Predigtrückblick

Predigtrückblick vom Sonntag „Laetare“ bis zum Passionssonntag

4. Fastensonntag „Laetare“

(Am Tag des Festes des Heiligen Josef)

Jeder von uns weiß ein Lied davon zu singen: Es ist nicht immer leicht, sich zu freuen. Es gibt sogar Tage, an denen die Freue vor einem flieht, weil die vielen Sorgen uns allzu sehr niederdrücken. Dann heißt es umso mehr, sich wieder aufrichten – bzw. aufrichten lassen. Denn wir Menschen sind nicht für die Traurigkeit geschaffen, sondern für die Freude. Damit wir das inmitten der Fastenzeit nicht vergessen, hat die hl. Mutter Kirche diesen Sonntag „Laetare“ eingestreut.

Bei allem Fasten, bei aller Trauer sollen wir die Freude nicht vergessen. Dabei müssen wir freilich Freude und Freude unterscheiden. Wir müssen uns zur wahren Freude erziehen lassen, dann wird die Seele stark. P. Considine S.J. bemerkt einmal:

Frömmigkeit ist in den Augen der Welt etwas Trauriges, Melancholisches. Aber wie Lachen dem Körper zuträglich ist, so wohltuend ist Heiterkeit für die Seele. Da sagen manche: «Es ist uns nicht berichtet worden, daß unser Herr je gelacht habe.» Dem ist entgegenzuhalten, daß unser Herr Liebe fand, wohin immer er kam. Kann jemand wohl geliebt werden, wenn er wie eine finstere Wetterwolke eine dumpfe Atmosphäre von Trübsinn und gedrückter Schwermut um sich verbreitet? Es ist kein Zeichen von Heiligkeit, wenn man in harmlosen Freuden und Vergnügen anderer keine Freude finden kann.

Laßt uns den Dienst Gottes leicht und freudig machen! Gott selbst hat gesagt: «Mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht. Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid: ich will euch erquicken!»

Warum ist in den Augen der Welt die Frömmigkeit etwas Trauriges, Melancholisches? Weil die Weltmenschen sich nicht vorstellen können, daß die Frömmigkeit Freude schenkt. Ja, es ist sogar wahr, daß die Frömmigkeit allein bleibende Freude schenken kann. Aber da braucht es Geduld, Ausdauer und Hingabe. Denn die wahre Freude ist nicht oberflächlich, primitiv, ausgegossen – sie ist keine Gaudi, kein Vergnügen wie die Freude dieser Welt. Wer immer nur die Gaudi sucht und dem Vergnügen nachjagt, der verliert die wahre, die tiefe, die inwendige Freude des Herzens. Das ist letztlich eine Erfahrungstatsache.

Der heilige Augustinus schreibt einmal: „Es gibt eine Freude, mein Gott, die du dem Gottlosen versagst und die du denjenigen gibst, die dir mit Uneigennützigkeit dienen. Diese Freude des Gerechten bist du selbst. Und dies ist das selige Leben, das darin besteht, sich in dir, durch dich und wegen deiner zu freuen. Und ein anderes gibt es nicht.“

Wie soll das nun gehen, daß Gott unsere Freude wird? Wie soll es möglich sein, sich in IHN, durch IHN und wegen Seiner zu freuen? Das Entscheidende ist die rechte Grundhaltung unseres Herzens. Wir müssen einsehen und akzeptieren, daß es ein Leben ohne Leiden hienieden nicht gibt. In diesem Leben – das wir doch Jammertal nennen – sind und bleiben immer Freuden und Schmerzen durcheinandergemischt. Das wollen wir nun anhand des Beispiels des hl. Josef betrachten. Vielleicht kennen sie die Andacht: Die sieben Schmerzen und die sieben Freuden des heiligen Josef?

Die sieben Schmerzen und die sieben Freuden des hl. Josef

In dieser Andacht werden sieben Schmerzen immer im Zusammenhang mit sieben Freuden dieses Heiligen betrachtet. Wir müssen wissen, der hl. Josef war sicherlich ein freudenstrahlender Mensch und dennoch war er mit den größten Schmerzen vertraut. Beides wollte er in seinem Leben nicht missen, denn das Geheimnis der Gottesliebe umfaßt sowohl die Freuden als auch die Leiden.

Folgen wir also einmal den Gedanken der Andacht:

1) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden, als du deine göttliche Braut verlassen wolltest, aber auch an jene Freude, als dir der Engel die Menschwerdung Christi offenbarte. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Es gibt Schmerzen, die nur derjenige beurteilen kann, der sie selber erduldet hat, nämlich Seelenschmerzen. Nur der hl. Josef weiß, was er in diesen Wochen gelitten hat, als er nicht wußte, was tun, weil er erkennen mußte, daß Maria ein Kind erwartete. Was sollte er denken? Kannte er Maria nicht als die reinste Braut, die man sich nur vorstellen konnte? Waren nicht ihre Tugenden, deren Zeuge er sein durfte, über allen Zweifel erhaben? Aber dennoch, war es wahr: Maria erwartete ein Kind! Für den hl. Josef war es wohl die härteste Zeit, die er je erlebt hat. Schließlich erschien ihm als einzige Lösung, Maria heimlich zu verlassen, einfach sich nachts wegzustehlen. Sein Herz war gebrochen, die Seelenschmerzen unbeschreiblich groß.

Da erschien dem hl. Josef ein Engel des Herrn im Traum und verkündet ihm das Geheimnis der Menschwerdung des Sohne Gottes. Ohne Furcht soll er Maria zu sich nehmen und dem Kind soll er den Namen Jesus geben. So abgrundtief sein Leid war, so unbeschreiblich groß war jetzt seine Freude. Er, Josef, soll tatsächlich der Gemahl Mariens sein und der Nährvater des Gottessohnes. So etwas konnte sich kein Mensch vorstellen, der hl. Josef aber sollte es nun Tag für Tag erleben.

2) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden, als du das göttliche Kind so arm zur Welt kommen sahst, aber auch an jene Freude, als du den Lobgesang der Engel hörtest. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Der hl. Josef war ein einfacher Handwerker, aber mit einem überaus großen Herzen. Wie hatte er auf den Augenblick der Geburt des göttlichen Kindes gewartet! Welche Vorkehrungen hatte er getroffen, trotz der Armut im Haus alles so würdig wie nur möglich zu machen. Da kommt dann alles ganz anders. Sie müssen nach Bethlehem und dort wird der Heiland der Welt in der Armut einer Felsenhöhle geboren, die als Stall dient. Da wurde es dem hl. Josef doch recht schwer ums Herz, seinen Herrn und Gott, seinen Heiland gar so arm geboren zu sehen. Wie schnell wich jedoch all dieses Leid einer großen Freude, als auch Josef den Lobgesang der Engel hören durfte: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind“ (Lk. 2, 14) Da war er auf einmal wieder der glücklichste Mensch der Welt…

3) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden, als das göttliche Kind beschnitten wurde, aber auch an jene Freude über den süßen Namen Jesus. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Alle waren im Alten Bund dem Gesetz unterworfen. Dieses war ein Erzieher hin zu Christus. Obwohl unser Herr Jesus Christus als göttlicher Gesetzgeber über dem Gesetz stand, unterwarf er sich doch dem Gesetz der Beschneidung. Welchen Schmerz wird der hl. Josef bei dieser Zeremonie empfunden haben?! Das göttliche Opferlamm vergießt seinen ersten Tropfen Blut. Der hl. Josef weiß wohl aufgrund der göttlichen Erleuchtung, einst wird der Körper des Erlösers nur noch eine einzige Wunde sein, wie es der Prophet Isaias vorausgesehen hat: „Vom Fuß bis zum Scheitel ist nichts daran heil – nur Beulen, Striemen und frische Wunden. Man hat sie nicht ausgedrückt, nicht verbunden, nicht gelindert mit Öl“ (Is. 1, 6).

Wiederum folgt dem Leid eine unbeschreibliche Freude, die Freude an dem süßesten Namen Jesus! Da wird das Herz des hl. Josef von Empfindungen tiefster Ehrfurcht erfüllt und jubelt ob dieses wunderbaren Namens, der allen Menschen zum Heil werden soll.

4) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden bei der Weissagung Simeons, aber auch an jene Freude, daß durch dieses Kind viele Seelen gerettet werden sollten. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Der Sohn Gottes kommt in unsere Welt, um uns zu erlösen. Sein Leben ist ein Opfer für unsere Sünden. Gleich zu Beginn wird dies durch Simeon verkündet. Der hl. Josef hört zu und erschaudert ob der furchtbaren Konsequenz für das göttliche Kind und dessen Mutter, die vom himmlischen Vater seiner Obhut anvertraut wurden. Dabei steht all dieses Leid im Dienste der einen Freude: Wie viele Seelen werden durch dieses Kind gerettet und der ewigen Glückseligkeit teilhaftig werden. Das erfüllt auch den hl. Josef mit neuer Freude und neuem Mut.

5) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden, als du mit dem göttlichen Kind nach Ägypten fliehen mußtest, aber auch an jene Freude, als du die Götzen vor ihm niederfallen sahst. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Nein, der Sohn Gottes war nicht willkommen in unserer Menschenwelt. Der König Herodes trachtete IHM nach dem Leben, so daß der hl. Josef mit Maria und dem Jesuskind fliehen mußte. Durch die Wüste bis nach Ägypten ging das Abenteuer der Flucht. In ein fremdes Land mit einer fremden Sprache, heimatlos und ohne Verdienst standen sie da. Das waren schwere Sorgen, das waren tiefe Seelenschmerzen. Die Vorsehung Gottes hat es so gefügt: „Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. So sollte der Spruch des Herrn in Erfüllung gehen, der durch den Propheten sagt: ‚Aus Ägypten berief ich meinen Sohn‘“ (Mt. 2, 15).

Doch gab es in Ägypten auch eine Freude. Als der hl. Josef mit dem Jesuskind durch die Stadt ging, fielen die Götzen vor IHM nieder. Angesichts der göttlichen Wahrheit zerbrach der alte Wahn des Heidentums. Die Fesseln Satans zerbrachen, denn die Zeit des Heiles war angebrochen.

6) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden, als du wieder fliehen mußtest, aber auch an jene Freude, daß du mit Jesus und Maria in Nazareth wohnen konntest. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Die Wut der heidnischen Priester entzündete sich immer mehr, so daß die hl. Familie wieder fliehen mußte. Das war ein neuer Schmerz für den hl. Josef. Für sich selbst erwartete er zwar wenig bis nichts, aber seine Sorge um das göttliche Kind und dessen Mutter bereitete ihm übergroße Not. Wieder konnten sie nur das allernötigste Mitnehmen, wieder war die Armut ihr Reisegefährte. Immerhin ging es diesmal der Heimat zu. „Als er aber hörte, daß Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes über Judäa regiere, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Auf eine Weisung, die er im Traum erhielt, zog er in das Gebiet von Galiläa und ließ sich in einer Stadt mit Namen Nazareth nieder. So sollte das Prophetenwort in Erfüllung gehen: ‚Man wird ihn einen Nazoräer nennen‘“ (Mt. 2, 22 f.).

