Adventsgestalten

Eine der schönsten Zeiten des Jahres ist die Vorweihnachts- und Weihnachtszeit – gefühlt am schönsten muß man hinzufügen, denn für viele bedeutet gerade diese Zeit noch mehr Streß, noch mehr Hektik. Bei den allermeisten Zeitgenossen wird die Erwartungshaltung an Weihnachten enttäuscht, hat sie doch keinen tragenden Sachgrund mehr, weshalb es am Heiligen Abend auffallend viele Familiendramen gibt. Das liegt sicher nicht allein daran, daß die Mehrheit Weihnachten glaubenslos feiert, was uns Katholiken unmöglich erscheint, denn was ist Weihnachten ohne Glauben? Hinter all dem vermeintlich weihnachtlichen Getriebe verbirgt sich eine Tatsache: Sobald man nur genauer hinschaut, läßt sich am Weihnachtsfest das Neuheidentum greifen, das letztlich die weitverbreitetste Religion hierzulande geworden ist. Anstatt des Bischofs Nikolaus treibt der Weihnachtsmann sein Unwesen, anstatt auf das Christkind zu warten, wartet man nur noch auf die Geschenke. Die wahren Christen sind schon lange eine kleine Minderheit und die wahren Katholiken ein verschwindend kleiner Haufen von zerstreuten Schafen.

Der Beginn des Kirchenjahres – Die Erwartung des Emmanuel

Mit dem Advent beginnt unser Kirchenjahr – und damit alles wieder von vorne. Von ganz vorne kann man hinzufügen, denn in diesen Tagen vor Weihnachten lebt die Erwartung des Alten Bundes wieder auf. Nochmals erheben die Propheten ihre Stimme, um den zu verkünden, der Israel retten soll. Denn Rettung ist nötig, sind wir doch seit der Sünde Adams und Evas im Paradies rettungslos verloren. Die Israeliten haben dieses Ur-Wissen über Jahrhunderte hinweg wachgehalten, das Papst Pius IX. zu Beginn seiner Dogmatischen Bulle „Ineffabilis Deus“ folgendermaßen beschreibt:

„Der über alle Worte erhabene Gott, dessen Wege Erbarmen und Wahrheit, dessen Wille die Allmacht ist, dessen Weisheit machtvoll wirkt von einem Ende bis zum anderen und in Milde alles lenkt, sah von Ewigkeit her das unheilvolle Verderben des ganzen Menschengeschlechtes infolge der Sünde Adams voraus. In seinem geheimnisvollen, der Welt verborgenen Ratschluß beschloß er aber, das erste Werk seiner Güte durch die Menschwerdung des Wortes auf eine noch unbegreiflichere Weise zu ergänzen. Denn der Mensch, der entgegen seinen liebevollen Absichten durch die List des Teufels in Schuld geraten war, sollte nicht zugrundegehen, und das, was durch den ersten Adam gefallen war, sollte durch den zweiten weit glücklicher wieder aufgerichtet werden.“

Am eindrücklichsten verkündet der große Prophet des Advents diese Hoffnung auf den verheißenen Erlöser. Im priesterlichen Gebet, dem Brevier, werden ab dem ersten Adventsonntag die ersten drei Lesungen jeweils aus dem Propheten Isaias genommen, denn dessen messianische Prophezeiungen stimmen uns ganz und gar adventlich.

Prophetie und ihre Deutung

Im „Vorbericht zu den Büchern der Propheten“ der Alliolibibel von 1900 liest man:

„Die Propheten erhielten ihre Aufschlüsse über die Zukunft in der Anschauung, und darum oft in Bildern. Um diese Bilder gebührend zu erklären, muß man die Sache, die dadurch vorgestellt werden soll, davon zu unterscheiden wissen. Dies geschieht, wenn man die Erfüllung der Begebenheit in der Geschichte damit vergleicht. Darin zeigt sich, was in dem Bilde als Sache, und was als bloßer Schmuck zu betrachten ist. So z. B. erklärt sich das Gleichnis vom Weinberg (Isai. 5) aus der Geschichte der Verwerfung der Juden, die öfter bildliche Beschreibung des Messias (Isai. K. 11. u. 42.) aus dessen Geschichte. In dieser Scheidung des Schmuckes von der Sache ist jedoch Vorsicht zu gebrauchen, indem man nur dann berechtigt ist, etwas als bloßen Schmuck (Hyperbel, Redeübertreibung) anzusehen, wenn das Bildliche nicht in einem weiteren Ereignis, von dem das frühere nur ein unvollkommeneres Vorbild ist, seine vollkommenere Erklärung findet. So findet z. B. die biblische Beschreibung der Errettung aus der babylonischen Gefangenschaft ihre vollkommenere Erklärung in der ersten und zweiten Ankunft Christi. Die Bilder dürfen daher nicht auf jenes erste Ereignis eingeschränkt, und etwa als bloße Hyperbel behandelt werden, sondern müssen auf jene weitern Ereignisse, in denen sie ihre vollkommenere Erklärung finden, zugleich gedeutet werden (vergl. Isai. K. 40.-66.) Im Falle eine Weissagung auch auf die zweite Ankunft des Herrn sich bezieht, muß die Erklärung der Bilder erst von der Geschichte erwartet werden.

Die von den Propheten gebrauchten Bilder sind oft sogenannte Vorbilder, nämlich Namen von Personen und Gegenständen des Alten Testaments, mittels welcher im höhern Sinne der Messias und Personen und Gegenstände seines kommenden Reiches bezeichnet werden. So nennen sie den Messias häufig König David, sein Reich das Reich Davids, seiner Erlösung eine Errettung aus dem Roten Meere und der Wüste…“

All dies gilt es zu beachten, wenn wir die Prophezeiungen des Propheten über den kommenden Messias und sein Reich verstehen wollen. Wir müssen die vom Propheten gebrauchten Bilder richtig aus dem Zusammenhang heraus deuten, damit wir die ganze Tragweite der Texte verstehen können. Der Prophet Isaias war der Sohn des Amos, eines sonst unbekannten Mannes. Im Sterbejahr des Königs Ozias, 759 vor Christi Geburt, erhielt er den Ruf zum Prophetenamt. Der Prophet wurde mehr als achtzig Jahre alt und erlitt unter dem gottlosen König Manasse das Martyrium. Über seine Schriften schriebt Allioli: „Das Buch ist in einer erhabenen, edlen und doch einfachen Sprache und mit der eindringendsten Beredsamkeit geschrieben, voll Ermahnungen zur Buße für die Sünder, voll der Tröstungen für die Gebeugten und Verlassenen, eine reiche Schatzkammer für den Lehrer der Religion, der in der Geistessprache der Schrift ermahnen, trösten, strafen und bessern will.“

Laßt uns hinaufsteigen zum Berge des Herrn!

