Predigtrückblick Ostern

Predigtrückblick von der Osternacht bis zum Weißen Sonntag

Osternacht

Im liturgischen Jahr gibt es die zwei heiligen Nächte: Die Heilige Nacht an Weihnachten und die Osternacht.

In der Heiligen Nacht wird der göttliche Erlöser geboren, das göttliche Licht erscheint im Dunkel unserer Menschenwelt: „Auf, werde licht, Jerusalem; die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über dir“, so betet die hl. Kirche mit den Worten des Propheten Isaias im Graduale des Festes der Erscheinung des Herrn.

Die Osternacht ist jene „wahrhaft selige Nacht“, die du „allein durftest Zeit und Stunde kennen, da Christus von den Toten erstand“, wie der Diakon im Exsultet singt. „Dies ist die Nacht, von der geschrieben steht: ‚Die Nacht wird lichthell wie der Tag’, und: ‚Die Nacht ist mir Leuchte in meiner Wonne.‘ Diese geheiligte Nach also vertreibt die Laster, wäscht ab die Sünden; den Gefallenen gibt sie die Unschuld wieder, den Trauernden die Freude. Sie verscheucht den Haß, stiftet Eintracht und beugt die Gewalten…“

In dieser hochheiligen Nacht erwarten und feiern wir also die Auferstehung unseres Heilandes. Zunächst ist überall noch tiefste Nacht. Überall hat sich nach dem wilden Geschrei, dem vielen Geschimpfe, den boshaftesten Vorwürfen und Anschuldigungen, den Geiselhieben und Hammerschlägen auf dem Kalvarienberg und schließlich dem letzten Schrei Jesu die Stille des Sabbaths verbreitet. Die furchtbaren Geschehnisse des Karfreitags sind zwar noch überaus lebendig, aber dennoch, das Leiden ist vorüber: „Consummatum est!“ – das Werk, das der Vater Jesus aufgetragen hatte, es ist vollbracht!

Wegen der lebendigen Erinnerung an das furchtbare Leiden ist es keine gewöhnliche, sondern eine bange Stille. In dieser bangen Stille atmet dennoch alles irgendwie Hoffnung oder gerade wegen dieser bangen Stille ist alles voller Erwartung, denn es ist ja vollbracht! Das Kreuz ist nicht das Ende, nein! Es ist der Sieg, der neue Anfang.

Die Siegesfeier des göttlichen Erlösers

Nun muß sich aber der Sieg erst noch offenbaren, der göttliche Sieger muß zu seiner Siegesfeier schreiten. Das geschieht in dieser hochheiligen Nacht.

Wir dürfen während der hl. Liturgie diese Siegesfeier miterleben, wir dürfen im Glauben sehen, wie der zerschundene Leichnam zu leuchten beginnt, wie er sich verwandelt und wieder lebendig wird. Unermeßlich strahlend vor Herrlichkeit: Jesus lebt! Der Tod ist wahrlich besiegt und hat keine Macht mehr über diejenigen, die an Jesus Christus glauben.

Und wir gehören doch zu diesen glücklichen Menschen, die glauben können und dürfen, daß unser Herr von den Toten auferstanden ist, weil ER als Sohn Gottes selbstverständlich Herr über Leben und Tod ist.

Wie wunderbar tröstend ist es, in dieser hochheiligen Nacht dem auferstandenen Herrn zu begegnen. Fast 2000 Jahre feiern wir Ostern und jedes Jahr ist es wieder wie damals, als der Herr tatsächlich aus dem Grab auferstand.

Bei den Berichten der hl. Evangelien über die Auferstehung des Herrn vermißt man einen Bericht, den über die Erscheinung unseres Herrn vor Seiner heiligsten Mutter. Adrian Gretsch, Benediktiner des Stiftes unserer Lieben Frau zum Schotten in Wien, daselbst Prior, der Gottesgelehrtheit Doktor, hat sich in seinen Feiertagspredigten auf die Festtage der heiligsten Jungfrau Maria Gedanken darüber gemacht, wie wohl unser Herr nach seiner Auferstehung Seiner heiligsten Mutter erschienen ist. Davon ist die Tradition vollkommen überzeugt, daß unser Herr zuerst seiner heiligsten Mutter erschienen ist.

