Vorbemerkungen
Eigentlich soll es, wie jedes Jahr, eine Weihnachtserzählung werden, dieses Sankt-Josefs-Blatt vom Dezember. Aber wie findet man in dieser so unweihnachtlichen Welt weihnachtliche Gedanken? Das ist ganz schön schwierig – insofern die Weihnachtsgedanken nicht einfach aufgesetzt sein sollen, sondern echte Gedanken über das schönste Fest des Jahres. Denn das ist so, zwar ist Ostern das größte und bedeutendste Fest des Kirchenjahres, Weihnachten hingegen ist das schönste.
Unsere hl. Liturgie erinnert uns beständig daran, daß unser Leben unlösbar mit dem Leben Jesu verbunden ist, mit dem Leben unseres göttlichen Erlösers. Nur in dieser Verbindung kann unser Menschenleben Gnadenleben sein. Losgelöst von Christus verfällt der Mensch wieder ins Heidentum, wenn auch in seiner modernen Form.
Kürzlich sind wir über eine Information gestolpert, die unwillkürlich überrascht. Da hieß es, daß immer noch mehr als 80 % der Europäer an ein Leben nach dem Tod glauben. Das öffentliche Bild scheint somit zu täuschen, viel weniger unserer Zeitgenossen sind A-theisten, also Gott-lose als man meint. Denn so ganz ohne Gott kann man sich doch ein Leben nach dem Tod nicht vorstellen, oder etwa doch? Nun, die weitere Information wirkt sofort wieder recht ernüchternd:
Dabei scheinen der Phantasie keine Grenzen gesetzt zu sein: Von der Wiedergeburt mit oder ohne Karma, über das Entschweben in eine andere Dimension, dem Entgleiten in den Himmel mittels vorbeiziehender Kometen bis hin zum klassischen Himmel mit oder ohne Hölle und Fegefeuer. Selbst Katholiken neigen immer mehr dazu, an eine Wiedergeburt zu glauben – als an den biblischen Vorstellungen von Himmel, Hölle und Fegefeuer festzuhalten. Und dann gibt es noch diejenigen, die behaupten, darüber könne man gar nichts wissen; noch nicht einmal vermuten oder spekulieren mache einen Sinn.
So schreibt Fynn Krause auf „gut-katholisch.de“ in seinem Artikel „Das Leben nach dem Tod“.
Verfinsterung statt heiliger Nacht
Das ist die moderne Meinungsvielfalt des neuheidnischen modernen Menschen. Jeder bedient sich auf dem Jahrmarkt der Religionen und auch Pseudoreligionen und wählt das für sich aus, was ihm am meisten zusagt. Dabei spielen esoterische Vorstellungen eine immer größere Rolle. Der Phantasie sind tatsächlich keine Grenzen gesetzt. Ein Leben nach dem Tod in einer anderen Dimension, durch einen Kometen entrückt auf irgendwelchen anderen Galaxien oder mehrmals wiedergeboren endlich dem Irdischen entledigt. Das christliche Glaubenswissen scheint weggeblasen zu sein, wenn selbst „Katholiken“ immer mehr dazu neigen, an eine Wiedergeburt zu glauben. Es ist so, als wäre der Sohn Gottes gar nicht Mensch geworden und hätte uns über die wichtigsten Fragen unseres Lebens gar nicht belehrt. Wie konnte es zu einem solchen Durcheinander kommen? Darin zeigt sich die Kraftlosigkeit der „kirchlichen“ Institutionen, ihre Unterwanderung durch die Modernisten – und für uns Katholiken die „Verfinsterung der Kirche“. Denn die auf dem sog. 2. Vatikanum installierte Menschenmachwerkskirche beteiligt sich recht rege an diesem Religionsjahrmarkt und bietet in ihren Bildungsanstalten Selbstfindungskurse, Yoga, Transzendentale Meditation u.v.m. an. Hinter der christlichen Fassade ist man schon lange abgesunken ins Neuheidentum – bis hin zum öffentlichen Götzendienst. Allen voran Herr Bergoglio in Rom!
Was ist da geschehen? Geht man in diesen Tagen durch eine Fußgängerzone, wo allmählich Weihnachtliches dargeboten wird, ahnt man es immer deutlicher, diese Menschen feiern nicht mehr Weihnachten, sie spielen es nur noch – jeder auf seine Weise. Weihnachten ist mehrheitlich zu einer bloßen Folkloreveranstaltung geworden! Jesus wird nur noch auf dem Jahrmarkt der Religionen neben vielen anderen sozusagen als christliches Maskottchen angeboten – als unser Weg zum Heil. Wobei es unzählige Heilswege gibt, fast so viele wie Menschen, so der modernistische Irrwahn. Jedenfalls ist nach 2000 Jahren Christentum nicht mehr besonders viel davon zu spüren, daß unser Herr Jesus Christus es jedem ganz unmißverständich gesagt hat: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich.“ (Joh. 14, 6) ER, Jesus Christus, ist unser einziger Weg zum Vater, unser einziger Heimweg in den Himmel. Das glauben heutzutage jedoch nur noch ganz wenige. Das Christentum hat seinen prägenden Einfluß auf die Gesellschaft ganz verloren, vor unseren Augen vollzieht sich deswegen ein gewaltiger Umbruch. Denn, auch wenn es der Mensch nicht glauben will, unsere Menschenwelt wird erbaut aus dem Glauben. Wenn wir nicht an Christus glauben wollen, dann werden wir schlußendlich an Luzifer glauben müssen.