In den Gottesdiensten des Advents werden ab dem dritten Adventsonntag folgende Texte des Propheten gelesen. Den Auftakt bildet die Communio des 3. Advents: „Verkündet: ‚Ihr Kleinmütigen seid getrost und fürchtet euch nicht. Seht, unser Gott kommt und erlöst uns‘.“ (Is. 35, 4)

Damit wird allen Zagenden, allen Wankenden, allen Schwachen und Ermüdeten der göttliche Trost verheißen, der alle Erwartung himmelweit übersteigt: Seht, unser Gott kommt und erlöst uns! Wie schwer fällt es den Israeliten, diese Verheißung zu begreifen. Wenn dies aber stimmt, wenn Gott kommt und uns erlöst, so wird ER, Sobald ER kommt, unsere Menschenwelt verwandeln:

„In jenen Tagen sprach der Prophet Isaias: In der letzten Zeit wird der Berg, auf dem das Haus des Herrn [die Kirche] ruht, herrlich dastehen als der Höchste der Berge. Er wird alle Hügel überragen, und alle Heiden werden zu ihm strömen. Und viele Völker werden sich aufmachen und sprechen: ‚Kommt, laßt uns hinaufsteigen zum Berge des Herrn und zu dem Hause des Gottes Jakobs, Er wird uns Seine Wege lehren, und wir werden auf Seinen Pfaden wandeln; denn von Sion geht aus das Gesetz und das Wort des Herrn von Jerusalem. Er wird die Heiden richten und Recht sprechen vielen Völkern. Und sie werden ihre Schwerter in Pflugscharen umschmieden, ihre Lanzen in Sicheln. Nicht mehr wird Volk gegen Volk das Schwert erheben, noch wird man sich ferner üben für den Krieg. Haus Jakob!‘“ (Is. 2, 2-5)

Sein Reich wird die ganze Welt umspannen, denn nicht nur Israel, sondern alle Völker werden hinaufsteigen zum Berge des Herrn und zu dem Hause des Gottes Jakobs ziehen – denn von Sion geht aus das Gesetz und das Wort des Herrn von Jerusalem. Er schenkt den Menschen auch den so lange ersehnten Frieden.

O komm, o komm, Emmanuel!

Aber wer ist ER, auf den wir so sehnsüchtig warten? Woher kommt ER, woher stammt ER?

„So spricht Gott, der Herr: ‚Ein Reis wird hervorgehen aus der Wurzel Jesse, und ein Blütenzweig [der Heiland] emporsteigen aus seiner Wurzel. Der Geist des Herrn wird auf Ihm ruhen, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit, und der Geist der Furcht des Herrn wird Ihn erfüllen. Nicht nach dem Augenschein wird Er richten und nicht nach dem Hörensagen entscheiden, sondern Er wird die Armen in Gerechtigkeit richten und nach Billigkeit eintreten für die Friedfertigen des Landes. Er wird die Erde schlagen mit der Rute Seines Mundes, und mit dem Hauche Seiner Lippen die Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird sein der Gürtel Seiner Hüften und Treue der Gurt Seiner Lenden‘.“ (Is. 11, 1-5)

Ihn gilt es also zu ersehnen und vom Himmel herab zu flehen, wie es im Introitus der Muttergottesmesse im Advent heißt:

„Tauet, Himmel, von oben! ihr Wolken, regnet den Gerechten! Es öffne sich die Erde und sprosse den Heiland hervor.“ (Is. 45, 8) „Die Himmel künden Gottes Herrlichkeit, und Seiner Hände Werke rühmt das Himmelszelt.“ (Ps. 18, 2)

Was für ein wunderschönes Bild des Kommens unseres göttlichen Erlösers! ER wird nicht nur von oben kommen, so daß die Wolken den Gerechten herabregnen; zugleich wird sich die Erde öffnen und der Heiland hervorsprossen lassen – im Schoß Mariens.

Sein Name ist: der Wunderbare, Gott, Friedensfürst

Der von den Israeliten erwartete Messias wird nicht nur deren König sein, auch die Heiden werden sich zu IHM bekehren:

„In jenen Tagen werden sie zum Herrn rufen wegen ihres Bedrängers, und Er wird ihnen einen Erlöser senden, einen Vorkämpfer, der sie befreit. Und der Herr wird erkannt werden von Ägypten. Ja, erkennen werden die Ägypter [die Heiden] den Herrn an jenem Tage und Ihn ehren mit Opfern und Gaben. Gelübde werden sie dem Herrn geloben und sie erfüllen. So wird der Herr Ägypten schlagen mit Unglück und es dann heilen. Sie werden sich zum Herrn bekehren, und versöhnen wird Sich mit ihnen und sie heilen der Herr, unser Gott.“ (Is. 19, 20-22)

Unter den Menschen herrscht keine Gerechtigkeit mehr. Das Glück scheint verspielt, vor allem die Armen und Kranken, die Witwen und Waisen drohen zu verzweifeln. Wie eine Wüste ist das Land geworden. Aber sie werden sich zum Herrn bekehren, und versöhnen wird Sich mit ihnen und sie heilen der Herr, unser Gott. Er wird wahrhaft der Heiland der Welt sein und alles ändern:

„So spricht der Herr: ‚Freuen wird sich die öde, unwegsame Wüste, und frohlocken die Einöde und blühen wie eine Lilie. Sie wird sprossen und grünen und frohlocken in Freude und Jubel. Die Herrlichkeit des Libanon wird ihr gegeben, die Anmut des Karmel und des Saron. Sie werden schauen die Herrlichkeit des Herrn und die Schönheit unsres Gottes. Macht stark die erschlafften Hände und kräftigt die wankenden Knie. Saget den Kleinmütigen: Seid getrost und fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott wird Rache üben und Vergeltung. Gott selbst wird kommen und euch erlösen. Dann werden sich die Augen der Blinden öffnen, und die Ohren der Tauben sich erschließen. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird sich lösen. Wasser werden hervorbrechen in der Wüste und Bäche in der Einöde. Das dürre Land wird zum See und der dürstende spricht Boden zu Wasserquellen‘, spricht der Herr, der Allmächtige.‘“ (Is. 35, 1-7)

