Durch das Fest des hl. Papstes Pius X. werden wir jedes Jahr an diesen großen Antimodernisten erinnert, wodurch uns ebenfalls in Erinnerung gerufen wird, daß jeder wahre Katholik selbstverständlich immer auch ein Antimodernist ist. Sobald man diesen letzten heiliggesprochenen Papst nur etwas genauer betrachtet, könnte man ganz wehmütig werden – und man wünscht sich sehnsüchtig: Wenn wir heute einen solchen Mann in Rom hätten! Nicht nur einen echten Papst, was schon eine unbeschreibliche Wohltat wäre, sondern zudem einen Heiligen, einen Propheten, einen glühenden Freund der göttlichen Wahrheit. Sein erstes Apostolisches Rundschreiben „E supremi apostolatus“ vom 4. Oktober 1903 beginnt Pius X. mit den Worten:
„Vom Lehrstuhl der höchsten Spitze des Apostelamtes aus, worauf Wir durch Gottes unerforschlichen Ratschluß erhoben worden sind, möchten Wir erstmals zu Euch sprechen. Da kommt es nicht darauf an, in Erinnerung zu bringen, mit welchen Tränen und großen Bitten Wir die furchtbare Last des Papsttums von Uns abzuwehren versuchten.“
(Alle Texte sind genommen aus: Hl. Papst Pius X., Apostolisches Rundschreiben „E supremi apostolatus“ vom 4. Oktober 1903, Haselböckreihe Nr. 26)
Die Demut des Kardinals Sarto wehrt sich gegen die Bürde des Papstamtes Dem Heiligen ist es im wahrsten Sinne des Wortes unheimlich geworden bei dem Gedanken, zum höchsten Amt der heiligen Kirche erhoben zu werden und damit höchste Verantwortung für das Heil der Seelen zu übernehmen. Es ist immer wieder ergreifend nachzulesen, welchen Widerstand der damalige Patriarch von Venedig seiner Wahl entgegengesetzt hat:
Als die Kardinäle am Abend des 31. Juli 1903 in das Konklave eintraten, da las man auf den Zügen des Patriarchen Sarto nur die eine Sorge: dem Stuhl des heiligen Petrus einen würdigen Nachfolger zu geben. Als aber schon beim ersten Wahlgang in der Sixtinischen Kapelle fünf, und im zweiten Wahlgang zehn Stimmen mit dem Namen Sarto abgegeben wurden, da rief dieser in seiner Bestürzung mit zitternder Stimme und mit Tränen in den Augen: „Ich bin unwürdig und unfähig. Denkt nicht an mich!“ „Es war aber gerade dieses sein inständiges Flehen eine Demut und eine Weisheit, die uns noch mehr an ihn denken ließ“, erklärte der amerikanische Kardinal Gibbons; „durch seine eigenen Worte lernten wir ihn besser kennen, als es durch den Mund anderer möglich gewesen wäre.“
Die große Schwierigkeit war aber die, wie man ihn zur Annahme der Wahl bewegen könnte. Viele Kardinäle bemühten sich darum im Laufe des dritten Tages im Konklave. Dem Kardinal Ferrari von Mailand entgegnete der Kardinal von Venedig mit einem Ausdruck der Bestürzung: „Die Verantwortung des Papsttums ist fürchterlich.“ Kardinal Ferrari erwiderte: „Bedenken Sie, daß auch die Verantwortung für ihre Weigerung fürchterlich ist.“ „Aber meine Gesundheit ist schwach, und ich werde bald sterben“, wandte der damals 68jährige Kardinal Sarto ein. Kardinal Ferrari gab zurück: „Wenden Sie auf sich das Wort des Kaiphas an: Es ist besser, daß einer sterbe für das Wohl aller!“ Schließlich bat auch noch der Sekretär des Konklave, Monsignore Merry del Val, im Namen des Kardinaldekans und des ganzen Kardinalkollegs, den Patriarchen von Venedig, die Annahme der Wahl nicht zu verweigern, falls die erforderliche Zweidrittelmehrheit sich für seinen Namen finden werde. Auf die erneuten Bitten des Patriarchen, man möge von ihm absehen, entgegnete schließlich der Sekretär ganz ergriffen: „Coraggio, Eminenza! Haben sie Mut, Eminenz!“
Als dann am folgenden Tag, dem 4. August, 1903, fünfzig von den 64 Stimmen, also um 8 Stimmen mehr als die erforderlichen 42, sich auf den Namen Sarto vereinten, da erklärte dieser, der in den schweigsamen Stunden der Nacht sich zu dem für seine Demut so schweren Opfer durchgerungen hatte: „Wenn dieser Kelch nicht vorüber gehen kann, so geschehe Gottes Wille. Ich nehme das Papsttum an als ein Kreuz.“ „Welchen Namen willst du annehmen!“ fragte nach dem Herkommen der Kardinaldekan. Nach einem Augenblick des Schweigens antwortete der Erwählte: „Weil die Päpste, die in diesem Jahrhundert am meisten für die Kirche gelitten haben, den Namen Pius trugen, wähle ich diesen Namen.“
(Aus: Ferdinand Baumann SJ, Pius XII. erhob sie auf die Altäre, S. 145 – S. 149)
Nachfolge Leos XIII.