Die große Zeitenwende
Es wird einem recht unheimlich zumute, sobald man den heilsgeschichtlichen Zusammenhang ins Auge faßt. Zunächst gab es die Zeit hin zu Jesus Christus, das Warten auf den von Gott verheißenen Erlöser im Alten Bund. Als der Sohn Gottes Mensch geworden ist, kam die große Zeitenwende. Nun war die Zeit des Heils angebrochen. Unser Herr verkündet der ganzen Welt unüberhörbar laut:
„Wer zu mir kommt, den wird nicht mehr hungern; und wer an mich glaubt, den wird nicht mehr dürsten.“ (Joh. 6, 35) „Wen dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, – wie die Schrift sagt –, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Joh. 7, 37 f.) „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der im Glauben an mich lebt, wird niemals sterben. Glaubst du das?“ (Joh. 11, 25 f.) „Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat; … Als Licht bin ich in die Welt gekommen, damit niemand, der an mich glaubt, in der Finsternis bleibe.“ (Joh. 12, 44 u. 46) „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich tue, ebenfalls tun; ja er wird noch größere als diese tun. Denn ich gehe zum Vater.“ (Joh. 14, 12)
Berufung aus der Finsternis ins Licht
Ist das nicht wunderbar, unglaublich wunderbar?! Unser Herr Jesus Christus ermöglicht uns nicht nur durch Sein Sühneopfer am Kreuz Verzeihung all unserer Sünden, ER schenkt uns ein neues, wunderbares Leben aus der göttlichen Gnade. ER, Jesus Christus, Gott von Gott, Licht von Licht, ER ist die Zeitenwende, weil ER unser Heiland, unser Seligmacher ist. Das stellt der hl. Petrus, der erste Papst der hl. Kirche Jesu Christi, fest:
„Denn es steht geschrieben: ‚Seht, ich lege in Zion einen Stein, einen auserlesenen und kostbaren Eckstein. Wer an ihn glaubt, soll nicht zuschanden werden.‘ Euch, den Glaubenden, wird also Ehre zuteil. Für die Nichtglaubenden aber ist er der Stein, den die Bauleute verworfen haben. Dieser ist zum Eckstein geworden, zum Stein des Anstoßes, zum Fels des Ärgernisses. Sie stoßen sich an ihm, wozu sie auch bestimmt sind, weil sie dem Wort nicht gehorchen. Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk, ein Volk, das Gott gehört, damit ihr die herrlichen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat. Einst wart ihr ein Nicht-Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk; einst Nichtbegnadete, jetzt Begnadete.“
(1. Petr. 2, 6 - 10)
Die Entscheidung
Jesus Christus ist DIE ENTSCHEIDUNG unseres Lebens: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk 16, 16) Und: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.“ (Mt. 12, 30)
Jeder ist frei, sich für oder gegen Jesus Christus zu entscheiden, sich zu entscheiden, ob er glaubt oder nicht glaubt, sammelt oder zerstreut – aber er muß sodann auch die daraus folgenden Konsequenzen tragen. Auch diese hat unser Herr Jesus Christus ganz unmißverständlich offenbart:
„Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes glaubt. … Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn lastet auf ihm.“ (Joh. 3, 18 u, 36) „So habe ich euch gesagt: Ihr werdet in euren Sünden sterben. Denn wenn ihr nicht glaubt, daß ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben.“ (Joh. 8, 24) „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis (Gottes) in sich. Wer Gott nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er nicht dem Zeugnis geglaubt hat, das Gott über seinen Sohn abgelegt hat.“ (1. Joh. 5, 10)
Das Geschenk aller Geschenke…
Willhelm Busch, ein evangelischer Pfarrer und Schriftsteller (1897-1966, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Verfasser von „Max und Moritz“), hat eine kurze Weihnachtserzählung zu Papier gebracht:
„Alle Jahre wiederholt sich in meiner Familie vor Weihnachten ein neckisches Spiel. Jeder versichert dem anderen: ‚In diesem Jahr habe ich leider gar kein rechtes Geschenk für dich!‘ Und wenn dann die Bescherung kommt, findet man erstaunlicherweise schöne und liebevolle Überraschungen.
Genau umgekehrt hat es Gott gemacht. Jahrhundertelang hat er mitgeteilt, dass er ein wundervolles Weihnachtsgeschenk geben wolle. Durch den Mund der Propheten hat er dieses Geschenk in allen Einzelheiten beschreiben lassen. Und als endlich die Zeit erfüllt war, da hieß es: ‚Lobt Gott, ihr Christen allzugleich, in seinem höchsten Thron, der heut schleußt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.‘
Doch trotz aller Erklärungen und Vorbereitungen Gottes stehen wir mit unseren stumpfen Sinnen immer wieder so verständnislos vor diesem Geschenk Gottes. …“
(Aus: Das Licht kam in die Welt, St. Benno, Leipzig 2002, S. 16 f.)
Das Weihnachtsgeschenk, das Geschenk aller Geschenke, ist unser göttlicher Heiland, geboren aus der Jungfrau Maria, in Windeln gewickelt und in einer Futterkrippe liegend, weil kein Platz in der Herberge für sie war. Damit ist die Grundsituation umschrieben, die sich niemals ganz ändern wird, trotz den vielfältigen Missionsbemühungen der hl. Kirche.
Auf die Fülle der Zeit, in der unser Herr Jesus Christus auf unserer Erde wandelte, folgte die Zeit nach Christi Geburt. Zunächst trat unser Herr langsam, aber beständig, zaghaft, sodann immer überwältigender den Siegeszug in unserer Menschenwelt an, der seinen Höhepunkt im glaubensfesten und glaubensbegeisterten 13. Jahrhundert fand. Ganz anders als es heute allgemein gesagt wird, war das Mittelalter kein finsteres Zeitalter, sondern das Zeitalter des Lichts. Eine allgemeine Begeisterung für die göttliche Wahrheit, die Jesus Christus ist, erfaßte nicht nur einzelne, sondern die ganze Gesellschaft und formte eine wunderbare, wenn auch, aufgrund der menschlichen Schwächen, sehr zerbrechliche Einheit.