Geboren aus Maria, der Jungfrau

Vor allem ein Text kehrt in den adventlichen Gottesdiensten immer wieder, ein Text, ohne den der Advent nicht wirklich Advent sein könnte:

„In jenen Tagen sprach der Herr zu Achaz: ‚Fordere dir ein Zeichen vom Herrn, deinem Gott, sei es in der Tiefe unten oder oben in der Höhe.‘ Da sprach Achaz: ‚Ich will keines fordern und den Herrn nicht versuchen.‘ Da sprach er: ‚So höre denn, Haus David: Ist es euch zu wenig, daß ihr Menschen zur Last fallet, da ihr auch meinem Gott zur Last fallet? Daher wird der Herr selber euch ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und Sein Name wird sein: Emmanuel [Gott mit uns]. Milch und Honig wird Er essen [wie andere Kinder], bis Er das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen weiß.‘“ (Is. 7, 10-15)

Das Warten auf den Herrn ist immer zugleich das Warten auf die von Gott verheißene Jungfrau…

Der unmittelbare Wegbereiter

Eine zweite Gestalt gehört in den Advent, der hl. Johannes der Täufer. Wie aus dem Nichts taucht er auf und er ist ein richtiger Mann Gottes, so sagt man. Er kommt aus der Wüste, ist also erprobt im Fasten und im Verzicht. Darum ist er kein Schilfrohr, das vom Wind hin und her getrieben wird. Er trägt auch keine weichlichen Kleider, sondern ist an das Rauhe gewöhnt. Denn der Wille Gottes ist nicht wie ein weichliches Kleid, sondern wie ein Kamelhaargewand. Diesen Mann aus der Wüste gilt es im Advent zu betrachten. Jeder soll im Geiste in die Wüste hinausgehen, denn Johannes der Täufer ist sogar mehr als ein Prophet.

Braucht nicht gerade auch unsere Zeit mehr als einen Propheten? Braucht sie nicht einen hl. Johannes den Täufer? Einen Mann, der aus der Wüste kommt, in der er Gott begegnet ist. Einen Mann mit erprobter Gotteserfahrung und deswegen vollkommen gefeit gegen all diesen modernen Zweifel. Einen Mann, dem man ansieht, daß Gott mit ihm gesprochen hat und er mit Gott – ein Mann in ständiger Einsamkeit, im beharrlichen Fasten, im ununterbrochenen Gebet.

Ist es nicht wieder fast so geworden wie damals, als ganz Israel noch auf das Kommen des Erlösers gewartet hat? Die ganze Welt ist zu einer Wüste geworden. Die Brunnen der Gnade sind fast vollständig ausgetrocknet. Da kann nur noch Gott helfen, der doch so gerne hilft. Es ist wahr, wir müssen IHN wieder herbeiflehen wie der hl. Joachim und die hl. Anna, der hl. Zacharias und die hl. Elisabeth – und wie der hl. Joseph und die allerseligste Jungfrau Maria.

Erprobt in der Wüste

Wir vergessen es nur allzu leicht, der hl. Johannes der Täufer lebte etwa dreißig Jahre lang, wie es auch Jesus tat, ganz im Verborgenen. Dreißig stille Jahre ganz unbekannt in Nazareth und in der Wüste. Eine lange Zeit ist das, fast dreißig Jahre in der Wüste. Da braucht es viel gnadenvolle Sehnsucht, viel Glauben und Gebet. Als schließlich das Herz ganz voll war von Jesus, zeigte sich Johannes und es wurde wahr, was der Prophet verkündete: „Sieh, Ich sende Meinen Boten vor Dir her, daß er Dir den Weg bereite.“

Der Freund des Bräutigams

Gehen wir in diesen Adventtagen im Geiste hinaus in die Wüste und hören wir die Predigt dieses großen heiligen Mannes. Lassen wir uns anstecken von seiner brennenden Liebe zu Jesus, von seiner Liebe und seinem Opfermut. Denn immer nur durfte er den Herrn von weitem sehen. Wer kann die Größe dieses Opfers ermessen? Was für ein Verzicht für denjenigen, der sagen konnte: „Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. So ist auch meine Freude jetzt vollkommen.“ (Joh. 3,29) Johannes, der Freund des Bräutigams, – darüber kann man lange nachdenken…

Der letzte Prophet

Sobald man sich aufmacht, um tatsächlich in die Wüste hinauszugehen, um dort den hl. Johannes den Täufer zu sehen und ihm womöglich auch zuzuhören, erkennt man, wie viel er uns zu sagen hat über die Einsamkeit, über das rechte Warten, das inständige und beharrliche Beten. Diese Erfahrungen muß jeder von uns gleichfalls in der Wüste des täglichen Lebens machen, denn es geht durchaus nicht immer so schnell und so leicht, wie wir es meinen und gerne hätten mit der Erhörung unserer Gebete. Zuweilen läßt uns Gott ganz schön lange warten. Es gibt Adventzeiten, die viel länger als nur knappe vier Wochen sind.

Inzwischen haben wir es besser verstanden, der hl. Johannes der Täufer ist der Mann des Advents. Dabei ist diese Tatsache gar nicht so leicht zu greifen, denn zunächst wirkt der hl. Johannes eher abschreckend auf uns. Er ist nämlich ein ganz ernster, strengste Buße übender Mann. Dennoch sind die Menschen in Scharen zu ihm hinausgezogen, um ihn zu sehen und zu hören. Also muß doch hinter all diesem Herben und Harten etwas überaus Anziehendes an ihm gewesen sein. Was verbarg sich hinter dieser äußerst rauen äußeren Erscheinung?

Johannes war ein Mann ohne Falsch und ohne Tadel, was jeden nicht ganz verdorbenen Menschen spontan beeindruckt. Er war ein heiliger Prophet. Oh, wie lange ist es her, daß Gott einen Propheten gesandt hat! Bedenken wir nur einmal, der letzte Prophet des Alten Testamentes war Malachias, der etwa 460 v. Chr. lebte. Dieser letzte Prophet sprach von Johannes, wie wir es schon gehört haben: „Der Herr spricht: Siehe, ich will meinen Boten senden, der mir den Weg bereiten soll. Und bald wird er kommen, der Herr, den ihr sucht.“ (Mal 3,1)

Das prophetische „bald“

Hier begegnen wir einem dieser prophetischen „bald“ – das immerhin fast 460 Jahre dauerte! Dies erinnert uns an das Wort des hl. Petrus: „Das eine aber sollt ihr, Geliebte, nicht übersehen: Ein Tag ist beim Herrn wie tausend Jahre – und tausend Jahre sind wie ein Tag.“ (2. Petr. 3, 8) Der hl. Petrus spricht hier gegen die Spötter, die sagen: „Wo bleibt seine Wiederkunft, die doch verheißen ist? Seit die Väter entschlafen sind, bleibt alles, wie es von Anfang der Schöpfung an war.“ (Vers 4)

