Alle Feste unseres Kirchenjahres sind nicht nur besondere Gnadentage, sie sind immer auch Unterweisungen in den entsprechenden Geheimnissen des Glaubens. Als Hintergrund unserer hl. Liturgie dient das Leben unseres göttlichen Heilandes von der wunderbaren Empfängnis bis zur Himmelfahrt und der Herabkunft des Heiligen Geistes. Aber auch während der Sonntag nach Pfingsten bleibt das Leben Jesu in der Liturgie immer gegenwärtig. Er ist der ewige Hohepriester, der unser ganzes Leben gnadenhaft verwandelnd durchwirkt.
Alle großen Feste haben eine Oktav. Eine ganze Woche lang bleibt das Festgeheimnis gegenwärtig, damit wir es vertieft und verlebendigt es uns zeigen machen können. Denn an einem Tag kann man unmöglich die Gnaden eines Festes ganz erfassen und ausschöpfen. Eine ganze Woche lang stehen wir auf dem Ölberg und schauen verwundert zum Himmel auf – zu unserem zur Rechten des Vaters thronenden Herrn, den die Wolke verbirgt.
Je länger man die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus im Himmel betrachtet, je eingehender wir uns mit dem Festgeheimnis beschäftigen, desto begreiflicher wird uns, daß wir den Heiligen Geist mit Seinen Gaben und Früchten notwendig brauchen. Denn wir leben noch im Glauben und nicht im Schauen. Dieser göttlich verbürgte Glaube aber birgt für uns große Dunkelheiten, die wir ertragen und vielerlei Gefahren, die wir durchstehend müssen. Das gelingt uns letztlich nur mit der Hilfe des Heiligen Geistes, in Seinem Licht und Seiner Stärke können wir die Welt überwinden.
Der hl. Papst Leo der Große hat eine wunderbare Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt gehalten, die sich am Freitag und Samstag der Oktav im 2. Nachtgebet des römischen Breviers findet. Man könnte diese Predigt eine antimodernistische Predigt nennen, obwohl es damals natürlich noch keinen Modernismus in der uns bekannten Form gegeben hat. Dennoch sind die Gedanken des hl. Papstes pointiert antimodernistisch, weil sie ganz einfach katholisch sind. Die Gedankentiefe der Worte des Papstes macht einem fast sprachlos. Was waren das noch für große Männer des Glaubens, wahrhaft erfüllt vom Heiligen Geist! Diesen Männern ist die Gnadenwirklichkeit und Glaubenswirklichkeit wie ein weites offenes Land, in dem sie ganz zuhause sind.
Der hl. Papst beginnt: „Geliebteste! Unsere gnadenvolle Erlösung, die der Weltenschöpfer den Preis seines Blutes wert erachtete, ist nun gemäß dem Ratschluß seiner Erniedrigung von dem Tage seiner leiblichen Geburt an bis zum Ende seines Leidens vollbracht worden. Und wenn auch durch seine Knechtsgestalt viele Zeichen seiner Gottheit hindurchstrahlten, so diente doch sein ganzes Wirken während dieser Zeit hauptsächlich dazu, die Wirklichkeit der von ihm angenommenen Menschennatur zu bezeugen.“
Für uns moderne Menschen ein recht überraschender Gedanke. Wenn man es eingehender betrachtet, ist es für uns schwerer zu verstehen, daß der Sohn Gottes wahrer Mensch geworden ist, als daß Er wahrer Gott ist. Die Modernisten bilden sich ein, daß in den hl. Evangelien kaum davon die Rede ist, daß dieser Jesus von Nazareth wahrer Gott ist. Dabei projizieren sie ihren eigenen Unglauben in die damaligen Texte hinein. Ein Modernist glaubt im Grunde nicht mehr an Gott, d.h. an einen unzweifelhaft erkennbaren Gott. Darum lesen sie all jene Stellen in den hll. Evangelien als unecht aus, die ihrer Ansicht widerstreiten. Nach ihnen gibt es echte und unechte Jesusworte, wobei ihr Unglaube das Maß dafür ist, ob ein Wort Jesu als echt oder unecht gilt. Darum stöpselt sich auch jeder Modernist sein eigenes „Evangelium“ zusammen, wobei jeweilige Übereinstimmungen eher zufällig als sachlich begründet sind.
