Positionen bei vielen Katholiken höchstens ein müdes Lächeln hervorrufen, können ihre Thesen in Zeiten grassierender Verschwörungstheorien in der Gesellschaft zumindest bei manchen Gläubigen anschlussfähig sein – gerade auch in einer Phase, in der die Kirche heftig um ihren Kurs in die Zukunft ringt.“ Ja, diese schrecklichen „Zeiten grassierender Verschwörungstheorien“! Ob das vielleicht irgendeinen Grund haben könnte, daß auf einmal so viele „Verschwörungstheorien“ „grassieren“, oder ob diese vielleicht sogar ein „fundamentum in re“ haben könnten, das fragt niemand. Nein, schuld sind allein diese „Verschwörungstheoriker“, und sie gilt es zu bekämpfen, nicht die Ursachen zu beheben.
Doch Altmann hat einen Trost für uns parat: „Für Papst Franziskus jedenfalls sind Sedisvakantisten ‚Pilze’ in der Kirche. Diese Gruppe und weitere Kritiker aus dem traditionalistischen Umfeld würden seine Äußerungen bewusst falsch interpretieren, sagte der Pontifex kürzlich im Gespräch mit spanischen Journalisten. ‚Sie tragen Traurigkeit im Herzen, ich habe Mitleid mit ihnen‘.“ Traurige Pilze! Wer sollte sich vor solchen Jammerlappen schon fürchten?