In seinem ersten Rundschreiben erinnert sich Papst Pius X. an diese schweren Stunden vor der Wahl:
„Gewiß mangelte es Uns nicht an vielen und wichtigsten Gründen um zu widerstreben. Abgesehen davon, daß Wir Uns wegen Unserer Armseligkeit auf keinen Fall des päpstlichen Amtes für würdig erachteten: wen würde es nicht erschüttern, zum Nachfolger des Mannes bestimmt zu werden, der, während er fast 26 Jahre hindurch voll Weisheit die Kirche regierte, so viel durch den Eifer seines Charakters, so viel durch so großen Glanz aller Tugenden zu leisten vermocht hat, daß er selbst die Gegner dazu brachte, ihn zu bewundern, und das Andenken an seinen Namen durch herrlichste Taten geweiht hat?“
Sein Vorgänger, Leo XIII., hatte über ein viertel Jahrhundert lang Jahre die Kirche voll Weisheit regiert, ehe ihn eine schwere und kurze Krankheit am 20. Juli 1903 hinwegraffte. Dreihundert Millionen Katholiken beweinten damals den Tod des Dahingeschiedenen, der als einer der erleuchtesten Geister, einer der bedeutendsten Männer, einen der größten Päpste aller Zeiten galt und selbst die Gegner dazu brachte, ihn zu bewundern. Leo XIII. wurde in einem Alter von 93 Jahren, 3 Monaten und 18 Tagen von Gott heimgerufen, nachdem er 25 Jahre und 5 Monate das Schifflein Petri durch die stürmischen Wogen der Zeit gelenkt hatte.
Ein betrogener Papst
In seinem letzten Apostolisches Schreiben „Annum ingressi sumus“ vom 19.03.1902, das als dessen Testament gilt, klagt Leo XIII.:
„Kein Wunder, daß die liebsten Kinder so hart behandelt werden, da man doch mit dem Vater selbst, dem Haupte der Christenheit, dem Bischof von Rom, nicht glimpflicher verfährt. Es sind allbekannte Tatsachen, man raubte ihm seine weltliche Herrschaft und damit jene Unabhängigkeit, welche seine apostolische Sendung zu allen Völkern erheischt. Der Druck einer feindlichen Macht nötigte ihn, sich in seiner eigenen Stadt Rom, in seinem eigenen Hause einzuschließen; er fühlt sich in eine ungerechte und unwürdige Lage versetzt, und das, nachdem man das lächerliche Versprechen gemacht, für seine Würde und Freiheit bürgen zu wollen. Wir selbst kennen die zahlreichen großen Hindernisse, die man dem Wirken des apostolischen Stuhles bereitet, wie man selbst seine Absichten mißdeutet, um sein Ansehen zu mindern. Täglich wird es klarer, daß der Raub der weltlichen Herrschaft deshalb stattgefunden, um den Weg frei zu bekommen, und leichter die erhabene Gewalt des Papstes zu brechen. Übrigens haben die Urheber und Anführer des Gewaltreiches dies ohne viele Umschweife ausgesprochen.“
Pontifikat in überaus bedrängter Zeit
Es ist sicherlich nicht leicht, die Nachfolge eines solch großen Mannes in einer so schweren Zeit anzutreten. Demensprechend fährt Pius X. in seinem Rundschreiben fort:
„Sodann, um das Übrige zu übergehen, erschreckte Uns, und zwar am allermeisten, der gegenwärtige überaus verzweifelte Zustand des Menschengeschlechtes. Wem ist es denn verborgen, daß das Zusammenleben der Menschen gegenwärtig mehr als in vergangenen Zeiten von einer überschweren und zuinnerst sitzenden Krankheit bedrückt wird, die von Tag zu Tag schlimmer wird und es völlig zersetzt und tödlich dahinrafft?“
Bedenken wir einmal, der hl. Pius X. verfaßte sein Rundschreiben „E supremi apostolatus“ vor fast 120 Jahren! Und er spricht damals schon von einer überschweren und zuinnerst sitzenden Krankheit… die von Tag zu Tag schlimmer wird und [das Zusammenleben der Menschen] völlig zersetzt und tödlich dahinrafft. Wenn wir mit unseren heutigen Erfahrungen damals leben würden, würden wir sicherlich denken: Da ist doch alles noch weitgehend in Ordnung. Die Bischöfe und die Priester setzen sich für den hl. Glauben ein und sind eifrig darin, ihre Pflichten zu erfüllen. Und der Papst hält fest das Ruder in den Händen, um das Schifflein Petri sicher durch die Sturmwellen zu lenken. Und doch war das Übel schon tiefsitzend und viel weiter verbreitet, als man meinte.