Der hl. Papst Leo weist uns darauf hin, daß es den Evangelisten darum ging, die Wirklichkeit der von Ihm angenommenen Menschennatur zu bezeugen. Kannten doch die damaligen Heiden durchaus Göttersöhne – von denen sich unser Herr Jesus Christus himmelweit unterschied. Darum hat unser Herr während Seines irdischen Lebens Seine Knechtsgestalt durch viele Zeichen als wahr erwiesen. Ganz besonders schließlich durch Sein Leiden und Sterben am Kreuz. Damals ist sein Menschsein so eindringlich bezeugt worden, daß die Apostel und Jünger darüber ganz vergaßen, daß er zugleich seit Ewigkeit wahrer Gott ist.
Der hl. Papst erklärt weiter: „Nach Seinem Leiden aber zerrissen die Bande des Todes; da verlor dieser seine Gewalt, weil er auch an den sich herangemacht hatte, der die Sünde nicht kannte. Da ging die Schwäche in Allmacht, die Sterblichkeit in Unsterblichkeit, die Schmach in Herrlichkeit über; diese offenbarte der Herr Jesus Christus in zahlreichen offenkundigen Erscheinungen vor den Augen vieler, bis er seinen herrlichen Sieg, den er über den Tod errungen, auch in den Himmel hineintrug.“
Was für ein außergewöhnlich ergreifender Gedanke: Da der Tod sich an denjenigen heranmachte, der keine Sünde kannte, verlor er seine Gewalt über uns und ward besiegt. Unser Herr Jesus Christus mußte die Sünde und den Tod besiegen, denn nur dadurch konnte Er uns aus der Gewalt des Teufels befreien. Was für ein gewaltiges Wunder geschah am Ostermorgen: Da ging die Schwäche in Allmacht, die Sterblichkeit in Unsterblichkeit, die Schmach in Herrlichkeit über. Menschlich betrachtet hatte dieses Wunder keiner erwartet, aber diese offenbarte der Herr Jesus Christus in zahlreichen offenkundigen Erscheinungen vor den Augen vieler, bis er seinen herrlichen Sieg, den er über den Tod errungen, auch in den Himmel hineintrug. Es war ein Wunder der unbegreiflichen Güte Gottes, das uns am Auferstandenen aufleuchtet. Er hat den Sieg errungen und diesen Sieg schließlich auch in den Himmel hineingetragen, wodurch Er unsere Hoffnung im Himmel verankert hat.
Der hl. Papst Leo der Große führt seinen Gedanken fort: „Wie also beim Osterfest die Auferstehung des Herrn der Grund unserer Freude war, so ist heute seine Himmelfahrt der Gegenstand unserer Freude; denn wir begehen und feiern in gebührender Weise jenen Tag, an dem unsere niedrige Menschennatur in Christus über die ganze himmlische Heerschar, über alle Chöre der Engel, selbst über die höchsten himmlischen Mächte bis zu Gottes, des Vaters, Thron erhoben wurde.“
So recht fassen können wir es nicht. Unser Herr thront nun schon fast 2000 Jahre im Himmel. Er herrscht in absoluter Souveränität über alle Engel und Heiligen – und über unsere irdische Menschenwelt. Aber während Seine Herrschaft im Himmel allen offenbar ist, ist sie bei uns ein für unsere Vernunft undurchdringliches Geheimnis. Bei dem derzeitigen weltweiten Aufruhr gegen Gott ist es recht hilfreich, Seine himmlische Herrschaft zu betrachten, vor allem Seine Allmacht auf sich wirken zu lassen, die in unserer Welt zuweilen ganz ohnmächtig scheint. Dennoch wissen wir, wenn sich alles Seiner mildesten Herrschaft unterwerfen würde, herrschte vollkommener Frieden. Im Reich Jesu Christi ist einer für den anderen da – da gibt es keinen Neid, kein Unrecht, keinen Haß. Alles ist geeint in der alles überragenden Aufgabe der Verherrlichung des dreieinen Gottes. „Alleluja, alleluja. Der Herr ist König über alle Völker; Gott sitzt auf Seinem heiligen Thron. Alleluja“, so heißt es im Alleluja-Vers des Sonntags in der Oktav von Christi Himmelfahrt. Wie wunderbar könnte die ganze Welt sein, wenn sich alle dieser Herrschaft beugen würden, wenn alle Denjenigen gehorchen würden, der zur Rechten des Vaters thront.