Der Auferstandene erscheint Seiner Mutter

Der Benediktiner des Stiftes u. L. F. zum Schotten in Wien erwägt zunächst:

Ihr Sohn der Urheber des Lebens, tritt die Gesetze des Todes mit Füßen, Er gibt sich selbst in den Finsternissen des Grabes ein neues Leben, zerschmettert den Tod an Seinem Leichenstein, geht aus Seinem Grabe am dritten Tage, wie Er es vorhergesagt hatte, siegreich heraus. O! welche Freude für das Herz Mariä, für ein Herz, das Jesum so liebte, wie ihn das Herz Mariä geliebt hatte. Ach! Warum sind sie nicht im Evangelium aufgezeichnet worden, die Handlungen, die Äußerungen Mariä bei der Auferstehung Jesu, ihres Sohnes, so wie uns das Wunder ihres Heldenmutes unter dem Kreuz aufgezeichnet worden ist!?

Die Evangelisten schweigen über diese überaus wunderbare Begegnung des Auferstandenen mit Seiner Mutter. Wohl deshalb, weil das, was damals zwischen dem Auferstandenen Sohn und Seiner Mutter sich begab, nicht in Worte zu fassen ist. Dennoch versucht sich unser Prediger wenigstens ein kleinwenig auszumalen, was damals geschehen sein mochte. Schließlich läßt er Maria zu uns sprechen:

O Menschen sehet doch, wie er so schön, so herrlich, so glorreich ist, mein Sohn, den ich unter meinem Herzen getragen habe, der große Sieger, der nun den Stachel des Todes zerbrochen, und das Menschengeschlecht gerettet hat! O, wie die Wundmale so herrlich an ihm schimmern, die er zum Heil der Menschen empfangen hat! Schönster aus den Menschenkindern! Sieger über Sünde, Tod und Hölle, du Löwe aus der Zunft Juda! was hat Dir wohl auch der wütende Tod geschadet? Vielmehr welche Vorteile hat er Dir nicht gewährt? Vormals war Deine Seele traurig und bis zum Sterben bestürzt, in ein Meer von Bitterfeit versenkt; jetzt, Erstandener, ist Deine Seele ganz von Himmelsfreuden durchdrungen; Dein Leib war vorhin allen Schmerzen und Elende unterworfen, mit Blut überronnen, mit Wunden bedeckt, nun ist er verklärt, heller und glänzender, denn die Sonne; er ist ein Leib, dem sich die Geistigkeit der Seele scheinet mitgeteilt zu haben; ein verklärter, wider alle Anfälle gesicherter Leib, ein alles durchdringender, ein mit der Geschwindigkeit eines Geistes sich bewegender, unsterblicher Leib! O Jesu, mein Sohn! wie schön, wie herrlich bist Du! Ich, deine Mutter, schmachte vor Liebe.

Bei diesen ergreifenden Worten wächst auch unsere Sehnsucht, Jesus zu sehen, uns am Anblick des Auferstandenen ebenso zu freuen wie Maria. Wir sollen uns tatsächlich in dieser hochheiligen Nacht mit der Freude Mariens vereinen und die Gottesmutter für ihren außerordentlichen Osterglauben preisen.

Ein Lobpreis Mariens

Adrian Gretsch, wahrhaft noch ein der Gottesgelehrtheit Doktor, ruft hierauf seinerseits Maria zu:

Frau! Welche Größe, welche Herrlichkeit hast du nun nicht durch die Auferstehung deines Sohnes erreicht! Wäre dein Sohn in den Finsternissen des Grabes geblieben, o! so wärest auch du mit ihm in Vergessenheit geraten, oder die Welt würde höchstens an dir eine unglückliche Mutter beklagen, die eines weit besseren Schicksals wäre würdig gewesen.

Aber so stand er von Toten auf, dein Sohn, und von diesem Augenblicke an preisen dich alle Geschlechter selig, weil der an dir große Dinge getan hat, der mächtig ist.

