Mit dem Vater darf man nicht streiten

Jeder noch einigermaßen denkfähige Mensch wird beim Lesen alter Texte zuweilen von einer außergewöhnlichen Freude erfüllt – jedesmal dann nämlich, wenn ihm in diesem alten Text die Wahrheit aufleuchtet, die göttliche Wahrheit. Plötzlich zerstiebt jegliche menschliche Meinung, der Nebel der Ungewißheit löst sich auf, und man steht im gleißenden Licht der Wahrheit: Ja, das ist so! Genau so und nicht anders! Erkenntnis der Wahrheit ist immer Einsicht in die Wirklichkeit der Dinge.

Verbunden mit solch einem Erlebnis ist nicht selten die weitere Einsicht, daß der moderne Fortschritt ein bloßer Mythos ist, der sich allein auf den technischen Fortschritt stützt und die ganze geistige Welt vollkommen ausblendet. Denn in der Geistesgeschichte gibt es schon lange keinen Fortschritt mehr. Im Gegenteil, es gibt nur noch Ruinen und Dekadenz. Die neuesten Erkenntnisse enden gewöhnlich im geistigen Chaos, was ganz besonders für die modernen „Philosophen“ und „Theologen“ gilt. Bei diesen findet man seit fast 100 Jahren nur noch den Fortschritt des Unglaubens und des Wahnsinns. Diesen Fortschritt kann man diesen Leuten sicherlich zugestehen.

Wir sind kürzlich über einen alten Text gestolpert, der vor allem unseren heutigen Traditionalisten einen Spiegel vorhält. Der anonyme Schreiber schaut ein wenig in die Kirchengeschichte und bringt eine Reihe von warnenden Beispielen über Aufwiegler gegen die göttliche Ordnung: Mit dem Vater darf man nicht streiten!

Unser Schreiber kann noch recht unbedarft eine Parallele zum 4. Gebot ziehen, weil er davon ausgehen kann, daß seine Leser ihn richtig verstehen. Jeder Katholik weiß nämlich, daß der Papst mehr ist als nur ein Vater im natürlichen Sinne. Der richtige Gedanke, den darum der katholische Leser aus den Beispielen aus der Kirchengeschichte zieht, heißt: Wenn das schon für den natürlichen Vater gilt, dann umso mehr für den Vater der katholischen Christenheit, den Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, den Heiligen Vater.

Das Charisma der päpstlichen Unfehlbarkeit

Seit die heutigen Traditionalisten ihren „Papst“ ständig mit einem schlechten Vater vergleichen, der aber dennoch (biologisch) Vater bleibe, muß man genauer hinsehen und sich genauer ausdrücken. Da diese genauere Unterscheidung schon mehrmals in genügender Weise geleistet wurde, können wir sie hier übergehen. Es sei einfach nochmals auf die Tatsache verwiesen: Wer den Papst mit einem natürlich (biologisch) schlechten Vater vergleicht, der zeigt damit jedem, der es sehen will, daß er nicht mehr weiß, was der Papst gemäß der katholischen Glaubenslehre wesentlich ist und sein muß. Die Wesenseigenschaft des Papstamtes ist nämlich eine einmalige, und darum mit nichts zu vergleichende, ist sie doch eine allein von Gott geschenkte Gnade, ein sog. Charisma. Dieses Charisma nennt man Unfehlbarkeit. Dieses Charisma ist notwendig, damit der Papst seine Aufgaben als oberster Hirte und Lehrer der Kirche Jesu Christi erfüllen kann. Diese übernatürliche Eigenschaft besitzt allein der Papst, er allein ist der Garant des göttlichen Glaubens, er allein gewährt uns absolute Glaubenssicherheit.

Ein Papst kann zwar persönliche Fehler haben, er kann sündigen, aber er kann nicht im Rahmen seines Amtes den Glauben schädigen oder gar zerstören, denn das verhindert gemäß der Verheißung Christi dieses Charisma. Insofern war und ist jeder Katholik im Gehorsam an den Papst gebunden, wenn dieser nur wahrhaft Papst ist. Darum schrieb schon Pius IX. entgegen dem damals aufkommendem „katholischen“ Liberalismus: „Es geht tatsächlich darum, ehrwürdige Brüder und geliebte Kinder, dem apostolischen Sitz den Gehorsam entweder zu erweisen oder zu verweigern; es geht darum, seine oberste Autorität selbst über eure Kirchen anzuerkennen, und zwar nicht nur hinsichtlich des Glaubens, sondern auch in bezug auf die Disziplin: wer diese (Autorität) leugnet, ist ein Häretiker; wer sie zwar anerkennt, sich aber hartnäckig weigert, ihr zu gehorchen, verdient die Exkommunikation“ (Pius IX., Enzyklika Quae in patriarchatu, 1. September 1876).