Aber nein: „Der Herr säumt nicht mit der Erfüllung seiner Verheißung – einige halten es ja für ein Säumen. Vielmehr ist er langmütig gegen euch. Er will nicht, daß jemand verlorengeht, sondern daß alle zur Sinnesänderung gelangen. Kommen wird aber der Tag des Herrn wie ein Dieb. Da werden die Himmel zischend vergehen, die Elemente sich in Gluthitze auflösen, und die Erde und die Werke auf ihr werden im Gericht erfunden werden.“ (Vers 9 u. 10)

Für den hl. Johannes den Täufer war dieses „bald“ keine prophetische Bildrede mehr – denn: „…mitten unter euch steht Einer, den ihr nicht kennt. Dieser ist es, der nach mir kommen wird, obgleich ER vor mit gewesen ist; ich bin nicht würdig, Ihm die Schuhriemen aufzulösen.“

Zwei Welten

Es fällt für uns in der Tat ziemlich schwer zu begreifen, was es Großes bedeutete, daß die damaligen Juden Johannes nach so langer Zeit wieder für einen Propheten hielten – einen echten Propheten, ja mehr als einen Propheten! Als er aus der Wüste zu ihnen kam, wurden plötzlich die alten Geschichten wieder lebendig. Die alten Geschichten mit den gewaltigen Gottesboten, mit den göttlichen Mahnern und Bußpredigern, die das Volk wieder und wieder aufrüttelten und zur Umkehr zu dem einen Gott aufriefen. Die Menschen haben es damals gespürt: Von der Wüste her weht der Wind – denn ohne Gott ist alles Wüste!

Dabei stirbt Johannes gar nicht in der Wüste, er stirbt als Preis für einen Tanz im Palast des Wüstlings Herodes. Was für ein krasser Gegensatz – Johannes und Herodes! Da stoßen zwei Welten aufeinander, die in keiner Weise zusammenpassen. Wie wir wissen, Herodes wird sich nicht bekehren, sondern mit Pilatus Freund werden, weil dieser Jesus vor seiner Verurteilung zu ihm geschickt hat. Entweder ist man ein Freund des Pilatus oder man ist ein Freund Jesu, beides zusammen geht nicht. Darum muß Johannes sterben:

„Da ging die Tochter eben jener Herodias hinein und tanzte. Sie gefiel dem Herodes und seinen Gästen, so daß der König zu dem Mädchen sagte: ‚Verlange von mir, was du nur willst; ich werde es dir geben.‘ Er schwur ihr: ‚Was immer du erbittest, werde ich dir geben, bis zur Hälfte meines Reiches!‘

Da ging es hinaus und fragte seine Mutter: ‚Was soll ich erbitten?‘ Die aber sagte: ‚Das Haupt Johannes des Täufers.‘ Das Mädchen eilte zum König zurück und forderte: ‚Ich will, daß du mir sogleich auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers gibst.‘

Da wurde der König sehr betrübt, aber des Eides und der Gäste wegen wollte er sie nicht abweisen. So sandte der König sofort einen Scharfrichter aus und befahl: ‚Man bringe sein Haupt!‘ Der ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis, brachte sein Haupt auf einer Schüssel und gab es dem Mädchen, und das Mädchen gab es seiner Mutter.“ (Mk. 6, 22 – 28)

Mehr als ein Prophet

Früher haben es noch alle Katholiken selbstverständlich gewußt: Wir gehören nicht zu dieser Art von Welt, wir sind nicht Freunde des Pilatus. Nein, wir gehen hinaus in die Wüste, um Johannes zu sehen und zu hören. Ist das nicht seltsam, daß er uns so an sich zieht, trotz seiner kargen Gestalt und seinem Gewand aus Kamelhaar? Er ist in der Tat ein Prophet, er ist ein ganz großer Heiliger, von dem unser Herr Jesus Christus immerhin gesagt hat: „Wahrlich, ich sage euch: Unter allen Menschen ist kein größerer aufgetreten als Johannes der Täufer.“ (Mt. 11,11) Unser göttlicher Lehrmeister fügt zwar hinzu: „Dennoch ist der Geringste im Himmelreich größer als er“, was jedoch nicht verhinderte, daß Johannes der Täufer einer der am meisten verehrten Heiligen der ersten Jahrhunderte war. Die Erzbasilika Sankt Johannes im Lateran in Rom ist dem hl. Johannes dem Täufer geweiht. Dabei ist diese nicht nur eine der vier Erzbasiliken in Rom, sondern tatsächlich sogar die älteste der sieben Hauptkirchen – sie wurde etwa 324 n. Chr. erbaut – älter als Santa Maria Maggiore, St. Paul vor den Mauern und dem Petersdom!

Johannes spricht zu den Menschen von der wahren Freude

Johannes der Täufer ist nur einmal mit Jesus zusammengetroffen, nämlich bei der Taufe Jesu. Das war jedoch sozusagen ein ganz offizielles, ein liturgisches Zusammentreffen und kein privates. Soweit man aus den hl. Evangelien heraushören kann, haben beide nichts Persönliches miteinander gesprochen. Johannes hat schließlich Jesus getauft und er sah den Himmel offen: Der Heilige Geist schwebte in der Gestalt einer Taube über Jesus und der himmlische Vater bezeugte so laut, daß man es hören konnte: „Du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich Wohlgefallen.“

Da war Johannes sicherlich wie vernichtet, so groß war die Herrlichkeit dessen, dem er den Weg bereiten sollte. Jedem, der es hören und glauben wollte, bezeugte er fortan: „Ich sah den Geist gleich einer Taube vom Himmel herabsteigen, und auf ihm bleiben. Ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte, mit Wasser zu taufen, sagte zu mir: Auf wen du den Geist herabsteigen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit Heiligem Geist tauft. Ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.“ (Joh. 1, 32 – 34)

Freuet euch!

Der Advent ist die Zeit der Erwartung des göttlichen Erlösers. Dem Nahen Gottes, dem Kommen des verheißenen Erlösers korrespondiert die Freude. Korrespondieren, d.h. entsprechen, wie in einem Wechselgespräch Antwort geben, und zwar die vollkommen richtige, die einzig mögliche Antwort geben. Wir sollen uns freuen, sagt uns der hl. Paulus – und noch einmal ruft er uns zu: freuet euch!