Das war eine wunderschöne Zeit, diese langen Jahre in Nazareth. Auch wenn die Armut immer gegenwärtig war und man keinen Überfluß hatte, man hatte sich selbst: Jesus, Maria und Josef. Schon diese drei Namen klingen wunderschön und erinnern an das verlorene Paradies.

7) Ich erinnere dich, o heiliger Josef, an jenen Schmerz, den dein Herz empfunden, als du das göttliche Kind verloren hattest, aber auch an jene Freude, als du es wieder fandest im Tempel zu Jerusalem. Durch diesen deinen Schmerz und durch diese deine Freude bitte ich dich, komme uns zu Hilfe.

Vater unser… Ave Maria…

Eine Unruhe gab es dennoch in diesen vielen Jahren. Jene Wallfahrt nach Jerusalem, wohin sie jährlich der Festsitte der Juden gemäß reisten, sollte zu einem großen Schmerz werden. Die Vorsehung Gottes hat es so gewollt: Jesus sagte nichts seinen Eltern, sondern blieb einfach so in Jerusalem, um zum ersten Mal als Lehrer aufzutreten. Um einen ersten Strahl Seiner göttlichen Weisheit aufleuchten zu lassen stand er den Pharisäern und Schriftgelehrten Rede und Antwort. Aber welche Sorge bedeutete das für Maria und Josef. Niemals haben sie so etwas erlebt, niemals so etwas erwartet. Drei Tage währt diese Ungewissheit. Das waren lange, schmerzerfüllte Tage, bis sie IHN im Tempel wiederfanden. Da war sodann die Freude übergroß. Wie ein Riesenstein fiel die Sorge von ihren Seelen: Jesus war wieder da! Der Sonnenschein ihres Hauses, ihres Lebens.

Wie dicht waren im Leben des hl. Josef jeweils Schmerz und Freude beieinander. Es ist nun einmal so, daß beides zu unserem Menschenleben gehört. Der hl. Josef hat sich kein Leben in lauter Freude gewünscht, sondern jeden Tag hat er so angenommen, wie ihn Gott gefügt hat. Gerade dieses Nebeneinander von Leiden und Freude hat das Leben des hl. Josef so gnadenvoll gemacht. Gerade dadurch hat er sich dem göttlichen Willen immer mehr angeschmiegt und so wurde seine Gottesliebe und seine Liebe zum hl. Kreuz immer mehr vertieft. Wenn auch der hl. Josef das Leiden Jesu am Kreuz nicht mehr miterlebt hat, so hat er doch, wie unsere Mystiker einmütig berichten, dieses Leiden oft und oft betrachtet. Je mehr er aber das Kreuz betrachtet hat, desto lieber wurde ihm sein eigenes tägliches Kreuz. Wie viel können wir also vom hl. Josef lernen. Vor allem auch die hohe Kunst, sich recht und immer zu freuen.

Vom Hl. Thomas von Aquin gibt es ein Gebet um die Freude. Dieses hätte sicher auch dem hl. Josef ganz aus dem Herzen gesprochen:

„Ich bete, mein Gott, daß ich Dich erkenne, Dich liebe, um mich ewig über Dich zu freuen. Und wenn ich es in diesem irdischen Leben nicht in Vollkommenheit kann, so möge Deine Erkenntnis und Liebe hier wenigstens zunehmen, damit dann dort vollkommene Freude sei; hier in der Hoffnung und dort in Wirklichkeit. Herr und Vater, durch Deinen Sohn rätst Du, ja befiehlst Du, zu bitten, und verheißt, es zu erhören, daß unsere Freude vollkommen sei (Joh. 16, 24). So erbitte ich, Herr, was Du durch Deinen wunderbaren Rat zu erbitten empfiehlst und zu erhören verheißt, daß nämlich unsere Freude vollkommen sei. Darüber möge nunmehr mein Geist nachsinnen, davon meine Zunge sprechen, mein Herz möge diese Freude lieben und mein Mund immer wieder von ihr reden, meine Seele danach hungern und mein Leib nach ihr dürsten, ja mein ganzes Wesen möge nach ihr verlangen, bis ich dereinst eintrete in die Freude meines Gottes, des einen und dreifaltigen, gepriesen in Ewigkeit. Amen.“

Fest des hl. Josef

Die Heiligen der Kirche Jesu Christi sind deren besondere Zierde. Sie sind unsere Zugabe, also die Zugabe von uns Menschen zur Erlösungstat Jesu. ER hat zwar allen Menschen die Erlösungsgnaden verdient, aber nicht alle Menschen nehmen diese an. ER hat zwar allen Menschen den Weg der Heiligkeit aufgetan, aber nicht alle Menschen gehen diesen Weg der Nachfolge Jesu, des Gekreuzigten.

Wie ist es mit uns? Wir sollen diesen Weg als Weggefährten unserer Heiligen gehen. Dabei ist sicherlich ein ganz außergewöhnlicher Weggefährte der hl. Josef.

Recht lange hat Gott den hl. Josef, den Nährvater Jesu, im Verborgenen gehalten. Zunächst wohl vor allem deshalb, um die Gottheit unseres Heilandes nicht zu verdunkeln und sodann, um den Glauben der Jungfräulichkeit Mariens sich festigen zu lassen.