Immer blieb der Glaube gefährdet durch vielerlei Irrtümer, denn daß der Sohn Gottes, der ewige, wahre, wesensgleiche Sohn des Vaters Mensch wird, will gar nicht so einfach in unser Menschenhirn gehen. Zu tief waren die Vorstellungen des Judentums und des Heidentums verwurzelt, als daß sie einfach überwunden werden konnten. So manche Christen waren nur halb bekehrt, waren im geheimen doch Juden oder Heiden geblieben. Die einen, die den einen Gott der Juden bewahren wollten, dessen Namen man nicht einmal auszusprechen wagte, machten IHN zum bloßen Gott und leugneten den Menschen. Nur zum Schein sei er Mensch geworden, nur zum Schein habe er gelitten, weil er nur zum Schein einen Menschenleib angenommen habe. Diesen Irrtum nannte man Doketismus.
Schon der hl. Apostel Johannes mußte dieser gefährlichen Irrlehre entgegentreten: „Denn viele Verführer sind in die Welt ausgezogen, die nicht bekennen, daß Jesus Christus im Fleisch gekommen ist; dies ist der Verführer und der Antichrist.“ (2. Joh. 7)
Auch die ersten Kirchenväter traten äußerst bestimmt und klar dagegen auf. So schreibt der Märtyrer Ignatius von Antiochien: „Seid deshalb taub, wenn einer euch etwas anderes sagt, als daß Jesus Christus, aus dem Geschlechte Davids und geboren aus Maria, wahrhaftig geboren ist, daß er gegessen und getrunken hat und wirklich gekreuzigt worden ist im Angesicht des Himmels, der Erde und der Hölle, wie er auch wahrhaftig von den Toten auferstanden ist.“
Es war damals nicht anders als heute bei den Modernisten, diese Irrlehren ließen der Phantasie freien Lauf. So soll etwa nach deren Ansicht an Jesu Stelle in Wirklichkeit Simon von Cyrene gekreuzigt worden sein, während Jesus selbst in den Himmel zurückgekehrt sei. Gleichermaßen haben auch später gewisse Geschichtenerfinder behauptet, Jeanne d’Arc sei im letzten Augenblick auf dem Scheiterhaufen durch ein anderes Opfer ersetzt worden. Andere Doketen fabulierten, der pneumatische (geistliche) Christus habe sich von dem psychischen (seelischen) Christus nicht erst im Tode, sondern schon zu Anfang der Passion getrennt, so daß der wirkliche Christus nicht gelitten habe und auch nicht gestorben sei. Denn Gott kann nicht leiden und auch nicht sterben – basta!
Eins mit dem Vater
Es ist viel leichter, als man denkt, am Geheimnis Christi Ärgernis zu nehmen. Der hl. Paulus mahnt deswegen die Korinther: „Brüder, als ich zu euch kam, um euch das Geheimnis Gottes zu verkünden, bin ich nicht mit erhabener Beredsamkeit und Weisheit aufgetreten. … sondern wir verkünden das Geheimnis der verborgenen Weisheit, was Gott vor den Ewigkeiten zu unserer Verherrlichung vorherbestimmt hat.“ (1. Kor. 2, 1 u. 7) Und den Bischof Timotheus erinnert er daran: „Und anerkanntermaßen groß ist das Geheimnis der Frömmigkeit: Er ward geoffenbart im Fleisch, als gerecht erwiesen durch den Geist, geschaut von den Engeln, den Völkern verkündet, geglaubt in der Welt, erhoben in Herrlichkeit.“ (1. Tim. 3, 16)
Den Thessalonichern hingegen stellt der hl. Paulus ein anderes Geheimnis mahnend vor Augen: „Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon wirksam; nur muß erst der zurücktreten, der es noch aufhält.“ (2. Thess. 2, 7) Schon damals war das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam, nämlich bei all denjenigen, die sich nicht unter das süße Joch und die lichte Bürde Jesu Christi beugen wollten.
Während die einen das wahre Menschsein Christi leugneten, verwarfen die andern Sein wahres Gottsein. Ein Name sticht hierbei hervor: Arius. Wie viele spätere Irrlehrer auch, etwa die Zeugen Jehovas, mißdeutete Arius Aussagen der hl. Evangelisten, die vom wahren Menschsein sprachen, indem er sie verabsolutierte und gegen Sein Gottsein ausspielte. Der hl. Johannes berichtet, daß Jesus gesagt hat: „Ihr habt gehört, daß ich euch gesagt habe: Ich gehe hin und komme wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.“ (Joh. 14, 28) Wenn also der Vater größer ist als Jesus, dann ist Jesus kleiner, d.h. er ist nicht Gott wie der Vater. Denn einen kleineren Gott gibt es nicht!
Der hl. Johannes berichtet jedoch nicht nur das eine Wort Jesu, sondern auch andere, die dem entgegenstehen zu scheinen: „Meine Schafe hören auf meine Stimme, ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich schenke ihnen ewiges Leben; sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist mächtiger als alle; niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins.“ (Joh. 10, 27 – 30) Wobei zudem die Art dieser Einheit noch näher erklärt wird: „Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, sage ich nicht aus mir selbst; der Vater, der in mir bleibt, vollbringt die Werke. Glaubt mir, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist. Sonst glaubt doch wenigstens um der Werke willen.“ (Joh. 14, 10 f.)
Wie ist das also zu verstehen, daß Jesus einerseits geringer als der Vater ist, anderseits vollkommen eins mit IHM, ja sogar im Vater ist und der Vater in IHM? Die Kirchenväter lösen diesen Widerspruch so auf: Einmal spricht unser göttlicher Heiland als Mensch und erweist damit zugleich Sein wahres Menschsein, wenn er sagt, er ist geringer als der Vater. Das andere Mal erweist er sich als der wahre Sohn Gottes, als welcher ER dem Vater gleich, ja sogar im Vater ist – nämlich im Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.