Diese Freude ist die Antwort auf das Ahnen der Herrlichkeit des Erlösers. Weil es so ist, darum ist die wahre Freude ein geistiges Geschehen. Die wahre Freude ist zwar auch im Gemüt, aber sie stammt aus dem Geist. Das wird heute ganz und gar vergessen.

Kennen wir überhaupt noch diese wahre Freude? Wissen wir, ob wir uns überhaupt recht freuen, wenn wir Freude empfinden? Der Advent sagt es uns natürlich so klar und deutlich, daß man es nicht überhören kann: Die Freude hat mit dem Kommen des Messias zu tun. Ohne Jesus stirbt diese Freude, denn ohne Jesus stirbt der Geist. Das Reich der göttlichen Wahrheit versinkt ohne Jesus in einem Trümmerfeld der Meinungen, die letztlich immer absurder werden.

Auf dem Weg in die infantile Gesellschaft, …

Hierzu ein recht aufrüttelnder Gedanke. Schon vor 25 Jahren, im August 1997, stellte der Herausgeber Heiko Ernst in der Zeitung „Psychologie heute“ fest, daß wir uns „auf dem Weg in die infantile Gesellschaft” befinden: „Eine Generation von Ewig-Pubertären ist dabei, die Bundesrepublik in eine infantile Gesellschaft zu verwandeln.“ Er zitiert den Kulturphilosophen Johan Huizinga, der eine „Kultur des Puerilismus“ heraufziehen sieht: „’Ganze Bereiche der öffentlichen Meinungsbildung werden durch das Temperament heranwachsender Knaben und die Weisheit von Jugendklubs beherrscht’. Und diese Weisheit sagt: Jungsein ist ein Wert an sich. Erwachsenwerden ist [Mist]. Die Zukunft ist unsicher, die Aussichten düster, laßt uns also jetzt Spaß haben. Das Fun-Prinzip duldet keinen Aufschub, keine Mühsal, die sich – vielleicht – in der Zukunft auszahlt.“

Die Wurzeln der infantilen Gesellschaft sieht Heiko Ernst „in den 50er Jahren, als die strengen Werte der Kriegsgeneration – Gehorsam, Fleiß, Ordnung – zerbröselten. Schon während der Adenauer-Ära erkannte der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich die Umrisse einer neuen Epoche, die er als ‘vaterlose Gesellschaft’ beschrieb: Die Väter haben in der Nazi-Zeit ihre Autorität verspielt. Physisch und emotional sind sie häufig nicht mehr präsent und kaum noch an der Erziehung beteiligt. […] Mit der ‚Durchmutterung‘ der Erziehung und dem Abdanken der Väter begann die Entwicklung der Heranwachsenden zu stagnieren.“

Es ist in der Tat eine beängstigende Erfahrung: Die meisten werden nicht mehr erwachsen. Sie bleiben ihr ganzes Leben lang kindisch. Wieso korrigieren sie sich nicht mehr, sobald sie älter werden?

Die größte „Infantilisierungs-Maschine“ ist laut Heiko Ernst das Fernsehen: „Es bedient die in jedem Menschen angelegte Neigung zur Regression perfekt: Den Wunsch, sich aus der harten Realität des Alltags zu verabschieden, dem kindlichen Lustprinzip Raum zu geben, sich passiv zurückfallen zu lassen in eine anstrengungslose Trance. Denn am ehesten entkommen wir der komplizierten Gegenwart, wenn wir hemmungslos albern und kindisch sein dürfen.“ Dabei sind es „nicht nur infantile Programminhalte, die eine Abwärtsspirale der Primitivisierung in Gang setzen. Das Medium sorgt als Medium dafür, daß die Gesellschaft als Ganzes und auf lange Sicht auf einer infantilen Stufe festgehalten wird.“

Nach so vielen Jahren Infantilisierungs-Maschine ist die Wirkung nicht mehr zu übersehen. Da muß man nichts mehr beweisen, extra aufzeigen, man muß einfach nur die Augen aufmachen und die Ohren spitzen. Es ist ganz wahr geworden: Denn am ehesten entkommen wir der komplizierten Gegenwart, wenn wir hemmungslos albern und kindisch sein dürfen. Dieser Versuchung sind die Massen allmählich erlegen, alle sog. Tabus wurden einfach weggefegt.

Der Lateiner sagt: „Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant.“ – „Knaben sind Knaben, und Knaben machen Knabenhaftes (also Dummheiten).“ Was für ein beeindruckender lateinischer Satz, der letztlich eine Erfahrungstatsache beschreibt: Wenn man die Knaben allein läßt, dann kommen immer nur Dummheiten heraus.

… die der Prophet Isaias vorausgesagt hat

Beim Propheten Isaias liest man:

„Denn siehe, der Gebieter, der Herr der Heerscharen, nimmt fort von Jerusalem und Juda Stütze und Stab, jede Stütze an Brot, jede Stütze an Wasser, den Held und den Kriegsmann, den Richter und den Propheten, den Wahrsager und den Ältesten, den Oberen über Fünfzig, den Angesehenen und Ratsherrn, den Künstler und Zauberkundigen. Knaben will ich ihnen geben als Fürsten, Buben sollen über sie herrschen“ (Is. 3,1-3).

Diese göttliche Strafe wurde übrigens auch über die Menschenmachwerkskirche verhängt: Buben sollen über sie herrschen. Vor lauter Weltverbrüderung und Spaß an der Freud ist der Geist und damit die wahre Freude ganz und gar verloren gegangen. Was blieb, sind Ruinen. Der Schlüssel zur wahren Freude

Johannes der Täufer war kein Spaßvogel, dazu war die Lage einfach zu ernst. Seine Freude war etwas ganz anderes als das, was die Weltmenschen suchen. Seine Freude wurde aus strengstem Fasten und immerwährendem Gebet geboren. Eine Freude, so still und einfach und abgrundtief wie die Stille und Einfachheit der Wüste. Eine Freude, die im Leid nicht zerbricht, sondern strahlend alles Kreuz auf sich nimmt.