Wie verderblich ist dagegen die moderne Freiheit, die meint ohne göttliche Gebote glücklich werden zu können. Was für ein Wahnsinn! Ohne oder gar gegen den Schöpfer, den Allherrscher, den Erlöser glücklich werden zu wollen! Was für eine bodenlose, äußerst weit verbreitete Dummheit – wie es im Psalm 13 heißt: „Die Toren denken bei sich: ‚Es gibt keinen Gott.‘ – Verderbt ist ihr Treiben, abscheulich. Keiner ist da, der Gutes getan. Der Herr schaut vom Himmel herab auf die Menschen, zu sehen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht. Doch alle sind abgewichen, alle verdorben. Keiner ist da, der Gutes getan, auch nicht einer!“ Im Letzten Vers heißt es dann: „O käme doch aus Zion die Rettung für Israel! – Wenn der Herr das Los seines Volkes wendet, wird jubeln Jakob und Israel sich freuen!“
Er selbst, der Herr der Herren, der König der Könige ist unsere Notwende. Darum bitten wir durch unsere himmlische Mutter unseren verherrlichten Herrn zur Rechten des Vaters: Wende doch, Herr Jesus Christus, das Los deines armen Volkes! Papst Leo der Große ermuntert uns zu einem felsenfesten Vertrauen: „Durch diese glanzvollen Werke Gottes sind wir fest gegründet und auferbaut worden. Die Gnade Gottes sollte um so wundervoller sich zeigen, wenn den Blicken der Menschen entschwand, was mit Recht Ehrfurcht erwecken mußte, und wenn dennoch der Glaube nicht nachließ, die Hoffnung nicht wankte und die Liebe nicht erkaltete.“
Auch wenn die Herrschaft unseres göttlichen Herrn zur Zeit noch weit mehr verborgen ist, als es gewöhnlich der Fall ist, glauben wir dennoch daran, denn durch diese glanzvollen Werke Gottes sind wir fest gegründet und auferbaut worden. Unser hl. Glaube ist nicht abhängig von den Wechselfällen dieser Welt, er gründet im Leben des menschgewordenen Gottessohnes. Dieser hat uns die Herrlichkeit des Vaters offenbart und offenbart sie immer noch jedem, der an Ihn glaubt. Unser Heiland schenkt uns hierzu besondere Gnaden, die um so wundervoller sich zeigen, wenn den Blicken der Menschen entschwand, was mit Recht Ehrfurcht erwecken mußte.
Ist nicht unsere hl. Mutter, die katholische Kirche, gedemütigt wie noch nie in ihrer Geschichte? Fühlen wir uns in dieser papstlosen Zeit nicht noch mehr als Waisenkinder? Dennoch hat Er uns versichert: „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.“ Und unmittelbar vor Seiner Himmelfahrt tröstet Er seine Freunde: „Seht, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20.) Das ist ganz und gar wahr! Aber Er ist nicht mehr sichtbar unter uns, ist nur noch im Glauben wahrnehmbar, wie auch der hl. Papst Leo hervorhebt: „Denn darin zeigt sich die Kraft großer Geister und die Erleuchtung gläubiger Seelen, wenn sie unerschütterlich glauben, was man mit dem Auge des Leibes nicht schauen, und wenn ihre Sehnsucht sich dorthin richtet, wo der Blick nicht hindringen kann. Wie sollte auch diese fromme Gesinnung in unseren Herzen erwachen, oder wie könnte einer durch den Glauben gerechtfertigt werden, wenn unser Heil nur in dem begründet wäre, was uns vor den Augen liegt? Daher hat auch der Herr jenem Manne, der an seiner Auferstehung zweifeln wollte, wenn er nicht an seinem Leibe die Leidensspuren schauen und betasten und prüfen könnte, gesagt: Weil du mich gesehen hast, Thomas, glaubst du; selig, die nicht sehen und doch glauben.“
Das ist das Geheimnis unseres Menschenlebens: Nicht sehen und doch glauben! D.h. Glauben an den eingeborenen ewigen Sohn des Vaters, der unter uns gelebt hat, der für uns gelitten hat und am Kreuz für uns gestorben ist, der wieder von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist – und nun zur Rechten Gottes des Vaters als Allherrscher thront. Der Katholik richtet seinen Blick zum Himmel, den er nicht sehen kann, den er jedoch in der Kraft des hl. Glaubens mit absoluter, weil von Gott gewährter Sicherheit erfaßt. Denn darin zeigt sich die Kraft großer Geister und die Erleuchtung gläubiger Seelen, wenn sie unerschütterlich glauben, was man mit dem Auge des Leibes nicht schauen, und wenn ihre Sehnsucht sich dorthin richtet, wo der Blick nicht hindringen kann.