Ein Heiliger ist immer auch ein Prophet, d.h. er sieht die geistige Welt viel klarer als unsereins, er durchschaut die verborgenen Entwicklungen und erkennt die Gefahren, die den Seelen drohen schon zu Beginn. Der Heilige erklärt deswegen voller Sorge:
„Ihr wißt, Ehrwürdige Brüder, um welche Krankheit es sich handelt: um das Abtrünnigwerden und das Weggehen von Gott. Wahrlich, nichts ist gefährlicher als dies, nach dem Wort des Propheten: Denn siehe, die sich von dir entfernen, werden zugrundegehen (Ps. 72,27). Wir erkannten, kraft der anvertrauten päpstlichen Würde einem so großen Übel entgegenarbeiten zu müssen. Denn Wir hielten dafür, daß der Befehl Gottes an uns gerichtet ist: Siehe ich habe dich heute über Völker und über Reiche gesetzt, daß du ausreißt und zerstörst, verdirbst und niederreißt, aufbauest und pflanzest (Jerem. 1,10). Uns wahrhaft Unserer Schwachheit bewußt, haben wir es nicht gewagt, ein Amt zu übernehmen, das an der Fülle von Hindernissen und Schwierigkeiten seinesgleichen nicht hat.“
Ja, es ist wahr, diese Krankheit, dieser Aussatz hat sich epidemieartig in den letzten Jahrzehnten verbreitet: das Abtrünnigwerden und das Weggehen von Gott!
Geistiger Aussatz
Damit aber stirbt die Hoffnung, denn nur Gott kann uns vom Aussatz heilen. Die 10 Aussätzigen im hl. Evangelium des 13. Sonntag nach Pfingsten haben nur eine einzige und letzte Hoffnung: Jesus! Darum wenden sie sich vertrauensvoll an IHN: „Jesus, Meister, erbarme Dich unser!“ Und voller Erbarmen gibt ihnen unser göttlicher Herr und Meister den Befehl: „Gehet hin uns zeigt euch den Priestern.“ Als sie nun hingingen, geschah das Wunder, sie wurden alle geheilt. Von einem Augenblick auf den anderen waren sie ganz gesund.
Der geistige Aussatz ist nicht so leicht zu erkennen wie der leibliche. Das erleichtert dem Teufel und seinen Helfershelfern die Arbeit sehr. Die meisten Menschen lassen sich nur allzu leicht täuschen, wenn man ihnen nur nach dem Munde redet, wenn man ihnen ein einfaches, ein allzeit vergnügliches und sorgenfreies Leben verspricht. Dann zeigt sich sehr schnell die Undankbarkeit wie bei den 9 Aussätzigen des Evangeliums, die es nicht für nötig hielten, zu Jesus zurückzukehren, um IHM zu danken. Es ist recht seltsam, aber nur allzu wahr: Wenn es dem Menschen zu gut geht, vergißt er auf Gott. Ihm erscheint ein Leben ohne Gott angenehmer und wünschenswerter als ein Leben mit Gott. Was für eine gefährliche Selbsttäuschung!
Aufgrund dieser Selbsttäuschung erkennen die allermeisten bis heute nicht, daß sie geistig aussätzig geworden sind, d.h. daß ihr Denken krank ist, was wiederum bedeutet, daß ihre grundsätzlichen Urteile fehlgehen. Solange sie dies nicht einsehen wollen, können sie auch nicht geheilt werden, denn nur die Einsicht in das eigene Elend führt uns zu Jesus!
