Der Tradi-Test-Sonntag

Den siebten Sonntag nach Pfingsten könnte man auch den „Tradi-Test-Sonntag“ nennen. Der Tradi-Test lautet: Wie hältst du es mit den Wölfen? An dieser Frage scheiden sich die Geister und es zeigen sich die echten und die unechten Traditionalisten. Wobei, das muß in diesem Zusammenhang gesagt werden, „Traditionalist“ ein furchtbares Wort ist – sodaß jeder echte Katholik sofort hellhörig werden und sich fragen muß: Warum nicht einfach „Katholik“? Allein an dieser erzwungenen Wortwahl zeigt sich unsere ganze Misere. Wir müssen zu einem Ersatzwort greifen, weil die Wörter „katholisch“ und „Katholik“ nicht mehr eindeutig sind, weil sie nicht mehr eindeutig gebraucht werden. Erst das Ignorieren dieser Tatsache ließ den heutigen Traditionalismus entstehen.

Wir Katholiken wissen es: Es ist in den letzten Jahrzehnten etwas Furchtbares geschehen, etwas, das man sich früher niemals hätte ausmalen können. Wir stehen inmitten eines geistigen Krieges unerhörten Ausmaßes, der Kampf tobt – und die meisten Tradis spielen in aller Seelenruhe Kirche oder Alte Messe und sind damit vollauf zufrieden. Kaum zu glauben, aber leider nur allzu wahr. Dabei mahnt uns doch der göttliche Heiland eindringlich: „Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind.“

Nun, das hätte man eigentlich die letzten Jahrzehnte ausgiebig tun sollen, wo nicht nur einzelne, sondern gleich eine ganze Legion von falschen Propheten angerückt sind. Im Nachhinein kann man nur feststellen: Von den meisten Tradis wurde diese Mahnung mißachtet! Sie schimpften und wetterten zwar überaus eifernd auf die Modernisten – und zum Schluß waren doch alle wieder Priester und Bischöfe und sogar Päpste, d.h. am Ende war doch alles gar nicht so schlimm. Ein bisschen moralische Entrüstung reicht aus, damit sich diese Tradis wieder gut fühlen.

Deine Sprache verrät dich ja

Dem Einsichtigen zeigte sich gerade darin die überaus große Verwirrung, die nicht nur die Modernisten, sondern selbstverständlich auch die Tradis umtrieb, die letztlich im Herzen auch Modernisten waren, konservative freilich, aber dennoch waschechte Modernisten. In der Zeit nach Ratzinger wurde das sogar jedem Blinden sichtbar.

Als der hl. Petrus im Hof des Hohenpriesters leugnete, daß er unseren Heiland kenne, entgegneten ihm die Umstehenden: „Du gehörst wirklich auch zu ihnen, deine Sprache verrät dich ja“ (Mt. 26, 73). Dasselbe gilt auch heute. Wenn man den Tradi-Test macht und die Leute fragt: Wie hältst du es mit den Wölfen? Dann antworten die einen: Die Wölfe sind ausgestorben! Die anderen: Wölfe gibt es nur noch in Reservaten und dort sind sie nicht gefährlich. Wieder andere hingegen sind überzeugt: Heute gibt mehr Wölfe denn je und diese sind zudem besonders gefährlich geworden.

Nun, wenn man den Wolf keinen Wolf mehr nennt, sondern höchstens noch ein Schoßhündchen, dann muß man nüchtern feststellen: Deine Sprache verrät dich ja! Indem du die Gefahr verharmlost, hilfst du doch zum Feind! Unser göttlicher Lehrmeister sagt einmal: „Eure Rede soll sein: Ja, ja - nein, nein. Was darüber hinausgeht, ist vom Bösen“ (Mt. 5, 37). So muß es sein, wenn es um die göttliche Wahrheit geht. Die Wahrheit muß man klar bekennen. Die Wahrheit muß man vom Irrtum klar unterscheiden. Die Wahrheit darf man nicht verwässern und aufweichen lassen. Da heißt es: Ja, ja - nein, nein.