Wir dürfen den Einfluß des Heidentums vor allem in den ersten Jahrhunderten des Christentums nicht unterschätzen. Es gab immer noch sehr viele Heiden, die ihre heidnischen Vorstellungen mit denen der Christen zu vermischen drohten. Da war eine große Sorgfalt notwendig, die Gefahren des Irrglaubens rechtzeitig zu erkennen und diesen entgegenzutreten. Was gab es da in diesen ersten Jahrhunderten für schwere Kämpfe! Übrigens erleben wir heutzutage wieder Ähnliches angesichts des sich immer weiter ausbreitenden Neuheidentums. Was für irrsinnige Anschauungen gibt es inzwischen auch unter sog. Katholiken! Welch esoterisches Zeug glauben diese „Katholiken“. Wie viel Anleihen von heidnischen Religionen machen sie.

So dauerte es also Jahrhunderte, ehe der hl. Josef ganz aus der Verborgenheit heraustrat.

Wie dankbar müssen wir sein, daß wir den hl. Josef so sehr verehren dürfen, weil uns die Lehrer der Kirche seine Heiligkeit immer mehr aufgeschlüsselt haben.

Die Heiligkeit des hl. Josef hängt zuinnerst mit seinem Amt als Nährvater Jesu und Bräutigam der Gottesmutter zusammen. Insofern man diese Tatsachen nur ein wenig tiefer durchdenkt, beginnt man zu staunen. Was muß das für ein Mann gewesen sein, den Gott für solch hohe Ämter auserwählt hat, den Gott für würdig erachtete, mit Jesus und Maria eine Familie zu bilden?! Man ist schon sehr versucht zu sagen, der hl. Josef kann gar kein Mann wie jeder andere gewesen sein. Er muß etwas ganz und gar Besonderes gewesen sein.

Was unmittelbar ins Auge springt, ist die Demut des hl. Josef, seine vollkommene Einfachheit. Diese kann man am leichtesten fassen, wenn man bedenkt, Josef war ein großer Schweiger. Er haßte das viele Gerede, weil er den Wandel in der Gegenwart Gottes liebte. Bei ihm war es wirklich so: Ein Mann ein Wort. Josef war ein Mann der Tat – und was für einer Tat!

Immer schaute er auf Gott und forschte nach dem Willen Gottes. Darin fand er auch allein seine Freude fand und seinen Herzensfrieden, das zu tun, was Gott von ihm erwartete. Wie sehr er dabei Tag für Tag in der Gnade gewachsen ist, das können wir nur erahnen.

Es wird einem schon schwindelig, sobald man darüber nachdenkt, daß er auf Erden der Schatten des himmlischen Vaters sein sollte. Der hl. Josef sollte tatsächlich die Vaterstelle vertreten beim menschgewordenen Sohn Gottes! Und Jesus sagte tatsächlich zu ihm: „Vater!“

Bei diesem Gedanken stockt einem der Atem: Dem Sohn Gottes Vater sein, weil der Sohn Gottes Menschenkind geworden ist. Was für eine Aufgabe! Was für eine Heiligkeit birgt sich dahinter!

Jesus tat, was IHM der hl. Josef sagte…

Mit diesem Amt des Vaters war unlösbar verbunden sein Amt als Bräutigam der Gottesmutter. Er war vermählt mit der Immakulata, mit der allerreinsten Jungfrau und Gottesmutter. Und Josef war ein überaus würdiger Gemahl und Vater. Die Reinheit seines Herzes muß unermeßlich groß gewesen sein. Da wächst der hl. Josef vor unseren Augen ins Riesenhafte. Man beginnt zu staunen und ihn zu verehren und in den vielen eigenen Nöten als himmlischen Fürsprecher anzurufen.

Es ist recht seltsam. Bei manchen deutschen Übersetzungen der Litanei zum hl. Josef stolpert man über die Übersetzung:

„Du gerechter Josef,
Du keuscher Josef,
Du weiser Josef,
Du starkmütiger Josef,
Du getreuer Josef…“

Warum scheute man den im Lateinischen stehenden Superlativ? Zeigt sich darin nicht schon ein gewisser modernistischer Ansatz? Haben doch die Modernisten allzeit Angst, bei der Heiligenverehrung zu übertreiben. Ist das nicht ganz schön übertrieben, wenn es wörtlich übersetzt heißt:

„Du gerechtester Josef,
Du keuschester Josef,
Du weisester Josef,
Du starkmütiger Josef,
Du getreuester Josef…“.

Nein, für ein wahrhaft katholischen Gemüt ist das keine Übertreibung! Denn der hl. Josef übertrifft in allen Tugenden das gewöhnliche Maß so weit, daß man dies nur im Superlativ richtig benennen kann. Dabei stört sich ein Katholik selbstverständlich in keiner Weise daran, das selbstverständlich auch Marias Tugenden nur im Superlativ beschrieben werden können. Man könnte sagen: Im Himmel gibt es kein Konkurrenzdenken. Und mag auch die Gottesmutter himmelweit über allen Engeln und Heiligen stehen, so ist für uns der hl. Josef dennoch nicht einfach der gerechte Josef, sondern der gerechteste Josef usw.

Sobald man jedenfalls beginnt, sein Leben im Licht des Glaubens und auf dem Hintergrund seines zweifachen Amtes zu betrachten, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Mutans Hevae nomen.“ - Fest Mariä Verkündigung

Als der Erzengel Gabriel ins Gemach der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter eintritt, ist er der Bote des göttlichen Ratschlusses, der Freudenbringer in unserer Menschenwelt schlechthin. Denn in wenigen Augenblicken entscheidet sich das Heilsgeschick aller Menschen auf Erden.

Um den not-wendenden Sinn dieses wunderbaren Festes begreifen zu können, müssen wir zunächst nüchtern die tragische Wirklichkeit unserer Menschenwelt erfassen.