Das Programm Pius‘ X.
Was hat nun der hl. Papst Pius X. im Sinne, um dieser geistigen Krankheit entgegenzuwirken? Nichts anderes, als uns das Evangelium lehrt:
„Und dennoch: da es nun einmal der Göttlichen Majestät gefiel, Unsere Niedrigkeit zu dieser Gewaltenfülle emporzuheben, richteten Wir Unseren Geist auf in Dem, der Uns stärkt. Auf Gottes Kraft vertrauend, legen Wir Hand an das Werk und erklären, daß Hauptgegenstand des päpstlichen Wirkens für Uns dies eine sein soll: Alles in Christus zu heiligen (Ephes. 1,10), daß nämlich Christus alles und in allem sei (Coloss. 3,11). – Es wird sicherlich Leute geben, die, indem sie das Göttliche mit Menschenmaß messen, auszuforschen versuchen, was denn die Absicht bei Unserem Entschlusse sei, um diese auf weltlichen Nutzen und auf Eifer für weltliche Dinge zu verdrehen. Wir erklären dies laut als eine eitle Hoffnung und beteuern mit Nachdruck, nichts sein zu wollen; bezüglich des künftigen Zusammenlebens der Menschen nichts als mit Gottes Hilfe Diener Gottes, Dessen Gewalt Wir ausüben. Die Absichten Gottes sind Unsere Absichten.
Es ist beschlossen, für diese alle Kräfte und das Leben aufzuopfern. Und wenn einige ein Sinnbild von Uns erbitten, das Aufschluß über den innerlichen Willen gibt, so werden Wir immer dieses eine geben: Alles in Christus zu heiligen!“
Ein anspruchsvolles Programm ist dies, aber zugleich auch das einzige und immerdar katholische, lehrt doch schon der hl. Paulus: „Denn niemand kann einen anderen Grund legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus.“ (1. Kor 3,11) Gerade dieses allem zugrundeliegende Fundament wurde damals schon von den Modernisten angegriffen, die sich heimlich in die Kirche eingeschlichen haben. Sie sind es, die das Göttliche mit Menschenmaß messen. Jede noch so hohe, vollkommenen übernatürliche Absicht verdrehen die Modernisten, um diese auf weltlichen Nutzen und auf Eifer für weltliche Dinge zu verdrehen. Dabei ist es schon unheimlich zu nennen, mit welcher Dreistigkeit diese Feinde der Kirche Jesu Christi ihr geheimes Werk vorantreiben.
Das charakteristische Merkmal des Antichristen
Pius X. war ein Heiliger und ein Prophet, weshalb er großes Unheil erahnt:
„Wer dies ernstlich erwägt, der fürchtet gewiß, daß notwendigerweise diese Verkehrtheit der Seelen eine gewisse Probe oder gleichsam einen Anfang der Übel darstellt, die für die Endzeit zu erwarten sind; oder ob nicht der Sohn des Verderbens, von welchem der Apostel spricht (2. Tess. 2,3), sich schon hier auf Erden befindet? Mit einer solchen Verwegenheit, mit einer solchen Raserei greift man überall Religion und Frömmigkeit an, werden die Lehren des geoffenbarten Glaubens bekämpft; und man ist ohne Rücksicht bestrebt, jegliche Verpflichtung, welche der Mensch Gott gegenüber hat, aus dem Wege zu räumen und auszutilgen. Anderseits, was gemäß demselben Apostel das charakteristische Merkmal des Antichrist ist: der Mensch dringt in allerhöchster Verwegenheit selbst an die Stelle Gottes ein, wobei er sich über alles, was Gott genannt wird, erhebt. Obwohl er nicht imstande ist, die Kenntnis von Gott in sich gänzlich auszulöschen, geht er so weit, nach Verschmähung der Göttlichen Majestät sich diese sichtbare Welt gleichsam selbst zum Tempel zu bestimmen, wo er von den anderen angebetet werden muß. Er setzt sich in den Tempel Gottes und stellt sich zur Schau als sei er Gott.“
Jeder aufmerksame Leser muß über die Worte stolpern: ob nicht der Sohn des Verderbens, von welchem der Apostel spricht, sich schon hier auf Erden befindet. Also schon im Jahr 1903 erfüllt den hl. Papst Pius X. die lebendige Sorge, der Antichrist könnte schon geboren sein! Der Heilige sieht also damals schon die Welt in einem solch beklagenswerten Zustand, daß ihm dies tatsächlich möglich scheint. Er beteuert: Mit einer solchen Verwegenheit, mit einer solchen Raserei greift man überall Religion und Frömmigkeit an, werden die Lehren des geoffenbarten Glaubens bekämpft; und man ist ohne Rücksicht bestrebt, jegliche Verpflichtung, welche der Mensch Gott gegenüber hat, aus dem Wege zu räumen und auszutilgen.
