Meine Rückkehr zur katholischen Kirche

Es folgt ein Auszug aus: „Konnersreuther Jahrbuch 1936. Der Konnersreuther Chronik achte Folge.“ Von Friedrich Ritter von Lama. Verlag der Badenia, Karlsruhe 1937, S. 47-62. Zwischenüberschriften hinzugefügt, Rechtschreibung leicht angeglichen.

Vorwort

Wenn wir im Folgenden einen Bekehrungsbericht aus dem Konnersreuther Jahrbuch von 1936 wiedergeben, so ist es zum besseren Verständnis hilfreich, die Zeitumstände kurz zu beleuchten. Der Herausgeber des Konnersreuther Jahrbuchs, Friedrich Ritter von Lama, gehörte nämlich dem katholischen Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur an. Friedrich von Lama wurde als zweitältester von vier Söhnen der Eheleute Karl Joseph Lothar Theobald Ritter von Lama und Josepha, geb. Joerg, am 4. September 1876 in Salzburg geboren. Die Familie entstammte einem Südtiroler Adelsgeschlecht.

Friedrich von Lama wuchs in der Bismarckzeit auf. Damals wurden die Katholiken im sog. Kulturkampf verfolgt, wenn auch diese Verfolgung noch nicht den Einsatz des Lebens wie zur Nazizeit forderte. Der Vater arbeitete als Journalist und gehörte der katholischen Zentrumspartei an. So lernte Friedrich von Lama von Kind auf, die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit vom katholischen Glauben her zu beurteilen.

Er wählte den Beruf des Buchhändlers und arbeitete beim Friedrich Pustet Verlag in Regensburg, einem der bedeutendsten katholischen Verlagshäuser in Deutschland. Unter anderem übersetzte er den Science-Fiction-Roman „Der Herr der Welt“ von Robert Benson, der im Jahr 2020 spielt. Eine entscheidende Wendung nahm von Lamas Leben durch die Ereignisse um Therese Neumann in Konnersreuth. Er besuchte die „Resl“ 1927 und war fortan voll und ganz von der Echtheit ihrer Charismen überzeugt. Von nun an gehörte er zum engsten Kreis und gab die „Konnersreuther Jahrbücher“ heraus, die in sämtliche europäische Sprachen übersetzt wurden. Dabei ließ er in diese, sozusagen nebenbei, immer wieder Informationen über den Zustand Deutschlands einfließen.

In einem Brief vom August 1932 schrieb er: „Wie können Sie von mir verlangen, daß ich den Nationalsozialismus anerkenne als eine von Gott kommende und Ihm dienende Bewegung? Die Tatsache, daß das ihn belebende Element nicht Liebe, sondern Haß ist, müßte Ihnen die Augen öffnen. Die Mordtaten, die täglich von seinen Anhängern begangen werden – all das ist Sünde, ist Beleidigung Gottes!“

Den Nationalsozialisten blieb die Gesinnung Friedrich von Lamas natürlich nicht verborgen. Sie ließen ihn streng überwachen. Die Polizei öffnete jeden seiner Briefe und machte von verdächtigen Passagen Abschriften. Schließlich bekam er im Jahr 1937 Schreibverbot. Im Hauptstaatsarchiv in München findet sich ein Eintrag der Gestapo, daß er „ein gefährlicher Mitarbeiter der katholischen Aktion“ sei, der „abfällige Artikel über die Haltung der Regierung zum Katholizismus verfaßt“. Es war damals lebensgefährlich, die Wahrheit zu sagen. Das Haus des Schriftstellers wurde infolgedessen öfter nach belastendem Material durchsucht. Ab 1938 wurde er mehrmals verhaftet und auch monatelang – u. a. im KZ Dachau – inhaftiert. Man warf ihm vor, „gegen die Ideologie des Nationalsozialismus zu kämpfen“.

Anfang des Jahres 1944 wurde Lama wegen Anhörens von „Radio Vatikan“ erneut verhaftet und ins Münchener Gefängnis Stadelheim gebracht, wo er nach offizieller Darstellung bereits am 9. Februar an „Herzversagen“ verstarb. Jedoch erklärte eine Ärztin den Angehörigen, die Zugang zum Gefängnis hatte, daß die Leiche blaue Flecken und Würgemale am Halse zeigte, weshalb man auf einen gewaltsamen Tod schließen muß. Der Martyrer wurde in aller Stille auf dem Friedhof der Gemeinde Gauting beigesetzt.

Allgemein ist es wohl weniger bekannt, daß die nationalsozialistische Ideologie durchaus auch okkulte Züge aufwies. Ein geheim gehaltener Plan Adolf Hitlers war, gleich nach dem Krieg das Christentum, insbesondere die katholische Kirche, zu zerstören und eine neue Art von Heidentum einzuführen. Insofern werden die Zeitgenossen Friedrich von Lamas aus folgender Lebensbeschreibung die große Gefahr herausgelesen haben, die diesen Okkultismus aufdeckt. Und zudem werden sie anhand dieser Bekehrungsgeschichte verstanden haben, daß jeder Katholik sich ganz unzweideutig gegen all diese Versuchungen durch die Nazis, den katholischen Glauben mit neuheidnischen oder gar okkulten Praktiken zu verbinden, wehren muß. Dasselbe Phänomen der Vermischung findet man übrigens heutzutage etwa bei vielen sog. Charismatikern wieder.

Meine Rückkehr zur katholischen Kirche

Wenn ich, ein Schweizer, diesen Bericht hier durch das Konnersreuther Jahrbuch der Öffentlichkeit übergebe, so geschieht es zum Nutzen und zur Lehre für jene, die vielleicht ähnliche Wege wandelnd gleich mir von der Mutter, der wahren Kirche Jesu Christi, abgefallen sind. Ein solcher Abfall ist für die Kirche stets ein großer Schmerz, für den Abtrünnigen aber noch viel mehr ein großes Unglück. Zugleich veröffentliche ich dieses Selbstbekenntnis für meine getrennten Glaubensbrüder, die Protestanten, mit denen ich mehr als zwei Jahrzehnte lang gegangen und noch heute durch Bande der Freundschaft und Liebe verbunden bin. Und ich schreibe meine Rückkehr zur einst verlassenen katholischen Kirche auch deswegen hier nieder, weil ich diese Um- und Heimkehr, die sich unter unsäglich schwierigen Verhältnissen und inneren Kämpfen vollzog, den fürbittenden Gebeten und Leiden der Therese Neumann verdanke.

Herkunft und Jugendzeit des Verfassers

Mein Großvater väterlicherseits war Protestant. Mein Vater wurde illegitim geboren, da der Großvater mit dem katholischen Mädchen, dem mein Vater entstammte, die Ehe einzugehen sich weigerte und sich seinen Verpflichtungen als Vater entzog.