Das Fest Mariä Verkündigung ist das erste Weihnachtsfest. Das verborgene Weihnachtsfest sozusagen, an dem nur Maria, der Erzengel Gabriel und der Dreifaltige Gott Anteil nehmen. Die hl. Liturgie bringt dies auch dadurch zum Ausdruck, denn während des Credos beim „et homo factus est“, kniet der Priester nicht nur nieder, er verneigt zudem noch sein Haupt, wie er es sonst nur noch am Weihnachtsfest macht. Ja, heute ist das Wort Gottes, der ewige Sohn des Vaters, aus der Jungfrau Maria Mensch geworden: … et homo factus est.

Im Hymnus „Ave, maris stella“ beten wir in den ersten zwei Strophen:

1

Ave, maris stella,
Dei Mater alma,
Atque semper Virgo,
Felix caeli porta.

2

Sumens illud Ave,
Gabrielis ore,
Funda nos in pace,
Mutans Hevae nomen.

1

Meerstern, sei gegrüßet,
Gottes hohe Mutter,
allzeit reine Jungfrau,
selig Tor zum Himmel!

2

Du nahmst an das AVE
aus des Engels Munde.
Wend‘ den Namen EVA,
bring uns Gottes Frieden.

Oh, wie wunderschön, wie unbegreiflich erhaben ist dieser Augenblick, als der Erzengel Gabriel ins Gemach Mariens eintritt und „Mutans Hevae nomen“ ihr seinen Gruß darbietet: Ave! – Du Gnadenvolle.

Es war keinem Menschen möglich, das not-zuwenden, was Eva und Adam sündigend verwirkt haben. Es ist so wertvoll, sich diese geschichtliche Tatsache öfter in Erinnerung zu rufen. Denn nur dann versteht man das eigentliche Wesen des Christentums.

Alles beginnt im Paradies. Wie schön war Eva durch die Allmacht Gottes aus der Seite Adams hervorgegangen. Eva war wie Adam voller Gnade und somit ein Kind Gottes. Eva war die beste Gehilfin Adams und Mutter des Lebens. Aus ihr sollte das ganze Menschengeschlecht hervorgehen.

Unerhört hoch war diese Auszeichnung der Stammeltern!

Adam und Eva lebten zwar im Paradies in unbeschwertem Glück, aber dennoch noch nicht im Himmel. Noch genossen sie nicht die beseligende Anschauung Gottes, sie lebten im Glauben und waren deswegen versuchbar.

Gott prüfte auch ausdrücklich ihre Herzensgesinnung, indem er ihnen ein Gebot gab: „Und der Herr Gott gebot dem Menschen und sprach: ‚Von allen Bäumen im Garten darfst du nach Belieben essen. Nur von dem Baume, der Gutes und Böses keimen lehrt, darfst du nicht essen. Denn sobald du von ihm issest, bist du des Todes“(1 Mos. 2:16f).

Was ist nun der eigentliche, tiefste Sinn dieses Gebotes, das uns einerseits so unbedeutend und anderseits aufgrund der angedrohten Folgen überaus streng vorkommt?

Das Wesen des Opfers

In seinem Buch „Das Opfer nach seinem Wesen und nach seiner Geschichte“ führt Albert Stöckl aus, es sei „durch diese Selbsthingabe des Menschen an Gott der Schöpfungszweck … verwirklicht. Wenn also nur dadurch der Mensch den höchsten Schöpfungszweck verwirklichen kann, daß er sich gänzlich und rückhaltlos an Gott hingibt, damit der Wille Gottes überall in seinem ganzen inneren und äußeren Leben ausschließlich zur Geltung komme: so ist damit nichts anderes gesagt, als daß das Opfer es sei, durch welches allein der höchste Endzweck der Welt zur Verwirklichung gebracht werden kann.“ (Albert Stöckl, Das Opfer nach seinem Wesen und nach seiner Geschichte, Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1861, S. 30. Die Sprache wurde angepaßt.)

Gott fordert somit durch das Verbot, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, ein sichtbares Opfer, mit dem der Mensch zum Ausdruck bringt, daß er sich gänzlich und rückhaltlos an Gott hingibt, damit der Wille Gottes überall in seinem ganzen inneren und äußeren Leben ausschließlich zur Geltung komme.

Hierzu erklärt Albert Stöckl weiter: „Indem der Mensch von der Frucht des Baumes der Erkenntnis aß, war dieses Essen nichts geringeres, als die positive Verweigerung des Opfers, als die positive Erklärung des Menschen, daß er Gott das Opfer nicht bringen, sich Gottes Willen nicht unterwerfen, sondern seinen eigenen Willen im Gegensatz zum göttlichen zur Geltung bringen wolle. […] Und wenn das Nichtessen von der Frucht des Baumes zugleich die Dahingabe dieser Frucht an Gott, also das äußere Opfer involvierte: so war es ein Akt, in welchem der Mensch Gott sowohl das innere, als auch das äußere Opfer verweigerte.“ (Ebd. S. 61)

Die durch den Ungehorsam erloschene Liebe

Es ist für uns schon recht schwer verständlich, warum Eva sündigte – und sodann auch Adam. Weshalb war dies gar so schwer? Von einem einzigen Baum im ganzen Paradies nicht essen zu dürfen? Was bewegte sie dazu, dieses Gebot zu übertreten?

Adam und Eva lebten zwar noch nicht in der Anschauung Gottes, aber in einer ungewöhnlichen Vertrautheit mit IHM. Darum wog das aufkommende Mißtrauen gegenüber Gott umso schwerer. Es war nämlich ein Mißtrauen, das zur Sünde verführte: Gott behält sich etwas vor. Gönnt ER uns nicht diese Erkenntnis zu gewinnen, die der Baum verspricht? Welches Geheimnis verbirgt sich hinter diesem Gebot? Was will Gott vor uns verbergen?