Die Irrlehre des Arius
Die Arianer übersehen Letzteres – und machen aus Jesus einen Menschen, wenn auch den vollkommensten Menschen, ja das vollkommenste Geschöpf, das es je gab und geben wird. Hierzu mischen sie auch noch die heidnische Vorstellung von einem Demiurgen bei, einem Zwischenwesen zwischen Gott und der Welt, in dem die Welt geschaffen worden sein soll. Diese Vorstellung machte den Arianismus besonders gefährlich, weil sie damit Jesus Christus eine Göttlichkeit zweiten Ranges zugestand. Sie konnten also gleichfalls vom „Sohn Gottes“ sprechen, meinten aber etwas wesentlich anderes als die Christen. Arius greift die Lehre über Christus sozusagen nur indirekt an: Er wendet sich zunächst gegen das Dogma von der Dreifaltigkeit. Letztlich ist die Lehre des Arius ein Gemisch von Judentum und Heidentum. Über allem steht der unnennbare Gott, wohingegen Jesus Christus Teil nur des heidnischen Vielgötterhimmels ist, wenn auch der höchste wie Zeus.
Das Licht kam in die Welt
Während des Advents gilt es, sich auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Diese Vorbereitung ist aber doppelt: Einmal sollen wir Einkehr halten und uns mehr Zeit zum nachdenkenden Beten nehmen; sollen durch Enthaltsamkeit im Wort und Werk Buße tun und unseren Willen mit der göttlichen Gnade im Guten festigen. Die kurze Weihnachtserzählung von Willhelm Busch geht noch weiter:
„Darum lasst uns einmal darauf achten, dass in der Weihnachtsgeschichte ein Zeichen vorkommt, durch das Gott uns selber sein Geschenk erklärt:
Das war das Allererste, was die Hirten auf dem Felde von dem großen Ereignis erfuhren, dass die Klarheit des Herrn sie umleuchtete und die Nacht taghell wurde. Ehe der Engel den Mund aufmachte, wurde an diesem Zeichen deutlich gemacht: Jetzt ist in die Nacht der Welt das helle Licht gekommen.
Das Kind, das da in der Krippe lag, ist das Licht in der Nacht der Welt. Dass es wirklich von Gott so gemeint ist, kann man daran sehen, dass diese erleuchtete Nacht ihr Gegenstück hat: den verdunkelten Tag. Es geschah nämlich einmal, dass der helle Tag zur Nacht wurde. Und das war in der Stunde, als dieser Jesus starb und sein Leben verlöschte am Kreuz. Da verlor die Sonne den Schein.
Also: Gott gibt seinen Sohn zum Licht in die Nacht der Welt. Lasst mich nicht von der Finsternis reden. Den meisten Menschen gefällt sie. Eulen finden ja auch die Nacht ganz hübsch. Lasst mich reden davon, dass in der ersten Weihnachtsnacht der Welt das Licht aufging. Jesus sagt selbst: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Lasst uns nur recht in das Licht des Heilandes hineingehen!
Die taghell erleuchtete Nacht also ist ein Symbol für Gottes Geschenk: Jesus – das Licht der Welt.“
(Aus: Das Licht kam in die Welt, St. Benno, Leipzig 2002, S. 16 f.)
Das Geheimnis der Gottlosigkeit
So war es, wenn auch mit vielem Auf und Ab, bis zum Mittelalter. Die Menschen glaubten an das Licht, das in die Welt gekommen war, um uns zu erleuchten und bemühten sich, nur recht in das Licht des Heilandes hineinzugehen. Ist das nicht schön gesagt: Lasst uns nur recht in das Licht des Heilandes hineingehen!
Mit dem 13. Jahrhundert ändert sich diese Grundhaltung allmählich und schlägt ins Gegenteil um. Es kommt der Humanismus auf, das Zeitalter der Renaissance beginnt. Humanismus heißt so viel wie Menschlichkeit, Renaissance bedeutet Wiedergeburt. War denn durch das Christentum die Menschlichkeit verlorengegangen? Hatte denn der Glaube an den göttlichen Erlöser nicht alles erneuert? Was gab es neben oder gar gegen Jesus Christus für eine Menschlichkeit und Erneuerung? Hat nicht der hl. Paulus an die Korinther geschrieben: „Denn der Gott, der sprach: ‚Aus der Finsternis erstrahle Licht‘, der ist aufgeleuchtet in unseren Herzen, so daß für uns licht wurde die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Antlitz Christi.“ (2. Kor. 4, 6) Ist das nicht wunderschön – so daß für uns licht wurde die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Antlitz Christi ? Warum verstand man nicht mehr, was Willhelm Busch schlußfolgert: Die taghell erleuchtete Nacht also ist ein Symbol für Gottes Geschenk: Jesus – das Licht der Welt?
Der hl. Apostel Johannes erklärt diese Tragödie folgendermaßen: „Das Licht ist in die Welt gekommen. Die Menschen aber hatten die Finsternis lieber als das Licht; denn ihre Werke waren böse.“ (Joh. 3, 19) In der Tat, fortan erwartet man nicht mehr von einem lebendigen christlichen Glauben Menschlichkeit und von einer Vertiefung der übernatürlichen Gottesliebe Erneuerung – sondern vom wiederentdeckten Heidentum! Wir haben schon gehört, was der hl. Paulus den Thessalonichern mahnend in Erinnerung rief: „Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon wirksam; nur muß erst der zurücktreten, der es noch aufhält.“
Die Verbreitung des Rationalismus
Es kamen Luther, die sog. Aufklärer, die sog. Revolutionäre – und unsere Welt wurde beständig Schritt für Schritt antichristlicher. Am Ende standen die Päpste mit ihren Ermahnungen und Warnungen auf verlorenem Posten. Wie konnte es soweit kommen?
An der Quelle dieser ganzen modernen Bewegung steht die Wiedergeburt des Rationalismus. Schon im 13. Jahrhundert war mit den Kreuzzügen der von den Arabern vertretene Averroismus nach Europa gekommen. Dieser war eine rationalistische Bewegung, worin die menschliche Vernunft als höchstes Richtmaß der Wirklichkeitsbeurteilung gesehen wurde.