War es vielleicht der Geist des Großvaters, der in mir, seinem Enkel, sich wieder regte und Oberhand gewinnen wollte? Jedenfalls war der Protestant, das heißt der Widersprecher, in mir frühzeitig wach und lebendig. Kaum aus der Schule entlassen und damit dem katholischen Religionsunterricht entzogen, hegte und nährte ich schon in mir Zweifel an der Wahrheit der katholischen Glaubenslehre, las verbotene Schriften, die die Zweifel verstärkten und vertieften.

Von Jugend auf beseelte mich ein unerklärliches Interesse und ein Hang zum Mystischen, der mir zum Verhängnis wurde, denn mit ihm begann die Verführung. Mit etwa achtzehn Jahren war ich das letzte Mal zur heiligen Kommunion gegangen.

Wahre und falsche Mystik

Es gibt eine wahre christliche Mystik. Es gibt aber auch eine falsche, teuflische Mystik und in diese wurde ich leider verstrickt. Bei meiner Jugend hatte ich noch keinerlei Kenntnis von wahrer Mystik und so vermochte ich Wahrheit und Irrtum nicht zu unterscheiden. Die Kirche, die beste und zuverlässigste Führerin, fragte ich nicht und so geschah es, daß ich in meinem Hang zu allem Un-, Außer- und Übernatürlichen in den Bereich der dämonischen Kräfte geriet und ihnen anheimfiel.

Magie und „Theosophie“

Magie war für mich das Zauberwort. Ich begann mit dem Lesen von Lehrbüchern über Hypnotismus und übte diesen schon mit zwanzig Jahren aus. Von da ging ich zum Spiritismus über, mit dem ich mich zunächst nur theoretisch befaßte. Erst in späteren Jahren hatte ich Gelegenheit, spiritistischen Sitzungen beizuwohnen, von denen noch die Rede sein wird. Vom Spiritismus (Geisterverkehr) kam ich dann zur sogenannten Theosophie, wurde Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und glaubte jahrelang mit den Theosophen, die Wahrheit und Weisheit allein in Pacht zu haben.

Ich las die Schriften von Blavatsky, Besant, Leadbeater, Dr. Franz Hartmann, Dr. Rudolf Steiner u.a.m. Es hieß: „Hinter der Theosophischen Gesellschaft stehen die ‚großen Eingeweihten‘, die ‚Führer des Menschengeschlechtes‘, die ‚unsichtbaren Meister‘, mit denen die Führer der Theosophie in fühl-, hör- und sichtbarer Verbindung stehen.“ Blavatsky will ihre „Geheimlehre“ von diesen Wesen durch Inspiration erhalten haben, von Wesen von einer großen Macht und einem alles umfassenden Wissen. Eine große Rolle spielt in der Theosophie die Lehre von der „Wiederverkörperung“. Und, wie gesagt, ich wurde Mitglied der Gesellschaft.

Mir fiel es nicht auf, daß die Blavatsky ihre ursprüngliche Zeitschrift für Theosophie „Luzifer“ nannte und ihn, den verworfenen Engel, Satan, als „Lichtbringer“ erklärte. Schon das „Theosophische Siegel“, das sich auf der Beitrittsurkunde und auf theosophischen Lehrbüchern findet, weist auf diesen Geist, auf die Schlange hin, welche im Kreis um zwei ineinander verschlungene Dreiecke sich selbst in den Schwanz beißt. Über dem Kopf der Schlange befindet sich abermals ein kleiner Kreis mit einem Hakenkreuz, darüber ein mystischer Name in Buchstaben des indischen Sanskrit. Erst viel später, als ich selbst mit diesen luziferischen Kräften und Mächten fühlbare Verbindung und Bekanntschaft machte, gingen mir die Augen über ihren wahren Charakter auf.

„Krishnamurti“

Die Theosophen erwarteten einen „großen Weltlehrer“. Die Besant hatte dafür den Bund oder Orden des „Sterns vom Osten“ gegründet und auch einen Schüler eigens für diese Aufgabe schulen und erziehen lassen, ihren Krishnamurti, und vor etwas über zehn Jahren verkündete sie der Welt von Madras in Indien aus, aus ihrem Sonnentempel, daß sich Christus in Krishnamurti inkarniert, verkörpert habe. Krishnamurti sei der wiedergekommene Christus, nicht etwa ein Jünger, sondern Christus selbst (Bei Matth. XXIV, 23 ist gesagt: „Wenn jemand zu euch sagt: Seht, hier ist Christus oder dort, so glaubt es nicht. Denn es werden viele falsche Christus und falsche Propheten auftreten…“). Mit ihm, dem Krishnamurti-Christus, sollte der messianische Zeitzyklus beginnen. Eines seiner Erstlingswerke betitelte sich „Zu Füßen des Meisters“, worin er ebenfalls auf die schon erwähnten geheimnisvollen „Meister“ anspielt, die in der theosophischen Bewegung eine so große Rolle spielen.

Ich sah auch Bilder von zwei solchen „Meistern“, „Morya“ und „Kut Humi“ genannt, die die Fähigkeit haben sollten, sich zu materialisieren, das heißt einen Stoffleib anzunehmen. Ebenso hat Dr. Fr. Hartmann in seinen „Lotusblüten“ Briefe von diesen Wesen kopiert, die sie angeblich auf unsichtbare Weise erscheinen ließen. Hartmann war ein bedeutender Führer dieser Bewegung und ist der Verfasser vieler theosophischer Schriften. Er war Freimaurer und suchte den Rosenkreuzer-Orden wieder aufleben zu machen. Er war einer von den „Propheten“, die bezweifelten, daß Christus Fleisch angenommen habe, also Mensch geworden sei, und diese Zweifel regte er auch reichlich bei seinen Lesern an. Er faßte das Christentum esoterisch auf und vermengte es mit den indischen Religionslehren.

Freimaurerische Literatur – „Der Schlüssel zur Geisterwelt“

Um diese Zeit lernte ich die freimaurerische Literatur kennen und zwar die des Mysten und Freimaurers J.B.K. ‚Meisters vom Stuhl der Loge zur aufgehenden Sonne in St. Ich las seine Briefe über die „Königliche Kunst“, Maurerische Mitteilungen 2 Bände, „Der Schlüssel zur Geisterwelt“ u.a.m. Diese Art Maurerei bildet ein eigenes mystisches System für sich und fußt zum großen Teil auf entwendeten christlichen Grundsätzen. Hier ist es für einen Nichtkatholiken schwer, ja fast unmöglich, Licht und Finsternis zu unterscheiden. Der Katholik freilich weiß, daß hier der „Erzfeind“ der Kirche und der Menschheit sich verbirgt, und er tut gut, auf die warnende Stimme seiner göttlichen Mutter zu hören, die ihren Kindern verbietet, sich diesem Orden anzuschließen.

Ein merkwürdiges Erlebnis

In diesen Zeitabschnitt meines Suchens fiel nun ein höchst merkwürdiges persönliches Erlebnis mystischer Art, das mich für die Wahrnehmung außersinnlicher, außernatürlicher Kräfte, Einflüsse und Mächte empfänglich machte.