Das ist wiederum ein antimodernistischer Satz, sind doch die Modernisten allesamt mickrig kleine Geister, Irrlichter ohne göttliche Erleuchtung. Sie ersetzen den göttlichen Glauben durch freie menschliche Phantasie, verdrehen die göttliche bezeugte Glaubenswirklichkeit in widervernünftigen Irrwahn. Der wahre, katholische Glaube hat dagegen ein in der Wirklichkeit begründetes Fundament, das der hl. Papst so erklärt: „Was an unserem Erlöser sichtbar war, das ist in die heiligen Geheimnisse übergegangen; damit der Glaube vollkommener und fester werde, ist an die Stelle des Schauens die Glaubenslehre getreten; ihr sollen nun die Gläubigen, die vom himmlischen Gnadenlicht erleuchtet wurden, folgen.“
Was für ein genialer antimodernistischer Satz! Alles, was an unserem Erlöser während seines irdischen Lebens erkennbar war und durch Seine Taten und Worte erkennbar gemacht wurde, weil durch seine Knechtsgestalt viele Zeichen seiner Gottheit hindurchstrahlten, wie wir schon gehört haben, ist in die heiligen Geheimnisse übergegangen. Mit den heiligen Geheimnissen ist die hl. Liturgie gemeint. Wer also die hl. Liturgie loslöst von der Wirklichkeit des menschgewordenen Gottessohnes, der verfälscht und zerstört sie, wie wir es in der sog. Neuen Messe sehen können. Eine Gottesverehrung voller Glaubensirrtümer ist nicht mehr eine Verehrung des einzig wahren Gottes. Denn damit der Glaube vollkommener und fester werde, ist an die Stelle des Schauens die Glaubenslehre getreten. Die heiligen Geheimnisse setzen die Glaubenslehre voraus, denn nur aus dieser sind sie verständlich. Die Glaubenslehre ersetzt das Schauen – d.h. wir schauen im hl. Glauben die unsichtbare göttliche Wirklichkeit und das geheimnisvolle Geschehen der göttlichen Liturgie. Ohne diese Stütze der durch Gott und Seine hl. Kirche verbürgten Glaubenslehre verliert sich der „Gläubige“ im Irrwahn der eigenen Phantasie – was wir Modernismus nennen.
Wer sich jedoch auf diesen unerschütterlichen, felsenfesten Glauben stützt, der überwindet die Welt mit all ihren Versuchungen: „Diesen Glauben, der durch die Himmelfahrt des Herrn vermehrt und durch die Herabkunft des Heiligen Geistes gestärkt wurde, können keine Fesseln, kein Kerker, keine Verbannung, nicht der Hunger, nicht das Feuer, nicht die Zerfleischung durch wilde Tiere, nicht die von grausamen Verfolgern ausgedachten Qualen erschüttern. Für diesen Glauben kämpften überall in der Welt nicht nur Männer, sondern auch Frauen, nicht nur unmündige Knaben, sondern auch zarte Jungfrauen bis zum letzten Blutstropfen. Dieser Glaube trieb Teufel aus, heilte Krankheiten, erweckte Tote zum Leben.“
Alle Martyrer legten und legen ein vollkommenes Zeugnis dafür ab, daß Jesus Christus der wahre und einzige Sohn des Vaters, eins mit diesem im Heiligen Geist ist, wahrer Mensch und wahrer Gott und allein als solcher unser Heiland und Seligmacher. An dieser Glaubenslehre hängt tatsächlich alles, das ganze Christentum.
