Der Papsthasser oder Die Hybris des Doktors

Der Ausdruck „Hybris“ [laut „Duden“ svw. Hochmut, Überheblichkeit, Vermessenheit], schreibt „Novus Ordo Watch“ , sei sicherlich angebracht, „wenn ein Akademiker, der einen Doktortitel in Philosophie, aber keinen Abschluß in Theologie hat und der nie einen offiziellen Lehrauftrag von dem erhalten hat, was er als rechtmäßige kirchliche Autorität anerkennt, sich anmaßt, die Öffentlichkeit über den ‚traditionellen Katholizismus‘ zu belehren, und sich dennoch nicht schämt, sich sogar gegen einen feierlich heiliggesprochenen Papst zu stellen, der als größter Feind der Kirche gegen den Modernismus bekannt ist“. Gemeint ist „Dr. Peter Kwasniewski, ein Philosophieprofessor im Ruhestand und selbsternannter ‚traditioneller Katholik‘, der dazu neigt, den immensen Erfolg, den seine Schriften bei seinen Glaubensbrüdern genießen, mit einer göttlichen Anerkennung seiner Arbeit zu verwechseln“. Immerhin nennt er sich nicht mehr, wie früher, „katholischer Theologe“, stattdessen jedoch „thomistischer Theologe“, was nicht weniger irreführend ist.

Das Spezialgebiet des Doktors sind liturgische Fragen, doch seit Bergoglio mischt er sich mehr und mehr in dogmatische Themen ein. „Da Bergoglios Lehramt offenkundig mit der traditionellen römisch-katholischen Religion unvereinbar ist, dessen Aufrechterhaltung und Verteidigung uns das Papsttum garantiert, begann Kwasniewski, das Papsttum zu ‚überdenken‘, anstatt zu hinterfragen“, ob Bergoglio „wirklich der Papst ist“. „Zunächst schien Kwasniewski die wahre katholische Lehre über das Papsttum nicht zu kennen; doch als man ihn darauf hinwies, dass seine theologischen Ideen dem Lehramt vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil zuwiderlaufen, korrigierte er seine Fehler nicht. Stattdessen begann er, eine Ablehnung der traditionellen katholischen Lehre zu rechtfertigen – und zwar unter dem Deckmantel des ‚richtigen Verständnisses‘ der ‚wahren‘ katholischen Lehre“ – ein „Verständnis“, welches den Päpsten des 19. und 20. Jahrhunderts offensichtlich abging.

Rein logisch betrachtet, scheint das nur konsequent. Denn „wenn Kwasniewski sich für befugt, fähig und vielleicht sogar verpflichtet hält, das Lehramt eines Papstes (oder eines Mannes, den er als Papst akzeptiert, nämlich Franziskus) zu sichten, zu kritisieren und abzulehnen, warum sollte er dann nicht auch bei jedem anderen Papst das Gleiche tun – den großen Pius X., die Geißel der Modernisten, nicht ausgeschlossen“? Freilich ist eine solche Herangehensweise vollkommen unvereinbar mit dem „traditionellen Katholizismus“ und in keiner Weise geeignet, „die Tradition zu verteidigen“. „Für jemanden, der auf seiner Website angibt, daß er ‚sein Leben der Artikulation und Verteidigung der katholischen Tradition in all ihren Dimensionen widmet‘, sollte das ein echter Warnhinweis sein“, meint „Novus Ordo Watch“. Nicht so für Kwasniewski, der sich und seine Studien für den „ultimativen Maßstab und Richter in allen katholischen Dingen“ hält. Wenn ihm irgendetwas nicht paßt, was ein Papst vor dem „Zweiten Vatikanischen Konzil“ gelehrt oder erlassen hat, „hat er keine Skrupel, das päpstliche Lehramt zu korrigieren, anstatt sein eigenes falsches Verständnis demütig an das des Papstes anzupassen“, wobei es ihn in keiner Weise bekümmert, sich damit in Widerspruch zum („Ersten“) Vatikanischen Konzil (1870) zu stellen, welches ausdrücklich lehrte, daß „das Urteil des Apostolischen Stuhles, dessen Autorität nicht übertroffen wird, von niemandem angefochten werden darf“, noch es irgendjemandem erlaubt sei, „über sein Urteil zu urteilen“ (Denz. 1830).