Mittlere Wahrheit?

Eine solche Klarheit im Bekenntnis der Wahrheit nennen die meisten Tradis Schwarz-weiß-Malerei! Einer von ihnen behauptete einmal doch tatsächlich nicht nur mündlich, sondern sogar schriftlich: Die Wahrheit liegt immer in der Mitte! Der Katholik denkt unwillkürlich: Das ist doch reinster Liberalismus! So ein Unfug, aber gut für den Lefebvrismus! Man faßt es kaum, aber die meisten Tradis glauben diesen hanebüchenen Unsinn. Was ist übrigens bei der Frage, ist es ein Wolf oder ein Schaf, die Mitte? Die Mitte ist ein Scholf oder Waf, so ist anhand der Intelligenz vieler Tradis zu vermuten.

… und dumme Bescheidwisser

Um die falschen Propheten als solche erkennen zu können, müssen wir gut verstehen: Sobald man die Dinge nicht mehr klar benennt, geht die Gabe der Unterscheidung der Geister verloren. Alles verliert sich im Dunkel der Beliebigkeit – denn nachts sind alle Katzen grau, wie das Sprichwort sagt. Die Folge davon hinwiederum ist, daß man sich nicht mehr auskennt – aber dennoch so tut, als wüßte man über alles Bescheid. Das ist die moderne Krankheit, das Über-alles-Bescheid-wissen. Daran erkennt man übrigens mit Sicherheit den Dummkopf, daß er über alles Bescheid weiß. Je dümmer die Leute sind, desto mehr bilden sie sich ein, daß sie über alles Bescheid wissen.

Information vs. Wissen

Der Teufel ist bekanntlich schlau, er hat ein ganzes System des Über-alles-Bescheid-wissens geschaffen: Das Internet und die Suchmaschine. Der Teufel kennt die Arroganz des Menschen, er kennt seine Besserwisserei und nutzt sie rücksichtslos aus. Die allermeisten Zeitgenossen können nicht mehr zwischen Information und Wissen unterscheiden. Darum bilden sie sich tatsächlich ein, sie fänden im Internet Wissen. Das ist freilich ein großer Unsinn, denn wenn ich kein entsprechendes Wissen habe, kann ich nicht zwischen richtiger und falscher Information unterscheiden. Bevor ich im Internet recherchiere, wie man das nennt, muß ich schon ganz schön viel wissen, wenn ich zu einer begründeten Einsicht kommen möchte. Ohne entsprechendes Wissen kann man jedem spielend leicht ein X für ein U vormachen, wie man im Volksmund sagt.

Nur derjenige, der sich über ein bestimmtes Thema ein echtes, tiefes Wissen angeeignet hat, erkennt schnell, wieviel Unfug, wieviel Lüge, wieviel blanker Wahnsinn im Internet zu finden ist. Leider steht das aber nicht dabei: Das ist Unfug, das ist Lüge, das ist blanker Wahnsinn! Nur der Wissende erkennt das, weil er allein zu unterscheiden weiß.

Heute gibt es eine ganze Armee von falschen Propheten – und viele Tradis sind der Überzeugung: Die Wölfe sind ausgestorben, es gibt nur noch Schoßhündchen! Was für ein gefährlicher Wahnsinn, betont doch unser göttlicher Lehrmeister, daß diese inwendig reißende Wölfe sind. Die falschen Propheten morden die Seelen, indem sie den göttlichen Glauben zerstören. Darum müssen wir uns vor den falschen Propheten in Acht nehmen, weil sie uns in diesen tödlichen Irrtum hineinziehen. Sie führen Krieg gegen unseren Herrn Jesus Christus und damit gegen die göttliche Wahrheit. Sie verwirren den Geist und zerstören das Bekenntnis.