Als ein Engel den Apostel Philippus von Jerusalem nach Gaza hinabführte, begegnete er dem Kämmerer und Würdenträger der Königin Kandake von Äthiopien, der ihr oberster Schatzmeister war. Dieser war auf dem Weg nach Jerusalem, um Gott anzubeten. Der Apostel gesellte sich zu dem Kämmerer, der gerade aus der Heiligen Schrift las und ihn fragte: „„Ich bitte dich, von wem sagt dies der Prophet? Von sich oder von einem anderen?“* Da nahm Philippus das Wort und verkündete ihm die frohe Botschaft von Jesus, wobei er von dieser Schriftstelle ausging. Als sie so des Weges dahinzogen, kamen sie an ein Wasser. Da sagte der Kämmerer: „Siehe, hier ist Wasser. Was hindert, daß ich getauft werde?“ Philippus erwiderte: „Wenn du von ganzem Herzen glaubst, darf es geschehen.“ Er sagte: „Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist.“ Er ließ den Wagen halten und beide, Philippus und der Kämmerer, stiegen ins Wasser hinab; und er taufte ihn (Apg. 8, 34-38).
Jeder Christ muß aus ganzem Herzen glauben, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Diesen Glauben gewannen die Apostel an der Seite Jesu, wie Papst Leo erklärt: „Selbst die heiligen Apostel, welche trotz der vielen Wunder und trotz der vielen Predigten beim qualvollen Leiden des Herrn in Verwirrung geraten waren und erst nach langem Zögern an die Wirklichkeit der Auferstehung geglaubt hatten, wurden durch die Auffahrt des Herrn in ihrem Glauben so gekräftigt, daß das, was ihnen früher Furcht eingeflößt hatte, nunmehr für sie ein Grund zur Freude wurde. Denn ihr ganzes Sinnen und Denken war jetzt auf die göttliche Natur dessen gerichtet, der zur Rechten des Vaters thront. Der Anblick seines Leibes hinderte sie nicht mehr, die ganze Kraft ihres Geistes darauf hinzuwenden, daß er bei seiner Herabkunft sich nicht vom Vater getrennt und auch bei seiner Auffahrt seine Jünger nicht verlassen hatte. Damals, Geliebteste, wurde der Menschensohn auf herrlichere und erhabenere Weise als Gottessohn kundgemacht, als er in die Herrlichkeit der Majestät des Vaters zurückkehrte; und seitdem ist er auf eine ganz unaussprechliche Art seiner Gottheit nach uns nahe, während er seiner Menschheit nach von uns ging.“
Letzterer Satz ist wiederum ein ganz und gar antimodernistischer! Für die Modernisten ist Jesus Christus nur ein Mensch, der aufgrund seines einzigartigen vorbildlichen Lebens und seiner besonderen Verdienste von Gott als „Sohn Gottes“ angenommen wurde. Das ist freilich nichts Neues, sondern nur eine uralte, wieder aufgewärmte Irrlehre, wie Dr. Anton Stegmann in seiner vierten von sieben Fastenpredigten als Stadtpfarrer i.R. von Ravensburg wohl Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts darlegte:
„Kaum waren die Apostel und Evangelisten im Tode verstummt, da machten sich Irrlehrer über die Schriften des Alten und Neuen Bundes her, um alles auszuscheiden und auszustreichen, was für die Gottheit Jesu zeugt, um alles zu verdrehen, was nicht in ihre Irrlehre hineinpaßte. Später gelang es einem schriftstolzen Priester Arius, fast die halbe Christenheit zum Irrglauben zu verführen,- er deutete alle Schriftstellen zuungunsten des Gottmenschen, um Ihm die Krone seiner Göttlichkeit vom Haupte zu reißen. Die Verwirrung in der Christenheit steigerte sich, als noch ein Bischof Macedonius und ein Patriarch Nestorius mit denselben verfälschten Schriftstellen oder vergifteten Waffen gegen den Herrn und seine Mutter geiferten, mit dem Gottessohn auch den Heiligen Geist als Gott ablehnten und leugneten.
Tatsächlich sind die Irrlehrer nie ausgestorben, die im Mißbrauch der heiligen Bücher den christlichen Glauben zu verfälschen und das christliche Volk zu vergiften suchten…
Was uns aber im letzten Jahrhundert die Schriftgelehrten boten, das war auf christlicher wie antichristlicher Seite, im katholischen wie im protestantischen Lager nicht immer erbaulich, war nicht immer eine erbauliche Schutzwehr gegen die feindlichen Angriffe auf Christus und sein Reich.
