Eine der tragischsten Epochen der Kirchengeschichte war die sog. Reformationszeit. In England sah es zunächst so aus, als würde das Königshaus dem Sturm des Unglaubens standhalten. Doch unter Heinrich VIII. wandelte sich das Blatt – und zwar nicht aufgrund von Glaubensfragen, sondern aufgrund der ungeordneten Leidenschaften des Königs.
Der Jesuit A. Kobler berichtet in seinem Buch „Die Martyrer und Bekenner der Gesellschaft Jesu in England während der Jahre 1580 bis 1681“ darüber:
Als Heinrich VIII. von England in seiner schändlichen Leidenschaft zu Anna Boleyn auf den Rat Cromwell‘s durch ein sklavisch gedrilltes Parlament sich zum Oberhaupt der Kirche in seinem Lande erklären und alle Vollmachten eines solchen beilegen ließ, mußte es notwendig zu einer Verfolgung der Katholiken daselbst kommen, sobald er in dieser seiner Eigenschaft als höchster Herr in geistlichen Dingen auch von seinen katholischen Untertanen anerkannt sein wollte. Denn obgleich er nicht überall, wo man es mit Recht hätte erwarten sollen, jenen Widerspruch gegen seine sakrilegische Anmaßung fand, der ihn allein noch hätte zur Besinnung bringen können, so gab es immerhin noch viele, welche lieber ihr Leben zum Opfer bringen, als den geistlichen Supremat eines weltlichen Fürsten anerkennen, und so sich zum Schisma hinüberführen lassen wollten. Männer, wie Kardinal Fisher von Rochester und Thomas More, der ehemalige Kanzler von England, wurden den höheren geistlichen wie weltlichen Ständen zum leuchtenden Vorbild katholischer Glaubenstreue, während im niederen Weltklerus, namentlich aber in den verschiedenen Ordensfamilien noch Mut genug sich fand, um der unberechtigten Forderung eines Tyrannen ein entschiedenes Nein entgegenzusehen. Heinrich hatte allerdings die Macht in Händen und Männer wie Cromwell und Cranmer zur Seite, dazu ein gefügiges und zuerst auf den Kirchenraub spekulierendes, dann aber durch denselben noch inniger an das Schisma gebundenes Parlament, und so konnte es nicht fehlen, daß es zu einer blutigen Verfolgung der treuen Anhänger der katholischen Kirche kam, welche nur mit dem Tode Heinrichs einen zeitweiligen Abschluß fand.
(A. Kobler S. J., Die Martyrer und Bekenner der Gesellschaft Jesu in England während der Jahre 1580 bis 1681, Druck und Verlag der Vereins-Buchdruckerei, Innsbruck 1886, S. III. Rechtschreibung ist jeweils angepaßt)
Die Verfolgung der Katholiken während der Reformationszeit
Durch den Ehebruch Heinrichs wurde die englische Kirche von Rom losgerissen und das ganze Land zu einem „reformierten“ gemacht. Wobei bei den Engländern, die sich gar nicht so gerne „reformieren“ lassen wollten, eine eigene Art der Deformation stattfand. Man ließ nämlich die Riten zunächst noch soweit wie möglich bestehen und hat diese erst Schritt für Schritt dem neuen Glauben angepaßt.
Für einen Katholiken war es zur damaligen Zeit in England lebensgefährlich. Unser Jesuit weiß zu berichten:
Doch ehe wir mit der Biographie desselben [P. Thomas Woodhouse] die Leben jener Mitglieder der Gesellschaft Jesu beginnen, welche der Verfolgung der Katholiken unter Elisabeth und den Stuarts bis auf Jakob II. zum Opfer fielen, wollen wir noch über den Strafcodex gegen die Katholikten berichten, wie er zur Zeit der ersten Ankunft der Jesuiten in England bestand, und wie ihn P. Parsons zusammengestellt hat in einem Schreiben an P. Gerard, welches 1582 zu Rom unter dem Titel erschien: De Persecutione Anglicana libellus [Verzeichnis über die anglikanische Verfolgung]. In diesem Strafcodex werden zweierlei Gesetze unterschieden: bei den einen handelt es sich um Freiheit und Vermögen, bei den andern um das Leben der Verurteilten. …
Wären diese Gesetze ein Jahrhundert lang nach ihrer ganzen Strenge ausgeführt worden, die katholische Kirche hätte ohne ein außerordentliches Wunder der Vorsehung zuletzt im Blute ihrer Bekenner untergehen müssen. Allein schon daß solche Gesetze gegeben waren und fortbestanden, machte bei dem calvinischen Haß gegen die Kirche das Leben der wirklich glaubenstreuen Katholiken in England zu einem wahrhaft unerträglichen, und es gehörte in der Tat der ganze Glaubensmut der Christen der ersten Jahrhunderte dazu, um unter so drückenden Verhältnissen Stand zu halten. Man denke sich die Lage der Katholiken Englands in damaliger Zeit, der Laien sowohl wie der Priester. Wie lange konnten wohl selbst reiche Katholiken, wenn man auch nicht, weil sie z. B. einen katholischen Priester beherbergt hatten, auf einmal ihr ganzes Vermögen konfiszierte, jene ungeheuren Geldbußen erlegen, die von ihnen eingetrieben wurden, wenn sie sich weigerten, an einem sakrilegischen Gottesdienste Teil zu nehmen? Wie viele ehedem reiche und angesehene Katholiken sahen sich bald mit ihren Familien an den Bettelstab gebracht, und zuletzt auch ins Gefängnis geworfen, zusammen mit den gemeinsten Verbrechern! Und wie wenig gehörte dazu, reichen und angesehenen Katholiken ein solches Los zu bereiten! Die unvorsichtige Äußerung eines Kindes, die Rachlust eines aus dem Dienste entlassenen Menschen, die Bosheit eines Apostaten, die Gewinnsucht überall lauernder Späher, ja sogar einfacher Verdacht reichte hin, um über ein Haus oder eine Familie jede Stunde, bei Tag oder bei Nacht , eine ganze Schar von Häschern zu bringen, welche mit all dem Eifer, der Aussicht auf Beute und Gewinn, und mit all der Rohheit und Wut, welche wilder Fanatismus einzuflößen vermögen, alles durchwühlten, um einen allenfalls daselbst verborgenen Priester zu finden, und wehe der Familie und dem Priester selbst, wenn sie ihn fanden. Was aber die ärmere Klasse der Katholiken betrifft, so füllten sich mit ihnen die Gefängnisse der Grafschaften bald in einer Weise, daß selbst die Gemeinden baten, sie von solcher Last zu befreien. Man war genötigt, eine Anzahl dieser um ihres Glaubens willen Eingekerkerten zu entlassen, doch sollten sie zuvor gepeitscht und ihre Ohren mit glühenden Eisen durchbohrt werden. P. Parsons hat nicht so ganz Unrecht, wenn er in seinem oben erwähnten Schreiben sagt: Keine zivilisierte Nation, kein vom Lichte des Evangeliums erleuchtetes und im Christentum unterrichtetes Volk war geeigneter für Humanität, geneigter zum Wohltun, gerechter und billiger, keines barmherziger gegen die Armen als die englische Nation, ehe die unselige und verhängnisvolle Häresie ihre Liebe in diamantene Härte verwandelte und sie mit dem tödlichen Gifte des Hasses erfüllte. Diese Häresie erschütterte die Bollwerke des Rechtes und der Billigkeit, löste die Bande der Liebe und der Freundschaft, zerstörte die Grundlage der Barmherzigkeit und des Wohltuns und durchschnitt den Nerv des geselligen Lebens, indem sie die einen gegen die andern in unheilvoller Wut zum Vernichtungskampfe trieb.