Nun, Frau, verehren an dir die Engel und die Himmel ihre Königin, die Apostel legen dir ihre Trophäen, die Martyrer ihre Siegespalme, die Jungfrauen ihre Lilienkränze zu Füßen, die Könige, die Mächtigen und Fürsten der Erde nennen dich ihre Frau und ihre erste Hoffnung nach Gott, die rechtgläubigen Völker und Nationen nennen dich Mutter, Millionen Zungen sind immer mit deinem Lobe beschäftiget, du thronest in den Herzen der Völker, und unter welchem Himmelsstrich immer der Name Jesu ertönt, wird auch der Name Mariä mit Ehrfurcht ausgesprochen.

Ja, der Herr ist auferstanden, ER ist wahrhaft auferstanden und Seiner heiligsten Mutter erschienen! Laßt uns also alle in dieser hochheiligen Nacht zusammen mit Maria freuen und Ostern feiern! Alleluja, Jesus lebt, Jesus lebt – Alleluja Jesus lebt! Amen.

Ostersonntag

Es ist sicherlich hilfreich für uns, wollen wir richtig Ostern feiern, uns zunächst Folgendes ganz nüchtern und klar vor Augen zu stellen:

Die Auferstehung Jesu Christi ist der allerhöchste Machterweis des himmlischen Vaters und Seines menschgewordenen göttlichen Sohnes. Denn nur die Allmacht Gottes kann über den Tod siegen.

Deswegen ist die Tatsache der Auferstehung die Grundfeste unseres christlich-katholischen Glaubens, sie ist der sicherste Erweis der Gottheit Christi und zudem die Vollendung der geheimnisvollen Welt der Erlösung.

Schließlich ist sie noch Unterpfand und Vorbild der uns selbst verheißenen Auferstehung des Fleisches. Wie unser Herr Jesus Christus wahrhaft auferstanden ist, also einen wahren, wenn auch verklärten Leib besaß, so sollen auf wir einst mit unserem Leib wieder vereint werden. Man kann also zurecht sagen: Unser ganzer christ-katholischer Glaube gipfelt in dem österlichen Bekenntnis: Christus ist auferstanden, ja ER ist wahrhaft auferstanden! Alleluja!

Unsere Teilhabe am Ostersieg Jesu

Mit diesem österlichen Bekenntnis, also mit unserem Glauben an den Auferstandenen, verwandelt sich unser Menschenleben. Denn auch wir sind als getaufte Christen vom Tod der Sünde Auferstandene, werden wir doch durch die wiedergeschenkte heiligmachende Gnade teilhaftig am Ostersieg unseres Herrn. Der große Tauler predigte am Osterfest:

Unser lieblichster Herr Jesus Christus sprach: Ich bin vom Vater ausgegangen, und in die Welt gekommen, ich verlasse sie wieder und gehe zum Vater. Und der hl. Paulus spricht: Christus ist von den Toten auferstanden, durch die Glorie des Vaters, auf daß wir in einem neuen Leben wandeln sollen, denn, werden wir Christo in seinem Tod gleich, so sollen wir auch seiner Auferstehung gleich sein.

Kinder, dies ist die lauterste, wahrste und bloßeste Lehre, die man haben kann; es ist der rechteste, der kürzeste, sicherste und schlichteste Weg. Man kehre es, wie man wolle, sonder alle Glossen, diesen Weg muß man gehen, den der liebe Herr selbst gegangen ist, wollen wir dorthin kommen, wo er ist, wollen wir vollkommen mit ihm vereiniget werden. Er kam aus dem väterlichen Herzen, aus des Vaters Schoß, und kam in die Welt, und litt über alle Maßen in der Welt alle seine Tage. er gewann nie Gemach, noch Lust, er ward verderbt, getötet und begraben. Darnach erstand er wahrhaft frei von Leiden, in Klarheit, gänzlich frei vom Tode, und fuhr wieder in das väterliche Herz, in ganzer, wahrer, gleicher Seligkeit.