Manche sogenannte Gottesgelehrte und Bibelwissenschaftler haben es fertiggebracht, das Heilige Buch zu einem gewöhnlichen Erzeugnis der Literatur zu degradieren, gar als ein Buch von Widersprüchen und Sinnwidrigkeiten zu lästern. So manche Literaten begannen alles Wunderbare und Göttliche aus den heiligen Büchern zu streichen oder als Märchen und Traumgebilde abzutun. Man hat das erste Buch des Alten Testaments mit dem Schöpfungsbericht als eine naive Erklärung der Welt verächtlich gemacht und das letzte Buch des Neuen Bundes, die ‚Geheime Offenbarung‘ als Hirngespinst überreizter Phantasie verworfen.
Waren es nicht Schriftgelehrte, die Jesus auf die Stufe eines gutmeinenden menschlichen Propheten herabgedrückt haben? Und manche haben gar seine Existenz überhaupt geleugnet… Schriftgelehrte, die oft genug aus Sucht nach Berühmtheit oder aus Sucht nach Geltung und Geld die wirrsten Auffassungen über Bibel und Christentum ausheckten, damit aber die Bahnbrecher für Unglaube und Antichristentum wurden.
Und was haben die katholischen Gottesgelehrten verhüten können oder fertiggebracht? In Tübingen und an andern Universitäten lehren Schriftgelehrte beider Konfessionen. Aber hat je einer einen andern bekehrt? Oder haben sie verhindern können, daß der Unglaube der hohen Katheder zum Unglauben der Gasse geworden ist? …“
(Dr. Anton Stegmann, Die Feinde Christi sind die Feinde der Kirche, Buchdruckerei J. Walchner, Wangen im Allgäu, S. 30 f.)
Aus diesen Zeilen spürt man heraus, wie weitverbreitet der modernistische Geist damals schon war. Der Modernist hat einen richtigen Horror vor der Glaubenssicherheit. Für ihn gibt es keinen zweifelsfreien Glauben, weil er keinen übernatürlichen Glauben mehr duldet. Die Modernisten haben es fertiggebracht, das Heilige Buch zu einem gewöhnlichen Erzeugnis der Literatur zu degradieren, gar als ein Buch von Widersprüchen und Sinnwidrigkeiten zu lästern. Der Modernist glaubt nicht an die göttliche Inspiration der Heiligen Schrift, weshalb sie ihm auch nicht eine Glaubensquelle für einen irrtumslosen Glauben sein kann. Das, was für uns Katholiken ein sicheres Zeichen des göttlichen Ursprungs ist, ist für den Modernisten ein klarer Erweis für das Gegenteil: So manche Literaten begannen alles Wunderbare und Göttliche aus den heiligen Büchern zu streichen oder als Märchen und Traumgebilde abzutun. Weil es keine Wunder gibt, kann sich auch unser Herr Jesus Christus nicht durch Wunder zweifelsfrei als Sohn Gottes erweisen. Nein, im Gegenteil, die Wunder verweisen gerade darauf, daß die Evangelisten Phantasten waren, die Wunder erfanden, um ihren Glauben glaubwürdig zu machen. Waren es nicht Schriftgelehrte, die Jesus auf die Stufe eines gutmeinenden menschlichen Propheten herabgedrückt haben? Und manche haben gar seine Existenz überhaupt geleugnet…
Was für einen gegenteiligen Glaubensgeist zeigen uns die Worte des hl. Papstes Leo des Großen! Dieser Glaubensgeist ist getragen von einer absoluten Sicherheit, weil es ein übernatürlicher Glaube und nicht Menschenglaube ist. Die Apostel, „welche trotz der vielen Wunder und trotz der vielen Predigten beim qualvollen Leiden des Herrn in Verwirrung geraten waren, … wurden durch die Auffahrt des Herrn in ihrem Glauben so gekräftigt, daß das, was ihnen früher Furcht eingeflößt hatte, nunmehr für sie ein Grund zur Freude wurde. Denn ihr ganzes Sinnen und Denken war jetzt auf die göttliche Natur dessen gerichtet, der zur Rechten des Vaters thront.“
Nur dann ist man wahrhaft Christ, wenn das ganze Sinnen und Denken auf die göttliche Natur dessen gerichtet, der zur Rechten des Vaters thront. Nur dann hat man die notwendige Konsequenz aus dem Geheimnis der Menschwerdung Jesu Christi gezogen. Nur dann begreift man das Geheimnis unserer Erlösung, durch die wir in Jesus Christus wieder Anteil bekommen am Reich des Vaters. Bei der Himmelfahrt vollendet sich unser Glauben, denn es wurde der Menschensohn auf herrlichere und erhabenere Weise als Gottessohn kundgemacht, als er in die Herrlichkeit der Majestät des Vaters zurückkehrte; und seitdem ist er auf eine ganz unaussprechliche Art seiner Gottheit nach uns nahe, während er seiner Menschheit nach von uns ging.