Das Leben des katholischen Priesters
Und nun erst das Leben eines katholischen Priesters in jener Zeit schwerer und blutiger Verfolgung! Seines Amtes war es, die treuen Katholiken in ihrem Glauben zu bewahren, die wankenden zu stärken, die gefallenen aufzurichten und die zur Kirche zurückkehrenden wieder mit ihr zu versöhnen; er sollte durch Belehrung und Unterricht und durch Spendung der Sakramente nach allen Seiten hin Trost und Hilfe bringen und zu retten suchen, was noch zu retten war. Alles das aber konnte nur geschehen unter beständig drohender Gefahr, entweder im schmutzigen Kerker verschmachten, oder am Galgen den Tod eines Hoch-verräters sterben zu müssen. Wenn es aber auch wirklich nicht zur Kerkerhaft oder zum Tode durch Henkershand kam, welch eine Summe von Leiden mußte sich in dem Leben eines katholischen Priesters häufen, der durch eine mehr oder minder lange Reihe von Jahren während der ersten zwei Dezennien der Regierung Elisabeths als Missionar in England zu wirken hatte! Doch wir wollen der Geschichte nicht vorgreifen; aber so stand es um die katholische Kirche in England und bereits war das Blut von Märtyrern geflossen, als an die Gesellschaft Jesu die Bitte und der Ruf erging, sich an den Arbeiten und Leiden der englischen Mission beteiligen zu wollen. Die nun folgenden Biographien sollen den Beweis liefern, daß die Gesellschaft wirklich ihren redlichen Anteil an den zahlreichen Opfern der Verfolgung der katholischen Kirche in England während des 16. und 17. Jahrhunderts gehabt hat. (Ebd. S. 9 und S. 12 - 14)
Wie weit der König in seinem Wahn damals ging, zeigt ein ganz gar außerordentlicher Prozeß gegen einen Heiligen…
Eine gotteslästerliche Komödie
Unter den Freveltaten nämlich, welche die Regierung Heinrichs VIII. von England seit seinem unseligen Bruche mit der katholischen Kirche kennzeichnen, nimmt sein sakrilegisches Gericht über den hl. Thomas von Canterbury nicht die letzte Stelle ein. Es ist begreiflich, daß dieser glorreiche Blutzeuge ihm ein Dorn im Auge war. Was taten die Männer, die er aufs Blutgerüst schickte, ein Fisher , ein More, jene heldenmütige Schar der Karthäuser und alle übrigen Priester und Laien , die ihn nicht als das oberste Haupt der Kirche Englands an erkennen wollten — was taten sie anders, als viereinhalb Jahrhunderte vor ihnen Thomas Becket [geb. 21. Dez. 1117, als Märtyrer im Kampf gegen den König um der kirchlichen Rechte gest. am 29.12.1170], der unerschütterliche Erzbischof von Canterbury, seinem Vorfahren Heinrich II. gegenüber getan hatte? Wenn also jener von der Kirche mit Recht als heiliger Blutzeuge verehrt wurde, so konnte auch seinen Opfern die Palme des Martyriums nicht vorenthalten werden: sie starben für dieselbe Sache und mit demselben Heldenmut. Das sah Heinrich VIII. ein, und mit dämonischer Konsequenz entschloß er sich, den Heiligen, vor dessen Schrein so viele seiner Ahnen gebetet hatten, dem Henker zu überantworten.
Im April 1538 ließ der König durch den obersten Staatsanwalt den Thomas Becket, der einige Zeit Erzbischof von Canterbury war“, feierlich vor sein Gericht vorladen. Er gönnte dem Heiligen die gesetzliche Frist von 30 Tagen. Da er nicht erschien, wurde in contumaciam gegen ihn verhandelt, wobei ihm der König „aus besonderer Gnade“ einen Verteidiger gab. Am 11. Juni wurde diese gotteslästerliche Komödie im Gerichtshof zu Westminster aufgeführt. Nachdem Anklage und Verteidigung gehört waren, ließ der König das Urteil fällen, daß „Thomas Becket, eine Zeit lang Erzbischof von Canterbury, des Aufruhrs , der Halsstarrigkeit und des Hochverrats überwiesen sei; daß seine Gebeine öffentlich verbrannt werden müßten, damit die Lebenden an der Strafe des Toten ein abschreckendes Beispiel hätten; daß die Weihgeschenke an seinem Schreine, gewissermaßen das persönliche Eigentum des Toten, der Krone verfallen seien“. Eine eigene Kommission begab sich im August nach Canterbury und vollstreckte das schmähliche Urteil; zwei schwere Kisten voll Gold, Silber und Edelgestein schleppte dieselbe in die königliche Schatzkammer. Am 16. November erschien eine Proklamation, welche den englischen Untertanen verkündete, es sei jetzt klar und erwiesen, daß Thomas Becket, der später vom Bischof von Rom als ein Vorkämpfer seiner angemaßten Oberhoheit heilig gesprochen wurde, als ein Hochverräter gestorben sei. Seine Königliche Majestät halte es daher für angemessen, die lieben Untertanen zu belehren, daß derselbe ein Elender und kein Heiliger sei, und er verbiete daher strengstens, diesen Becket einen Heiligen zu nennen oder als Heiligen zu verehren. Ferner befehle er, daß dessen Bilder vernichtet, sein Festtag abgeschafft, sein Name aus allen Büchern ausgemerzt werde alles unter Strafe des höchsten Mißfallens Seiner Majestät und der Einkerkerung, solange es dem König gefalle.