Das neue Leben der Gnade – das gnadenhafte in Christus sein! – ist für uns Menschen wieder verfügbare Wirklichkeit geworden, insofern wir nur diese lauterste, wahrste und bloßeste Lehre im Glauben ergreifen. Hat doch unser Herr am Kreuz den Schuldschein der Schuld zerrissen, so daß fortan der Tod keinen Stachel mehr hat. Sobald unser göttlicher Herr im Licht der Auferstehung vor uns steht, verheißt ER uns das ewige Leben beim Vater. Wir müssen IHM nur nachfolgen, ER ist der rechteste, der kürzeste, sicherste und schlichteste Weg.

Der rechteste, der kürzeste, sicherste und schlichteste Weg

Johannes Tauler führt dazu weiter aus:

Welcher Mensch diesen Weg so noch gehen wollte, und erstorben wäre in sich selbst in Christo, der könnte und müßte ohne allen Zweifel auch mit ihm auferstehen. Wirst du mit Christo begraben, so stehest du sicherlich mit ihm auf. Wie der hl. Paulus spricht: Ihr seid tot und euer Leben ist mit Christo in Gott verborgen. In der Wahrheit, dieser Mensch wird einigermaßen ohne Leid, ohne Tod sein. Er fährt mit ihm zum Himmel auf. In ganzer wahrer Vereinigung mit dem Sohne in den Vater, in das väterliche Herz; in ganzer Beziehung wahrer, gleicher, vereinter Seligkeit. Was Gott von Natur hat, das hast du von Gnaden. Dies muß aber erfolgt werden. Der Mensch, der diesen Weg gehet, ist über andere gemeine Leute erhaben, wie ein edler Mensch über ein Thier. Der nun mit Christo nicht will verwerden, wie soll er mit ihm gewerden? Der nicht sterben will, wie soll der auferstehen? St. Paulus spricht: Seid ihr mit Christo auferstanden, so schmeckt die Dinge, die hier oben sind, und nicht die auf Erden.

Es ist eine Erfahrungstatsache: Unsere Auferstehung ist noch nicht fertig, sie ist noch im Werden. Jedes Osterfest erinnert wieder daran: Was Gott von Natur hat, das hast du von Gnaden. Dies muß aber erfolgt werden. Die Ostergnade, die in der hl. Taufe grundgelegt wurde, muß in uns erst noch vollendet werden. Jeder einzelne muß mit Christus sterben, will er auch mit IHM auferstehen. Jeder muß den alten Menschen ablegen und den „den neuen Menschen“ anziehen, _„der nach Gott in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit geschaffen ist“ _(Eph. 4, 24). Der nun mit Christo nicht will verwerden, wie soll er mit ihm gewerden? Der nicht sterben will, wie soll der auferstehen?

Dabei kann jeder für sich den Grad seiner Vollendung in der Gnade überprüfen, wie uns der hl. Paulus lehrt: Seid ihr mit Christo auferstanden, so schmeckt die Dinge, die hier oben sind, und nicht die auf Erden.

Je mehr wir also von himmlischen Gedanken erfüllt sind und von den himmlischen Dingen erfreut werden, desto mehr ähneln wir jetzt schon unserem auferstandenen Heiland. Wir müssen die himmlischen Dinge schmecken lernen und müssen daran Wohlgefallen finden, dann werden wir mehr und mehr österliche Menschen werden. Wir werden dem Auferstandenen Herrn immer ähnlicher werden. Johannes Tauler berichtet folgendes:

Ein Mensch begehrte sehr von Gott zu wissen, was sein liebster Wille wäre; da erschien ihm unser Herr und sprach: Du sollst deinen Sinn zwingen, deine Zunge binden, dein Herz überwinden und alle Widerwärtigkeit fröhlich um mich leiden, das ist mein liebster Wille. Kehre dich von den sinnlichen Bildern, in dein inwendiges Bild, da ist: Signatum est super nos lumen vultus tui, domine. Herr, du hast das Licht deines Antlitzes über uns gezeichnet.

Ist das nicht wunderschön, wahrlich österlich ergreifend: Der Herr hat das Licht seines Auferstehungsanlitzes über uns gezeichnet! ER strahlt inwendig in unserer Seele heller als die Sonne und spricht: Friede sei mit Dir! Schau nur, ich habe den Tod besiegt.