Lassen wir uns also nicht von jenen verwirren, die den Wolf nicht mehr Wolf nennen. Nehmen wir Abstand von all jenen Verharmlosern, die keine Einsicht in den göttlichen Ernst unseres hl. Glaubens mehr haben.

Die Visionärin Roms

Lassen wir uns ein wenig von unseren Visionären helfen, um uns den notwendigen Ernst zurückzuerobern. In dem Buch „Die Visionärin Roms. Das Leben und die Visionen der seligen Elisabeth Canori-Mora“ wird Folgendes berichtet:

„Am 14. Mai, während der Heilige Vater nach Ancona reiste und sie gerade für seine glückliche Rückkehr betete, sah sie ihn inmitten zweier Engel, ‚aber auch umgeben von Wölfen, die geheime Zusammenkünfte veranstalteten, um ihn zu verraten‘. Noch öfters wurde der Dienerin Gottes im Geiste der Heilige Vater gezeigt, ‚und immer‘, so schreibt sie, ‚sah ich ihn von zwei Engeln beschützt, aber umgeben vom Rate seiner verstellten Feinde in der Gestalt von Wölfen‘. (Damals regierte Papst Pius VII.)“

(Pagani, Anton: Die Visionärin Roms. Das Leben und die Visionen der seligen Elisabeth Canori-Mora, Theresia-Verlag, CH-6423 Seewen 1994. S. 172 f.)

An anderer Stelle lesen wir:

„Gott hatte unserer Seligen geoffenbart, in welch innerer Verwirrung sich die ganze katholische Welt und besonders Rom befand. Was aber der Herde Christi am meisten Nachteil brachte, das war die Heuchelei derjenigen, die unter Lammesgestalt reissende Wölfe waren, jene, die äusserlich Frömmigkeit und Gottesfurcht heuchelten, im stillen jedoch den Geist Jesu in der Kirche verderben wollten, indem sie dieselbe nach den Grundsätzen der neuen Philosophie umzubilden trachteten.“

(Ebd. S. 181)

Wenn schon damals so viele Wölfe in Rom herumschlichen, wie wird es dann erst heute sein? Man wird feststellen müssen, es gibt nur noch Wölfe. Unsere Tradis würden eine solche Vorstellung wohl als Halluzination bezeichnen – denn, nein, es gibt keine Wölfe, man kann keinem dieser Herren in Rom auch nur eine einzige Häresie nachweisen…

Paul VI. legt die Tiara nieder

Es sei hierzu nur ganz kurz an zwei Beispielen aus der jüngeren Kirchengeschichte erinnert. Nach seiner Wahl erhielt jeweils der neue Papst bei der feierlichen Einführung vom ersten Kardinaldiakon mit folgenden Worten die Tiara überreicht: „Empfange die dreifach gekrönte Tiara und wisse, daß Du der Vater der Fürsten und Könige, der Lenker des Erdkreises und der Vikar Jesu Christi, unseres Erlösers, auf Erden bist.“

Es war während des sog. 2. Vatikanums am 13. November 1964. In Anwesenheit Giovanni Battista Montinis, alias Pauls VI., feierte der melkitische Patriarch Maximos IV. Saigh von Antiochien mit Bischöfen und Archimandriten den Gottesdienst. Am Ende der Liturgie setzte der Generalsekretär des „Konzils“, Erzbischof Pericle Felici, seine persönliche Tiara ab, um sie den Armen zu schenken. Hierauf begibt sich Montini zum Confessio-Altar der Petersbasilika und legt dort seine Tiara, ein Geschenk der Arbeiter seines einstigen Erzbistums Mailand aus Silber, mit drei goldenen Kronreifen und einem goldenen Kreuz versehen und mit 15 Diamanten und anderen Edelsteinen besetzt, nieder. In der Aula ist ein lauter und anhaltender Applaus der Konzilsväter zu vernehmen.