Fast 350 Jahre sind seit dem Erlasse dieser königlichen Proklamation verflossen. Heinrich VIII. ist schon lange gerichtet, nicht nur von Gott, sondern auch von der Geschichte. In seinem Reich blüht nach 300jähriger Verfolgung, nachdem Hunderte von Priestern und Laien, deren Namen heute nur mehr der geringeren Zahl nach bekannt sind, den Tod jenes Blutzeugen starben, dessen Andenken er freventlich brandmarken wollte, wie er dessen Gebeine entweihte, die niedergetretene katholische Kirche herrlich wieder auf. Wir dürfen es deshalb als einen besonderen Ratschluß der göttlichen Gerechtigkeit betrachten, daß der Papst den Siegeskranz, den die Kirche diesen 54 Glaubenshelden wand, gerade am Feste des hl. Thomas von Canterbury auf den Altar dieses glorreichen Blutzeugen niederlegte.
(J. Spillmann S. J., Die englischen Martyrer unter Heinrich VIII. - Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts, Herder‘sche Verlagshandlung, Freiburg im Breisgau 1887, S. 10 – 12)
Die letzten Worte des Kardinals Fisher
Als Heinrich VIII. nicht nur von den königlichen Beamten, sondern auch von den Geistlichen den „Act of Supremacy“ [Suprematseid] erwartete, war John Fisher der tapferste Bischof, der dem König Widerstand leistete. Daraufhin inhaftierte ihn der König im berüchtigten Tower von London. Der Papst aber erhob ihn zum Kardinal. Auch von den anderen Bischöfen, die den Eid bereits geleistet hatten, ließ sich der Kardinal nicht davon überzeugen, sich den Forderungen des Herrschers zu unterwerfen. Deswegen wurde er vom König zur Enthauptung verurteilt. J. Spillmann S. J. berichtet:
Heinrich VIII. hatte dem Bischof sagen lassen, er solle bei der Hinrichtung keine aufreizenden Worte zum Volke reden. Der Selige, der dem Könige in allem Erlaubten gehorsam war, beschränkte sich deshalb auf die folgenden kurzen Sätze, welche er mit lauter, fester Stimme sprach: „Christen! Ich bin hierher gekommen, um für den Glauben der heiligen katholischen Kirche den Tod zu leiden. Ich danke Gott, daß er mir bis zu diesem Augenblicke den Mut aufrecht hielt. Ich bitte euch, stehet mir mit eurem Gebete bei, auf daß ich frei von jeder Furcht in dieser Todesstunde nicht wanke, sondern unerschütterlich fest im katholischen Glauben sterbe. Ich bitte den allmächtigen Gott, er möge in seiner unendlichen Barmherzigkeit den König und dieses Reich beschirmen, seine schützende Hand über unsere ganze Heimat ausbreiten und dem Könige gute Ratgeber senden.“ Nach diesen Worten, die der Selige mit heiterem Antlitze, fester Stimme und Ehrfurcht erweckendem Ernste sprach, kniete er nieder und verrichtete mehrere Gebete. Zum Schlusse sprach er mit lauter Stimme das Te Deum. Als er den letzten Vers gebetet hatte: „Auf dich, o Herr, habe ich gehofft; nicht werde ich zu Schanden in Ewigkeit“, verband ihm der Scharfrichter die Augen. Noch einmal breitete er die Hände zum Himmel aus, dann legte er das Haupt ruhig auf den Block und empfing den Todesstreich … Es war der 22. Juni, der Tag, an dem Englands erster Martyrer, der hl. Alban, ebenfalls durch Enthauptung die Marterkrone erstritten hatte und an dem damals noch ganz England die Feier seines Protomartyrers beging. Bis zum Abend blieb der ehrwürdige Leichnam des Kirchenfürsten, jeder Kleidung beraubt und den Blicken Londons bloßgestellt, auf dem Platz der Hinrichtung liegen. So war es des Königs Wille. Bei Nacht wurde er von den Häschern nach dem unmittelbar neben Tower-Hill gelegenen Kirchhofe der Allerheiligenkirche gebracht und begraben. Das Haupt aber blieb auf eine Lanze gesteckt 14 Tage lang auf der London-Bridge ausgestellt.
Wahrscheinlich hingen zur gleichen Zeit auch noch die Köpfe und die Gliedmaßen der drei Karthäusermönche Ermew, Middlemore und Newdigate, die wenige Tage vorher hingerichtet waren, an dieser belebtesten Brücke Londons. Kein Mensch wagte diese Trophäen der Tyrannei zu entfernen. Endlich wurde das Haupt des seligen Blutzeugen, das, statt zu verwesen, immer schöner und lieblicher geworden sein soll, in die Themse geworfen. (Ebd. S. 89 – 92)
Was bedeutet der Supremat in der Kirche?