Nochmals sei es betont: Dies beklagt er vor fast 120 Jahren! Heute sind wir in der Tat so weit, daß der Mensch sich an die Stelle Gottes zu setzen beginnt. Der moderne Mensch möchte seine eigene Welt bauen, eine bessere Welt als die Welt Gottes. Der Geist des Antichristen ist überall am Werk und bereitet alles auf dessen Kommen vor. Hören wir den hl. Papst weiter klagen: „Mit welchem Erfolg diese Schlacht der Sterblichen gegen Gott gekämpft wird: niemand, der gesunden Sinnes ist, kann darüber im Zweifel sein. Es ist dem Menschen gegeben, unter Mißbrauch seiner Freiheit sich am Recht und an der Majestät des Schöpfers aller Dinge zu vergreifen.“
Der Mißbrauch der menschlichen Freiheit – Das Programm der Transhumanisten
Dieser Mißbrauch der Freiheit sich am Recht und an der Majestät des Schöpfers aller Dinge zu vergreifen geht heutzutage schon so weit, daß man es kaum noch glauben kann. Ohne daß es die meisten Zeitgenossen wirklich wahrnehmen, hat man begonnen, sich über die göttliche Ordnung zu erheben und sich als Gott zu fühlen. Einer, der zur Zeit überall hofierten Männer, ist die rechte Hand des Leiters des Weltwirtschaftsforums (WEF), Klaus Schwab, Yuval Noah Harari. Dieser Mann ist ein von den Medien gemachter Beststellerautor. Eigentlich soll er Historiker sein, scheint aber von der wahren Geschichte erschreckend wenig zu verstehen.
Yuval Noah Harari hat schon öfter bei den jährlichen WEF-Treffen in Davos gesprochen. Er schildert in seinen Reden, wie sich unsere Welt durch die Verschmelzung von Technologie und Biologie radikal verändern werde. Damit würden laut Harari bisher unerreichbare Kontrollmechanismen umsetzbar:
„Daten könnten es menschlichen Eliten ermöglichen, etwas noch Radikaleres zu tun, als bloß Diktaturen zu errichten. Durch das Hacken von Organismen könnten Eliten die Macht erlangen, um die Zukunft des Lebens selbst neu zu gestalten. […] Wenn es uns tatsächlich gelingt, Leben zu hacken und zu manipulieren, wird dies nicht nur die größte Revolution in der Geschichte der Menschheit sein. Dies wird die größte Revolution in der Biologie seit Beginn des Lebens vor vier Milliarden Jahren sein. Die Wissenschaft ersetzt Evolution durch natürliche Auslese mit Evolution durch intelligentes Design. […] Menschen sind jetzt Tiere, die man hacken kann. Die ganze Idee, daß Menschen diese Seele oder diesen Geist haben und daß sie einen freien Willen haben, und niemand weiß, was in mir vorgeht – was ich wähle, ob bei der Wahl oder im Supermarkt, das ist vorbei!“
Ihr werdet sein wie Gott
Seine Zusammenfassung der Menschheitsgeschichte lautet: „Die Geschichte begann, als die Menschen Götter erfanden, und wird enden, wenn die Menschen zu Göttern werden.“ Solcher Wahn ist freilich, wie wir als Katholiken wissen, nicht umsonst, sagt doch er Teufel bei der letzten Versuchung Christi: „Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“ (Mt. 4,9)
In seinem Buch „Homo Deus“ erklärt Harari den „modernen Pakt“ in einem Satz zusammenfassend so: „Die Menschen stimmen zu, auf Sinn zu verzichten, und erhalten im Gegenzug Macht.“ Uns Deutsche erinnert das unwillkürlich an Goethes „Faust“: „Ich bin der Geist, der stets verneint! / Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, / Ist wert, daß es zugrunde geht; / Drum besser wär‘s, daß nichts entstünde. / So ist denn alles, was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz das Böse nennt, / Mein eigentliches Element.“