Jeder, der sich mit Ritualen auskennt, sollte wissen, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll. Das „alte“ Papsttum ist beendet, fortan ist der Papst ganz im freimaurerischen Sinn der Diener der Menschheit. Im OSSERVATORE ROMANO vom 15. November 2019 ist zu lesen:

„Den universellen Herrschaftsgedanken, den die Insignie und die Krönungsformel vermitteln, wandelt der Papst in einen universellen Anspruch des Vaterseins um: ‚Das Bewusstsein, Vater zu sein, erfüllt Herz und Geist und verlässt mich zu keiner Stunde des Tages. Es nimmt nicht ab, sondern vertieft sich noch, weil die Zahl der Kinder wächst; es wächst an und lässt sich auf niemanden übertragen. Es ist so stark und so unbemerkt wie das Leben selbst, das erst im Tod erlischt. Es ist nicht üblich, dass ein Papst vor seinem Ende abdankt – eben deshalb, weil es sich nicht nur um ein Amt handelt, sondern um eine Vaterschaft. Man hört niemals auf, Vater zu sein. Diese Vaterschaft ist allumfassend und erstreckt sich auf alle Menschen. Ich spüre sie mir entströmen in konzentrischen Kreisen, weit über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus. Ich fühle mich als Vater der gesamten Menschheit. Selbst wenn die Kinder den Vater gar nicht kennen, ist er es trotzdem‘.“

Das ist der „Papst“ ohne Tiara: Der Vater der gesamten Menschheit. Und fortan hat Montini, eigentlich ganz konsequent und ehrlich, auch keine Tiara mehr getragen. Genausowenig seine Nachfolger. Joseph Ratzinger hat sie dann endlich auch aus seinem Wappen verbannt und durch eine Mitra ersetzt. Außerdem hat er vorzeitig abdankt. Womöglich hat er sich nicht mehr als Vater der gesamten Menschheit gefühlt, womöglich fühlte er nicht mehr in konzentrischen Kreisen, weit über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus seine Vaterschaft entströmen. Die Kraft der freimaurerischen Humanität war in ihm versiegt.

Es konnte also mit dem 13. November 1964 jeder sehen, der es sehen wollte: Es gibt keinem Papst mehr in Rom, es gibt nur noch freimaurerische Diener der Menschheit – die Menschheit ist aber ein Abstraktum! Es ist immer unheimlich, wenn jemand einem Abstraktum dient.

Der Hindu-Wojtyla

Ein zweites Bespiel aus der Kirchengeschichte: Es ist einst um die ganze Welt gegangen, überall konnte man es auf großen Bildern sehen, daß Karol Wojtyla, alias Johannes Paul II., sich im Verlauf seiner Indienreise vom 1. bis zum 10. Februar 1986 in einem Stadium in Neu-Dehli von einer Shiva-„Priesterin“ eine Schminke aus rotem Pulver, die den Namen „Tilak“ trägt, auf die Stirne hat zeichnen lassen. Diese Zeremonie ist ein Einweihungsritus zur Erinnerung an den großen Verbreiter der Hauptreligion Indiens. Dabei muß man wissen, daß die „Shiva“ genannte Gottheit mit dem Tantrismus in Verbindung steht, einer greulichen Anhäufung „heiliger Ausschweifungen“, wozu Msgr. Leon Meurin S.J. in seinem Buch „La Franc-Maqonnerie, Synagogue de Satan“ erklärt: „Die Verehrung Shivas entwickelte sich sehr rasch zu dem abscheulichen Phalluskult, den wir, zusammen mit der indisch-persisch-kabbalistischen Doktrin, in aller Form in der Freimaurerei, besonders aber in ihren Adoptionslogen (Frauenlogen) vorfinden.“

Für jeden Hindu – und selbstverständlich auch für jeden Katholiken! – ist diese Geste Wojtylas das Zeichen eines öffentlichen Abfalls vom katholischen Glauben! Und die meisten Tradis behaupten zusammen mit allen Modernisten: Dieser Apostat ist unser Papst!