Ich weilte damals in Deutschland. Eines Abends, als ich mich mit „Geheimschulung“ befaßte, geriet ich in eine Art „ekstatischen“ Zustandes. Ein nie gekanntes Glücksgefühl durchströmte und beseelte mich, um nach kurzer Zeit ins Gegenteil (!) umzuschlagen. Eine übernatürliche Angst, Furcht und Grauen erfaßten mich. Ich wußte mich nicht mehr allein, sondern spürte ein unsichtbares Wesen um mich und hörte seine Einflüsterungen. Dann empfand ich einen furchtbaren, reißenden Schmerz, der von der Fußsohle aufstieg bis zum Scheitel. Ich fühlte den Schmerz nicht im Fleische, sondern wie im Gebein. Er dauerte etwa eine halbe Minute und machte dann einem angenehmen Wärmegefühl Platz, das gleichfalls von den Füßen aufstieg und sich in der Magengrube verteilte. Ich fühlte mir selbst den Puls: er schlug normal. Was waren das für seltsame Empfindungen? So fragte ich mich zunächst. Dann holte ich mir Aufschluß darüber bei einem Theosophen. Seine Antwort lautete: „Sie haben das ‚Reich der Geister‘, die ‚Astralebene‘ berührt.“ Von da an erhielt ich nähere briefliche Unterweisung in der Geheimschulung. Ich suchte nach Wahrheit und Klarheit und konnte sie doch nicht finden. Ich hatte das Kleinod meiner Jugend, den Glauben, verloren und wußte es nicht einmal. Und dennoch, ich trug in mir einen unerklärlichen Haß gegen die Kirche und ihre Diener und dieser Haß machte mich geistig völlig blind, so blind, daß ich Licht für Finsternis und Finsternis für Licht hielt.

„Christliche Theosophie“

Als ich mich in der Theosophie des Ostens leidlich auskannte, geriet ich in ein anderes Fahrwasser oder, gelinde gesagt, vom Regen in die Traufe. Ich landete eines Tages bei der „Christlichen Theosophie“, von deren Existenz ich zuvor kaum eine Ahnung gehabt hatte. Diese arbeitet fast ganz im Verborgenen und geht von Bietigheim in Württemberg aus. Das Hauptwerk dieser Bewegung betitelt sich: „Das große Evangelium Johannes’“; es umfaßt zirka elf große Bände und ist signiert – man höre und staune! – von Jesus! Neu-Offenbarungen des Herrn!

Christus soll hier durch Medien (!) seine Lebensgeschichte in ausführlicher Weise niedergelegt haben, indem er sich „hellhörender“ Mittelspersonen, „Medien“ bediente und ihnen den Inhalt dieses Werkes „eingab“. Diese Sekte hat auch in der Schweiz ihre verborgenen Anhänger. Von diesem „Großen Evangelium“ las ich einen Band, ferner die „Geistige Sonne“ und etliche kleinere Schriften. Ich las – – und las – – und wurde über den Inhalt stutzig. Ich fragte mich: Ist dieses Werk wirklich von Christus oder nicht? Wenn nicht, dann kann es nur von seinem großen Gegner, von Luzifer selbst, dem Vater aller Lügen sein.

In jene Zeit fiel nun wieder ein persönliches Erlebnis mystischer Art. Es geschah an einem Sonntag im Dezember, sechs Uhr morgens. Es läutete eben die Glocke der protestantischen Kirche, als ich ein merkwürdiges Gesicht hatte. Ich sah im Geiste einen riesenhaft großen Christus, der in der Luft wandelte, hörte aber gleichzeitig eine innere Stimme mir sagen: „Das ist der Teufel!“, „Das Gericht steht vor der Türe!“ Ich dachte über die Vision nach und erinnerte mich deutlich, daß der Raum um diesen Christus finster war. Damals war ich mit einer Frau in Z. gut bekannt, welche die Sehergabe besaß. Sie war ursprünglich katholisch gewesen und diente als Waisenkind Katholiken. Die grausam harte Behandlung, die ihr dort widerfuhr, ließ sie an ihrem Glauben irre werden. Allein in der Welt stehend, heiratete sie später protestantisch. Als ich sie kennenlernte, war sie schon betagt und Witwe. Ich unterhielt mich gern mit ihr und besuchte sie oft. Was ihre Sehergabe betraf, war ich mir lange nicht über dieselbe klar. Auch sie kannte die „Christliche Theosophie“. Eines Tages sah ich ein Christusbild bei ihr, das von der „Christlichen Theosophie“ als das „allein echte Christusbild“ verbreitet wird. Aber dieses Christusbild erinnerte mich allzusehr an den mir erschienenen Christus, von dem ich im Innern gehört hatte: „Das ist der Teufel!“ Nach solchen Erlebnissen stellte ich innerlich wiederholt die Frage an mich: „Ja, gibt es denn falsche Christusse?“

Ein weitaus merkwürdigeres Erlebnis gab mir Antwort auf diese Frage. Sieben Tage war seit jener Christus-Erscheinung verflossen. Es war an einem Samstag Nachmittag, als ich die Seherin (Sie ist längst gestorben.) wieder besuchte. Als ich mich von ihr verabschieden wollte, geschah etwas Seltsames; sie sagte zu mir: „Wollen wir nicht noch etwas miteinander beten?“ Daraufhin geriet sie plötzlich ins Schauen und sprach: „Ich sehe ein Tier aufsteigen, es hat Füße wie Bärenfüße und befindet sich an einer Kette; es ist ein Geist des Abgrundes (Im Kapitel XIII, Vers 1 ff. der Geheimen Offenbarung wird der kommende Antichrist, die Kreatur Satans und von diesem, seinem Vorgesetzten durch dämonisch-hierarchische Bande gebunden, geschildert: „Ich sah aus dem Meer ein Tier aufsteigen; das Tier, das ich sah, glich einem Panther. Seine Füße waren wie die eines Bären und sein Maul glich einem Löwenmaul.“) Im selben Augenblick ertönte die Glocke zu ihrer Wohnung. „Das ist der Feind!“ sprach sie noch, da ging auch schon die Tür auf und herein traten zwei Männer, die ich nie zuvor im Leben gesehen hatte. Sie musterten mich scharf und ihr erstes Wort war: „Der Heiland sendet uns!“ Sie kamen beide vom Kanton Bern und erzählten von einer Offenbarung, die sie am Morgen erhalten hätten: sie sollten sich aufmachen und nach der Stadt Zürich gehen, da würden sie jemanden finden. In Zürich angekommen, trieb sie der Geist zu dieser Seherin, bei der ich soeben mich befand. Über diese ihre Aussage etwas verwundert, erzählte ich den beiden Männern eine merkwürdige Begebenheit aus meiner frühen Jugendzeit. Da fing einer der Männer an, in einer mir fremden Zunge zu reden. Der andere gab an, was jener sprach. Die Mitteilungen betrafen meine Zukunft, die Zukunft der Völker und Nationen und den Antichrist.