In seinem zunehmenden Furor gegen alles, was Papst heißt, kennt Kwasniewski keine Grenzen mehr und macht nun auch vor Pius X. (1903-1914), der von Papst Pius XII. 1954 heiliggesprochen wurde, keinen Halt mehr. Ja, dieser ist sogar besondere Zielscheibe für seinen Haß. Einige Vorwürfe, die der Doktor in jüngster Zeit gegen jenen großen heiligen Papst erhoben hat, sind diese: Papst Pius X. habe sich des „liturgischen Modernismus“ schuldig gemacht, die Lehre des heiligen Pius über die Verehrung und den Gehorsam gegenüber dem Papst sei eine „schmerzliche historische Peinlichkeit“, seine Reform des römischen Breviers müsse man als „pietätlos“ und „absurd“ bezeichnen, dem englischen Priester Adrian Fortescue sei recht zu geben, wenn er Pius X. einen „italienischen Verrückten“ nenne.

„Liturgischer Modernist“

Dafür bringt „Novus Ordo Watch“ folgende Belege. Am 4. Februar 2019 schrieb Kwasniewski in einem Artikel über den heiligen Pius X.: „Es gibt einen Fleck auf seinem päpstlichen Wappen: die Gewalt, die er dem römischen Brevier mit seinen radikalen Reformen von 1911 angetan hat.“ Zwar hätten auch andere Päpste kleinere Änderungen oder Reformen vorgenommen, doch nie habe ein Papst es gewagt, „eines der alten liturgischen Bücher der lateinischen Kirche auf so radikale und tiefgreifende Weise zu verändern“. Mit seiner Brevierreform zu Anfang des 20. Jahrhunderts habe Pius X. eine Gebetsregel geändert, „die so alt ist, dass ihre Ursprünge nicht mehr zu erkennen sind“. Der heilige Pius X. sei „der erste Papst in der Geschichte der lateinischen Kirche“ gewesen, der „das reiche Erbe des Ultramontanismus freigiebig austeilte und das Gewicht seines Amtes für die Errichtung eines neuen göttlichen Offiziums einsetzte“. Auf diese Weise habe er „die Voraussetzung für den päpstlichen Konstruktivismus“ geschaffen, „der Pius XII. den Präzedenzfall für die Neugestaltung der Karwoche in ähnlicher Weise von 1948 bis 1955 und Paul VI. für die komplette Umgestaltung der Liturgie von 1963 bis Mitte der 1970er Jahre bot“.

„Paradoxerweise“, so Kwasniewski, „hat der Papst, der den doktrinären Modernismus tapfer bekämpft hat, den liturgischen Modernismus vorgelebt, indem er den Grundsatz der Unantastbarkeit der überlieferten Tradition im Namen der Erleichterung der pastoralen Lasten gebrochen hat“ (Hervorhebung von uns, ebenso im folgenden). So zeige uns „gerade der Heilige, dem die SSPX geweiht ist, zwei Seiten, die in Spannung zueinander stehen“, nämlich den „eifrigen Verfechter des katholischen Dogmas“ und den „überlebensgroßen Pontifex“, der jedoch „einen Teil der Liturgie so behandelte, als sei sie ein Mechanismus, der wieder aufgebaut werden muss, und nicht ein lebendiger Organismus, den es zu pflegen gilt, oder ein Erbe der Heiligen, das es zu bewahren gilt“. „Novus Ordo Watch“ findet „die Dreistigkeit dieser Worte verblüffend“ und hält es für eine „amüsante Ironie“ daß „Kwasniewski all dies in einem Artikel sagt, in dem er andere zur Demut aufruft“.