Unwillkürlich muß man da an den Tradi-Test denken und fragen: Wie hältst du es mit dem Wölfen? Man kann also öffentlich Götzendienst treiben und ist dennoch kein Wolf? Man kann einen Einweihungsritus einer heidnischen Religion vollziehen und ist dennoch kein Apostat? Was ist das für eine seltsame Logik?

Aber schauen wir doch, wie es unser göttlicher Lehrmeister rät, auf die Früchte. Seit Wojtyla ebenfalls 1986 im Oktober alle Religionen zum gemeinsamen Gebet um den Frieden zusammengerufen hat, ist die Grenze zum Götzendienst allzeit offen und fließend. Unzählige Mal wurde das Assisitreffen weltweit nachgeahmt. Als schließlich Bergoglio in den vatikanischen Gärten und im Petersdom die Pachamama verehren ließ, zeigte es sich: All diese Menschenmachwerkskirchler sind jederzeit spontan und begeistert bereit, Götzendienst zu treiben.

Aber nicht nur diese, auch manche Tradis haben keine Scheu mehr, der Kunst des Häßlichen zu frönen, weil sie sich allzu sehr an der Menschenmachwerkskirche orientieren. Es sei an die „Kirche“ der FSSPX. in Madrid erinnert, über die wir in unserem Beitrag „Kunst - Kitsch - Krempel? II“ berichteten.

Jedenfalls sind die Früchte Wojtylas und seiner Nachfolger und Genossen schon lange nicht mehr zu übersehen: Aus den ehemaligen Katholiken sind Neuheiden geworden. In der Tat sind die schlechten Früchte unzählbar! Das beklagen, wenn es gerade paßt und sich eine gute Gelegenheit bietet, auch die meisten Tradis. Es gibt also viele viele viele schlechte Früchte – aber es gibt keine Wölfe! Was für ein Wunder. Oder anders gesagt: Was für eine Verblendung, was für ein Wahnsinn!

Gute Früchte oder Feuer

Wir vergessen es leicht, aber indirekt ist es von unserm göttlichen Heiland auch gesagt: Jeder muß gute Früchte bringen, denn der schlechte Baum wird umgehauen und ins Feuer geworfen werden. In einer „alten“ Predigt aus dem Jahr 1839 mahnt der Prediger eindringlich, das nicht zu vergessen. Wir haben diese Predigt genommen aus: „Predigten auf verschiedene Sonn- und Feiertage des katholischen Kirchenjahres nebst mehreren Casual- Predigten von Georg Joseph Saffenreuter, Professor an dem Königlich Bayerischen Gymnasium und der lateinischen Schule zu Würzburg.“

Siebenter Sonntag nach Pfingsten. Gehalten zu St. Michael 1839.

Omnis arbor, quae non facit fructum bonum, excidetur et in ignem mittetur. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und in ’s Feuer geworfen. Matth. 7 , 19.

Also gute Früchte oder Feuer! ruft hier ein alter Prediger aus, und ich finde es höchst notwendig, seine Worte zu wiederholen: Gute Früchte oder Feuer! Der Baum bringt Früchte, weil er muß; der Mensch soll solche bringen, weil er soll. Hat der Baum Erdreich, Sonnenschein und Regen, so bringt er unfehlbar Frucht; der Mensch aber hat Gott, Gewissen, Glaube, Geist, Kraft, innere und äußere Belohnung und Mahnung, und bringt gar oft keine; eben darum wird er auch umgehauen und ins Feuer geworfen.