Falsche Propheten

Als mir innerlich Zweifel an dem Geiste dieser Propheten aufstiegen, wurden diese Zweifel von ihnen sofort erkannt und der Geist in ihnen verwies sie mir mit drohenden, nicht wiederzugebenden Worten, in denen für mich eine Gefahr beschlossen war. Ich betete nun innerlich still, Gott möge mich hier erretten, wenn es falsche Propheten wären. Ich sah nach der Seherin hin und fühlte, daß sie unsicher wurde, dann auf die Seite dieser Propheten trat, die sie mir als von Gott gesandt vorstellen wollte.

Und es waren doch „falsche Propheten“! Ihre Prophezeiungen haben sich als lügenhaft erwiesen. Und jetzt begann der Kampf. Ich wußte, daß diese Männer auch mit der „Christlichen Theosophie“ bekannt waren, somit sprachen wir darüber. Nun war ich sicher, daß die „Christliche Theosophie“ keine neue Offenbarung war und nicht von Christus, dem Gekreuzigten kam, sondern von seinem Widersacher, dem Fürsten der Hölle. Kühn genug schrieb ich diese meine Erkenntnis an die Vertriebsstelle dieser „Offenbarungen“. Die Folge davon war ein furchtbarer Anschlag gegen mich, den ich in menschlicher Sprache nicht wiedergeben kann. Ich kann darüber nur in einem Bilde, im Gleichnis reden: Wenn ein Mörder, ein Totschläger, plötzlich einen Menschen anfällt, so entsteht zwischen ihnen ein Ringen auf Leben und Tod. So ähnlich war es da, nur daß alles geistig geschah. Ich kannte damals ja keinen Exorzismus! Es ging alles handgreiflich. Der Feind wartete, bis er mich des Nachts im Schlafe wußte. Oft habe ich mich seitdem gefragt, was wohl mit mir geworden wäre, wenn er mich übermannt hätte. Vielleicht hätte er mir die Sinne zerrüttet, mich hohnlachend ins Narrenhaus begleitet, damit ich diesen Bericht über meine Konversion nie hätte schreiben können. Ich wäre nicht der erste Theosoph gewesen, den das Irrenhaus aufgenommen hat. Daß der Widersacher sich der Sinne eines Menschen bemächtigen kann, wenn die Voraussetzungen dazu gegeben sind, das sah ich persönlich bei einer spiritistischen Sitzung an einem Medium. Wenn man mir sagt: Es gibt keine Besessenheit!, so beweisen die folgenden Erlebnisse das Gegenteil.

Ein „spiritistisches Phänomen“

Ich war bei der genannten Seherin mit einem medial veranlagten Mann und ohne daß ich die Gelegenheit gesucht hatte, wohnte ich einem spiritistischen Phänomen bei. Unsere Unterhaltung drehte sich anfänglich um andere Dinge. Da sprach die Frau mit einem Male von der Anwesenheit von Geistern, die das Medium umlagerten. Als ich nun den Mann ansah, fand ich ihn verändert und schläfrig. Er sagte noch, ich solle ein Vaterunser beten und wir sollen uns die Hände zu einer Kette reichen. Während des Gebetes fiel der Mann in Tiefschlaf („Trance“) und die Seherin erklärte: „Jetzt tritt ein Kontrollgeist in das Medium.“ Es dauerte nicht lange, so meldete sich würdevoll durch das Medium jemand, der dessen Sprachwerkzeuge benützte und uns begrüßte. Er stellte sich uns auch mit den Worten vor: „Ich bin der Kontrollgeist und dieser Mann ist das Werkzeug, durch das ich zu euch rede.“ Er sprach noch einiges, dann trat er zurück, um anderen Wesen Platz zu machen, die nun durch das Medium sprachen; manche suchten auf diese Weise uns ihre Sünden zu bekennen und baten um unser Gebet (Das sind die bekannten frommen Mittelchen, die stets am Anfang vorkommen und der Irreführung dienen.), andere wieder weinten und schluchzten. Es meldeten sich dann auch haßerfüllte Wesen. Eines bekannte Totschlag. Auch ein Sektenführer einer Gebetsheilanstalt (M. bei Z.), der er im Leben vorgestanden hatte und der klar seinen mir schon bekannten Namen nannte, meldete sich; desgleichen eine ehemalige Gehilfin von ihm. Die Seherin hatte die Personen zu Lebzeiten gekannt und will sie schauend auch wieder erkannt haben. Ich selbst hatte nur von ihnen gehört und gelesen.

Ob auch hier dämonischer Betrug vorlag, vermochte ich damals nicht zu überprüfen. Am Schluß der Sitzung meldete sich nochmal der „Kontrollgeist“; auch er bat fromm um ein Gebet, dann werde er das Werkzeug wieder verlassen. Er verabschiedete sich und während des Betens fiel das Medium wieder in den Schlafzustand. Aufwachend blickte der Mann etwas erstaunt um sich. Ich fragte ihn, ob er in Erinnerung habe, wann wir hierher gekommen seien. Er wußte es, aber inzwischen waren anderthalb Stunden verflossen; daher forschte ich weiter, ob er nicht wisse, was in der Zwischenzeit vorgegangen sei. Er erklärte, daß er nur ein Drehen im Kopfe und dann einen Ruck verspürt habe, sonst wisse er gar nichts. Ich erzählte ihm einiges aus der Sitzung und er hörte mit Interesse zu. Er fühlte sich etwas ermüdet. Hier also lag ein ausgesprochener Besessenheitsfall vor, wenngleich die Bekundung nur eine vorübergehende war, und das schien mir wichtig. Nun aber stand ich vor einem anderen Rätsel: Waren die Kräfte und Wesen dämonischer Natur? War dieser „Kontrollgeist“ ebenfalls aus diesem Reiche? Diese Fragen brannten mir auf der Seele. Ich wußte zwar von der Seherin, daß diese „Kontrollgeister“ sich oft auch „Abgesandte Gottes“ oder auch „Eilboten des Herrn“ nannten. Würden sich aber himmlische Wesen in solcher Weise bekunden? Würden diese Besessenheit bewirken und den Menschen seiner Sinne berauben? Und dann hatte mir dieser „Kontrollgeist“ noch persönlich, ehe er das Medium verließ, eine Verheißung gegeben, die sich – nicht erfüllte! Ich hatte es, wie mir bald klar wurde, dennoch mit lügenhaften Kräften und Wesen zu tun. Ich fing an, der Sehergabe dieser Frau zu mißtrauen. Sie konnte Irrtum nicht von Wahrheit unterscheiden, und ich kam zu der Überzeugung, daß sich kein anderer als der böse Feind ihrer bediente, um mich erst recht irrezuführen. Hatte sie doch trotz ihrer Sehergabe die beiden falschen „Propheten“ nicht erkannt, sie sympathisierte ferner mit der „Christlichen Theosophie“, deren Lehren ich als Machwerk Luzifers erkannte. Hier erscheint er im Gewande Christi, als Engel des Lichtes.