Wie gewinnt man diese Freude? Was ist der Schlüssel, den man braucht, um sie zu finden? Einen Hinweis findet man im Leben des hl. Franziskus:

„Franziskus, sprach Gott zu ihm im Geiste, was du hier fleischlich und eitel geliebt hast, sollst du mit dem Geistlichen vertauschen, nimm das Bittere anstatt des Süßen, und verachte dich selbst, wenn du mich erkennen willst. Dafür wirst du Geschmack haben an dem, was ich dir sage, auch wenn die Ordnung umgekehrt ist. Sofort fühlte er sich angetrieben, den Weisungen Gottes zu gehorchen und die Sache zu erproben.“

Der Arme von Assisi war ein Mann der Tat, er wollte sogleich ausprobieren, was ihm gesagt wurde. Er ging also zu den Aussätzigen, vor denen er am meisten inneren Ekel empfand, er sorgte für sie und küßte einem davon seine Wunde. Da ging er hinweg, jubelnd im Herzen und voll größter, heiliger Freude.

Seit der Erbsünde kommt uns das Gute zumeist bitter vor. Es fällt uns recht schwer, das Gute zu tun und noch viel schwerer, das Bessere zu wählen. Darum muß man lernen, sich zu überwinden, man muß das Bittere anstatt des Süßen nehmen und sich selbst verachten, wenn man Jesus erkennen will. Darum ging Johannes der Täufer hinaus in die Wüste, denn dort wurde ihm das Bittere allmählich süß. Er lernte, sich nicht nur dann und wann, sondern ständig zu überwinden, so daß er mit der Gnadenhilfe Gottes immer besser wurde – mehr als ein Prophet!

… im Gegensatz zur Scheinfreude

Die Hauptwaffe des Teufels hingegen sind die vielen Scheinfreuden. Der Teufel ist Meister darin, seinen Anhängern solche Freuden zu verschaffen, d.h. eine Freude, die eigentlich keine wahre, keine wahrhaft menschliche Freude ist – sondern immer nur Lust und Gaudi. Diese müssen wir tapfer fliehen, wozu uns der Advent besonders ermuntert. Denn der Advent zeigt uns den einzigen Grund zur wahren Freude: „Der Herr ist nahe!“ Wenn das kein Grund zu einer überaus großen Freude ist!

Der Advent und Maria

Die erhabendste Gestalt des Advents ist zweifelsohne die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria. Wir haben eingangs Papst Pius IX. gehört, wie er in seiner dogmatischen Bulle „Ineffabilis Deus“ feststellte: „Darum wählte er von Anfang an und vor aller Zeit schon für seinen eingeborenen Sohn eine Mutter aus, und bestimmte, daß er von ihr in der seligen Fülle der Zeiten als Mensch geboren werden sollte.“ In derselben Bulle schreibt der Papst:

„Denn die in der himmlischen Offenbarung wohl bewanderten Väter und Schriftsteller der Kirche hielten nichts für wichtiger, als in den Werken, die sie zur Erklärung der Schrift, zur Verteidigung des Glaubens und zur Belehrung der Gläubigen verfaßten, die höchste Heiligkeit und Würde der Jungfrau, ihr Freisein von jeder Sündenmakel und ihren herrlichen Sieg über den schlimmsten Feind des Menschengeschlechtes in vielfacher und bewundernswerter Weise wie in edlem Wettstreit zu verkünden und hervorzuheben. Sie kommen immer wieder auf die Worte zu sprechen, mit denen Gott das zur Erneuerung der Menschheit von seiner Güte vorgesehene Rettungsmittel am Anfang der Welt ankündigte und damit einerseits den Übermut der verführerischen Schlange zurückwies, anderseits aber auch die Hoffnung unseres Geschlechtes in wunderbarer Weise wieder aufrichtete; es war damals, als Gott sprach: Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinen Nachkommen und ihren Nachkommen [Gen. 3,15.]; sooft also die Väter darauf zu sprechen kamen, erklärten sie, daß durch diesen Ausspruch Gottes klar und deutlich auf den barmherzigen Erlöser des Menschengeschlechtes, auf den eingeborenen Sohn Gottes, Christus Jesus, hingewiesen werde und damit auch auf seine heiligste Mutter, die Jungfrau Maria, und daß damit zugleich die unerbittliche Feindschaft beider mit dem Teufel klar angedeutet werde. Wie also Christus, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, nach der Annahme der menschlichen Natur die Urkunde, die gegen uns zeugte, zerriß und sie als Sieger an das Kreuz heftete, so hatte auch die heiligste Jungfrau, die ganz innig und unzertrennlich mit ihm verbunden ist, mit ihm und durch ihn ewige Feindschaft mit der giftigen Schlange; sie triumphierte über sie in vollkommenster Weise und zertrat so ihren Kopf mit ihrem makellosen Fuß.“

Dieser Triumph Mariens bestand in ihrer sündenlosen Reinheit. Sicherlich nicht zufällig findet sich inmitten des Advents das Fest von der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria. Man kann durchaus berechtigt sagen: Maria personifiziert den Advent. In ihr findet man alles, was diese Zeit ausmacht in schönster Weise verwirklicht.

Sobald man beginnt, sich tiefer in diese Adventtage hineinzudenken – also nicht nur nebenbei und oberflächlich, sondern konzentriert und betrachtend – begegnet man ganz selbstverständlich der stillen Jungfrau voll der Gnaden, der Jungfraumutter Maria. In ihr erspürt man jene andere, verborgene Welt der Gnade, trägt sie doch den Heiland der Welt unter ihrem Herzen. Immer eindrücklicher wird diese unsichtbare Welt der Gnade, je marianischer man denkt, je bedeutsamer, schöner, anziehender das Geheimnis Mariens wird. Von der Gottesmutter im Advent geht eine Sehnsucht aus, der man sich auf die Dauer nicht entziehen kann. Die Sehnsucht heißt: Wir werden Gott sehen, werden IHN bald sehen! Jetzt weiß nur Maria allein um das Geheimnis des Advents. Aber sie will dieses Geheimnis jedem offenbaren, der guten Willens ist.

Maria ist der Advent des Gottesreiches

Ohne Maria gibt es keinen Advent und kein Weihnachten. Das wird jeder leicht einsehen, denn unser Advent beginnt letztlich mit dem „Fiat“ der Jungfrau von Nazareth. Gott sendet den himmlischen Boten, den Erzengel Gabriel, zu ihr, um sie zu fragen. An ihrer Entscheidung hängt das Heil der ganzen Welt. Maria hört die himmlische Botschaft des Erzengels, sie fragt ihn und sie glaubt – „Selig bist du, da du geglaubt hast, daß in Erfüllung gehen wird, was dir vom Herrn verkündet worden ist.“ (Lk. 1, 45)

Im Glauben Mariens erbaut sich die neue Welt. Wie viele Legenden erahnen, wie um Maria herum die Welt neu entsteht. Denken wir nur einmal an das Lied: Maria durch ein Dornwald ging. Die Rose ohne Dornen ist auf dem Weg durch unsere Dornenwelt. Es klingt direkt etwas gespenstisch, wenn man singt:

Maria durch ein Dornwald ging.
Kyrie eleison.
Maria durch ein Dornwald ging,
der hat in sieben Jahrn kein Laub getragen.
Jesus und Maria.