Folgen wir dem Bericht von J. Spillmann S. J. weiter, um zu erfahren, wie der hl. John Fisher seinen Widerstand gegen den König rechtfertigte:
Schon früher, im Jahre 1529, als der König, um Geld für den Scheidungsprozess zur Erkaufung günstiger Antworten von den Universitäten zu erhalten, die kleineren Klöster aufheben wollte, hatte sich Fisher dem Könige gegenüber in die Bresche gestellt. Jetzt, bei diesem weit wichtigeren Anlasse, richtete er die folgende Ansprache, die uns Dr. Hal in seinem Leben Fishers überliefert, an seine Mitbrüder:
Es ist wahr, wir sind in des Königs Gewalt und bedürfen seiner Gunst; aber das ist kein Grund für uns, etwas zu tun, was uns in den Augen der ganzen christlichen Welt lächerlich und verächtlich macht. Was wird es uns nützen, unsere Häuser, Klöster, Stifte zu behalten, unsere Güter zu retten und dafür unser Gewissen zu opfern? Last uns also erwägen, was wir tun und was wir zugeben dürfen, und die Gefahren, die sich daraus ergeben; laßt uns zusehen, ob das Zugeständnis, das der König von uns verlangt, in unserer Macht liegt, und ob der König dasselbe überhaupt annehmen kann; laßt uns mit Überlegung zu Werke gehen, und nicht wie Leute, die ihren guten Namen und Verstand wie andere zeitliche Güter aufs Spiel setzen. Beachtet also, was der Supremat, den wir jetzt dem König übertragen sollen, in der Kirche bedeutet. Der Supremat besteht in der Ausübung der geistlichen Regierungsgewalt über die Kirche, und diese Regierungsgewalt begreift der Lehre zufolge, welche ich aus dem Evangelium schöpfte und welche mir in meiner ganzen theologischen Laufbahn zuteil wurde, vorzüglich zwei Punkte: Erstens die Gewalt, die Sünder zu binden und zu lösen; denn unser Herr sagte zu Petrus, als er ihn zum Haupte der Kirche machte: „Dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches übergeben.“ Gut, Mylords, können wir nun zum Könige sagen: „tibi“, „dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches übergeben“? Wenn ihr mit „Ja“ antwortet – wo sind eure Beweise? Wenn ihr „Nein“ sagt, so habt ihr selbst schon die Antwort gegeben, daß ihr diese Schlüssel nicht in seine Hand legen dürft. Zweitens besteht die Suprematsgewalt in der Kirche im Hirtenamte über die Schafe und Lämmer Christi; denn als unser Herr Petrus zu seinem obersten Hirten machte, gab er ihm die unbeschränkte Gerichtsbarkeit. „Weide meine Lämmer“, sagte er, und nicht nur sie, sondern auch die Hirten meiner Lämmer: „Weide meine Schafe“. Nun, Mylords, kann einer von uns dem Könige sagen: „Pasce oves?“
Der selige Fisher führte die katholische Lehre vom Primat den versammelten Amtsbrüdern noch weiter aus und bestätigte sie durch das Zeugnis der Konzilien, die Übereinstimmung der ganzen christlichen Welt, das Verhalten aller christlichen Fürsten, und schloß seine Anrede mit den Worten: Wenn dieses Verlangen zugegeben werden sollte, dann ist es um alle Einheit in der christlichen Kirche geschehen. Wie der große heilige Martyrer Cyprian mit Recht sagt, beruht die ganze Einheit auf dem Apostolischen Stuhle, auf dem Ansehen der Nachfolger Petri. Alle Häresien, Sekten, Schismen haben darin ihren Ursprung, daß ihre Urheber dem obersten Bischof den Gehorsam versagen. Wenn wir aber die Gemeinschaft mit der Kirche abbrechen, so müssen wir eines von diesen zweien zugeben: entweder die Kirche ist die Kirche Gottes, oder sie ist eine Afterkirche. Wenn ihr, Mylords, erwidert, sie sei die Kirche Gottes und Christus werde in ihr recht gepredigt und seine Sakramente rechtmäßig gespendet – wie können wir uns dann selbst aus ihren Mauern verbannen und sie von uns stoßen? Wenn ihr aber erwidert, sie sei nicht die Kirche Gottes, sondern im Irrtum, dann folgt, daß wir, die Bewohner dieser Insel, bis zur Stunde den wahren Glauben Christi nicht empfingen; denn wir haben kein anderes Evangelium, keine andere Lehre, keine anderen Sakramente empfangen als von ihr, und so wären wir diese ganze Zeit betrogen worden! Und wenn wir den gemeinsamen Vater der Christenheit und alle allgemeinen Konzilien, namentlich die ersten vier, welche niemand verwerfen darf, und alle christlichen Länder von uns stoßen, und wenn wir die Einheit der christlichen Welt opfern: ist dann die Bewilligung der Suprematie des Königs nicht gleichbedeutend mit der Verleugnung der Einheit, mit dem Zerreißen des ungenähten Gewandes Christi, mit dem Zerstückeln der Glieder des mystischen Leibes Christi, mit den Feuerbränden, die Samson an die Fuchsschweife legte und welche die Kirche in Brand stecken sollen? Das ist es, was ihr zu tun im Begriff seid; deshalb rufe ich euch rechtzeitig und noch nicht zu spät zu: Seht euch vor!“
(J. Spillmann S. J., Die englischen Martyrer unter Heinrich VIII. - Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts, Herder‘sche Verlagshandlung, Freiburg im Breisgau 1887, S. 16 – 18)
Edmund Arrowsmith S.J., Leben und Martyrium
Von Patricia Keefe Aus: Christian Order, Dezember 1992, S. 589 - 597.
Das Jahr 1585 war das 27. Regierungsjahr von Königin Elisabeth I. von England. Fünfzig Jahre waren vergangen, seit ihr Vater, König Heinrich VIII., die ersten Untertanen, die den katholischen Glauben in seiner Gesamtheit wahrten, zum Tod verurteilte. Diesen ersten waren viele andere gefolgt. Ein soeben verabschiedetes Gesetz «gegen Jesuiten, Priester und andere ungehorsame Personen» sollte der Grund sein für das Martyrium zahlreicher Priester und Laien. Das Gesetz besagte, daß es Hochverrat sei, wenn ein Priester seinen Fuß ins Königreich setze, und daß es ein schweres Verbrechen sei, wenn jemand die Kühnheit besäße, einen Priester aufzunehmen oder ihm beizustehen. Verräter wurden gehängt, gestreckt und gevierteilt, wohingegen Schwerverbrecher nur gehängt wurden. Offiziell starb niemand für seinen Glauben; sie starben als gemeine Schwerverbrecher. Dieses Gesetz war die folgenden hundert Jahre gültig.
Im gleichen Jahr geschah ein von den meisten unbemerktes Ereignis im Bauernhaus der Familie Arrowsmith in Haydock, Lancashire: die Geburt des Sohnes Brian. Robert Arrowsmith und seine Frau Margery (geborene Gerard) stammten aus Familien, die an Geldstrafen, Schikanierung und Verfolgung gewöhnt waren, weil sie sich weigerten, die nichtkatholischen Gottesdienste zu besuchen. Von Zeit zu Zeit wurde ihr Haus von jenen heimgesucht, deren Aufgabe es war, Priester aufzuspüren und zu verhaften. Einmal waren sogar ihre kleinen Kinder eine ganze Nacht unbeaufsichtigt, da deren Eltern plötzlich ins Gefängnis von Lancaster zum Verhör gebracht worden waren.