Das ist Antimodernismus pur! Der Modernist starrt ganz entgeistert auf den Menschen Jesus und schwingt sich höchstens noch zu einem selbstgemachten Göttlein hoch, das in vielerlei Irrtümern befangen ist und keine Wunder tun kann. Und das nennen sie dann „Sohn Gottes“! Was für eine Beleidigung – nein, nicht eigentlich für Gott, sondern für unsere Vernunft! Seit der Himmelfahrt Christi ist es genau anders herum, als es die Modernisten sich und ihren Jüngern einreden: Während unser Herr Jesus Christus seiner Menschheit nach von uns ging, ist er auf eine ganz unaussprechliche Art seiner Gottheit nach uns nahe! Man kann Seine Gottheit sozusagen mit Händen greifen, wenn man nur will. Denken wir etwa an das Allerheiligste Altarsakrament…
„Nun konnte der erleuchtete Glaube zu dem dem Vater wesensgleichen Sohn geistigerweise hinzutreten, ohne auf die Berührung mit der leiblichen Wesenheit Christi, durch die er geringer ist als der Vater, verzichten zu müssen. Denn wenn auch die Natur des verklärten Leibes blieb, so wurde doch der Glaube der Jünger dahin gelenkt, wo man den Eingeborenen, der dem Vater gleich ist, nicht leiblicherweise mit der Hand, sondern geistigerweise mit dem Verstande fassen kann.“
Es lohnt sich, diese Zeilen öfter zu lesen und zu durchdenken. Sie sind vollendet antimodernistisch, weil sie einfach katholisch sind. Als Katholiken haben wir einen göttlichen Glauben, einen durch die göttliche Gnade so erleuchteten Glauben, daß wir geistigerweise hinzutreten können zu dem dem Vater wesensgleichen Sohn. In diesem Glauben schauen wir den wesensgleichen Sohn des Vaters – ohne auf die Berührung mit der leiblichen Wesenheit Christi, durch die er geringer ist als der Vater, verzichten zu müssen. Da stockt einem der Atem! Diese Glaubenswahrheit ist das Fundament aller christlicher Mystik, aller wahrer Gotteserfahrung. Wobei die christliche Mystik wiederum Geschenk des Festes Christi Himmelfahrt ist, beten wir doch im Kirchengebet: „Allmächtiger Gott, wir bekennen gläubig, daß am heutigen Tag Dein Eingeborener, unser Erlöser, zum Himmel aufgefahren ist, und bitten nun, gib, daß auch wir selbst mit unserem Geiste im Himmel wohnen. Durch Ihn, unseren Herrn…“
So gnadenhaft wirkungsvoll und anspruchsvoll ist unser katholischer Glaube, er ermöglicht es mit unserem Geiste im Himmel wohnen, weil er uns den Himmel mit absoluter Sicherheit als Wirklichkeit erweist. Hierdurch unterscheidet sich wahre von falscher Mystik – die heutzutage als Charismatikertum äußerst weit verbreitet ist! Die falsche Mystik ruht nicht auf dem irrtumslosen Glaubensfundament der katholischen Kirche und nicht beseelt vom Heiligen Geist, der die Seele der katholischen Kirche.