In Goethes Faust verspricht Mephisto, also der Teufel, dem Faust, ihm all seine Wünsche zu erfüllen, aber am Ende zahlt Faust den hohen Preis der Verzweiflung, der Schuld und des Todes. Verblüffend ähnlich hört sich das an, was Yuval Noah Harari dem Menschen zu versprechen weiß. Für ihn ist die moderne Kultur eine Kultur der Verneinung, glaubt doch der moderne Mensch, daß „das Universum ein blinder und zielloser Prozeß“ sei. Es gebe weder Sinn noch Bedeutung in unserer Welt, weil es nämlich keinen Regisseur und kein Drehbuch gebe. „Wir können tun, was wir wollen, vorausgesetzt, wir finden eine Möglichkeit. … Nach dem Tod wartet kein Paradies auf uns. Aber wir können ein Paradies hier auf Erden schaffen und darin ewig leben, wenn wir nur ein paar technische Schwierigkeiten überwinden. … Eines Tages wird unser Wissen so umfassend und unsere Technologie so fortgeschritten sein, daß wir das Elixier ewiger Jugend, das Elixier wahren Glücks oder jedes andere gewünschte Mittelchen zusammenmixen können und kein Gott wird uns aufhalten.“
Hier ersteht er wieder, der immerwährende Traum aller Alchemisten: Das Elixier ewiger Jugend. Ewiges Leben in dieser vergänglichen Welt. Man muß also wieder einmal feststellen: Deine Sprache verrät Dich ja! Der überall hofierte Herr Professor erklärt kurz vorher, daß es keinen Gott und keinerlei Sinn in unserer Menschenwelt und damit auch keinen Himmel gebe, um gleich danach den Bau eines Paradieses auf Erden zu versprechen, ein Paradies, in dem man ewig lebt, wenn wir nur ein paar technische Schwierigkeiten überwinden – und kein Gott wird uns aufhalten!!!
Gibt es nun doch wieder einen Gott, vor dem Herr Harari Angst hat, der die Pläne des Antichristen zunichtemachen könnte? Und noch etwas gibt es für jeden noch halbwegs denkfähigen Menschen einzuwenden: Kann denn ein Mensch überhaupt noch glücklich sein, wenn sich das „heilige Wort ‚Freiheit‘…, wie die ‚Seele‘, als leerer Begriff [erweist], der keine erkennbare Bedeutung hat“, wie Harari anderswo daher faselt?
„Die große Harari-Ver(w)irrung“
Im Humanistischen Pressedienst findet sich ein Beitrag von Michael Schmidt-Salomon „Die große Harari-Ver(w)irrung“. Der Autor leitet seinen Gedanken folgendermaßen ein:
„Normalerweise verzichte ich darauf, Bücher anderer Autoren zu kritisieren. Allzu schnell entsteht der Eindruck, man wolle seine eigenen Werke über die Abwertung Anderer aufwerten. Doch nachdem Hararis Bücher Millionenauflagen erreicht haben, nachdem ernstzunehmende Denker wie Daniel Kahneman den Autor über den Klee lobten und nachdem sogar der Humanistische Pressedienst (!) eine unbedingte Leseempfehlung für Hararis ‚Kultbücher‘ aussprach …, sehe ich mich gezwungen, meine selbstauferlegte ‚Abstinenzregel‘ zu brechen. Denn vor einem Autor, der so sehr in ideologischen Denkschablonen gefangen ist, dass er den Nationalsozialismus (!) als ‚humanistische Religion‘ (!) beschreibt, kann nur gewarnt werden.“
Hierauf legt Michael Schmidt-Salomon dar, wie es zu einer solchen Begriffsverwirrung kommen kann. Seinem abschließenden Urteil gibt er die Überschrift:
Die Fiktion eines „humanistischen Religionskrieges“
Hararis Freiheitsbegriff ist aber nicht nur deshalb obskur, weil er die unterschiedlichen Kategorien der Handlungsfreiheit und der Willensfreiheit unzulässig miteinander vermischt, sondern auch, weil er das Prinzip der Freiheit in einen radikalen Widerspruch zum Prinzip der Gleichheit setzt. Dies ist in politisch-ideologisch aufgeladenen Debatten zwar eine beliebte Denkfigur, aber mit einer soliden philosophischen und demokratietheoretischen Betrachtungsweise kaum in Einklang zu bringen. Diese verdeutlicht nämlich, dass Freiheit und Gleichheit nur als Einheit zu denken sind, ja, dass jeder Schritt in Richtung Gleichberechtigung der Menschen (verstanden als Herstellung von Chancengerechtigkeit – nicht als inhumane Gleichmacherei der Individuen!) zugleich auch ein Schritt in Richtung größerer Freiheit ist (vgl. hierzu mein Buch ‚Die Grenzen der Toleranz – Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen‘, S. 122ff.).