Die Zahl Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit. Sieben Jahre, das ist unvorstellbar lang, der hat in sieben Jahrn kein Laub getragen. Eindringlicher kann man die Trostlosigkeit der Menschenwelt kaum mehr beschreiben. Aber Maria ist nicht allein, sie ist gesegneten Leibes:

Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Kyrie eleison.
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.

Was für eine wunderschöne poetische Theologie stellen diese Worte dar. Das Glück, die Hoffnung, die Freude, das unerschütterliche Vertrauen Mariens ruht auf dem Kindlein ohne Schmerzen unter ihrem Herzen. Der Advent, das ist Jesus und Maria. Durch die Gegenwart beider geschieht das große Wunder, das alle nur deshalb so sehnsüchtig erwarten, weil es Gott verheißen hat:

Da haben die Dornen Rosen getragen.
Kyrie eleison.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen.
Jesus und Maria.

Wären sie nicht gekommen – Jesus und Maria – die Dornen hätten niemals mehr Rosen getragen.

Maria und das neue Gnadenleben

Mit und um Maria keimt neues Leben auf – Gnadenleben. Dieses neue Leben läßt sich nicht mehr aufhalten, denn der Bann der Sünde ist gebrochen und er beginnt allmählich aus unserer Menschenwelt zu weichen. So sollte ja die Schöpfung von Anfang an sein, – ehe sie von der Sünde zerstört wurde – wie Maria: Unbefleckte Empfängnis. Gott hat sich Seinen wunderbaren Schöpfungsplan durch die Sünde nicht verderben lassen. ER hat mitten aus dem Dornenwalt eine Rose hervorblühen lassen, jene geheimnisvolle Rose, die Seine höchste Freude ist.

Maria ist das neue Paradies, in das Gott wie damals mit ungebrochener, reinster Freude eintritt. Am Festtag der Unbefleckten Empfängnis heißt es nach der 7. Lesung im Responsorium: „Ein verschlossener Garten ist meine geliebte Braut, ein verschlossener Garten, eine versiegelte Quelle. Was von dir ausgeht, ist wie ein Paradies, o Maria. Öffne mir, mein Liebling, meine Taube, meine Unbefleckte. Was von dir ausgeht, ist wie ein Paradies, o Maria.“

Maria ist die wiedergefundene Freude Gottes an Seiner Schöpfung. Ohne sie wäre die Freude, die wahre Freude, ausgestorben in der Menschenwelt, denn die Sünde und der Tod wären nie besiegt worden. Gott hat sie sich in der Fülle der Gnade bereitet und sie nicht nur über alle anderen Geschöpfe erhöht, sondern ER hat sie zur Mutter des ewigen Sohnes von Ewigkeit her auserwählt. In Maria ist alle Schöpfung wieder zurückgebunden an den göttlichen Ursprung, der Bruch der Sünde ist überbrückt, denn der Erlöser ist da!

Es stimmt schon, Maria ist der Advent des Gottesreiches. Aber nicht nur dies. Maria ist unser Advent. Wer selbst ein adventlicher Mensch werden will, wer ernsthaft in den Advent eintreten will, der muß zu Maria gehen und er muß Sie bitten: Lehre mich, den Advent recht zu verstehen. Maria ist das Tor zur Gnadenwelt – janua coeli, Tor des Himmels. In ihr öffnet sich uns der Himmel wieder. Er öffnet sich uns wieder so weit, daß jeder ihn sehen und begreifen kann. Es soll uns nochmals Papst Pius IX. darüber belehren, wie unaussprechlich der Vorzug Mariens vor allen anderen Geschöpfen ist:

„Diesen herrlichen und ganz einzigartigen Triumph der allerseligsten Jungfrau, ihre ganz ausgezeichnete Unschuld, Reinheit, Heiligkeit und Unversehrtheit von jeder Sünde, diese unaussprechliche Fülle und Erhabenheit aller himmlischen Gnaden, Tugenden und Vorzüge haben die Väter schon in der Arche Noes vorgebildet gesehen, die auf Gottes Anordnung erbaut wurde und dem allgemeinen Untergang der ganzen Welt heil und unversehrt entging. Sie sahen ein Vorbild auch in jener Leiter, die Jakob von der Erde bis in den Himmel reichen sah, auf der die Engel Gottes auf- und niederstiegen und auf deren oberster Sprosse der Herr selbst ruhte. Auch der Dornbusch gehört hierher, den an heiliger Stätte Moses ringsum brennen sah, der jedoch in den lodernden Flammen des Feuers nicht bloß nicht verzehrt oder im geringsten verletzt wurde, sondern gar anmutig grün aufblühte. Maria gleicht jenem von dem Feind unüberwindlichen Turm, von dem tausend Schilde, Schutzwehr und Rüstung für Helden herabhängen. Sie gleicht dem verschlossenen Garten, den die Tücke des Nachstellers weder zertreten noch schädigen kann. Maria ist die glänzende Stadt Gottes, deren Grundfeste auf dem heiligen Berge ruht; sie ist der hehre Tempel Gottes, der leuchtend im göttlichen Strahlenglanz erfüllt ist von der Herrlichkeit Gottes. Außer diesen Bildern zählen die Väter noch viele andere auf, die die erhabene Würde der Gottesmutter, ihre unversehrte Unschuld und ihre nie von einer Makel getrübte Heiligkeit bedeutungsvoll versinnbilden.

Um diese unstreitig höchste unter allen Gottesgaben, eben diese ursprüngliche Unversehrtheit der allerseligsten Jungfrau, von der Jesus geboren wurde, zu erklären, haben die gleichen Kirchenväter sich auch der Aussprüche der Propheten bedient. Und diese wiederum meinen Maria, wenn sie sprechen von der reinen Taube, dem heiligen Jerusalem, dem erhabenen Thron Gottes, der Bundeslade der Heiligung, dem Haus, das die ewige Weisheit sich geschaffen, der Königin, die von Wonnen überfließend und geschmiegt an ihren Geliebten aus dem Munde des Allerhöchsten hervorging, ganz vollkommen, schön und Gott überaus angenehm und nie von einer Makel der Sünde befleckt.