Ein neues „Vaterunser“

Als ich eine Versammlung in Zürich besuchte, sagte man mir eines Tages, der „Herr“ werde heute durch ein Werkzeug, durch eine Frau reden. Und der „Herr“ (?) bzw. die Frau redete: „Meine lieben Schäflein …“ Das ganze Gespräch war belanglos, einfältig. Dazu stellte noch ein Mann, Mitglied dieser Sekte, den Antrag, die Vaterunserbitte „Führe und nicht in Versuchung“ abzuändern in „Führe uns in Versuchung!“ Und der Leiter der Sekte gab dazu seine Zustimmung. In dieser Sekte blühte ebenfalls der „Geisterverkehr“ (Spiritismus). Man gab mir einen Band handgeschriebener Sitzungsprotokolle zum Lesen, laut dessen Inhalt sich angeblich der Heiland und seine Apostel spiritistisch manifestierten (!). In diesen Protokollen kam auch Luther und andere Reformatoren vor und gaben Zeugnis ihrer Existenz. Luther beklagte sich, daß der Himmel ihm die Seligkeit noch immer vorenthalte. Diese Protokolle durfte ich an niemanden weitergeben.

Der Kampf mit dämonischen Mächten

Der Kampf mit dämonischen Kräften und Mächten wollte kein Ende nehmen. Oft sah ich diese als dunkle, schwarze Wolken, aus denen Blitze schossen. Einmal erschien der Widersacher als flammender fünfzackiger Stern im Luftraum und während ich ihn im Geiste betrachtete, zuckte der Blitz aus ihm; instinktiv sprang ich zur Seite, da fuhr der Blitz, zischend wie eine Schlange, nach der Stelle hin, wo ich eben gestanden hatte. Ein weiterer Anschlag war so stark, daß ich glaubte, das ganze Haus bebe. Dann wieder erschien der Widersacher als zornsprühendes Auge. Wiederholt auch suchte er mir seelisches Gift beizubringen, so daß ich körperlich das größte Unbehagen fühlte und befürchtete, schwer zu erkranken.

Quälereien und Alpdrücken waren nicht weniger häufig. Letzteres wußte ich einmal von mir abzuwälzen, indem ich mich riesenhaft wehrte; da wußte und erkannte ich, daß nicht überfüllter Magen oder unbequeme Körperlage während des Schlafens dieses Alpdrücken verursacht hatte, sondern ganz andere Einflüsse fremder Mächte. Der Volksglaube dürfte der Wahrheit näher stehen, als die Weisheit der Gelehrten.

Durch diese dämonischen Einflüsse, mit denen ich fortgesetzt zu tun hatte, geriet ich selbst in immer größere Gefahr. Die Rache Satans verfolgte mich, weil ich ihn trotz seines Lichtgewandes erkannt und durchschaut hatte. Eine dieser Gefahren lag auch in falschen Schlußfolgerungen. Nach diesen Erfahrungen und trügerischen Vorstellungen schoß mein Glaube über das Ziel hinaus und ich verfing mich in die Annahme, daß Christus-Erscheinungen überhaupt nicht vorkämen und daß es immer der Widersacher sei, der sie vortäusche, auch in der katholischen Kirche, selbst im Altarsakrament. In diese Verblendung verstrickt und diesem Irrtum hingegeben, den ich als solchen nicht erkannte, kam ich auf einer Ferienreise mit einem Freunde auch an Maria-Einsiedeln vorüber.

Zufall oder Fügung?

War es nun Zufall oder war es Fügung, daß wir keine Autoverbindung vorfanden, jedenfalls waren wir zu einem unfreiwilligen dreistündigen Aufenthalt gezwungen.

Da ich als Protestant lebte, widerstrebte es mir, die Klosterkirche zu betreten. Die katholische Marienverehrung war mir zuwider, wie sie es allen Protestanten ist. Und doch, wenn ich nicht so verblendet gewesen wäre, hätte ich sagen müssen, sie ist durchaus evangelisch, das heißt dem Evangelium gemäß. Steht denn nicht bei Lukas 1, 48 geschrieben: „Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter!“ Und die Katholiken preisen Maria selig. Aber meine Abneigung gegen alles Katholische war so grenzenlos, daß ich eher an meinen Tod geglaubt hätte, als daß ich jemals wieder zur katholischen Kirche zurückkehren würde. Als Maria jene Worte sprach, war sie doch schon die Mutter Christi, trug sie schon den Erlöser als Kind unter ihrem Herzen. Der Geist Gottes hat ihr doch diese Worte in den Mund gelegt und wenn die Marienverehrung nicht im Willen Gottes läge, würde sie diese Worte niemals sprechen haben können. Gewiß, zu Lebzeiten Christi und während seiner Lehrtätigkeit blieb die Mutter bescheiden im Hintergrunde als die demütige Magd. Aber nur sie war und ist die Gebenedeite unter den Weibern.

All das erkannte ich damals nicht. Ich wollte also die Klosterkirche nicht betreten, aber dennoch ging ich hinein, freilich mit dem inneren überlegenen Stolze des Protestanten. Wie ich nun in die Kirche trat – Kniebeuge und Weihwasser kannte ich nicht mehr, noch weniger das Kreuzzeichen – da sah ich zum erstenmal das Heiligtum von Einsiedeln, die Gnadenkapelle. Ich erblickte davor Menschen in demütiger Haltung und – bedauerte sie. Von der Jugendzeit her wußte ich noch dunkel und verschwommen um die Geschehnisse von Einsiedeln, erinnerte mich auch, daß da Christus einmal erschienen sein solle. Im Herzen aber dachte ich: Das war wohl auch wieder so ein Blendwerk des Teufels, wenn es denn überhaupt wahr ist.

Ein Menetekel

Als ich nun an der linken Seite der Gnadenkapelle vorübergehen wollte, gab mir die Gottesmutter ein unerhörtes Zeichen, eine Gottesschrift, ein Menetekel. Ich las in den Marmor in großen goldenen Buchstaben die Worte eingemeißelt: „Hier ist der Ort, wo Christus erschienen ist.“ Sie standen klar und deutlich vor mir, aber erst Jahre später, als ich zur katholischen Kirche heimgefunden hatte und bußfertig eine Wallfahrt nach Maria-Einsiedeln machte, um dort vor der Inschrift der Muttergottes um Verzeihung für meine Irrtümer, meinen Haß gegen die Kirche, die ich verfolgt hatte, zu bitten, da gewahrte ich zu meinem Erstaunen, ja Erschrecken, daß gar keine Inschrift vorhanden war! Und heiß stieg in mir die Erkenntnis auf: Die Gottesmutter hat dir, ihrem verlorenen Kinde, damals ein besonderes Zeichen gegeben! In ihrem Hochgesang spricht sie: „Er wirkt Mächtiges mit seinem Arme, zerstreut, die stolz in ihrem Herzen sind.“

Diese goldene Inschrift also, die ich damals mit meinen eigenen Augen las, erregte in mir sofort Widerspruch. Der Protestant in mir sagte: So etwas glaube ich nicht! Und wenn es wahr ist, daß Christus hier erschienen sein soll, so war es gewiß ein falscher Christus. So äußerte ich mich noch in der Kirche meinem Freunde gegenüber. Stolz, wie ich gekommen, verließ ich die Kirche wieder.