Erstaunlicherweise kommt es dem Doktor nicht in den Sinn, daß eventuell er es ist, der falsch liegen könnte in seinem Urteil über die Brevierreform, und nicht der Papst, der diese gesetzlich vorgeschrieben hat. Selbst wenn es andere „Liturgiker“ gibt (meist „traditionalistischer“ Provenienz), welche die Kritik Kwasniewskis teilen, so stünde es dem „amerikanischen Philosophen“ doch gut an, „dem autoritativen Urteil eines heiliggesprochenen Papstes mit etwas mehr Respekt zu begegnen“. Sicherlich sei es gestattet, sich zu wünschen, der Papst hätte dies oder das anders gemacht, doch könne man nicht einfach die Reform ignorieren oder ihr ungehorsam sein, „die überarbeiteten Rubriken für null und nichtig erklären oder den Papst des Modernismus beschuldigen“. „Als ob der souveräne Papst erst selbsternannte Laien-‚Experten‘ hätte befragen müssen, um ihm zu sagen, was mit den gesunden katholischen Prinzipien übereinstimmt und was nicht!“ Abgesehen davon, daß der heilige Pius X. selbstverständlich seine – wahren – Experten hatte und nicht einfach im Alleingang über „Pi und Daumen“ seine Reformen nach eigenem Gusto vorgenommen hat.

Papst Pius XII. schrieb in „Mediator Dei“: „Deshalb steht nur dem Papst das Recht zu, eine gottesdienstliche Praxis anzuerkennen oder festzulegen, neue Riten einzuführen und gutzuheißen, sowie auch jene zu ändern, die er für änderungsbedürftig hält (vgl. Cod. iur. can., c. 1257). Die Bischöfe aber haben das Recht und die Pflicht, sorgfältig darüber zu wachen, dass die kirchenrechtlichen Vorschriften betreffs des Gottesdienstes genau eingehalten werden (vgl. Cod. iur. can., c. 1261). Es ist also nicht erlaubt, dem Gutdünken von Privatpersonen, auch wenn sie zum Klerus zählen, all das Heilige und Verehrungswürdige zu überlassen, das zum religiösen Leben der christlichen Gemeinschaft, zur Ausübung des Priestertums Jesu Christi und zum Gottesdienst, zur würdigen Verehrung der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Menschgewordenen Wortes, seiner gebenedeiten Mutter und der anderen Heiligen, sowie zur seelsorglichen Tätigkeit gehört; und ebenso ist kein Privater irgendwie befugt, auf diesem Gebiet äußere Handlungen anzuordnen, die mit der kirchlichen Disziplin, mit dem Aufbau, der Einheit und Eintracht des Mystischen Leibes Christi, ja nicht selten auch mit der Reinheit des katholischen Glaubens in engster Beziehung stehen.“

Schmerzliche historische Peinlichkeit

Am 18. November 1912 hielt der heilige Papst Pius X. eine aufsehenerregende Ansprache anläßlich einer Audienz für die Mitglieder der „Apostolischen Union von Weltpriestern“ anläßlich ihres 50jährigen Bestehens. Diese Ansprache wurde auch in die „Acta Apostolicae Sedis“ aufgenommen (1912, S. 695). Was sagte der heilige Papst in dieser Ansprache?

„Um den Papst zu lieben, braucht man nur darüber nachzudenken, was der Papst ist. — Der Papst ist der Wächter des Dogmas und der Moral; er ist der Depositar der Grundsätze, welche die Familie ehrbar, die Nationen groß, die Seelen heilig machen; er ist der Berater der Fürsten und der Völker; er ist das Haupt, unter dem sich niemand tyrannisiert fühlt, weil er Gott selber repräsentiert; er ist im höchsten Sinne der Vater, der in sich alles das vereinigt, was liebevoll, zart, göttlich ist…“

„Und wie muß man den Papst lieben? ,Non verbo neque lingua, sed opere et veritate‘ (Nicht mit Worten oder der Zunge, sondern in der Tat und Wahrheit). Wenn man eine Person liebt, sucht man sich in allem ihren Gedanken gleichförmig zu machen, ihre Willensmeinungen auszuführen, ihre Wünsche zu erraten. Und wenn unser Herr Jesus Christus von sich sagte: ,si quis diligit me, sermonem meum servabit‘ (wenn jemand mich liebt, wird er meine Gebote halten), so ist es, um unsere Liebe zum Papste zu beweisen, notwendig, ihm zu gehorchen.“