Zunächst ließ sich die Schule von Padua auf diese Theorien ein und durch sie und die jüdischen Kreise fanden diese heidnischen Ideen des 2., 3. und 4. Jahrhunderts aufs neue Verbreitung. Schließlich entstanden humanistische Kreise in Ferrara, Pavia und Padua, wodurch der Rationalismus in breiten Strömen nach Frankreich, Deutschland und ganz Europa eindrang.
Die Untergrabung der geoffenbarten Glaubenswahrheiten
Jean Bodin (* 1529/30 – † 1596), ein französischer Rechtsgelehrter, der den Absolutismus der französischen Könige gedanklich unterbaute, faßt in seinem „Kolloquium der sieben Gelehrten“ die gegen die Menschwerdung erhobenen Einwände folgendermaßen zusammen: „Man mag Christen und Ignoranten, aber keine Philosophen davon überzeugen, daß ein ewiger Gott aus einer so erhabenen Natur herabgestiegen sei, um sich mit einem Leib wie dem unseren, aus Blut und Fleisch, aus Sehnen und Knochen, zu bekleiden, und daß er so eine neue Gestalt angenommen habe, um sich den Qualen eines schmachvollen Todes zu überliefern.“ Vorsichtshalber zeigte Bodin sein Buch nur zuverlässigen Freunden, was jedoch nicht verhindern konnte, daß schlaue und boshafte Jünger unter der Maske kirchentreuer Katholiken darauf ausgingen, die geoffenbarten Glaubenswahrheiten von innen heraus zu untergraben.
Die Vorformen des Modernismus
In der sog. socinianistischen Bewegung des 16. Jahrhunderts werden letztlich schon alle Ideen vorgedacht, die man heute unter der Bezeichnung „Modernismus“ zusammenfaßt. Es ist schon eine besondere Ironie des Schicksals zu nennen, daß sich gerade mit Luther, der die Freiheit des Menschen leugnete, der freien Diskussion über die christlichen Dogmen Tür und Tor geöffnet wurde – und zudem, obwohl Luther der Vernunft des Menschen jegliche Erkenntnissicherheit absprach, schließlich der Rationalismus zunächst und vor allem das protestantische Europa eroberte, um sodann in seiner naturwissenschaftlichen Form zum Stoßkeil des heutigen Atheismus zu werden.
Der Socianismus
Die bedeutendsten Männer unter den italienischen Rationalisten des 16. Jahrhunderts waren die beiden Sozzini, Onkel und Neffe, die der Bewegung ihren Namen gaben. Ihren Einfluß kann man durch die ganze rationalistische Bewegung hindurch nachweisen. Wenn auch die vom Neffen Fausto Sozzini begründete Sekte der Zahl nach klein war, prägte sie dennoch im ganzen 17. und 18. Jahrhundert das Denken vieler. Vor allem die aufklärerischen „Philosophen“ des 18. Jahrhunderts schmiedeten die Waffen ihrer antichristlichen Polemik an seinen Schriften.
Die Socinianer lehren einerseits die Einheit der Person in Gott, leugnen jedoch das Dogma von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Daraus folgend leugnen sie notwendigerweise auch die Gottheit Christi. Im socinianischen Katechismus wird zwar Christus eine erhabene Würde, ja eine Art von Vergöttlichung zuerkannt, dieser vergöttlichte Christus besitzt hingegen keine „göttliche Natur, da das dem richtigen Denken der Vernunft widerspricht“. Ihre Begründung dafür lautet so: „Zwei Wesenheiten mit entgegengesetzten Eigenschaften können auf keine Weise in einer einzigen Person zusammengebracht werden, wie es hier der Fall ist. Eine Person kann nicht zugleich sterblich und unsterblich sein, einen Anfang haben und ohne Anfang sein, veränderlich und unveränderlich sein. Auch können zwei Naturen, deren jede eine Person ist, nicht in einer einzigen Person zusammengebracht werden, denn dann wäre es nicht mehr eine Person, sondern es wären zwei, und somit gäbe es zwei Christusse. Jedermann weiß aber, daß es nur einen Christus gibt und daß er nur eine Persönlichkeit besitzt.“ Sie fabulieren bzw. vernünfteln weiter, sie sind ja Rationalisten: „Christus ist ein wirklicher Mensch, sonst könnte er uns nicht erlösen und uns nicht die Hoffnung auf unser persönliches Heil geben. Wenn der Apostel Johannes Christus ‚Wort‘ nennt, so deshalb, weil Gott ihn zu ‚seinem Wort‘ gemacht hat, d. h. zur Offenbarung seines Willens für die anderen Menschen. Dieses Wort ist jedoch ein Mensch wie wir, denn der hl. Johannes sagt: Das Wort war Fleisch, und nicht das Wort ist Fleisch geworden. Doch hat nach seiner Himmelfahrt dieses Wort seinen Sitz zur Rechten Gottes erhalten und nimmt teil an seiner Macht.“
Diese Irrlehre der Socinianer, die gleich eine ganze Reihe alter Irrlehren aufwärmt, findet sich übrigens bei den meisten Modernisten wieder, bei denen sich auch zeigt, daß ein so gearteter Rationalismus immer schon ein ziemlich großes Potential von Unvernunft in sich trägt. Die Modernisten behaupten ebenfalls, Christus sei erst bei der Taufe zum Sohn Gottes geworden. Vorher habe er davon nichts gewußt. Er ist also nur „Sohn Gottes“ im Sinne eines Adoptivsohnes des himmlischen Vaters, aber nicht ein wahrer, wesensgleicher Sohn, wie es der katholische Glaube lehrt.