Österliche Hoffnung in der Hölle von Dachau

Es war im KZ von Dachau am Abend des Ostermontags 1944 in der Kapelle des Pfarrerblockes 26. Da hat ein junger holländischen Pfarrer, Willem-Eicke den Hertog, eine Predigt gehalten. Trotz Verbots nahmen viele andere daran teil, denn in dieser Hölle von Dachau gab noch Hoffnung, diese Hölle war noch nicht endgültig, über ihr stand noch der Himmel offen. Ein Häftling mit der Nr. 16921 hat die Predigt mitstenographiert, so daß sie uns als Zeugnis aus dieser Hölle erhalten geblieben ist:

Das Lachen Gottes in dem auferstandenen, lebendigen Herrn leuchtet über uns … Da sind wir am dritten Tage in einer Welt ohne Gott, ohne Christus, erfüllt von Haß und Neid, von Mord und Totschlag, von des Teufels Geist. Es ist alles zum Weinen, nur zum Weinen. Aber Gott schenkt uns am dritten Tage ein Lachen, so reich, daß wir es immer hören müssen und wieder hören: wie Gott lacht über uns, selig rettend, herrlich … Dieser Trost soll durch die ganze Welt gehen und überall, wo geweint wird oder wo die Zähne zusammengebissen werden, um nicht zu weinen, oder wo gelacht wird, weil man sonst weinen müßte, dort überall soll das Lachen Gottes hörbar werden.

Wenn Gott Ostern mit uns feiert, verschwinden unsere Schwierigkeiten. Da lachen wir unter Tränen … Heute legt Gott seine Freude dir und mir ins Herz hinein. Heute lehrt Er uns lachen. Denn am Ostermorgen hat Gott mir ein Lachen zugerichtet. Und ich darf die Freude weitertragen als seine Gabe und Aufgabe in diesem schrecklichen Leben, in dieser tödlichen Welt im K.Z., bis einmal alles vorbei ist … Denn das wird alles vorübergehen. Nur Gottes Lachen wird bleiben. Der Anfang und das Ende. Halleluja!

Sprechen uns diese Worte nicht ganz aus dem Herzen? Ist doch unsere Welt wieder der damaligen gleich geworden, eine Welt ohne Gott, ohne Christus, erfüllt von Haß und Neid, von Mord und Totschlag, von des Teufels Geist. Im Psalm 2, 4 heißt es: Es lächelt, der im Himmel thront, der Allmächtige spottet ihrer. Das dürfen wir inmitten dieser apokalyptischen Not niemals vergessen. Es ist schon wahr: Denn das wird alles vorübergehen. Nur Gottes Lachen wird bleiben. Der Anfang und das Ende. Halleluja!

Weißer Sonntag

Das heutige Evangelium umschließt mit seinem Bericht diese ganze Woche. Zunächst hören wir, daß unser Heiland am ersten Wochentag den Jüngern erschien – durch die aus Angst vor den Juden verschlossenen Türen. Es war ein verängstigter Haufen, der sich hier zusammengefunden hat. Aber mit meinem Wort ändert sich alles schlagartig: „Friede sei mit euch!“ Der auferstandene Herr steht plötzlich vor ihnen und zeigt Seine Hände und Seite. „Da freuten sich die Jünger als sie den Herrn sahen.“

Die Apostel waren an diesem Abend nicht alle anwesend, Thomas fehlte. Es ist schon ganz besonders beeindruckend, den Apostel Thomas zu beobachten, wie er auf das Zeugnis der anderen hin dennoch nicht glauben will. Psychologisch würde man es so sagen: Thomas wurde vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt. Irgendwie will es ihm nicht so recht in den Kopf gehen, daß der Herr auferstanden ist – nach all dem Furchtbaren, was geschehen ist und nachdem er bei Seinem Kommen nicht dabei war.