Die Versuchung, mit der neuen Religion konform zu gehen, war sehr stark. Schon allein der Umstand, dass ein Mann mit seiner Familie den protestantischen sonntäglichen Gottesdienst besuchte, vermochte ihm eine ungestörte Zukunft in Wohlstand zu garantieren, und er konnte damit auch die schweren Geld-strafen, mit denen Abwesende belegt wurden, sparen.
Es gab aber auch die Erinnerung an all jene, die ihr Leben verloren hatten, weil sie am alten Glauben festgehalten hatten. Niemand war sicher: Universitäts-gelehrte, Adlige, Bauern, Reiche und Arme, Geistliche und Laien hatten die Folter und einen qualvollen Tod erlitten, wenn sie sich geweigert hatten, sich anzupassen.
Eine schwere Entscheidung
Trotz der Gefahr für sich selbst und ihre Familie, hatten die Arrowsmiths ihre Kinder sehr sorgfältig in der Wahrheit des katholischen Glaubens unterrichtet und, hauptsächlich durch ihr eigenes Beispiel, sie gelehrt, zu beten und im Einklang mit dem Gelernten zu leben. Die Schule, die die Kinder besuchten, war protestantisch. Katholische Lehrer waren nicht zugelassen. Jedoch war der Schuldirektor ein freundlicher Mann, der seine katholischen Schüler ziemlich gern hatte. Ein Freund der Familie, ein Priester, half ebenfalls bei der Erziehung der jungen Arrowsmiths. Seine Gebete und sein Beispiel waren nicht vergeblich: Brian fühlte sich zum Priestertum hingezogen. Aber die Entscheidung war in mehr als einer Hinsicht schwierig: Seine Mutter war inzwischen Witwe geworden und es gab in England keine Priesterseminare; er mußte daher in eines der Seminare auf dem Kontinent. Solche waren gegründet worden, um Priester auszubilden, die in ihre verfolgte Heimat zurückkehren und den Glauben ihrer Landsleute bewahren sollten. England zu verlassen und als Priester zurückzukehren, bedeutete, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Dennoch waren Brian und seine Familie zu allen Opfern, die von ihnen verlangt werden könnten, bereit.
Eine neue Regierung, neue Aufgaben
Im März 1603 starb Königin Elisabeth ohne Erben. Die englische Krone ging an James Stuart, König von Schottland, der somit beide Königreiche vereinigte. James war der Sohn von Maria, der katholischen Königin von Schottland, die vor vielen Jahren aus ihrem Land fliehen mußte und Zuflucht in England suchte, den Kronprinzen aber zurückließ. Die Gegenwart einer katholischen Königin mit Thronanspruch in England hatte Elisabeth veranlaßt, ihren unwillkommenen Gast nahezu zwanzig Jahre einzusperren und schließlich im Jahr 1587 hinrichten zu lassen. Katholiken, die bei der Thronbesteigung von König James Toleranz erhofften, wurden schnell eines Besseren belehrt. James war, obgleich getaufter Katholik, als Protestant erzogen worden; viele Mitglieder des Parlaments und des königlichen Rates waren Puritaner, die wenig Neigung verspürten, den verhaßten «Papisten» mehr Freiheit zu gewähren. Im Jahr 1604 wurde ein Gesetz erlassen, das die Strafgesetze bestätigte. Für viele Jahre sollte die Unterdrückung weitergehen.
Douai in Flandern
Die Schwierigkeiten hielten Brian nicht davon ab, dafür zu kämpfen, sein Ziel zu erreichen. Die Reise von Lancashire an die Südküste war sowohl gefährlich als auch langweilig. Seine Versuche, in eines der Seminare in Spanien zu gelangen, waren erfolglos.
Schließlich gelang es ihm 1605, den Kanal zu überqueren und im Dezember hatte er die Freude, im englischen Kolleg von Douai in Flandern aufgenommen zu werden. Zu dieser Zeit war er zwanzig Jahre alt.
Das erste Ereignis, das von seiner Zeit in Douai berichtet wird, war der Empfang des Firmsakramentes. Er muß die besondere Gnade, die ihm zuteil geworden war, sehr hoch geschätzt haben. Seine Seele war für immer von dem sakramentalen Charakter gezeichnet, der ihn zu einem Soldaten Jesu Christi bestimmte. Hinfort hatte er den besonderen Beistand des Heiligen Geistes, der ihn befähigte, mit seinem inneren Leben voranzukommen und in seinem Glauben standfest zu bleiben.
Brian hatte noch nie einen Bischof gesehen (der letzte gültig ordinierte katholische Bischof in England war im Exil im Jahr 1585 gestorben, im Geburtsjahr Brians). Wie üblich nahm Brian einen anderen Namen für seine Firmung an und beschloß, ihn für den Rest seines Lebens beizubehalten: Edmund; es ist der Name des jungen englischen Märtyrer-Königs, der lieber starb, als seinen Glauben aufzugeben. Dann leistete Edmund den feierlichen Eid, selbst als Missionar in seinem Heimatland zu arbeiten.
Das Schießpulver-Komplott
Bei seiner Rückkehr fand er eine neue Situation für die Katholiken vor. Eine katholische Gruppe, geführt von Robery Catesby, plante, das Parlament in die Luft zu sprengen, wenn der König und seine Minister dort versammelt wären. Am 5. November 1605 wurde das Komplott aufgedeckt. Die Verschwörer, unter ihnen ein gewisser Guy Fawkes, wurden verhaftet und hingerichtet. Ob das Komplott nun wirklich eine katholische Verschwörung gewesen ist oder ob es nur arrangiert worden war, um die «Papisten» in Mißkredit zu bringen, es hatte eine Verstärkung der antikatholischen Gefühle zur Folge. Die bestehenden Strafgesetze wurden in aller Härte angewandt, die Verfolgung wurde aktiviert. Im Jahre 1606 mußten all jene, die irgendeine wichtige Stellung innehatten, einen neuen Treueid ablegen. Dieser beinhaltete eine besondere Ablehnung der päpstlichen Autorität.