Hier packt der Teufel zunächst Eva: „Nein! Gott weiß: Sobald ihr davon esset, gehen euch die Augen auf, und ihr seid wie Gott, erkennend Gutes und Böses.“ (1 Mos. 3:5)

Eva hätte durchaus wissen können, ja müssen, daß der Teufel lügt. Dennoch war in ihr durch diese dreiste Lüge des Teufels die Begierde und sodann der Stolz geweckt worden: Sein wie Gott!

„Da sah das Weib: Der Baum war köstlich zum Speisen und Wollust den Augen, und berückend war der Baum, um zur Erkenntnis zu gelangen. So nahm sie von seiner Frucht und aß. Dann gab sie ihrem Manne bei ihr. Auch er aß.“ (1 Mos. 3:6)

Mein Gott, ist das unheimlich! Eva lebt inmitten des Paradieses der Wonne und dennoch verengt sich ihr ganzes Denken und Sehnen auf einen einzigen Gegenstand: Der Baum war köstlich zum Speisen und Wollust den Augen, und berückend war der Baum, um zur Erkenntnis zu gelangen. Wir sehen daran, wie die Lüge, wie die dämonische Illusion die im Gebot geoffenbarte Wahrheit zerstört und das Wissen um die Wirklichkeit auslöscht. Mit einem Mal wird Gott zum vermeintlichen Gegenspieler und die Sünde des Stolzes lockt zum Aufruhr: Ich will selber sein wie Gott! So nahm sie von seiner Frucht und aß. Dann gab sie ihrem Manne bei ihr. Auch er aß.

Diese Sünde war wie ein geistiger Atomkrieg. Danach gab es nur noch Ruinen – denn es gab keine Gnade mehr. Alles erstarrte in der Eiseskälte der Selbstsucht, denn plötzlich war die Liebe aufgrund des stolzen Ungehorsams erloschen.

Es hat aber sicherlich eine Bedeutung, daß durch die Sünde Adam und Evas das Paradies als solches nicht zerstört wurde. Aus der Heiligen Schrift wissen wir, Adam und Eva wurden aus dem Paradies vertrieben und mußten fortan auf der Erde leben. Das Paradies aber wurde durch einen Engel verschlossen, wie es heißt: „Und er vertrieb den Menschen und stellte im Osten des Gartens von Eden die Kerubim und das zuckende Flammenschwert, zu bewachen den Weg zum Baum des Lebens.“ (Gen 3, 24)

Die Folgen dieser Sünde waren unvorstellbar weitreichend: Aus der Mutter des Lebens und der Freude wurde die Mutter der Schmerzen:

„Zum Weibe aber sprach er: ‚Vermehren will ich deine Mühsal bei deiner Schwangerschaft. In Mühen sollst du Kinder gebären, und doch geht dein Verlangen hin nach deinem Manne, obschon er waltet über dich.‘

Und zu Adam sprach er: ‚Weil du auf deines Weibes Stimme hast gehört und von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten: ‚Du darfst davon nicht essen‘, so ruht der Fluch um deinetwillen auf dem Acker. In Mühsal sollst du dich dein Leben lang von ihm ernähren. Dir soll er Dorn und Distel tragen, und doch mußt du das Kraut des Feldes essen.‘“ (1 Mos. 3:16 – 18)

Den Namen Evas wendend

Das alles ist eingeborgen in den Namen „Eva“.

Aber heute kommt der Erzengel Gabriel zu einer Jungfrau nach Nazareth, einer Jungfrau, die verlobt war mit Josef – und der Erzengel - „Mutans [H]evae nomen.“ - grüßt Maria: Ave!

Unser Engel ist der himmlische, der gottgesandte Freudenbringer, der es kaum erwarten kann, endlich diesen Gruß auszusprechen und alle Menschennot, alle Evasnot zu wenden: Ave!

Dem Stolz Evas steht plötzlich die Demut Mariens entgegen, und dem Aufruhr der Gehorsam. Übrigens ist es kein blinder Gehorsam, den Maria dem Engel leistet, sondern ein sehender, ein fragender: „Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“

Maria ist die „virgo prudentissima“, die allerklügste Jungfrau. Ihr kostbarstes Gut ist ihre Jungfräulichkeit, mit der sie sich Gott ganz, rückhaltlos, vollkommen geschenkt hat. IHM allein gilt ihre ganze Liebe. Alles andere auf dieser Welt liebt sie allein um Gottes willen. Wohl zunächst den wunderbaren hl. Josef!

Darum beruhigt sie auch der Erzengel sogleicht, indem er ihr das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes verkündet und erklärt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden … Denn bei Gott ist ja kein Ding unmöglich.“

Nun weiß Maria um das Geheimnis ihrer Mutterschaft und wunderbaren Geburt: Maria bleibt immerwährend Jungfrau – vor, während und nach der Geburt! Denn bei Gott ist kein Ding – im Lateinischen heißt es: quia non erit impossibile apud Deum omne verbum – bei Gott ist kein Wort unmöglich.

Maria ist die neue Eva – „Mutans Evae nomen“. Sie kennt keinerlei Vorbehalt, wenn es um den Willen Gottes geht. Ihr Vertrauen in Gottes Güte und Erbarmen ist grenzenlos und wankt deswegen nie. Deswegen kann sie sich auch rückhaltlos Gott zur Verfügung stellen: „Ecce ancílla Dómini, fiat mihi secúndum verbum tuum.“ – „Sieh, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte.“

Hiermit ist Maria die neue Eva, die Mutter des Gnadenlebens, denn in diesem Augenblick ist das Wort Fleisch geworden – Sohn Mariens! Deswegen hören wir nicht mehr auf, Maria wieder und wieder zu grüßen: Ave Maria!