Aus diesem Grund ist es natürlich überhaupt kein Widerspruch, sondern vielmehr logisch stringent, für einen an der Freiheit und der Gleichberechtigung aller Menschen orientierten evolutionären Humanismus einzutreten. Damit fallen die Gegensätze weg, die Harari seiner Konstruktion der vermeintlichen ‚humanistischen Sekten‘ zugrunde gelegt hat – und es wird noch offenkundiger, wie grotesk Hararis Darstellung der Konflikte des 20. Jahrhunderts ist. Denn Harari möchte uns doch allen Ernstes die Botschaft verkaufen (‚Homo Deus‘, S. 254ff.), dass sowohl der 2. Weltkrieg als auch der Ost-West-Konflikt Folgen eines großen ‚humanistischen Religionskrieges‘ waren, der seit dem vermeintlichen ‚Schisma des Humanismus‘ zwischen den verfeindeten ‚Sekten‘ des liberalen, sozialistischen und des evolutionären Humanismus tobt.“
Unsinn als Programm
Wenn man diese Bemerkungen in aller Ruhe bedenkt, fragt man sich, wie können solch verworrene Gedanken ernst genommen werden und so viel Erfolg haben? Uns wundert freilich dieses gedankliche Chaos nicht, denn wenn es erklärtermaßen keinen Sinn gibt, kann man auch nichts Sinnvolles mehr sagen. Um das aber einsehen zu können, müßte man ein Philosoph sein und kein bloßer Geschichtenschreiber. Man kann es auch anders herum formulieren: Wenn es keinen Sinn gibt, kann man jeden Unsinn, jeden noch so wirren und abstrusen Gedanken dem erstaunten Publikum als neueste „Einsicht“ verkaufen. Man braucht nur die unterstützende Macht, die den Werbefeldzug finanziert. Michael Schmidt-Salomon ist genauso wie wir fassungslos:
„Man muss sich vergegenwärtigen, was dies bedeutet: Harari zufolge waren der Holocaust, die stalinistischen ‚Säuberungsaktionen‘ und auch die unzähligen Hungertoten der ‚Dritten Welt‘ darauf zurückzuführen, dass im 20. Jahrhundert leider zu viele ‚Humanisten‘ an der Macht waren, die sich als Vertreter unterschiedlicher ‚humanistischer Sekten‘ gegenseitig bekämpften! Sicher: Wenn man voraussetzt, dass Adolf Hitler, der sich als Werkzeug der ‚göttlichen Vorsehung‘ verstand, ein ‚Humanist‘ war, dass Josef Stalin, der als ‚Prophet des dialektischen Materialismus‘ Andersdenkende in unfassbarem Umfang abschlachten ließ, ein ‚Humanist‘ war, dass Ronald Reagan, der sich von evangelikalen Predigern einflüstern ließ, welche Politik ‚God’s own Country‘ benötige, ein ‚Humanist‘ war – dann kann man der Erzählung folgen, dass im 20. Jahrhundert ein ‚humanistischer Religionskrieg‘ mit Millionen von Opfern stattgefunden hat. Man kann es aber auch sein lassen und sich stattdessen seines eigenen Verstandes bedienen, ohne in die ideologische Denkfallen zu tappen, die Harari in seinen Büchern aufgestellt hat.“
Die Machtentfaltung der sog. Eliten durch Komplettüberwachung der Individuen
Anders als der hochdotierte Professor und sicherlich mit Millionen gesponsorte Hariri ist Michael Schmidt-Salomon freischaffender Philosoph und Schriftsteller… Der hochdotierte Professor für Geschichte verkündet lauthals: „Wir haben die Technologie, um Menschen in großem Umfang zu hacken“ – also wie man einen Computer hacken, d.h. unerlaubt in sein Inneres eindringen und manipulieren kann, so soll es auch mit dem Menschen sein, man will nun sozusagen sein „Menschenprogramm“ hacken. Hariri fügt in seinen Vorträgen immer wieder hinzu, die Krisen sollten ausgenutzt werden, um die Überwachung in der gesamten Gesellschaft zu verstärken, damit die „Eliten“ die Menschen überwachen, Daten sammeln und den künftigen Verlauf des menschlichen Lebens gestalten können. Dabei offenbart er, daß ein Großteil dieser Überwachung „unter die Haut gehen“ wird, wodurch es schließlich möglich werden wird, biometrische Daten zu sammeln, so daß den „Eliten“ die Macht gegeben wird, das Leben selbst neu zu gestalten. Seine Ausführungen gipfeln in der Ankündigung: „Wir sind dabei, Menschen zu Göttern zu machen.“