Seminarist und Priester
Während seiner Studien litt Edmund, wie er sich jetzt nannte, unter so schlechter Gesundheit, daß er zweimal so ernsthaft erkrankte, daß er die Krankensalbung und das Viaticum [Wegzehrung] erhielt. Das spirituelle Format der Priesterkandidaten zeigte sich in der Tatsache, daß Edmunds Priesterweihe, die keineswegs wegen seiner körperlichen Schwäche aufgeschoben wurde, beschleunigt wurde, um ihm zu ermöglichen, in England mit seiner dringlichen Arbeit für die Seelen zu beginnen. Am 9. Dezember 1612 wurde er in Arras zum Priester geweiht - es war die endgültige Vorbereitung auf seine Aufgabe, die im Juni 1613 begann.
Der neue Missionar wurde vor einem seiner Zeitgenossen folgendermaßen beschrieben: «Von geringer Ausstrahlung, aber großer Lebensunschuld, von großer natürlicher Aufrichtigkeit, von großer Sanftmut in seiner Sprache und großem Eifer in seiner Aufgabe.» Er war intelligent und hatte Sinn für Humor. Trotz seiner unscheinbaren äußeren Erscheinung befähigten ihn seine tiefgehende Reinheit, seine Wahrheitsliebe und seine vollkommene Hingabe an den Dienst der Seelen, ein wirksames Apostolat durchzuführen. Er stärkte Glauben und Liebe, gewann insbesondere Abtrünnige zurück und brachte viele zur Konversion. Er fand all seine Stärke in Gott und stützte sich immer auf die Gnade seiner priesterlichen Berufung.
Lancashire, wo er geboren und aufgewachsen war, war 15 Jahre lang das Feld seiner Aktivitäten. Sein Leben war ständig in Gefahr. Um von seinen Verfolgern nicht aufgespürt zu werden, benutzte er wie viele Priester Pseudonyme. Father Arrowsmith war so Herr Rigby oder Herr Bradshaw. Als er in Lancashire angekommen war, besuchte er verschiedene katholische Haushalte, in denen er die heilige Messe zelebrierte und die Sakramente austeilte.
Im Jahr 1622 wurde Father Arrowsmith verhaftet und nach Schloß Lancaster gebracht, wo er dem protestantischen Bischof von Chester, Dr. Bridgeman vorgeführt wurde. Dieser saß gerade zu Tisch mit einigen seiner Geistlichen, als der Gefangene eintraf. Es war gerade Fastenzeit. Der Bischof, der wahrscheinlich Gewissensbisse hatte, entschuldigte sich bei Father Arrowsmith dafür, daß er Fleisch aß, indem er sagte, vom Fasten wegen seines hohen Alters und wegen Gebrechlichkeit befreit zu sein. Father Edmund fragte ruhig, wer seine starken und gesunden Untergebenen befreit hätte. Diese Bemerkung führte zu einer lebhaften Diskussion, in der der Gefangene offensichtlich die Oberhand gewann. Zum Ärger einiger seiner Geistlichen war der Bischof angenehm von Father Edmund beeindruckt und ließ ihn frei. Zu dieser Zeit wurden Katholiken mit größerer Nachsicht behandelt, da König James gerade wegen der Hochzeit seines Sohnes Charles mit einer katholischen spanischen Prinzessin in Verhandlungen stand. Zum Beweis seines guten Willens wurden diejenigen, die wegen der Religion inhaftiert waren, wieder freigelassen. Die Hochzeit fand jedoch nicht statt, und die puritanische Partei drängte den König, die Strafgesetze noch einmal zu verschärfen.
Unter den Geistlichen, die Father Edmund gelegentlich traf, waren einige von der Gesellschaft Jesu. Mitglieder dieses Ordens waren zum ersten Mai 1580 nach England gekommen, um zu missionieren. Einige hatten bereits ihr Leben lassen müssen, als Father Edmund 1623 anfragte, ob er sich ihnen anschließen könnte; viele andere sollten ihrem heldenhaften Beispiel folgen.
Eine katholische Königin, ein puritanisches Parlament
König James, der 1625 starb, hatte weiter Verhandlungen geführt, um seinen Sohn zu verheiraten - dieses Mal der französischen Prinzessin Henrietta Maria. Die königliche Hochzeit fand bei der Thronbesteigung Charles‘ statt. Der Königin wurde gestattet, ihren eigenen katholischen Kaplan und in ihrem Gefolge ebenfalls Katholiken zu haben. Obwohl der König seinen katholischen Untertanen mehr Freiheit gewähren wollte, mußte er sich den Wünschen des puritanischen Parlaments beugen.
Das Ergebnis der Rache
Father Arrowsmith bemühte sich ständig, jene zurückzugewinnen, die aus irgendeinem Grund ihre Glaubensausübung aufgegeben hatten.
Für die meisten war Angst der Grund dazu; diese fanden nun in dem schlichten Priester eine Quelle der Stärke, die ihren nachlassenden Glauben und ihre Liebe wieder entfachte. Ein junger Mann war aus einem anderen Grund abgefallen: er hatte sich von einem protestantischen Geistlichen mit seiner Kusine 1. Grades trauen lassen. Father Arrowsmith sprach mit den beiden jungen Leuten und tat, was er konnte. Zur Regularisierung dieser Heirat bedurfte es eines Dispenses wegen Blutsverwandtschaft, die der Priester erreichen wollte - unter diesen Umständen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Es würde zwei Wochen dauern und danach könnten sie in der katholischen Kirche getraut werden. In der Zwischenzeit sollten sie getrennt leben bis zur Hochzeit.
Das Paar war wütend. Als Father Arrowsmith ihr Haus verlassen hatte, meldeten sie dem örtlichen Friedensrichter, daß in Kürze ein Priester zu ihnen käme, den er verhaften könnte. Der Friedensrichter hatte die gesetzliche Pflicht, jeden, den er für einen Priester hielt, zu verhaften; da er jedoch die Verfolgung aus religiösen Gründen nicht mochte, sandte er zum Vater des jungen Mannes einen Boten, um ihm zu berichten, daß sie verfolgt würden, und daß es im Interesse von Father Arrowsmith wäre, wenn er für eine Weile fortbliebe. Father Arrowsmith hielt sich an diesen Vorschlag und kehrte erst wieder zurück, als er glaubte, die Suche wäre vorüber. Zu seinem Entsetzen waren die Verfolger noch dort. Er stieg eilig wieder auf sein Pferd und galoppierte über die Felder davon, die Priester-Jäger auf seinen Fersen. Plötzlich scheute sein Pferd vor einem breiten Graben, und diese Verzögerung genügte seinen Verfolgern, ihn zu überwältigen. Man brachte ihn in ein nahegelegenes Gasthaus, untersuchte ihn und schloß ihn für die Nacht dort ein. Am nächsten Morgen brachte die Gruppe den Gefangenen zum Schloß von Lancaster, wo er eingesperrt wurde, weil er die Eide des Supremats und der Vormachtstellung des Königs verweigerte, und weil man ihn verdächtigte, ein Priester und Jesuit zu sein.