Passionssonntag

Wie schwer fällt es uns Menschen, die Gedanken Gottes zu verstehen. Seine geheimnisvollen Wege nachzuempfinden, ist eine geistige Herausforderung, wie schon der Prophet Isaias zu bedenken gibt: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, - Spruch des Herrn. - Nein, so hoch der Himmel über der Erde, so hoch sind meine Wege über euren Wegen und meine Gedanken über euren Gedanken.“ (Is. 55,8 - 9)

Einer der geheimnisvollsten Wege Gottes in unserer Menschenwelt ist der Kreuzweg des menschgewordenen Sohnes Gottes, unseres göttlichen Herrn und Erlösers. Unwillkürlich denkt man bei diesem unvorstellbaren Leid und all der Todesnot, wie kann Gott so etwas zulassen? Wie kann ER Seinem Sohn so etwas zumuten? Hier müssen wir kapitulieren, unsere menschliche Vernunft reicht nicht aus, dies Geheimnis zu erfassen. Der hl. Paulus preist diese unergründlichen Ratschlüsse Gottes im Römerbrief jubelnd: „O Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Ratschlüsse, wie unergründlich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erfaßt? Wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm zuvor gegeben, so daß es ihm wiedervergolten werden müßte? Denn aus ihm und durch ihn und für ihn ist alles. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“ (Röm. 11, 33 – 36)

Wie aber sträubt sich unsere Vernunft, das Kreuz als Weisheit Gottes anzuerkennen. Das Kreuz widerspricht vollkommen unseren natürlichen Erwartungen. Ohne die Hilfe der Gnade können wir es nicht verstehen und noch weniger annehmen. Ganz bestimmt erklärt deswegen der hl. Paulus: „Das Wort vom Kreuz gilt freilich denen, die verlorengehen, als Torheit, uns aber, die gerettet werden, als Gottes Kraft.“ (1Kor. 1, 18)

Sobald wir versuchen, das Geheimnis des Kreuzes zu erfassen, drängt sich eine Frage auf: Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte es zum Gottesmord kommen? Wie konnte sich alles so zuspitzen, daß die Menschen ihren Gott, der als Erlöser in ihre Menschenwelt gekommen ist, von sich stoßen und schließlich grausam töten?

Wir haben es gestern betrachtet, wie es zur ersten großen Katastrophe kam: Der Sündenfall von Adam und Eva. So ganz kann man es nicht fassen, inmitten des Paradieses der Wonne, in welchem das Glück so weit wie nur möglich vollkommen war, fand sich dennoch in den Herzen der Stammeltern ein Mißtrauen Gott gegenüber aufgrund des Gebotes: „Nur von dem Baume, der Gutes und Böses keimen lehrt, darfst du nicht essen. Denn sobald du von ihm issest, bist du des Todes.“

Ein ganzes Paradies voller Freude – und nur ein einziger Baum, von dem man nicht essen darf. Dieses Gebot zu halten, scheint uns nicht gar so schwer zu sein, ist doch der Verzicht äußerst gering, oder etwa nicht?!

Dennoch reizt Eva der Baum, was der Teufel wahrnimmt und als Gelegenheit zur Versuchung nützt: „Nein! Gott weiß: Sobald ihr davon esset, gehen euch die Augen auf, und ihr seid wie Gott, erkennend Gutes und Böses.“ (1 Mos. 3:5)

Warum glaubt Eva dem Teufel? Sie hätte doch wissen müssen, daß dies Wort nicht der Wahrheit entsprach, sondern gelogen war. Wie kann Eva glauben, daß ihnen Gott etwas vorbehält, was ihnen zusteht? Ganz im Gegenteil: Diese Prüfung schenkt ihnen die Möglichkeit, Gott ihre Liebe zu erweisen. Allein dieses eine Opfer verlangt Gott von ihnen – und die Stammeltern scheitern kläglich.

Schauen wir nun auf Christus, den neuen Adam. Betrachten wir ganz kurz das Leben, das er sich erwählt hat, damit dieses Sein Leben uns als Beispiel diene. Das Leben unseres Herrn begann mit Armut und Not in einem Stall. Es kannte Verfolgung und Flucht in ein fremdes Land mit all den Folgen. Es war 25 Jahre verborgen und unbeachtet von der ganzen Welt in dem kleinen Städtchen Nazareth. Und schließlich wurde es nach grausamster Verfolgung mit dem Tod am Kreuz beendet.

Wir sehen somit, das Leben unseres göttlichen Herrn war ein richtiges Menschenleben, mit allen Höhen und Tiefen, mit Glück und Leid – es war kein Paradiesestraum. Dennoch war es ein großes, ein glückliches Leben ohne gleichen. Was war der tragende Grund dieses Menschenglückes? Der Herr war ja wahrer Mensch wie wir! Was sagt ER darüber? ER bekennt: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu vollenden.“ (Joh. 4, 34)

Darin findet unser Herr Seine Freude, den Willen des Vaters zu tun. Das Werk, das der Vater IHM zu tun aufgetragen hat, ist aber die Erlösung der Menschen. Das heißt wiederum, der Wille des Vaters ist es, all dieses Leiden zur Sühne für die Sünden der Menschen anzunehmen und zu ertragen. Darum sagte der Herr, sein „Ja Vater“ zu allem, was sein Leben mit sich brachte. Er wählte nicht selber aus, er plante nicht selber, erträumte nicht dieses und jenes – immer nur: „Ja Vater!“

Dem Erlöser ähnlich durch Leiden

Hierzu ist uns die Resl von Konnersreuth ein wunderschönes Vorbild. Die Resl ist durch vieles Leiden ganz dem göttlichen Erlöser ähnlich geworden. Nach einem Unfall trug sie sechs Jahre Lähmung und Leiden aller Art. Vier Jahre war sie blind. Auf diese Weise hat Gott sie gnadenhaft zubereitet, Großes zu Wirken.