„Der entmenschte Mensch“
Es ist zwar seltsam, aber nur allzu wahr: Dieses wirre Zeug, dieser vernünftelnde Unsinn hat sich immer weiter ausgebreitet, denn es herrschte vor allem bei den sog. Intellektuellen immer mehr eine Atmosphäre des Unglaubens vor. Die sog. Aufklärer verkauften diese Finsternis des alten, längst von der Kirche verurteilten Irrtums ziemlich erfolgreich als neues Licht.
Jahr für Jahr wurde es weniger Weihnachten. Unsere christliche Heimat wurde zu einem Land, in dem es immer Winter war und niemals Weihnachten wurde, wie C. S. Lewis in seiner Erzählung das Land Narnia beschreibt. Wenn es aber immer Winter ist und niemals mehr Weihnachten wird, dann verändert das die Welt – und den Menschen. Der hl. Apostel Jakobus macht uns in seinem Brief darauf aufmerksam: „Denn wenn jemand das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, gleicht er einem Mann, der sein natürliches Aussehen im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich selbst, geht weg und vergißt sofort, wie er aussieht. Wer sich dagegen in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und darin ausharrt, es nicht nur hört, um es sofort zu vergessen, sondern es in die Tat umsetzt, wird durch sein Tun selig sein.“ (Jak. 1, 23 – 25)
Wer als Christ seinen Glauben verleugnet, der weist damit nicht nur die christliche Glaubenswahrheit zurück, sondern er gleicht … einem Mann, der sein natürliches Aussehen im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich selbst, geht weg und vergißt sofort, wie er aussieht.
Denn der wahre, der echte und rechte Mensch ist Jesus Christus. ER ist die lebendige Form unseres Lebens. Wer sich von Christus abwendet bzw. sich sogar gegen IHN wendet, der wendet sich damit indirekt auch gegen sein Menschsein. Er vergißt nämlich, wie er in Gott gedacht war. Wenn er das aber vergessen hat, wie und was soll er dann noch von sich selber denken? Hat dann das Menschsein noch feste, erkennbare und einforderbare Umrisse, daß man sagen kann: So ist ein Mensch?
Angesichts unserer modernen Welt machte der Philosoph Max Picard schon vor weit mehr als einem halben Jahrhundert eine unheimliche Entdeckung: Der entmenschte Mensch.
Die Wesen, die heute wie Menschen aussehen, sind keine Menschen.
Sie sehen nur aus, als ob sie Menschen wären.
Sie müssen heute nicht mehr so aussehen wie Menschen.
Sie dürfen nur noch so aussehen.
Es scheint irgendwie noch erlaubt zu sein.
Wer hat es erlaubt?
Niemand weiß, wie lange es noch erlaubt sein wird!
Viel tausend Jahre lang hat man aussehen müssen wie ein Mensch.
Nun wirkt das Gesetz der Trägheit:
Viel tausend Jahre lang mußte man aussehen wie ein Mensch; nun darf man heute noch so aussehen, weil es nicht plötzlich aufhören kann.
Nur dem Gesetz der Trägheit verdankt man es, daß man so aussehen darf wie ein Mensch, ach, nur dem Gesetz der Trägheit!(Texte aus: Max Picard, Wie der letzte Teller eines Akrobaten…, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1988, S.10 ff.)
Der von der Schöpfung sich lossagende Mensch
Unser Denken über den Menschen war zutiefst geprägt vom christlichen Menschenbild. Sobald man nicht mehr an die Schöpfung glaubte, sondern an die Evolution, hatte plötzlich das Menschsein keine festen Umrisse mehr. Der Mensch war nur noch ein höherentwickeltes Tier, das zufällig, aus einer Laune der Evolution heraus vernünftig wurde. Mit dieser Vorstellung wurde der Mensch in den Sog ständiger Veränderungen hineingezogen. Viel tausend Jahre lang hat man aussehen müssen wie ein Mensch – aber wie soll der Mensch der Zukunft aussehen, der sich von seinem Schöpfer losgesagt hat?
Denken wir etwa an die sog. Genderideologie – Niemand weiß, wie lange es noch erlaubt sein wird, aussehen zu dürfen wie ein gewöhnlicher Mensch! Wir erlebten es die letzten Jahrzehnte, das Gesetz der Trägheit wurde immer schwächer, das Menschenantlitz wurde immer blasser, immer undeutlicher, immer gespenstischer. Nun, bald wird man so aussehen müssen wie eine Maschine – das nennt man Transhumanismus, die Beglückung des Menschen durch den Roboter, könnte man auch sagen. Der Mensch als besserer Roboter, oder der Roboter als besserer Mensch? Max Picard ahnte schon damals, was auf uns zukommen wird - der „Great Reset“ beschrieben vor mehr als 50 Jahren:
Gespenster, die aussehen wie Menschen
Oft scheint es mir, daß nicht wir es sind, die zu neuen Wesen umgebildet werden sollen, sondern, daß das neue Wesen schon gebildet ist, irgendwo anders, aus einer andern Welt.
Wir aber, wir müssen bleiben so wie wir sind, wir müssen bleiben, damit wir die Gespenster seien für das neue Wesen aus jener Welt.
Wir dürfen nur darum noch sein, weil wir Gespenster für die Welt dieses neuen Wesens sein müssen.
Auch diese neue Welt braucht Gespenster, und uns benützt man nun als Gespenster.
Es gibt nur noch Gespenster, die so aussehen wie Menschen. Und nun ist es so: Wer ein Gespenst sein will, muß so aussehen wie ein Mensch. Auch die Gespenster, die früher nicht wie ein Mensch ausgesehen haben, müssen jetzt die menschliche Form annehmen. Wer nicht wie ein Mensch aussieht, kann gar nicht mehr gespenstern. Die Gespenster, die wie Menschen aussehen, haben alles Gespenstige nach ihrer Art eingerichtet. Man kann gar nicht mehr anders als in den menschlichen Formen gespenstern.