„Wenn man also den Papst liebt, so macht man keine Diskussion über das, was er anordnet oder verlangt, oder bis wohin der Gehorsam gehen muß und in welchen Dingen man gehorchen soll; wenn man den Papst liebt, sagt man nicht: er hat nicht klar genug gesprochen, als ob er verpflichtet wäre, seinen Willen jedem einzelnen ins Ohr zu wiederholen, den er so oft nicht nur mit Worten, sondern durch Schreiben und andere öffentliche Dokumente klar ausgedrückt hat; man setzt seine Anordnungen nicht in Zweifel unter dem leichten Vorwand eines, der nicht gehorchen will, als sei es nicht der Papst, der befiehlt, sondern seine Umgebung; man zieht nicht der Autorität des Papstes diejenige anderer noch so gelehrter Personen vor, die, wenn sie gelehrt sind, doch nicht heilig sind, denn wer heilig ist, kann nicht vom Papste abweichen.“

Man beachte, daß Pius X. hier nicht abstrakt vom „Papsttum“ spricht, sondern konkret von „dem Papst“. „Ein Katholik muss dem Papst treu ergeben sein, unabhängig von seiner Person“, bemerkt dazu „Novus Ordo Watch“. „Wer wirklich an das Papsttum als eine göttliche Institution glaubt, die Gottes besonderen Beistand genießt, wird damit kein Problem haben. Der Oratorianer Pater Frederick Faber aus dem 19. Jahrhundert hat dies einmal in der gleichnamigen Broschüre erklärt: Hingabe an den Papst.“ Man beachte außerdem, daß diese Worte des heiligen Papstes kein momentaner Gefühlsausbruch waren, sondern wohlüberlegt, weshalb sie in die „Acta“ aufgenommen und somit Teil des authentischen Lehramts wurden.

Wie man sich vorstellen kann, mußte sich ein Mann wie Kwasniewski bei diesen Aussagen schütteln vor Entsetzen. In einem Eintrag auf „Facebook“ vom 17. Dezember 2022 schreibt der hochmütige Professor, die päpstliche Ansprache erscheine ihm nicht „wie ein Gesprächsstopper“ („not as a conversation-stopper“), sondern „eher wie eine schmerzliche historische Peinlichkeit, die Katholiken wegzuerklären wissen müssen, wenn sie ihren Mitkatholiken einen Grund bieten wollen, nicht gleich orthodox oder sedisvakantistisch zu werden, wie es jedem vernünftigen Christen verziehen werden kann, wenn er mit dieser besonders widerwärtigen Ader hyperpäpstlicher offizieller Theologie konfrontiert wird, als ob sie akzeptiert werden müßte“. (Das mit dem „Gesprächsstopper“ erinnert uns sehr an die Modernisten, für die päpstliche Lehrentscheidungen nie mehr sein können als ein interessanter „Diskussionsbeitrag“, den man „wegerklären“ kann und muß.)

Novus Ordo Watch“ fällt auf, daß der Herr Professor offensichtlich vor allem bestrebt ist, den „Sedisvakantismus“ zu meiden, und daß dies allein sehr vieles an seiner sonderbaren „Theologie“ erkläre. So herum jedoch funktioniere die Theologie nicht. Man könne nicht mit der gewünschten Schlußfolgerung beginnen und dann die Beweise dafür suchen. Vielmehr müsse man die katholische Lehre, die katholischen Prinzipien befragen, was diese uns sagen. Man könne nicht sagen, Bergoglio „muß“ der Papst sein, und dann die Theologie entsprechend anpassen, sondern man müsse herausfinden, was die katholische Lehre dazu sage, um dann zu der entsprechenden Schlußfolgerung zu gelangen. Und doch sei es genau das, was Kwasniewski in seiner unheiligen „Mission“ zu unternehmen trachte, „ungeachtet dessen, wie pietätlos, wie antikatholisch, wie absurd sich die Folgen eines solchen Unterfangens erweisen“.