Der 17. Mai 1925 war der Heiligsprechungstag der Theresia vom Kinde Jesu. Während Resl den Rosenkranz betete, sieht sie plötzlich ein starkes Licht und sie hört eine Stimme, die sie freundlich fragt: „Resl, willst du gesund werden?“ Darauf die Resl: „Mir ist alles recht, Leben oder Sterben, Gesundwerden oder Krankbleiben, wie es der liebe Gott will, er versteht es am besten.“ Hierauf fragt die Stimme weiter: „Würde es dich freuen, wenn du heute aufstehen und gehen könntest?“ Resl darauf: „Mich freut alles, was vom lieben Gott kommt.“ Die Stimme entgegnet ihr: „Du sollst eine kleine Freude erleben, du kannst dich aufsetzen, ich helfe dir“, worauf sie an der rechten Hand emporgezogen wurde, wobei sie einen heftigen Schmerz im Kreuz spürte.

Wie staunten alle Anwesenden, als sich Resl nach sechsjähriger Lähmung ohne Hilfe aufrichten konnte. Die Stimme aus dem Licht erklärt hierauf: „Leiden sollst du noch viel und lange und kein Arzt kann dir helfen. Nur durch Leiden kannst du deinen Opferwillen am besten auswirken. Durch Leiden werden weit mehr Seelen gerettet als durch die glänzendsten Predigten. Ich habe es früher schon geschrieben!“

Anhand dieser Bemerkung erkannte man später, daß es die Kleine hl. Theresia war, die zur Resl sprach. Schließlich ermunterte die Stimme die Resl noch beim Abschied: „Du kannst auch gehen.“

Am Sterbetag der hl. Theresia vom Kinde Jesu erschien der Resl das gleiche Licht und die Stimme sprach: „Du darfst jetzt ohne fremde Hilfe gehen, muntere die Leute zum Gottvertrauen auf. Du sollst dem eigenen Ich immer mehr absterben. Bleibe immer so kindlich einfältig!“

Seitdem konnte sich Resl wieder ganz ungehindert bewegen. Am glücklichsten war sie darüber, daß sie die Kirche wieder besuchen konnte.

Auf das Kreuz hin geschaffen

So denken und handeln Heilige. Auch wir sollen uns dieses Denken anzueignen suchen. Das geschieht vor allem durch die Betrachtung des Kreuzes. Nehmen wir uns diese kommenden zwei Wochen etwas Zeit, um öfters das Kreuz andächtig anzuschauen. Wir müssen das Kreuz betrachten, müssen es befragen, müssen es an unser Herz drücken. Schauen wir uns den Heiland aufmerksam an, wie er für uns leidet. ER leidet für jede Seele als wäre sie die einzige auf der Welt. Denn für jede einzelne Seele hätte der Heiland dieses Leiden auf sich genommen, um sie zu erlösen.

Schauen wir uns Seine hl. Wunden an. Schauen wir auf Sein gebrochenes und durchbohrtes Herz, aus dem uns alle Gnadenschätze geschenkt werden. Schauen wir auf Sein Haupt mit der Dornenkrone umwunden. Alles das leidet er für mich. Solches Leid ist IHM ein Menschenleben wert! Wir werden das in dieser Welt niemals recht verstehen können.

Der hl. Laurentius von Brindisi erklärt in einer Karfreitagspredigt seinen Zuhörern dieses Geheimnis folgendermaßen:

„Das Kreuz ist Grund und Fundament der ganzen Welt, weil die Welt von Gott nicht erschaffen worden wäre, wenn Er nicht das Verdienst Christi am Kreuz vorausgesehen hätte, durch welches die aufgrund der Sünde Adams verdammten Menschen gerechtfertigt und gerettet werden konnten; ohne dieses Heil wäre der Mensch vergebens geschaffen worden und folglich die ganze Welt. Deswegen ist der Mensch auf das Kreuz hin geschaffen worden, um zu erkennen, dass er selber sowie die ganze Welt ob des Verdienstes des Kreuzes erschaffen worden ist. Das Kreuz ist auch Grund und Fundament der gesamten Kirche, welche die geweihte Welt ist. Vom Kreuz fließen nämlich alle Sakramente hervor, und der Glaube an den Gekreuzigten ist die Grundlegung der Dinge, die man erhofft (Hebr 11,1); Einen anderen Grund kann niemand legen, als den, welcher gelegt ist, welcher ist Christus Jesus (1 Kor 3,11).

Und schließlich ist das Kreuz Fundament und Grundlage der Herrlichkeit, denn die Gnade Gottes ist das ewige Leben (Röm 6,23), denn durch die Gnade wird die Herrlichkeit geschenkt. Deswegen ist dem Kreuz der herrliche Titel Christi angeheftet worden: Jesus von Nazareth, König der Juden (Joh 19,19), und vom Kreuz her verspricht Christus dem Räuber, der sich zu Ihm bekehrt hat, das Paradies: Heute noch wirst du mit Mir im Paradies sein (Lk 23,43). Also ist dieses Kreuz der Schatz alles Guten, Weg des Heils, Himmelsleiter, Paradiesespforte, Schlüssel aller Himmelschätze.“

(Daniel Otto, Hl. Kirchenlehrer Laurentius von Brindisi, Denkschrift zum 400. Todestag, Laurentius Verlag, Schaan 2019, S. 30 f.)