Und schließlich fiel der Blick der Väter und der kirchlichen Schriftsteller auf die Worte des Erzengels Gabriel, der Maria die erhabene Würde einer Mutter Gottes verkündete und sie auf Befehl Gottes selber als die Gnadenvolle bezeichnete. Und so lehrten sie denn, es werde durch diesen einzigartigen, feierlichen und noch nie vernommenen Gruß schon gezeigt, daß die Mutter Gottes der Sitz, die Stätte aller göttlichen Gnaden sei, daß sie mit allen Gaben des Heiligen Geistes geziert sei; in gewissem Sinn sei sie sogar ein unendlicher Schatz und unergründlicher Abgrund eben dieser Gaben, und da sie nie dem Fluch unterworfen war, wurde sie mit ihrem Sohn ewigen Preises würdig. Deswegen durfte sie aus dem Munde der vom Gottesgeist erleuchteten Elisabeth die Worte vernehmen: Gebenedeit bist du unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes.“

Mittlerin aller Gnaden

Alle Gnade kommt uns durch Maria zu. So ist es der Wille Gottes, so ist der Weg, den Gott selbst gewählt. Wir können keinen anderen Weg zu Christus finden als den, den ER selbst zu uns gegangen ist. Maria führt uns unmittelbar zu ihrem Sohn. Sie lehrt uns im Glauben jenes Geheimnis zu umfassen, das in ihr Gestalt angenommen hat: Gott ist Mensch, Gott ist Kind geworden – der ewige Sohn des Vaters, Gott von Gott und Licht von Licht, ist der wahre Sohn Mariens, ein Mensch wie wir – ausgenommen die Sünde.

Staunende Freude

Die Lesungen am Oktavtag der Unbefleckten Empfängnis der hl. Jungfrau Maria zur 3. Nachtstunde stammen vom hl. Bischof Epiphanius. Was für ein Jubel sprüht aus seinen Worten!

„Was soll ich sagen oder was vorbringen von der ruhmvollen, heiligen Jungfrau? Gott allein ausgenommen, steht sie höher als alle Wesen; von Natur aus ist sie schöner als selbst die Cherubim und Seraphim und als das ganze Heer der Engel; sie preisen, reicht keine Zunge im Himmel und auf Erden aus, nicht einmal eine Zunge von Engeln. O du selige Jungfrau, du reine Taube, du himmlische Braut! Maria, du Himmel, du Tempel, du Thron der Gottheit! Du besitzest Christus, die Sonne, die im Himmel und auf Erden leuchtet. Du lichte Wolke, du hast Christus, den helleuchtenden Blitz, zur Erleuchtung der Welt vom Himmel herabgeführt. Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, du Pforte des Himmels; von dir spricht der Prophet im Hohenlied in seiner Rede klar und deutlich, wenn er sagt: Ein verschlossener Garten ist meine liebe Braut, ein verschlossener Garten, eine versiegelte Quelle.“

Wenn wir diese Worte hören, müssen wir dann nicht zugeben, daß wir nicht mehr wirklich über dieses für unsere Vernunft unbegreifliche Geheimnis staunen, weil wir nicht groß genug von Gottes Güte denken, weil wir Seine Majestät, Seine Unendlichkeit, Seine Heiligkeit, Seine Würde nicht recht verstehen? Würden wir Gottes Herrlichkeit nur ein klein wenig verstehen und Seine Würde ahnen, so würden wir staunen ohne Ende – und wir würden uns über alle Maßen verwundern und anfangen, uns wahrhaft zu freuen. Nicht mit jener kindischen Freude der Welt, sondern mit jener göttlichen Freude, die uns in Maria, der Immakulata, aufleuchtet. Der hl. Epiphanius jedenfalls findet gar kein Ende in seiner Begeisterung:

„Die Jungfrau ist die unbefleckte Lilie, welche die unverwesliche Rose Christus hervorgebracht hat. O du heilige Gottesmutter, du fleckenloses Schäflein! Du hast das aus dir menschgewordene Wort, das Lamm, Christus geboren. O du heiligste Jungfrau! Du hast die Heere der Engel in Staunen versetzt. O staunenswertes Wunder am Himmel! Eine Frau, umhüllt mit dem Sonnenlicht, das Licht in ihren Armen tragend! O staunenswertes Wunder am Himmel: das Brautgemach der Jungfrau birgt den Gottessohn! O staunenswertes Wunder am Himmel: der Herr der Engel ist das Kind einer Jungfrau geworden! Die Engel klagten einst Eva an, jetzt aber überhäufen sie Maria mit Lob; sie hat die gefallene Eva aufgerichtet und hat den aus dem Paradies vertriebenen Adam in den Himmel geführt. Sie ist die Mittlerin zwischen Himmel und Erde; sie hat zwischen beiden die Verbindung wirklich hergestellt.“

Sei gegrüßt, Du Gnadenvolle

Bitten wir darum Maria, die Muttergottes vom Advent, sie möge uns die Himmelstüre ein wenig aufstoßen, denn selbst ein winziger Strahl aus der anderen Welt genügt. Mehr brauchen wir nicht: Sei gegrüßt Maria, du Gnadenvolle! Auch dazu nochmals der hl. Epiphanius:

„Die Gnade der heiligen Jungfrau ist unermeßlich. Darum beginnt Gabriels Gruß mit den Worten: Sei gegrüßt, du Gnadenvolle. Du bist ein glanzvoller Himmel. Sei gegrüßt, Du Gnadenvolle, du Jungfrau, mit so vielen Vorzügen ausgestattet! Sei gegrüßt, Du Gnadenvolle; du bist eine goldene Urne, die himmlisches Manna enthält. Sei gegrüßt, Du Gnadenvolle; du tränkst die Durstigen aus dem Quell ewiger Süßigkeit. Sei gegrüßt, Du heilige und unbefleckte Mutter; du hast Christus geboren, der vor dir ist. Sei gegrüßt, du königlicher Purpur; du umkleidest den König des Himmels und der Erde. Sei gegrüßt, du geheimnisvolles Buch; du hast das ewige Wort, den Sohn des Vaters, der Welt zum Lesen gebracht.“

Was für ein Advent steht uns also bevor! In der Oration des dritten Adventsonntags beten wir: „Wir bitten dich, o Herr: schenke unsern Bitten Gehör und mache hell die Finsternisse unseres Geistes durch die Gnade Deines Kommens…“ – Ja, Du von Gott verheißener göttlicher Erlöser, mache hell die Finsternisse unseres Geistes durch die Gnade Deines Kommens!