Therese Neumann

Ungefähr zwei Jahre nach diesem Besuche in Einsiedeln las ich zum erstenmal in der Bossischen Zeitung in einem Hotel im Berner Oberland von Therese Neumann. Ich wurde aufmerksam. Und zufällig (?) war eben eine deutsche Dame aus München anwesend, die mir die Sache als richtig bestätigte. Nun wurde ich nachdenklich. Der Feind witterte hier offenbar Gefahr, daß ich, schon sein Opfer, ihn doch noch entgehen könnte. Jedenfalls stachelte er mich auch hier sofort wieder auf und ließ mich Weiß für Schwarz ansehen. Ich glaubte auch bei Therese Neumann den Widersacher Gottes in Gestalt eines Engels des Lichtes im Spiel. Ich war geistig ganz blind geworden und so vermochte ich auch die Wundmale des Erlösers nicht mehr als „Siegel der Wahrheit“ zu erkennen. Ich schrieb sowohl an das katholische Pfarramt in Konnersreuth wie auch an Therese Neumann selbst diese meine verwegene Ansicht.

Da erschien mir Therese Neumann in einem Traumgesicht als Krankenschwester. Sie sprach nur drei Worte zu mir und diese lauteten: „In zwei Jahren!“.

Damit wußte ich nichts anzufangen. Zwar war ich mir dessen gewiß, daß es Therese Neumann war, aber die Worte waren so unverständlich, daß ich des Traumes bald wieder vergaß.

Das Suchen nach der Wahrheit

Meine innere Unruhe wurde immer größer und quälender. Das beständige Suchen nach Wahrheit, dem immer wieder eine neue Enttäuschung folgte, zermürbte mich. In dieser Geistes- und Gemütsverfassung erinnerte ich mich der Verheißung Jesu Christi bei Lukas Kapitel 11, Vers 13: „… Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern nur gute Gaben zu geben wißt, wieviel mehr wird der himmlische Vater den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten!“ Ich griff danach wie nach einem letzten Rettungsanker. Um den Heiligen Geist wollte ich bitten, wollte den Vater im Himmel darum in Jesu Namen bitten! Es war ganz meinem Gedächtnisse entschwunden, daß ich diesen Geist in der heiligen Firmung empfangen hatte, und auch wenn ich mich dessen erinnert hätte, würde ich es jetzt doch nur mehr als eine inhaltslose kirchliche Zeremonie erachtet haben. Daß sie das aber nicht ist, durfte ich noch erfahren. Es ist mir heute noch deutlich in Erinnerung: als ich diese Bitten zu sprechen begann, da gewahrte ich in mir ein fremdes, höhnisches Wesen, das mir diese Bitten durchkreuzen wollte. Ja, jetzt verdoppelte der Feind noch seine Anstrengungen! Jetzt sollte ich seinen innersten Kreis berühren! Er spielte seine letzte Karte aus, um mich für immer zu erhaschen.

Die wahre christliche Mystik kennt Gotteserfahrungen. Die wahre, die christliche Mystik hat aber auch ihr Gegenbild, die Teufelsmystik. Auch da gibt es wirkliche Erfahrungen, da wird Bekanntschaft gemacht, werden Verbindungen eingegangen mit Luzifer und seinem Anhang. In der Teufelsmystik spielt die Magie eine große Rolle. Mir war Faust, den Goethe dichterisch verarbeitet hat, nur eine Sage gewesen. Jetzt aber drang ich selbst in dieses dunkle Gebiet ein, in diese Dunkelkammer. Ich erfuhr und erkannte, daß es Menschen gibt, die bewußt im Dienste Satans stehen. Ich machte Bekanntschaft mit Teufelsanbetern.

Die Mächte der Finsternis

Manche werden hier ablehnend den Kopf schütteln und nicht glauben, daß es solches in unseren Tagen gibt. Aber meine eigene Erfahrung gibt mir die Antwort auf die Frage: Ja, das gibt es!

Zunächst erhielt ich Einblick in ein dreibändiges, handgeschriebenes Werk, betitelt: „Die große Clavicula“ oder wie man mit den höllischen Mächten einen Vertrag schließt. Das Werk stammte aus dem Besitze eines „Wunderdoktors“ namens Ueli Zürcher, der mehr berüchtigt als bekannt war und im vorigen Jahrhundert durch seine okkulten Fähigkeiten viel von sich reden gemacht hatte. In diesem Manuskript lag das Dämonische ganz offen zutage und vor Augen.

Ich sollte aber noch mehr Vermessen- und Gottvergessenheit kennenlernen und zwar aus der unmittelbaren Gegenwart. Ein Dr. M. – er nannte sich Großmeister der Meisterloge Hekate in Wien – sandte mir eine vertrauliche Einladung, in seinen Kreis einzutreten. Ein vorgedrucktes Formular lag bei; es bedurfte nur der Namensunterschrift und eines Geldbeitrages. Auf diesem Formular hieß es: „Wir verehren Adonis als den rechtmäßigen Herrn und Gebieter dieser Welt.“ Schon früher war ich diesem Namen in einem freimaurerischen Buch begegnet. Ich forschte nun nach, wen der Großmeister unter diesem Namen verstehe. Die Antwort nebst Aufklärungsmaterial erhielt ich umgehend von einem Berliner Verlag. Der Sendung lag ein Auszug aus der Geheimlehre der Adonisten bei, ferner ein Auszug aus der „Zauberbibel“ des Dr. M. Dieser selbst sandte mir noch einen vertraulichen Prospekt über sein chemisch-alchemystisches Laboratorium, besser gesagt seine Hexenküche. Der Inhalt überstieg in jeder Hinsicht alles Bisherige. Hier war das Geheimnis der Bosheit in seiner ganzen Tiefe enthüllt, lag unverhüllt zutage. Hier gab sich Satan nicht mehr als Engel des Lichtes, sondern in seiner ganzen Verworfenheit und Scheußlichkeit. Ich las schwarz auf weiß: „Wir verehren Luzifer!“. In der Geheimlehre dieser Satansanbeter stand zu lesen: „Jesus Christus war der größte Betrüger und Schwindler aller Zeiten, der uneheliche Sohn Mariens, gezeugt von einem römischen Soldaten.“ In der „Zauberbibel“ des Wiener Doktors M. mußte der Schüler frevelhafte Flüche gegen Gott aussprechen, die schon zu lesen mir unmöglich war. Und aus dem alchemistischen Laboratorium, der Hexenküche, wurde offeriert: „Hexensalbe für dreimaligen Gebrauch, der Topf zu 200 RM. Tinktur zur Erzeugung künstlicher Visionen. Pergament für Vertragsabschlüsse. Beschwörungsformeln. Rauchwerk bei Zitationen, Teufelsamulette“ usw., natürlich zu entsprechenden Preisen.