Der hl. Papst Gregor der Große gibt in seiner Predigt dazu zu bedenken:

„Geliebteste Brüder! Was denkt ihr euch bei diesem Ereignis? Glaubt ihr etwa, es sei von ungefähr geschehen, daß dieser Jünger damals gerade abwesend war, daß er dann später kam und davon hörte, dabei aber zweifelte, daß er gerade wegen seiner Zweifel den Herrn betasten durfte und so zum Glauben kam? Nein, es war kein Zufall, sondern Fügung Gottes. Gott veranlaßte es in seiner Güte auf ganz wunderbare Weise, daß dieser Jünger zuerst zweifelte und dann die Wundmale am Leibe seines göttlichen Meisters betasten durfte und so an uns die Wunden des Unglaubens heilte. Denn der Unglaube des Thomas nützte uns im Glauben weit mehr als der Glaube der Jünger, die sofort glaubten. Denn dadurch, daß dieser erst durch das Berühren des Herrn zum Glauben sich bewegen ließ, wurde unser Herz jedes Zweifels enthoben und im Glauben gestärkt.“

Thomas‘ Unglaube

Gott hat es also in seiner Güte auf ganz wunderbare Weise so gefügt, daß der Apostel Thomas nicht dabei war, als der Auferstandene den anderen Aposteln erschien, weshalb er sich im Eifer seines Unglaubens zu der eigentlich ungeheuren Aussage versteifte: „Wenn ich nicht an Seinen Händen das Mal der Nägel sehe, nicht meinen Finger an die Stelle der Nägel und meine Hand in Seine Seite lege, glaube ich nicht!“

Ist das nicht äußerst merkwürdig? Warum will der Apostel gerade das Mal der Nägel und der Seite Jesu nicht nur sehen, sondern sogar betasten?! Sicher haben die anderen Apostel in ihrem Bericht über den Auferstandenen erwähnt, daß der Herr seine Wunden gezeigt hat – daß ER diese Wunden auch nach der Auferstehung behalten hat.

Diese Bemerkung hat womöglich das Trauma des Apostels Thomas erneut wachgerufen, denn diese fünf klaffenden Wunden der Nägel und der Lanze sind für ihm immer noch so ungeheuerlich, daß er sich nicht vorstellen kann, daß der Herr wieder lebt, nachdem er so grausam gestorben ist. Er ist immer noch vollkommen fixiert in seiner Wahrnehmung und möchte das Mal der Nägel sehen und seinen Finger in diese legen und seine Hand in die Seite Jesu – damit er gerade dadurch von seinem Unglauben geheilt würde! Ein zwar recht seltsames, aber dennoch irgendwie nachvollziehbares Ansinnen.

Die verklärten fünf Wunden Jesu

Der hl. Thomas von Aquin macht sich in seiner Summa der Theologie darüber Gedanken, warum unser Herr Jesus Christus an Seinem Auferstehungsleib die hl. fünf Wunden behalten hat.

Der Heilige führt als ersten und vornehmsten Grund für die Wunden am Auferstehungsleib Christi die Herrlichkeit Christi selber an. „Christus behielt die Wundmale an seinem Auferstehungsleib, nicht etwa weil Er diese Wunden nicht hätte heilen können, sondern damit Er sie in Ewigkeit als Ehrenzeichen seines Sieges, als Siegeszeichen trage.“