Dementsprechend beendet der hl. Papst seine Gedanken: „Daher kommt es auch, daß der Herr nach seiner Auferstehung zu Maria Magdalena, die ein Bild der Kirche ist, als sie auf ihn zueilte, um ihn zu berühren, sprach: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater; d.h.: Ich will nicht, daß du dich körperlich mir näherst, und nicht, daß du mich mit den Sinnen deines Leibes erkennst; auf Höheres verweise ich dich; Größeres bereite ich dir vor; wenn ich zum Vater aufgefahren bin, dann wirst du mich vollkommener und wahrhaftiger berühren; dann wirst du erfassen, was du nicht berührst, und glauben, was du nicht siehst.“
Der übernatürliche Glaube ist, wenn er von der Liebe durchformt ist, nicht nur ein glaubendes erfassen der göttlichen Wirklichkeit, sondern, wie der hl. Petrus in seinem zweiten Brief lehrt, noch viel viel mehr: „Seine göttliche Macht hat uns alles für das Leben und die Frömmigkeit Notwendige geschenkt durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Kraft. Durch sie sind uns die wertvollen und überaus großen Verheißungen geschenkt worden, damit ihr durch diese der göttlichen Natur teilhaftig werdet und dem in der Welt durch die Begierde herrschenden Verderben entflieht. Deswegen wendet allen Eifer auf und betätigt in eurem Glauben die Tugend, in der Tugend die Erkenntnis, in der Erkenntnis die Mäßigung, in der Mäßigung die Geduld, in der Geduld die Frömmigkeit, in der Frömmigkeit die Brüderlichkeit und in der Brüderlichkeit die Liebe. Wenn diese Tugenden bei euch vorhanden sind und wachsen, werden sie euch fähig und fruchtbar machen für die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus. Wem sie allerdings fehlen, der ist blind und hat in seiner Kurzsichtigkeit vergessen, daß er von seinen früheren Sünden gereinigt worden ist“ (2. Petr. 1, 3-9).
So vollendet sich der Glaube in der Liebe. Wer aber die Liebe und die notwendigen Tugenden sich nicht aneignet, der erblindet wieder oder wird wenigstens so kurzsichtig, daß er vergißt, daß er von seinen früheren Sünden gereinigt worden ist. D.h. er gleicht sich wieder den Menschen dieser Welt an, die Gott und die Macht der Erlösung nicht kennen.
Schließen wir unsere nachdenklichen Erwägungen mit einem Kontrast ab. Der folgende Text ist ein modernistischer. Der Wesensunterschied zwischen katholischem Glauben und jedem anderen Glauben ist eliminiert. „Glauben“ heißt nunmehr nicht (sicher) wissen. Darum sind Unglauben und Glauben, Ungläubiger und Gläubiger eins im gemeinsamen Zweifel:
Niemand kann dem andern Gott und sein Reich auf den Tisch legen, auch der Glaubende sich selbst nicht. Aber wie sehr sich der Unglaube dadurch auch gerechtfertigt fühlen mag, es bleibt ihm die Unheimlichkeit des „vielleicht ist es doch wahr“. Das Vielleicht ist die unentrinnbare Anfechtung, der er sich nicht entziehen kann, in der auch er in der Abweisung die Unabweisbarkeit des Glaubens erfahren muß. Anders ausgedrückt: Der Glaubende wie der Ungläubige haben, jeder auf seine Weise, am Zweifel und am Glauben Anteil, wenn sie sich nicht vor sich selbst verbergen und vor der Wahrheit ihres Seins. Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner dem Glauben ganz entrinnen. Für den einen wirkt der Glaube gegen den Zweifel, für den andern ist der Glaube durch den Zweifel und in der Form des Zweifels anwesend. Es ist die Grundgestalt menschlichen Geschicks, nur in dieser unbeendbaren Rivalität von Zweifel und Glaube, von Anfechtung und Gewißheit die Endgültigkeit seines Daseins finden zu dürfen. Vielleicht könnte so gerade der Zweifel, der den einen wie den andern vor der Verschließung im bloß Eigenen bewahrt, zum Ort der Kommunikation werden.
(Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, München 1968, S. 23 f.)
Man muß diese Zeilen aufmerksam lesen, dann wird man dem Einwand, ein Text allein genügt nicht, um das Denken dieses Mannes zu erfassen, unbeirrt entgegenhalten, es heißt ohne Zweifel: …nur in dieser unbeendbaren Rivalität von Zweifel und Glaube, von Anfechtung und Gewißheit die Endgültigkeit seines Daseins finden zu dürfen. Wenn also die Rivalität unbeendbar ist, dann kommt der glaubende Mensch gemäß Joseph Ratzinger niemals aus dem Zweifel heraus. Und genau das ist Modernismus pur, endloser Zweifel, das genaue Gegenteil des katholischen Glaubens, wie ihn uns der hl. Papst Leo der Große so wunderbar anhand des Festes Christi Himmelfahrt verdeutlicht hat.