Das Geheimnis der Bosheit

Soviel gesunden Menschenverstand hatte ich mir zum Glück noch bewahrt, um zu erkennen, daß ich damit den tiefsten Punkt berührt hatte und dem Geheimnis der Bosheit direkt gegenüberstand. Also dahin war ich in meinem jahrelangen Suchen und Ringen nach Wahrheit aus meinen eigenen Kräften geraten! Gottesdienst und Satanskult sind entgegengesetzte Dinge, und weil ich jenen nicht mehr pflegte, weil ich, das Geschöpf, seinem wahren Schöpfer keine Ehre, keine Danksagung, keine Anbetung mehr erwies, hatte er mich meine Wege ziehen lassen, die nun hier endeten. Das wurde in diesem Bericht gezeigt.

Es war also die höchste Zeit, umzukehren, und mein Gebet um den Heiligen Geist war in jenen Tagen und bei jenen Gefahren doppelt notwendig. Aber nicht im Traume hätte ich noch an eine Rückkehr zur katholischen Kirche gedacht.

Ein unverhofftes Traumgesicht

Als ich mich über ein Jahr lang im Gebete geübt und gemüht hatte, wie mich jene Stelle bei Lukas gelehrt hatte, geschah etwas Unverhofftes. Ich sah in der Nacht im Geiste die Sonne über unseren Bergen aufgehen; die Nacht, in der ich war, wurde taghell erleuchtet und die Strahlen dieser geheimnisvollen „Geistessonne“ trafen mich. Ich verspürte ihre wohltuende Wärme. Das Gesicht fiel in die Zeit der großen Gnadennovene der katholischen Kirche, Ende Januar.

Von Traumgesichten darf gesagt werden, daß, wenn sie von großer Deutlichkeit sind und eine Gnadenbewegung in der Seele auslösen oder eine solche Wirkung hervorrufen, man sie als von oben eingegeben ansehen darf. Dieses Traumgesicht besaß alle diese Merkmale. „Das Heil kommt von den Bergen“, dieses Wort sollte an mir in Erfüllung gehen.

Nun bekam ich starke innere Antriebe, zu fasten und zu beten. Ich zog mich für einige Zeit ganz von den Berufsgeschäften zurück. Dieses mein Fasten fiel auch ausgerechnet in die Fastenzeit der Kirche. Vor Ostern ging ich noch einmal, das letzte Mal, mit den Protestanten zum Abendmahl.

Dennoch wuchs meine innere Unruhe immer mehr. Durch das Fasten wurde ich noch empfindsamer und ich befand mich in einer inneren Bedrängnis und Not, aus der ich keinen Ausweg mehr sah. Es war der Endkampf mit der Macht der Finsternis, die ihre Beute nicht hergeben wollte und ihr Letztes aufbot. Aber dieser Endkampf selbst in seinen letzten Phasen und Einzelheiten war mir verhüllt und verborgen.

Ein Greis im Kapuzinergewand …

Da folgte ein zweites nicht weniger deutliches Traumgesicht. Ein Greis im Kapuzinergewand erschien mir, hielt mir einen Spiegel vor und sprach: „Ich könnte dir schon sagen, wo es fehlt.“ Da ging mit einem Male eine innere Umwandlung vor sich, so rapid, daß ich am nächsten Morgen mit dem ersten Zug nach S. fuhr, um das dortige Kapuzinerkloster aufzusuchen. Ein Kreuz hing am Eingang. Dieses mußte ich ergreifen, mußte daran ziehen, es war die Pförtnerglocke. Man führte mich in einen Raum mit Altar, Tisch und Beichtstuhl. Kurze Zeit vergeht, dann tritt ein Pater herein, ein ehrwürdiger Greis. Ich stand vor ihm – den Hut in der Hand – wie der verlorene Sohn. Erzählte ihm, daß ich bald vierundzwanzig Jahre kein Ostern mehr gehalten, daß ich von der katholischen Kirche abgefallen und infolge davon schwer in Irrtum verstrickt worden bin.

… und die Rückkehr des verlorenen Sohnes

Und so wie im Evangelium der Vater seinen verlorenen Sohn kommen sieht, ihm entgegeneilt und wieder aufnimmt, also geschah mir.

Ich beichtete, so gut ich konnte, das heißt der Pater mußte mir helfen. Wie er nun das „Absolve“ sprach und das heilige Kreuzzeichen über mich machte, da verspürte ich etwas Eigenartiges, etwas geistig Wesenhaftes: der Bann war mit einemmal gebrochen und wich von mir. Mit meiner Wahrnehmungsgabe für Übersinnliches empfand ich nun deutlich, daß ich all diese Jahre unter diesem Bann gestanden hatte. Ich bin daher heute fest überzeugt, daß, wenn die Kirche ein Interdikt ausspricht, sei es über eine Irrlehre oder Persönlichkeit, so liegt Kraft in dieser Binde- und Lösegewalt, das Interdikt ist in der geistigen Welt wirksam. Ich war also selbstverschuldet durch Ungehorsam in den Bann jener finsteren Mächte geraten, war ihnen verhaftet gewesen.

Als Bußgebet trug mir der greise Pater das Glaubensbekenntnis auf. „Können Sie es noch?“ fragte er. „Ja“, antwortete ich. Es kam mir leider nicht in den Sinn, in die Kirche zu gehen. Die heilige Kommunion empfing ich erst zwei oder drei Tage später. So ging ich in Gottes freie Natur, die gerade ihr Frühlingsgewand anlegte; dort wollte ich es beten, denn eine innere Erlöstheit durchströmte mich. Aber – ich konnte das Apostolische Glaubensbekenntnis nicht mehr. Soweit also war es gekommen.

Der Feind gibt nicht auf

Dennoch gab sich der Feind noch nicht überwunden. Er machte noch einen gewaltigen Anlauf. „Glaubst du“, flüsterte er mir ein, „so ein Priester könne dir die Sünden vergeben?“

Ich erwiderte ihm: Christus hat eine Kirche gestiftet, hat ihr die Verheißung gegeben: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen – also muß diese Kirche noch da sein, es müssen ihre Priester noch da sein und diese, nur diese haben übertragene Vollmacht. Alle andere ist Irrtum und Irrlehre. In diesem Glauben blieb ich fest! Da geriet der Feind ins Wanken, und es wankte die Mauer, die er um mich gezogen hatte.

Nun erinnerte ich mich auch wieder des Traumes, in dem ich einst Therese Neumann als Krankenschwester um mich bemüht sah und von ihr die Worte gehört hatte: „In zwei Jahren!“ Den Zeitpunkt des Traumes hatte ich noch im Gedächtnis, es war im April 1929 gewesen. Und meine Umkehr zur katholischen Kirche geschah am 20. April 1931! Auch geschah diese gewissermaßen über Nacht, nur gefördert noch durch das mit Fasten verbundene Gebet.