Während die feindlichen Gallier die Reichshauptstadt Rom angriffen, hatte der römische Feldherr Manlius viele Siege errungen und damit Rom vor der Plünderung gerettet. Später wurde gegen Manlius falsche Anklage erhoben, weshalb der Feldherr vom römischen Gerichtshof verurteilt werden sollte. Verständlicherweise schmerzten diese falschen Anklagen den hochverdienten Mann ganz tief. Mitten in der Verhandlung öffnete er darum vor seinen Richtern seine Brust, zeigte auf die Narben von all den vielen Wunden, die er in den Schlachten für das Vaterland davongetragen hatte und rief mit lauter Stimme in den Gerichtssaal hinein: „Haec loquuntur pro me!“ „Diese Wunden da sprechen für mich!“ – und bezeugen, was ich für den Staat und seine Bürger getan habe! Die Richter waren von dieser kurzen Rede so beeindruckt, daß sie sofort die gegen den Feldherrn Manlius erhobene Anklage abwiesen und den Feldherrn in alle seine Rechte und Würden wieder einsetzten. Mit noch viel größerem Recht kann unser göttlicher Erlöser auf Seine Wunden zeigen und ausrufen: „Haec loquuntur pro me!“ „Diese Wunden da sprechen für mich!“ ER, der Sieger über Tod und Teufel, ER, der gekreuzigte und auferstandene Heiland, hat unter unsäglichen Leiden Sein Leben für uns eingesetzt. Seine heiligen fünf Wunden leuchten deswegen strahlender als selbst die höchsten weltlichen Orden. Sie sind die fünf kostbarsten Rubine, die herrlicher glänzen als alle Edelsteine auf den Kronen der Könige; sie sind das kostbarste Geschmeide, das die Schöpfung dem Gottmenschen anzubieten vermag. Darum schaut der himmlische Vater mit größter Freude auf diese heiligen fünf Wunden. Und im Blick auf diese fünf Wunden wiederholt der himmlische Vater zum erhöhten und verherrlichten Herrn sprechend: „Du bist Mein vielgeliebter Sohn, an dem ich Mein Wohlgefallen habe!“

Als zweiten Grund dafür, daß der gekreuzigte Heiland in seiner Auferstehung an seinem verklärten Leib seine Wundmale beibehalten hat, führt der hl. Thomas an: „Um die Herzen seiner Jünger im Glauben an seine Auferstehung zu stärken.“

Beim Anblick der hl. Wunden Jesu fällt der hl. Apostel Thomas nieder: „Mein Herr und Mein Gott!“ Daran erinnert auch der hl. Thomas v. Aquin in seinem wunderschönen Gebet „Adoro Te devote, latens Deitas“ („In Demut bet´ ich Dich, verborgne Gottheit an!“): „Die Wunden seh‘ ich nicht, wie Thomas einst sie sah, doch ruf ich: Herr, mein Gott, du bist wahrhaftig da!“

Ja, „selig, die nicht sehen und doch glauben“. Wir sehen nicht den auferstandenen Herrn mit unseren leiblichen Augen, sehen nicht Seine heiligen fünf Wunden als Siegeszeichen Seines Leidens und dennoch glauben wir von ganzem Herrn und bekennen: Mein Herr und Mein Gott! DU bist wahrhaftig derselbe, der sich für mich am Kreuz hingeopfert hat, damit auch ich einmal mit allen, die an Dich, Heiland, glauben und Dich von Herzen lieben, zur Auferstehungsherrlichkeit gelangen kann.

Als dritten Grund, warum der Gekreuzigte auch noch nach seiner glorreichen Auferstehung die Wundmale an seinem verklärten Leib beibehalten wollte, gibt der hl. Thomas an: „Um dem Vater, bei dem Er unser mächtigster Fürsprecher ist, zu zeigen, was Er alles in seinem Leiden und Sterben für uns Menschen ertragen hat.“

Die hl. fünf Wunden sind der sprechendste Beweis der Erlöserliebe unseres Heilandes. Sie sagen ununterbrochen zum himmlischen Vater: Vater, schaue nicht auf die vielen vielen Sünden der Menschen; schaue vielmehr auf all das, was Ich zur Sühne für diese Sünden gelitten habe! Vater, verzeih ihnen alle ihre Sünden und laß keinen Sünder, der reumütig ist, verlorengehen!

Und noch einen vierten Grund gibt der hl. Thomas von Aquin an, warum der gekreuzigte Herr auch in seiner österlichen Auferstehungsherrlichkeit die ganze Ewigkeit hindurch die Wunden an Händen und Füßen und an der durchbohrten Seite beibehalten wollte: „Um einmal im Gericht den unbußfertigen Sündern zu zeigen, wie gerecht sie verurteilt und verdammt werden.“

Die unbußfertigen Sünder, die Gottlosen, die Glaubenslosen werden beim Gericht aufschauen zu dem, den sie durchbohrt haben. Sie werden den Anblick des Gekreuzigten und seiner hl. Wunden gar nicht ertragen können, denn diese Wunden werden für sie in alle Ewigkeit ein Vorwurf sein: Er tat alles für mich, aber es war umsonst! Er wollte auch mich retten und ewig selig machen, aber ich wollte mich nicht retten lassen.

