Am Fest des heiligen Joseph liest die Kirche in der ersten Nachtstunde des Breviers die Geschichte des ägyptischen Joseph, der ein Vor-Bild des heiligen Joseph war, wie dieser vom Pharao zum Vizekönig über Ägypten bestellt wurde:
„Du sollst über mein Haus gesetzt sein, und dem Befehle deines Mundes soll das gesamte Volk gehorchen; nur durch den Königsthron allein werde ich höher sein als du. Und wiederum sprach Pharao zu Joseph: Siehe, ich setze dich über das ganze Land Ägypten. Und er zog den Ring von seiner Hand und steckte ihn an Josephs Hand, und ließ ihn mit einem Kleide von feinstem Linnen bekleiden, und legte eine goldene Kette um seinen Hals. Alsdann ließ er ihn seinen zweiten Wagen besteigen, und durch einen Herold vor ihm her rufen, daß alle vor ihm ihre Knie beugen und wissen sollten, daß er über das ganze Land Ägypten gesetzt sei. Auch sprach der König zu Joseph: Ich bin Pharao; ohne deinen Willen soll niemand im ganzen Lande Ägypten Hand oder Fuß regen“ (Gen 41, 40-44).
Als die von Joseph prophezeite Hungersnot kam und „das Volk zu Pharao um Nahrung“ rief, antwortete dieser: „Geht alle zu Joseph; und alles, was er euch sagen wird, tut!“ (Gen 41, 55).
Am 8. Dezember 1870 erklärte Papst Pius IX. den heiligen Joseph zum Schutzpatron der Universalen Kirche und erhob sein Fest vom 19. März in den Rang Duplex I. Klasse. Im Dekret der Heiligen Ritenkongregation „Quemadmodum Deus“ heißt es dazu:
„Gleichwie der Allmächtige Gott Joseph, den Sohn des Patriarchen Jakob, über das ganze Land Ägypten setzte, um das Korn für das Volk zu retten, so erwählte Er, als die Fülle der Zeit gekommen war, Seinen Eingeborenen Sohn, den Heiland der Welt, auf Erden zu senden, einen anderen Joseph, dessen Vorbild der erste gewesen war, und machte ihn zum Herrn und Verwalter Seines Hauses und Seiner Besitztümer, zum Beschützer Seiner teuersten Schätze.“
Käme nun ein „Traditionalist“ daher und sagte: „Ach, der ägyptische Joseph war ja NUR der Vizekönig von Ägypten. Da mußte man seine Befehle nicht so ernst nehmen, sondern konnte immer sagen: Du bist nicht der Pharao. Was du sagst, ist nicht, was der Pharao sagt. Ich richte mich nur nach dem Pharao.“ Wie wäre es wohl jemandem in Ägypten ergangen, der so über den Vizekönig des Pharao gedacht hätte?
Käme nun ein Protestant daher und sagte: „Joseph war doch NUR der Pflegevater Jesu. Was hatte sein Wort schon zu bedeuten? Wenn ich etwas von Gott will oder von Jesus, dann gehe ich direkt zu ihnen und brauche keinen ‚heiligen Joseph‘.“ Was würde Gott, was würde Christus antworten? „Geht alle zu Joseph; und alles, was er euch sagen wird, tut! Denn Ich habe alles in seine Hand gegeben. Wer ihn verschmäht, verschmäht Mich.“
Was für den heiligen Joseph gilt, das gilt in ähnlicher Weise für den Heiligen Vater, den Papst. Auch dem heiligen Petrus und seinen Nachfolgern gilt das Wort Jesu: „Du sollst über mein Haus, die Kirche, gesetzt sein, und dem Befehle deines Mundes soll das gesamte katholische Volk gehorchen; nur durch den Königsthron allein werde ich höher sein als du.“ Durch den Mund der Kirche ließ Er verkünden, „daß alle vor ihm ihre Knie beugen und wissen sollten, daß er über die ganze Kirche gesetzt sei“. Der Heiland verlieh dem Petrus und dessen Nachfolgern das oberste Hirtenamt dergestalt, daß gewissermaßen „ohne deren Willen niemand in der ganzen Kirche Hand oder Fuß regen“ kann, insofern jede übernatürliche Tätigkeit und Wirksamkeit der Kirche von ihrem mit Christus verbundenen sichtbaren Haupt, dem Papst, ausgehen muß. Gleichwie den heiligen Joseph machte Gott den Papst „zum Herrn und Verwalter Seines Hauses und Seiner Besitztümer, zum Beschützer Seiner teuersten Schätze“ und spricht zu den Christen: „Geht alle zu Petrus; und alles, was er euch sagen wird, tut!“ Zu Petrus aber spricht Er: „Wer dich hört, hört mich.“
Was wird mit einem „Traditionalisten“ geschehen, der meint, der Papst sei ja „NUR“ der Stellvertreter Christi und von daher gar nicht so wichtig? Man könne ihm ruhig ungehorsam sein und brauche nicht auf ihn zu hören? Nun, er wird geistlich leer ausgehen und weiter in der geistigen Hungersnot darben, denn Gott hat es gefallen, uns alle geistlichen Schätze und Früchte „NUR“ durch Seinen Statthalter auf Erden auszuteilen. Was aber ist mit einem „Sedisvakantisten“, der in unserer papstlosen Zeit geistliche Hilfe sucht? Auch er muß sich in dieser Not an den obersten Herrn und König wenden, aber er tut es nicht aus Mißachtung des „Vizekönigs“, sondern NUR, weil es anders nicht geht. Darum wird er Gnade finden bei Gott und, so er demütig und aufrichtig bittet, mit Dessen Gütern erfüllt werden. „Hungrige hat er mit Gütern erfüllt“, jene „Hungrigen“, die sich nach einem Papst sehnen, auf den sie hören und dem sie folgen können, „und die Reichen leer ausgehen lassen“ (Lk 1, 53), jene „Reichen“, die sich über den Stellvertreter Gottes erhaben dünken.