Veronika sagte zu mir:
So ist es nun: die Wesen, die so aussehen wie Menschen, - dem Himmel wollten sie nicht mehr dienen und auch auf der Erde konnten sie nicht mehr herrschen, nun, nun müssen sie alle Gespenster sein!
Der entmenschte Mensch kann den wahren Menschen nicht mehr ertragen, denn dieser ist ihm unheimlich, er wirkt auf ihn wie ein Gespenst! Kommt man sich als normaler Mensch nicht zuweilen schon in dieser pervertierten, auf den Kopf gestellten Welt wie ein Gespenst vor? Warum ist das so geworden? Weil die Menschen Gott nicht mehr dienen wollten. Wenn nämlich die Menschen Gott nicht mehr dienen wollen, dann wird alles unheimlich, unberechenbar, gespenstisch – und zutiefst unstet. Immer sind alle in Eile, weil es nirgends mehr einen Halt gibt.
Immer in Eile
Hierzu formuliert Max Picard einen weiteren aufrüttelnden Gedanken:
Mir ist, als ob wir nur darum so eilten, weil wir durch die Eile gezwungen werden sollen, nirgends zu haften: wir sollen lernen, Gespenster zu sein, wir sollen lernen, leicht wie ein Gespenst huschen zu können.
Fabriken pfeifen, Züge pfeifen!
Es ist doch nicht möglich, daß man auf dieses Pfeifen so eilen würde, nur um in den Fabriken und an den Maschinen zu stehen, oder mit dem Zug ein Stück Weges zu fahren! Es muß doch etwas viel Wichtigeres sein, weshalb man auf das Pfeifen so eilt, etwas viel Wichtigeres, als an den Maschinen zu stehen und mit dem Zug zu fahren!
Ist es nur die Fabrik, die ruft, und der Zug, der ruft; oder ruft es aus jener anderen Welt, deren Gespenster wir sind? Ruft es, daß es wieder Zeit ist, in jene Welt hineinzugespenstern?
Pfeift es, weil es nun Zeit ist, andere abzulösen, die aufhören dürfen, Gespenster zu sein, und ist es nun Zeit für uns, die Eilenden, an Stelle der Abgelösten, Gespenster zu sein?
Schon kommen sie müde aus Fabrik und Zügen, sie sind jetzt entlassen, sie dürfen jetzt ausruhen vom Gespenstern. […].
Veronika sagte zu mir: Erinnerst du dich an den Dichter:
„Kometen und wunderbare Himmelszeichen zeigen sich wieder, Gespenster wandeln wieder durch diese Nächte, fabelhafte Sirenen tauchen, wie vor nahen Gewittern, von neuem über den Meeresspiegel und singen, alles weist wie mit blutigem Finger warnend auf ein großes, unendliches Unglück hin.
Denn aus dem Zauberrauch unserer Bildung wird sich ein Kriegsgespenst gestalten, geharnischt mit bleichem Totengesicht und blutigen Haaren; wessen Auge in der Einsamkeit geübt, der sieht schon jetzt in den wunderbaren Verschlingungen des Dampfes die Lineamente dazu aufsteigen und sich leise formieren. Verloren ist, wen die Zeit unvorbereitet und unbewaffnet trifft; und wie mancher, der weich und aufgelegt zu lustigem fröhlichen Dichten sich so gerne mit der Welt vertrüge, wird, wie Prinz Hamlet, zu sich selber sagen: Weh, daß ich zur Welt sie einzurichten kam.
Denn aus ihren Fugen wird die Welt noch einmal kommen, ein unerhörter Kampf zwischen altem und neuem beginnt, die Leidenschaften, die jetzt verkappt schleichen, werden die Larven wegwerfen und flammender Wahnsinn sich mit Brandfackeln in die Verwirrung stürzen, als wäre die Hölle losgelassen.“
Ein rekonstruierter Mensch
Das ist echte Prophetie, alles ist so geworden, wie es hier beschrieben wurde: Denn aus dem Zauberrauch unserer Bildung wird sich ein Kriegsgespenst gestalten, geharnischt mit bleichem Totengesicht und blutigen Haaren. Und auch das ist ganz und gar wahr: Verloren ist, wen die Zeit unvorbereitet und unbewaffnet trifft. Es gilt, sich geistig zu bewaffnen mit der göttlichen Wahrheit, sonst ist man verloren. Wir haben es doch vor unseren Augen erlebt, was die letzten Jahrzehnte geworden ist: als wäre die Hölle losgelassen. Es kann nicht anders sein in einer Welt ohne unseren Herrn Jesus Christus. Denn derjenige, der Christus leugnet, fällt nicht einfach wieder zurück in den Alten Bund, sondern er verfällt dem Antichristen. Max Picard malt zuletzt noch ein grausiges, apokalyptisches Bild:
Der Mensch ist dann schon lange nicht mehr. Das Wesen, das noch so ausgesehen hat wie ein Mensch, ist auch nicht mehr.
Kugelige Wesen werden sich herumdrehen auf der Erde, wo einmal Menschen, Berge, Flüsse und Tiere waren.
Irgend ein Unternehmer aber, ein großer Unternehmer unter den kugeligen Wesen, wird die letzten Reste der Menschen, der Tiere, der Berge aufkaufen. Aus diesen letzten Resten wird dann der Unternehmer den Menschen rekonstruieren lassen, so wie man aus ein paar Urtierknochen das ganze Urtier zu rekonstruieren sucht und dann in einem Museum aufstellt.
Der große Unternehmer wird dann den rekonstruierten Menschen aufstellen da neben dem Skelett des Fisches und dort neben dem Skelett des Vogels, die jener mit dem letzten Rest des Menschen noch gekauft.
An dem aufgestellten Menschen vorbei wird sich das kugelige Wesen drehen, der erste Globetrotter dieser kugeligen Welt wird sich am aufgestellten Menschen nun vorbeidrehen und sich vom großen Unternehmer erklären lassen: diesen rekonstruierten Menschen und jenes Skelett des Vogels und des Fisches!