Das geöffnete Herz Jesu

Alle fünf Wunden am Auferstehungsleib Christi sind heilig, weil aus ihnen das kostbare Erlöserblut zur Tilgung aller Sündenschuld geflossen ist. Am heiligsten aber ist die hl. Seitenwunde, weil aus ihr der letzte Blutstropfen rann und weil durch diese Seitenwunde hindurch das Heilandsherz als letzte Zufluchtsstätte für alle armen Sünder offensteht. Darum heißt es in der Herz-Jesu-Präfation: „Du wolltest, daß Dein Eingeborener am Kreuze von des Soldaten Lanze durchbohrt werde, damit Sein geöffnetes Herz, dies Heiligtum göttlicher Freigebigkeit, Ströme des Erbarmens und der Gnade auf uns ergieße. Dies Herz, in dem die Glut der Liebe zu uns nie erlischt, sollte den Frommen eine Stätte der Ruhe werden, den Büßenden aber als rettende Zuflucht offen stehen.“

Welch glorreiche Geheimnisse glühen in den Wunden des Menschensohnes, die wir ehrfürchtig grüßen: Salvete Sacra Stigmata! — Seid gegrüßt Ihr heiligen Wundmale! Ihr heiligen Wundmale, vor denen der hl. Apostel Thomas niedergefallen ist, um zu bekennen: „Mein Herr und Mein Gott!“ Ja, auch wir wollen auf unsere Knie fallen und unseren Heiland als unseren Herrn und Gott bekennen.

Wie herrlich erweist sich unser hl. Osterglaube. Die hl. Evangelien sind ganz von diesem Glauben geprägt, ist doch die Auferstehung Jesu der Schlüssel zum Verständnis Seines ganzen Lebens. Es ist etwa auffallend, daß der hl. Evangelist Lukas, als er vom Hingang des Herrn nach Jerusalem zum Leiden und Sterben erzählt, dies mit einer tiefsinnigen Wendung verbindet: „Die Tage Seiner Aufnahme näherten sich.“ Der hl. Evangelist blickt also über den Karfreitag und den Kalvarienberg schon hinweg auf die glorreiche Heimfahrt zum Vater. Dementsprechend erklärt der hl. Paulus: „Darum heißt es: ‚Er stieg hinauf zur Höhe, führte die Gefangenen mit sich und teilte den Menschen Gaben aus.‘ Was bedeutet aber das ‚Er stieg hinauf‘ anderes, als daß er zuvor herabstieg in die unteren Teile der Erde? Und der herabstieg, ist derselbe, der über alle Himmel hinaufstieg, um das All zu erfüllen.“ (Eph. 4, 8 – 10)

Nie hat unser Herr Jesus Christus selbst von Seinem bitteren Tod gesprochen, ohne jedesmal, sozusagen im gleichen Atemzug, auch Seine Auferstehung mitzunennen. Jede Leidensankündigung schließt wie mit einem Kehrreim: „Aber am dritten Tage wird Er auferstehen!“ ER wird wieder auferstehen, geschmückt mit den hl. fünf Wunden als wunderbares Siegeszeichen dafür, daß alles Leiden überwunden und der Tod besiegt ist.

Die Jahrhunderte alte Erfahrung erweist die Verehrung der heiligen fünf Wunden Christi als ein äußerst segensreiches Mittel, sich diesen Auferstehungsglauben anzueignen und ihn zu festigen. Beim Blick auf die heiligen fünf Wunden verschwinden alle Glaubenszweifel, aber auch alle irdische Not. Denn alle Not hat unser göttlicher Heiland getragen und sie wunderbar verklärt. Der hl. Bruder Klaus weist darauf hin:

Darumb merck und behertzige, o Mensch, die hochheiligen und gnadenreichen fünff Wunden unsers lieben gecreutzigten Herrens und Heylandts, so Er nach Seiner Urständ [Auferstehung] auch zu unserem Trost an Seinem unsterblichen Leichnam behalten hat und am Jüngsten Tag der gantzen Welt öffentlich erzeigen wirdt.