Die katholische Kirche, von Jesus Christus gestiftete Heilsanstalt

Mehr und mehr erkannte ich nun die katholische Kirche als die von Jesus Christus gestiftete Heilsanstalt. In ihr begegnete mir wieder das Zeichen der Wahrheit und der Erlösung, das heilige Kreuz. Ich sah es auf dem Altare, ich sah es an den Beicht- und Betstühlen, ich sah es auf der Kanzel, ich sah es gehauen in Stein, ich sah es gegossen in Erz, ich sah es auf ihren Fahnen, gestickt auf Purpur, auf Seide und Leinwand. Ich sah das Zeichen der Wahrheit an den Gewändern der Priester, sah es in ihren Handlungen und Zeremonien und ich sah, wie sie in diesem Zeichen dem Volke den Segen gaben. Und eine solche Kirche, die allezeit dieses Zeichen dem Volke vor Augen führt und hält, damit sich der Gläubige stets der Erlösungstat Christi erinnere, eine solche Kirche sollte nicht die wahre Kirche Christi sein? Ich fand im Protestantismus neben den Kalten und Lauen viele suchende Christen, namentlich in den Sekten, und wenn ihre Anschauungen nicht miteinander übereinstimmten oder wenn sie sich gegenseitig befehdeten, in einem Punkte fand ich sie alle einer Gesinnung: in der Abneigung gegen die katholische Kirche. Etliche gingen in ihrem Irrtum und in ihrer Verblendung so weit, daß sie das 17. Kapitel der Geheimen Offenbarung von der „großen Hure“ auf sie bezogen.

Alle diese Irreführungen und diese ganz wahnsinnige Verblendung bewirkt das Reich der Finsternis, denn die Finsternis haßt und fürchtet das Licht, die Lüge haßt die Wahrheit.

Der Herr ist getreu

Christi Verheißungen sind treu und wahrhaftig, das durfte ich erfahren. Ich habe entsprechend der Verheißung im Evangelium um den Geist der Wahrheit gebetet. Wohl mußte ich mich über ein Jahr lang mühen, doch Gott ist treu und was er verspricht, das hält er. Der Geist der Wahrheit führt aber unfehlbar zur katholischen Kirche, weil sie die von Christus gestiftete und verheißene Kirche ist. Sie ist (im apokalyptischen Sinne) das Weib, bekleidet mit der Sonne. (Geheime Offenbarung XII, 1.) Der heilige Seher von Patmos schaut aber noch ein anderes Bild: einen feuerroten Drachen, der das Weib verfolgt. Menschen, die – wie ich es getan – diese Kirche hassen und verfolgen, sind angehaucht vom Geiste dieses Drachen, sind von ihm verblendet und geben sich seinen Eingebungen hin. Sie alle tragen das Malzeichen des Tieres, nämlich das des Stolzes an sich und dieser hat seinen Ursprung und seine Wurzel in Luzifer und seinem Anhang. Dieser selbst ist von unauslöschlichem Haß gegen Christus und seine Kirche erfüllt und weil er weiß, daß er sie nicht zu besiegen vermag, sucht er ihr auf jede mögliche Art zu schaden, namentlich ihre Glieder zu verderben. Er haßt und fürchtet das Kreuz zugleich. Er sucht es wieder aus dem Menschen zu reißen und ihn mit seiner Abneigung gegen dasselbe zu erfüllen. Er ist in allen Verführungskünsten unerschöpflich, ein Meister der Lüge, ja deren Vater. Seine Verstellung und Heuchelei sind ohne Grenzen. Wer wie ich das Unglück hatte, mit diesem Engel der Finsternis Bekanntschaft zu machen, der weiß, wie furchtbar schwer der Kampf ist, um von ihm wieder loszukommen. Der falsche Mystiker glaubt in seinem Stolz – dem Kennzeichen Satans! – sich immer auf dem rechten Wege; er nimmt keine Warnungen an, sondern ist verblendet und beharrt in seiner Täuschung. Wie sehr warnt die Kirche ihre Kinder vor solchen Wegen! Der Katholik tut gut, auf die Stimme der Kirche zu hören. Demut und Gehorsam sind Geschwister. Die Kirche fordert Gehorsam von ihren Gliedern. Wer ihn in dem, was recht ist, verweigert, der lehnt sich bereits wider ihre Satzungen und Gebote auf. In der Auflehnung, im Ungehorsam aber äußert sich schon der Stolz, die Überhebung; sie gehen dem Abfall von der Kirche voran. Gott aber sitzt nicht im Rate der Treulosen und Gelübdebrecher.

Werfe ich heute, da ich zurückgekehrt bin, einen Blick zurück auf das Christentum außerhalb der katholischen Kirche, so erfaßt mich Wehmut ob so vielen Irrtums, so tiefer Spaltung unter meinen getrennten Glaubensbrüdern. Wann wird diese Glaubensspaltung ein Ende finden? Zur Zeit der Ernte!

Gott wird den Weizen sichten,
Die Spreu mit Feuerflammen richten.

Etwa zwei Jahre nach meiner Rückkehr zur katholischen Kirche erhielt ich von einem Sektenführer der Adventisten ein vertrauliches Schreiben, das offenbar vervielfältigt war und an die Mitglieder dieser Sekte verteilt wurde. Ich selbst hatte niemals Beziehungen zu ihr. In diesem vertraulichen Rundschreiben ward Bezug auf die Vorgänge von Konnersreuth genommen. Das große Fastenwunder an Therese Neumann und ihre Wundmale wurden im Sinne von Matthäus XXIV, 5, 24 gedeutet, also im Sinne der Warnung vor falschen Christussen und Propheten!

Nein, meine lieben protestantischen Glaubensbrüder von gestern, in Konnersreuth bekundet sich kein falscher Christus! Den müßt ihr woanders suchen! Wo, das habe ich euch in diesen Zeilen gesagt.

Was würdet ihr sagen, wenn unter euch jemand die Wundmale des Herrn erhielte? Aber noch niemals ist das vorgekommen. Christus hält Seiner Kirche die Treue, Er kann und wird niemals den Irrtum bekräftigen, versteht ihr das? Auch um euretwillen ist dieses Zeichen vom Himmel gegeben und schon viele haben es erkannt. Euch auch gilt das Wort, das der heilige Paulus an die Galater schrieb: „Wer hat euch denn bezaubert (der Wahrheit nicht zu gehorchen), euch, denen Christus vor Augen hingezeichnet ward als der Gekreuzigte.“ (Gal. 3, 1.)

Wandelnd auf dunklen Pfaden,
Verstrickt der finsteren Macht,
Christi Siegel, welch hohe Gnade,
Lösten mich aus tiefster Nacht.

H. G.

Auszug aus: „Konnersreuther Jahrbuch 1936. Der Konnersreuther Chronik achte Folge.“ Von Friedrich Ritter von Lama. Verlag der Badenia, Karlsruhe 1937, S. 47-62. Zwischenüberschriften hinzugefügt, Rechtschreibung leicht angeglichen.