Schon sind die Phonographen [Plattenspieler] auch daneben aufgestellt, um das kugelige Wesen hören zu lassen, wie die Stimme des Menschen war.
Und wie einst, an den Echinadischen Inseln vorüberfahrend, die Schiffer eine Stimme klagen hörten: der große Pan ist tot, - so hört jetzt das kugelige Wesen aus dem großen Phonographen eine Stimme krächzen: der Mensch ist tot. Das kugelige Wesen wartet dann, bis der Phonograph noch einmal krächzt: der Mensch ist tot, - dann dreht es über die blumenleere Wiese weiter.
Es naht die Erlösung!
Jedes Jahr ist es wieder überraschend, der erste Adventsonntag beginnt ganz apokalyptisch. Das hl. Evangelium berichtet, wie am letzten Sonntag des Kirchenjahrs, vom Weltuntergang. Aber das Evangelium des ersten Adventsonntags, das vom hl. Lukas stammt, hat eine etwas andere Nuance als das des hl. Matthäus. Da heißt es zunächst auch, wenn auch etwas kürzer als bei Matthäus: „Es werden Zeichen erscheinen an Sonne, Mond und Sternen, und auf Erden wird große Angst unter den Völkern sein wegen des ungestümen Rauschens des Meeres und der Fluten. Die Meschen werden verschmachten vor banger Erwartung der Dinge, die über den ganzen Erdkreis kommen werden; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“
Am Ende der Welt zerbricht alles und selbst die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Wobei manche Kirchenväter sagen, damit sei die geistige Welt beschrieben, die gleichfalls ganz aus den Fugen gerät – d.h. der Kosmos der göttlichen Wahrheit zerbricht in den Menschenherzen, weil jeglicher menschliche Halt verlorengegangen ist!
Aber gerade dann wird der Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen mit großer Macht und Herrlichkeit – „dann schauet auf und erhebet eure Häupter; denn es naht eure Erlösung.“
Wir leben zwischen der ersten und der zweiten Ankunft unseres göttlichen Erlösers. An Weihnachten kommt er in Schwachheit und Armut, ER wird in einem Stall geboren. ER flieht nach Ägypten und lebt 25 Jahre verborgen in Nazareth. Schließlich zieht ER predigend und Wunder wirkend durch das Land und stirbt am Kreuz.
Irgendwie wird es die Jahrhunderte hindurch trotz aller großartigen Erfolge immer so bleiben. Als etwa die Kirche nach außen hin ihre größte Macht entfaltet hatte, kommt der Arme von Assisi, um die einsturzgefährdete Kirche wieder aufzubauen. Was symbolisch im Kirchlein von Portiunkula dargestellt wird, verwirklicht sich geistig, übernatürlich durch das Armutsideal des Franziskanerordens. Der übernatürliche Geist erstarkt.
Je näher wir der zweiten Ankunft Jesu kommen, desto wichtiger wird es, unser Haupt zu erheben und den Menschensohn in seiner Macht und Herrlichkeit zu erwarten, denn es bleibt trotz aller beängstigender Zeichen wahr: … es naht eure Erlösung!
Unser göttlicher Heiland steht vor der Türe und klopft an, wie es in der Geheimen Offenbarung heißt. Unser Herr Jesus Christus klopft an - ER rennt unsere Türen nicht gewaltsam ein, wir müssen sie IHM öffnen.
Ephräm, der Syrer, Hymnus auf die Geburt Christi
Ein neues Wunder hat Gott unter den Erdbewohnern bewirkt: Der den Himmel mit seiner Spanne mißt, liegt in der Krippe nur eine Spanne groß. Der das Meer mit seiner hohlen Hand faßt, dessen Geburt erfolgte in einer Höhle. Der Himmel ist voll seiner Herrlichkeit, und die Krippe ist voll seines Glanzes.
Moses wünschte die Herrlichkeit Gottes zu sehen, vermochte ihn aber nicht so zu sehen, wie er wünschte. Er mag heute kommen und ihn sehen, denn er liegt in einer Krippe in Windeln. Damals wagte es kein Mensch zu hoffen, er könne Gott sehen und am Leben bleiben; heute sind alle, die ihn gesehen haben, vom zweiten Tod zum Leben erstanden. Moses bildete das Geheimnis vor, da er das Feuer im Dornenstrauch sah; Magier brachten das Geheimnis zur Erfüllung, da sie das Licht in den Windeln sahen. Gott rief im Dornstrauch mit lauter Stimme Moses zu, seine Schuhe von den Füßen zu lösen; der Stern lud die Magier schweigend ein, zu dem heiligen Ort zu kommen. Moses konnte Gott nicht sehen, wie er ist; die Magier jedoch traten ein und sahen den menschgewordenen Gott. Des Moses Angesicht leuchtete, weil Gott mit ihm geredet hatte, und ein Schleier verhüllte sein Gesicht, weil das Volk ihn sonst nicht anschauen konnte: ebenso hat unser Herr sich im Mutterleib mit dem Schleier des Fleisches umhüllt und ist dann hervorgetreten und hat sich gezeigt, und die Magier sahen ihn und brachten ihre Geschenke dar.
Groß ist das Wunder, das auf unserer Erde geschah: daß der Herr des Alls auf sie herabstieg, Gott Mensch ward, der Alte ein Kind ward. Der Herr machte sich den Knechten gleich, der Sohn des Königs ward wie ein Irrer. Das allerhöchste Wesen erniedrigte sich und ward in unserer Natur geboren; und was seiner Natur fremd war, nahm es auf sich um unser aller willen. Wer sollte nicht gern dem Wunder lauschen, daß Gott sich herabließ, geboren zu werden? Wer sollte nicht erstaunen, wenn er sieht, daß der Herr der Engel geboren ward? Glaube das ohne Grübeln und sei überzeugt, daß es sich in Wahrheit so verhält!