Denke auch niemand, der heilige Pius X. hätte solche Dinge nur gesagt, weil er halt der Papst war und wollte, daß alle sich ihm unterwerfen. Nein, bereits im Jahr 1887, als Papst Leo XIII. regierte und Giuseppe Sarto, der künftige Pius X., noch nicht einmal Kardinal, sondern Bischof von Mantua war, sprach er den Papst mit folgenden Worten an:

„Der Augenblick ist gekommen, um dem großen Stellvertreter Christi unsere unwandelbare Zuneigung und Treue zu beweisen. Für uns ist Leo XIII. der Hüter der Heiligen Schrift, der Ausleger der Lehre Jesu Christi, der oberste Spender der Schätze der Kirche, das Haupt der katholischen Religion, der oberste Hirte der Seelen, der unfehlbare Lehrer, der sichere Führer, der uns den Weg durch eine Welt weist, die in Finsternis und Todesschatten gehüllt ist. Die ganze Kraft der Kirche liegt im Papst; alle Grundlagen unseres Glaubens gründen sich auf den Nachfolger Petri. Diejenigen, die ihr Böses wollen, greifen das Papsttum auf jede erdenkliche Weise an; sie schneiden sich von der Kirche los und versuchen ihr Bestes, um den Papst zu einem Objekt des Hasses und der Verachtung zu machen. Je mehr sie sich bemühen, unseren Glauben und unsere Bindung an das Oberhaupt der Kirche zu schwächen, desto mehr sollten wir uns durch das öffentliche Zeugnis unseres Glaubens, unseren Gehorsam und unsere Verehrung an ihn binden.“

Das drückt die wahre katholische Haltung gegenüber dem Papst aus. Für Kwasniewski wäre das sicherlich eine weitere „schmerzliche historische Peinlichkeit“.

Pietätlos und absurd

Ein besonderer Dorn im Auge des Dr. Kwasniewski ist die Reform des Römischen Breviers, die der heilige Pius X. durchgeführt hat. Der Doktor schrieb darüber in einem Artikel vom 17. Mai 2023:

„Abgesehen davon, daß wir schlicht die Pietätlosigkeit dieser ultramontan-positivistischen Unternehmungen moderner Päpste einräumen müssen – sei es die Aufgabe des traditionellen römischen cursus psalmorum [Anordnung der Psalmen] durch Pius X., die Neugestaltung der Karwoche durch Pius XII., die Sammlung neuer liturgischer Bücher durch Paul VI. oder fast die Gesamtheit des Pontifikats von Franziskus –, können wir sagen, daß diese Unternehmungen etwas anderes als absurd sind? Denn solange diese Handlungen als legitim oder zulässig angesehen werden, wo bleibt dann die gleichzeitige Realität und rechtliche Normativität der liturgischen Tradition? Überlebt der Brauch nur noch als abgeschwächter Schatten seines früheren Selbst?“

Dazu meint „Novus Ordo Watch“: „Die eigentliche Frage, die sich Kwasniewski stellen sollte, ist die, wie es um die Autorität und Glaubwürdigkeit der Heiligen Mutter Kirche bestellt ist, wenn die vom Papst für die Weltkirche erlassenen liturgischen Gesetze von jedem Gläubigen oder zumindest von denen, die sich für weiser, klüger oder kompetenter halten als die höchste Autorität der Kirche, verworfen, verurteilt und abgelehnt werden können“, ja wenn man sie als „pietätlos“ und „absurd“ zurückweisen müßte. In seiner Bulle „Auctorem Fidei“ aus dem Jahr 1794 verurteilt Papst Pius VI. feierlich den Satz, daß die „von der Kirche angenommene und genehmigte Ordnung der Liturgie irgendwie aus dem Vergessen der Grundsätze hervorgegangen wäre, durch welche sie geregelt werden soll“, als „verwegen, fromme Ohren verletzend, die Kirche schmähend, die Lästerungen der Häretiker gegen sie begünstigend“.

Noch einmal „Novus Ordo Watch“: „Es waren wohl genau solche Haltungen wie die von Peter Kwasniewski, die Papst Pius X. dazu veranlassten, in seiner Ansprache an die Delegierten der Apostolischen Union zu sagen, dass die Katholiken ‚der Autorität des Papstes nicht die anderer Personen – und seien sie noch so gelehrt – entgegensetzen sollten, die vom Papst abweichen. Denn wie gelehrt sie auch sein mögen, sie sind nicht heilig, denn wo es Heiligkeit gibt, kann es keine Meinungsverschiedenheiten mit dem Papst geben‘.“