Nicht Fruchtbäume, sondern solche, welche oben dürr sind, also schon ihre Kraft zu verlieren angefangen haben, trifft der Blitz, spaltet sie, und steckt sie in Brand; und eben darum wird auch der Mensch, wenn er durch geistige Trägheit ein dürres Holz geworden, umgehauen, und ins Feuer geworfen. Entweder Frucht oder Feuer! …

Den Vogel erkennt man am Gefieder und am Gesang, den Baum an seinen Früchten, den Menschen an seinen Werken. Man sagt zwar, wer nicht aus sich selbst erkannt werde, werde es aus seinen Gesellschaftern; indes wissen nach den Worten des heutigen Evangeliums die Bösen sich die Lammesfelle von den Guten zu borgen, um damit ihre reißende Wolfsnatur zu verhüllen. Es gelingt ihnen manchmal lange; aber plötzlich werden sie doch an ihren Früchten erkannt. Sie tun zwar auch Gutes, aber weil ihre Früchte aus heuchlerischer Absicht gewachsen find, so merkt man ihnen gar bald an, daß es bloße Wasserfrüchte sind, die gar bald faulen, und darum ins Feuer geworfen werden. Also gute Früchte, oder Feuer!

Trauben kann man nicht von Dornen, und Feigen nicht von Disteln sammeln, sagt das heutige Evangelium, weil es uns klar machen will, daß jeder nur die Früchte bringen soll, die sein Stand von ihm erheischt. Der Grashalm ist vollendet in seiner Art genauso wie die Zeder auf dem Libanon; darum soll niemand glauben, daß die Früchte seines Standes sein Verdienst erhöhen. Darum Früchte nach Verhältnis unseres Standes und unserer Kraft – oder Feuer! Man kann keine Trauben von Dornen und keine Feigen von Disteln sammeln; Trauben aber und Feigen sollen wir alle sein. Die Traube erfreut des Menschen Herz, bringt neue Lebenskraft in dürre Herzen und verleiht eine zeitlange Vergessenheit trüber Stunden. Ist das nicht unser Beruf, den Traubensaft des Trostes, der Freude und Erleichterung in die matten, welken, schmerzdurchbohrten Herzen zu träufeln? Ja, Trauben sollen wir sein; aber wie wollen wir es verantworten, wenn wir als Rebschoße gepflanzt sind, und als Dornen aufwachsen, als Dornen des Ärgernisses, der Sünde und des Spottes, womit wir Leib und Seele unserer selbst und unserer Nebenmenschen verwunden?

Wir sollen als Feigen das Leben unserer Nächsten versüßen; aber Viele sind zu Disteln geworden, welche die Tage der Ihrigen verbittern. Ist das der Dank für die unablässige Sorge des Weingärtners, der uns als Reben pflanzte, mit den Strömen seines Blutes begoß, mit dem Sonnenschein seiner Sakramente beschien und mit dem Tau all seiner Gnaden erquickte?

Wenn der Weingärtner all seine Mühe an einem Schoß verloren hat, und er erkennt, daß es taub geworden, was bleibt ihm übrig, als es aus der Erde herauszureißen und ins Feuer zu werfen? Wenn der Zweig des Feigenbaumes zur Distel geworden, wozu ist er anders tauglich, als eine Speise für das berüchtigtste aller Lasttiere zu werden. Darum gute Früchte oder Feuer!

Trauben und Feigen hier, oder ewige Dornen und Disteln dort! Ein Baum, der auch keine Früchte bringt, ist denn doch noch zu brauchen, daß er brenne und mit seiner Hitze wärme; wozu aber kann man einen fruchtlosen Menschen verwenden? Wahrlich! er dient zu nichts, als höchstens noch zum abschreckenden Beispiel, und überliefert sich so der traurigsten Verwendung. So läßt zwar Gott in seiner Schöpfung Nichts unbenützt, und selbst den Bösen weiß er noch gut für den Guten zu verwenden, aber für sich selbst ist der Verurteilte eine Last, deren Gewicht ihn in der Tiefe des unauslöschlichen Feuers hält. O meine Lieben! vergeßt es darum nicht: entweder gute Früchte, oder Feuer! Bringet die ersteren, und ihr werdet vom letzteren verschont sein. Amen!