Rom im Gleichschritt
Bei solchen Versprechen läuft es jedem Katholiken eiskalt über den Rücken. Und jeder echte Katholik fragt sich selbstverständlich, warum denn diesem Wahn von den römischen Autoritäten nicht entgegengetreten wird? Warum erhebt man in Rom nicht mehr die Stimme, wie es der hl. Pius X. getan hat und warnt alle Katholiken vor dem Antichristen, der sich gemäß der Geheimen Offenbarung tatsächlich an die Stelle Gottes setzen wird? Die Römer schweigen, weil sie von demselben Geist erfüllt sind. Hierzu ist eine durchaus richtige Beobachtung Hariris erwähnenswert. Dieser ist überzeugt, daß die Menschen inzwischen in der Not nicht mehr auf Gott, sondern den „Wissenschaftlern“ vertrauen. Hierzu führt er „das Beispiel von Priestern und Geistlichen an, die im Jahr 2020 weltweit ihre Kirchen schließen, um zu beweisen, daß Gott tot ist. … Sogar die religiösen Führer vertrauen den Wissenschaftlern.“ Diese Interpretation der Maßnahmen der „kirchlichen“ Autoritäten im Jahr 2020 trifft wohl den Nagel auf den Kopf, oder etwa nicht?!
Prophetische Worte Pius‘ X.
Man kann es inzwischen nur allzu gut verstehen, daß der hl. Pius X. schon damals voller Sorge in die Zukunft blickte und feststellte:
„Ihr seht also, Ehrwürdige Brüder, welches endlich dieses Amt ist, welches Uns und euch zugleich aufgetragen ist: die Gemeinschaft der Menschen, die von der Weisheit Christi abirrt, zu den Grundsätzen der Kirche zurückzurufen. Die Kirche unterwirft sie Christus, Christus aber Gott. Wenn Wir das mit Gottes Gnade vollenden, werden Wir mit Freude dafür danken, daß die Bosheit der Gerechtigkeit gewichen sein wird, und Wir werden glücklich eine gewaltige Stimme vom Himmel rufen hören: Nun ist gekommen das Heil, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Macht Seines Gesalbten. – Auf daß den Wünschen dieser Erfolg entspreche, ist es notwendig, uns mit voller Kraft und Anstrengung zu bemühen, daß wir jenes ungeheure und verabscheuungswürdige Verbrechen, das dieser Epoche eigen ist, gänzlich austilgen: nämlich daß sich der Mensch an die Stelle Gottes setzt.“
Christus vincit!
Der hl. Papst hatte nochmals alle Kräfte aufgeboten, dem drohenden Unheil zu wehren. Er wollte die Gemeinschaft der Menschen, die von der Weisheit Christi abirrt, zu den Grundsätzen der Kirche zurückrufen, aber leider fehlte es schon vielen am rechten Geist. Diesen war Jesus Christus nicht mehr das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Allmählich erstanden die alten Götter wieder aus ihren Grüften und die alte Schlange begann wieder erfolgreich immer mehr Menschen ins Ohr zu flüstern: Ihr werdet sein wie Gott. Dennoch brauchen wir nicht verzagen, denn die Allmacht Gottes regiert allezeit das Weltgeschehen, woran der hl. Papst in seinem ersten Rundschreiben gleichfalls erinnert:
„Gleichwohl steht der Sieg Gottes immer fest. Denn es steht auch die Niederlage umso drohender bevor, umso kühner sich der Mensch in Hoffnung auf den Triumph erhebt. Dies mahnt uns Gott selbst in der Heiligen Schrift. Denn er sieht über die Sünden der Menschen hinweg (Weish. 11.24), gleichsam uneingedenk Seiner Macht und Majestät. Bald jedoch nach dem scheinbaren Zurückweichen erwacht er … wie ein Held, der vom Weine berauscht war (Ps. 77,65), und wird die Häupter seiner Feinde zerschmettern (Ps. 67,22), sodaß alle erfahren werden, daß Gott König über die ganze Erde ist (Ps. 46,8), und die Völker erkennen, daß sie Menschen sind (Ps. 9,21).“