Italienischer Verrückter

Am 2. Dezember dieses Jahres „teilte“ Peter Kwasniewski auf „Twitter/X“ und „Facebook“ ein Zitat des Priesters Adrian Fortescue (1874-1923) aus einem persönlichen Brief, den dieser am 5. November 1910 geschrieben hatte. Darin schrieb dieser Fortescue über den heiligen Pius X. unter anderem: „Die Zentralisierung wächst und wird von Jahrhundert zu Jahrhundert verrückter. Selbst in Trient hat man so etwas kaum vorausgesehen. Bedeutet es wirklich, daß man nicht Mitglied der Kirche Christi sein kann, ohne, wie wir, einem italienischen Verrückten völlig ausgeliefert zu sein?… Wir müssen auch diese Widerwärtigkeit irgendwie überstehen. … Gebt uns die Johannes- und Stephan-Päpste des zehnten Jahrhunderts zurück, oder einen Borgia! Sie waren weniger katastrophal als diese bedauernswerte Person.“ Mit dem „italienischen Verrückten“ und der „bedauernswerten Person“, die „katastrophaler“ ist als ein Borgia-Papst, war, wir wiederholen es, der heilige Papst Pius X. gemeint. Statt sich jedoch zu entsetzen, bemerkt Dr. Kwasniewski dazu: „Fortescue war weder liberal noch Modernist, doch er erkannte ein Problem. Und das war vor 113 Jahren.“ In seiner Einleitung nennt er Fortescues Ausführiungen „an oldie but a goodie“ und fügt süffisant hinzu: „Was wäre wohl los gewesen, wenn es in jenen Tagen bereits ‚Social Media‘ gegeben hätte.“

Wie lange noch?

Wir enden an dieser Stelle das traurige Kapitel, fragen uns aber, wie lange die „Piusbruderschaft“ solche Lästerungen ihres heiligen Patrons durch einen „Traditionalisten“ hinnehmen wird, ehe sie anfängt sich zu fragen, ob mit dem „Traditionalismus“, den sie selber ebenfalls pflegt, vielleicht irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist. Der „Traditionalismus“, den Lefebvre maßgeblich mitgeprägt hat, ist wie bei Mr. Kwasniewski aus dem Bestreben hervorgegangen, um jeden Preis den „Sedisvakantismus“ zu meiden. Das war nur möglich, indem man die katholische Lehre über das Papsttum „modifizierte“, denn sonst wäre der Schluß unausweichlich gewesen, daß es sich bei den „Konziliaren Päpsten“ nicht um den Stellvertreter Christi auf Erden handeln kann.

Um die „Konziliaren Päpste“ als „wahre Päpste“ zu retten, mußte man das Papsttum abwerten, die Bedeutung des Lehramts und insbesondere die päpstliche Unfehlbarkeit auf ein Minimum reduzieren und so den Papst dem eigenen Urteil und einer „legitimen Kritik“ unterwerfen. Da diese „neue“ Lehre, wenn sie denn zutrifft, nicht nur für die „Konziliaren Päpste“ gelten kann – wie Lefebvre das wohl gerne noch gehabt hätte –, wurde sie von den „Neo-Traditionalisten“ konsequent auf alle Päpste ausgeweitet und macht nun auch vor dem Patron der „Piusbruderschaft“ nicht halt, zumal der „Traditionalismus“ – da bildet die „Piusbruderschaft“ keine Ausnahme – auch die Unfehlbarkeit von Heiligsprechungen leugnet. Ob ihr das wohl zu denken geben wird? Ob sie eher bereit sein wird, ihren heiligen Namenspatron zu opfern oder ihre ideologischen Vorurteile? Klar ist: Wer das Papsttum so behandelt, wie die „Traditionalisten“ es tun, kann eigentlich keinen Papst mehr als Heiligen verehren, schon gar nicht einen wie den großen Pius X.

Wer am Papsttum festhalten will und an der katholischen Lehre, wer den heiligen Pius X. verehrt und seinen Worten glaubt, der muß die „Konziliaren Päpste“ als Schein- und Gegenpäpste verwerfen. Andernfalls landet er wie Kwasniewski bei Lehren, die „verwegen, fromme Ohren verletzend, die Kirche [v.a. den Papst!] schmähend, die Lästerungen der Häretiker gegen sie begünstigend“ zu nennen sind und fern der Gemeinschaft der Heiligen. „Denn wo es Heiligkeit gibt, kann es keine Meinungsverschiedenheiten mit dem Papst geben.“