Die Gerichtsverhandlung
Während Father Arrowsmith auf die Verhandlung vor dem Hohen Gericht wartete, verwandte er all seine Kraft darauf, sich um die Seelen seiner Mitgefangenen zu kümmern, von denen die meisten Kriminelle waren. Seine Situation sah er als Teil des Plans der Göttlichen Vorsehung an; in einem der Briefe, die er aus dem Gefängnis schrieb, behauptete er: «Alle Einzelheiten fügten sich in meiner Ahnung zu einem Bild zusammen, aus dem ich mehr als die normale Vorsehung ablesen kann.» Weit davon entfernt, es als Schicksalsschlag anzusehen oder als Unglück und ohne sich gegen die Umstände zu wehren, sah Father Edmund darin die liebende Hand Gottes, die ihm einen Anteil am Kreuz Christi schenken wollte. Sollte man das letzte Opfer von ihm verlangen, so würde Gott ihm die dazu nötige Gnade gewähren, wenn die Zeit gekommen war.
Der für das Gericht von Lancaster bestellte Richter, Henry Yelverton, war ein Katholik, der sich angepaßt hatte und Puritaner geworden war. Er hegte einen bitteren Haß auf jene, die treu geblieben waren, insbesondere auf Priester, die in ihr Land zurückgekommen waren und darauf vorbereitet waren, eher die Schrecken der Folter und das Schafott auf sich zu nehmen, als ihren Glauben zu verleugnen, wie er es getan hatte.
Father Edmund war zusammen mit anderen Gefangenen aufgefordert worden, am 26. August vor dem Gericht zu erscheinen. Zu jener Zeit hatten die Gefangenen keinen Verteidiger. Der Richter und ein Teil der Geschworenen waren Protestanten. Meist wurde der Angeklagte vom Ankläger unterbrochen oder er wurde sogar daran gehindert, zu seiner eigenen Verteidigung zu sprechen. Gegen das Urteil gab es keine Berufung.
Als der Richter Father Arrowsmith sah, fragte er: «Sind Sie denn nun ein Priester?» «Möge Gott mich für würdig befinden», war die Antwort. Daraufhin stellte Yelverton die Frage in negativer Form: «Sind Sie kein Priester?» Schweigen. Der Richter rief den Geschworenen zu: «Sie sehen deutlich, daß er ein Priester ist. Ich wette, er würde nicht gegen ganz England seine Weihe verleugnen!»
An diesem Punkt betonte ein Pfarrer namens Leigh, der auch Friedensrichter war, daß «wenn ihm (dem Gefangenen) der Auftrag nicht genommen würde, er halb Lancashire katholisch machen würde». Daraufhin bat Father Arrowsmith um die Erlaubnis, seinen Glauben in einem Disput verteidigen zu dürfen. Yelverton lehnte ab. Der Priester fügte hinzu, daß er ihn gerne nicht nur mit Worten verteidigen wolle, sondern mit seinem Leben. Aus Ärger vergaß der Richter seine Pflicht zur Unparteilichkeit. Er schrie zurück: «Sie sollen es mit Ihrem Blut besiegeln». Dann schwor er, er werde Lancaster nicht eher verlassen bis Father Edmund hingerichtet sei und er sähe schon dessen Eingeweide vor sich brennen. Er drohte weiter: «Sie sollen sterben!» Sehr ruhig antwortete Father Edmund: «Auch Sie, mein Herr, werden sterben müssen.»
Yelverton bemühte sich, seine Erregung zu kontrollieren, und fragte, wer beweisen könne, dass der Gefangene aufs Festland gereist sei, um Priester zu werden, den königlichen Gesetzen zum Trotz. Father Edmund antwortete: «Wenn irgendjemand mich gesetzlich anklagt, so bin ich bereit, ihm zu antworten.»
Der Richter wußte, daß es keinen klaren Beweis gab; daher rief er nach Zeugen, die bereit waren, zu bestätigen, daß der Angeklagte sie überredet hätte, katholisch zu werden. Noch einmal verteidigte sich Father Arrowsmith und er bat am Ende für den König, das Gericht und alle Anwesenden, «Gott möge in seiner unendlichen Güte die Häresie verderben und beseitigen und alle zu Anhängern der einzigen wahren Religion machen». Selbst in einem solchen Augenblick fürchtete er sich nicht, klar und deutlich zu sprechen.
Der Richter gab nicht auf: «Sehen Sie, meine Herren Geschworenen, er wünscht, daß Gott uns alle verflucht und die Häresie, mit der er unsere Religion meint, ausrottet.»
Rechtlich gesehen gab es nicht genügend Beweise, Father Edmund zu verurteilen. Dennoch wurde das Urteil bald verkündet, gemäß dem Wunsch des Richters. Das Urteil lautete: «Sie werden von hier aus zu dem Ort Ihrer Herkunft gehen; von dort werden Sie zum Richtplatz auf einer Bahre gezogen; Sie werden am Hals aufgehängt bis Sie halbtot sind; erst werden Ihre Gliedmaßen vor Ihren Augen abgeschnitten und ins Feuer geworfen werden; dort werden auch Ihre Eingeweide verbrannt; Ihr Kopf wird abgetrennt und auf einen Stock oder eine Stange gesteckt werden; und die Viertel Ihres Körpers werden auf die vier Eckzinnen des Schlosses gesteckt werden; und so wird der Herr sich Ihrer erbarmen.» Der Priester kniete nieder und betete: «Deo Gratias! Gott sei gedankt!»
Der Richter war noch nicht am Ende. Er befahl dem Aufseher, dem Gefangenen schwere Ketten anzulegen und ihn für die Nacht in eine Einzelzelle ohne Licht zu sperren. Da keiner der Schloßkerker diese Bedingung erfüllte, wurde ihm aufgetragen, ihn zum schlimmstmöglichen Ort zu bringen. Father Arrowsmith, der das Miserere rezitierte (Psalm 50 «Herr, erbarme Dich meiner»), wurde zu einer Zelle gebracht, die zu klein war, als daß sich ein Mann hinlegen konnte. Dort verbrachte er zwei Tage. Ein gedrücktes Schweigen befiel die anderen Gefangenen, die über die harte Behandlung erstaunt waren, die dem freundlichen Priester widerfuhr, der ihnen allen so gut er konnte geholfen hatte und nun nur wegen seines Priestertums litt. Selbst der Gefängnisaufseher tat, was er konnte, und verschaffte ihm ein kleines Kissen.
Das Martyrium
Die Gerichtsverhandlung und das Urteil hatten öffentliches Interesse gefunden. In Lancaster war seit Father John Thules, im Jahr 1616, kein Priester hingerichtet worden, und unter König Charles war niemand wegen seiner Religion zum Tod verurteilt worden. Viele erwarteten eine königliche Amnestie. Richter Yelverton dachte anders; er hatte fest beschlossen, daß sein Urteil vollstreckt werde. Donnerstag, den 28. August, zwei Tage nach der Gerichtsverhandlung, wurde Father Arrowsmith vom Sheriff benachrichtigt, daß er heute noch sterben müsse, und so betete er: «Ich flehe meinen Retter an, er möge mich des Todes würdig befinden.»
Ein anderer späterer Märtyrer, John Southworth, der seit über einem Jahr im Schloß eingesperrt war wegen seines Priestertums, gab ihm besonderen Beistand. Er hatte sich bereit erklärt, Edmund vor der Hinrichtung die Absolution zu erteilen. Da letzterer aber so streng bewacht wurde, schien dies unmöglich zu sein; als Edmund aber herausgeführt wurde zum Richtplatz, schaute er um sich und sah den anderen Priester. Er erhob seine Hand zu einem Zeichen und erhielt die Gnade seiner Absolution - eine Gnade, um die oft viele ihr ganzes Leben bitten.
Der Richter Yelverton wußte, daß seine Entscheidung von der Stadt-bevölkerung als unpopulär angesehen wurde; daher plante er, die Hinrichtung in der Frühe vornehmen zu lassen. Er mußte jedoch seine Anordnungen ändern. Es gab keinen Henker. Niemand von den Bewohnern Lancasters wollte eine solche Aufgabe übernehmen. Schließlich konnte man einen Metzger dazu überreden - aber selbst er wollte nicht Hand an einen Priester legen. Stattdessen bot er seinem Lehrling fünf Pfund an (eine beträchtliche Summe), damit er es an seiner Stelle ausführe. Als dieser hörte, wer das Opfer sein sollte, verschwand er. Aus Verzweiflung suchte man unter den Zuchthäuslern. Man versprach ihnen das Leben, die Freiheit … Niemand stellte sich freiwillig, bis schließlich ein zum Tod verurteilter Deserteur einwilligte, der als Gegenleistung seine Freiheit, vierzig Schillinge und die Kleider des Gefangenen verlangte.
Dann wurde die Hinrichtung auf Mittag verschoben, weil der Richter hoffte, daß alle in der Stadt zu Hause zum Essen wären. Wieder wurde er enttäuscht. Viele Menschen begleiteten den Priester auf seiner letzten Reise. Unerschrocken schob sich ein katholischer Adliger durch die Menge und umarmte den Gefangenen, als er dem Sheriff ausgeliefert wurde.
Er wurde an die Bahre gebunden, die von einem Pferd gezogen wurde. Er las immer wieder zwei Gebete, die auf einem Stück Papier geschrieben waren und mit «Zwei Schlüssel zum Himmel» überschrieben waren. Sie handelten von Buße und der Liebe Gottes. Pfarrer Larson zeigte ihm den großen Kessel, die Axt und den Galgen, um ihn dazu zu verleiten, sich zu unterwerfen und sein Leben zu retten! Er lächelte freundlich und antwortete, daß er auf Gottes Gnade vertraue. Als er von der Bahre losgebunden wurde, betete er laut: «Freiwillig schenke ich Dir, liebster Jesus, meinen Tod, um meine Sünden zu sühnen. Ich möchte daß dieses geringe Blut als Opfer für sie genommen wird. Ich sterbe aus Liebe zu Dir; für unseren heiligen Glauben; zur Unterstützung der Autorität Deines Vikars auf Erden, des Nachfolgers Petri, des wahren Hauptes der katholischen Kirche, die Du gegründet und gefestigt hast.» Er betete für den König, für das Königreich und für seine Verfolger, denen er aus ganzem Herzen vergab, und er bat alle diejenigen um Vergebung, die er je beleidigt hätte. Von der Leiter zum Galgen aus wandte er sich an die Menge: «Meine Herren, die Sie gekommen sind, um mein Ende anzusehen, seien Sie Zeugen, daß ich als römischer Katholik sterbe … Um Jesu willen, kümmern Sie sich um das Heil Ihrer Seele, denn nichts ist wichtiger; und werden Sie Mitglied der wahren Kirche … denn nur dies wird Ihnen später helfen… Nichts betrübt mich mehr als dieses England, um dessen Bekehrung ich Gott bitte.»
Leigh versprach ihm noch einmal das Leben, wenn er den Suprematseid leiste und sich dem Protestantismus unterwürfe: Es wäre seine letzte Chance, der schrecklichen, ihm bevorstehenden Folter zu entgehen. Seine letzten Worte waren, bevor er von der Leiter gestoßen wurde: «Bone Jesu! Guter Jesus!» Gnädigerweise durfte er so lange hängen, bis er tot war. Dann wurden sein Kopf und seine Körperteile auf den Schloßmauern gestapelt, um als Warnung für die anderen zu dienen. Ungeachtet der offiziellen Vorsichtsmaßnahmen verschaffte man sich mit Hilfe einiger Protestanten einige Reliquien des Märtyrers, aber auch in Zusammenarbeit mit dem Gefängnisdirektor, der die Bestätigung, daß es sich um Originalstücke handelte, unterzeichnete.
(Aus: SAKA-INFORMATIONEN Mai 1993)