In der Kirchengeschichte zeigt sich dieses Wissen selbst bei den erbittertsten Gegnern der Päpste. Diese haben nämlich, falls sie dazu nur die Macht hatten, den Papst, mit dem sie sich im Streit befanden, für abgesetzt erklärt und einen anderen als Gegenpapst eingesetzt, mit dem sie keinen Streit zu haben brauchten. Sie wußten noch instinktiv: Mit dem Vater darf man nicht streiten! Es ist sicherlich bedenkenswert, selbst die erbittertsten Feinde kamen nicht auf die seltsame Idee unserer heutigen Traditionalisten mit ihrem: Anerkenne und widerstehe! Diese sind tatsächlich der allerfestesten Überzeugung, daß man mit dem Vater ständig streiten darf, insofern er nämlich ein schlechter Vater ist, der die Tradition der Traditionalisten zu zerstören trachtet. Die Tradition der Traditionalisten ist schließlich das Maß aller Dinge und auch der Papst hat sich gefälligst an diese zu halten. Wenn man theologisch genau hinschaut, ist so ein Schlechter-Vater-Papst ein Mann ohne das Charisma der Unfehlbarkeit, mithin ein Mensch wie jeder andere auch, also kein wahrer Papst. Und in der Tat, für diese Traditionalisten ist ihr Papst wesentlich, hauptsächlich und fast immer ein Mann wie jeder andere auch; ja man muß sogar hinzufügen, ein noch schlechterer Mann als jeder andere, führt er doch immerhin seit Jahrzehnten die ganze Kirche von Amts wegen systematisch in die Irre. Die „Unfehlbarkeit“ wird ihm sozusagen nur noch als Faschingsflitter zuerkannt, wobei bei dieser Art von Traditionalisten für ihren „Papst“ nur noch so alle 100 Jahre einmal Fasching ist. Ein recht kurioser „Papst“ ist das also, der „Papst“ dieser Traditionalisten.

Für einen Katholiken müßte spontan feststehen: Dieser Mann-wie-jeder-andere kann sicherlich kein wahrer Papst sein, weil man ihm gerade das, was den Papst gemäß der katholischen Glaubenslehre wesentlich ausmacht, abspricht. Wir Katholiken wissen, dem Papst kann man im Rahmen seiner Hirten- und Lehrtätigkeit nicht widerstehen, weil er nun einmal der von Gott eingesetzte höchste Richter ist: Mit dem Vater darf man nicht streiten! Es sei hierzu der das Thema so erhellende Text aus der Zeitschrift „Der Katholik“ (Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben, Mainz, Jg. 50,1870, Bd. I, S. 692 f.), aus dem Jahre 1870 in Erinnerung gerufen:

„…in Glaubenssachen kann die Kirche ihre Kompetenz nicht überschreiten; sie ist dagegen durch ihre Unfehlbarkeit gesichert. Wollte der Einzelne sich anmaßen, über die Lehrentscheidungen der Kirche zu urteilen, ob die Kirche nicht die Grenzen des depositum fidei [Glaubensschatzes, also der Tradition] überschritten (habe, d. Verf.), so hätte er bereits aufgehört, Katholik zu sein, indem er sein Privaturteil über das Urteil der Kirche setzte.

Da das depositum [Glaubensgut] in der hl. Schrift und der Tradition enthalten ist, so ist die Kirche verpflichtet, ihre Entscheidungen aus diesen beiden Quellen des Glaubens, der hl. Schrift und Überlieferung, zu schöpfen. Daß sie dieses wirklich tut, und niemals eine Glaubensentscheidung erläßt, die nicht in den Quellen des Glaubens und der Überlieferung begründet wäre, dafür bürgt gleichfalls ihre Unfehlbarkeit und kann die autoritative Entscheidung darüber, ob eine Lehre in der Schrift und Tradition begründet sei, nur der Kirche selbst zustehen.

Diese Entscheidung dem Einzelnen anheimstellen, heißt das katholische Autoritätsprinzip zerstören. Ob die Heilige Schrift oder die Tradition und ihre Quellen dem Privaturteil unterworfen werden, ist eines und dasselbe.

Es wäre daher ein die Kirche und den Glauben umstürzendes Prinzip, wenn man die letzte Entscheidung darüber, ob die Lehrentscheidungen der Kirche gültig, weil der Überlieferung gemäß seien, der (theologischen) Wissenschaft zusprechen wollte…“

Angesichts der weitverbreiteten traditionalistischen Phantastereien ist es ganz gut, sich diese Zeilen ab und zu in aller Ruhe wieder einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Der Katholik weiß also, aufgrund des übernatürlichen Charakters unserer katholischen Religion ist es unumgänglich, daß ein von Gott eingesetztes und entsprechend ausgestattetes Organ den Glaubensschatz absichert. Da die beiden Quellen des Glaubens, die Heilige Schrift und die Überlieferung, sich nicht selbst deuten, muß eine gottgegebene Autorität diese Aufgabe übernehmen, das unfehlbare Lehramt der Kirche, wenn ein sicheres Glaubenswissen möglich sein soll. Dieses allein verbürgt dem Katholiken mit göttlicher Autorität, ob eine Lehre tatsächlich in Schrift und Tradition begründet ist oder nicht. Diese Entscheidung dem Einzelnen anheimstellen – wie es diese Traditionalisten ganz selbstverständlich und unbelehrbar tun –, heißt das katholische Autoritätsprinzip zerstören – und damit den übernatürlichen Glauben.

Die Lehrentscheidungen der Kirche

Die heutigen Traditionalisten haben diese Entscheidung dem Einzelnen überlassen, stellen sie doch das Urteil eines Traditionalistenbischofs oder -priesters oder selbst eines traditionalistischen Laien über das Urteil ihres vermeintlichen kirchlichen Lehramtes. Ihr privates Urteil ist somit immer die letzte und höchste Instanz, wenn es um den Glauben geht. Somit ist überaus erfolgreich das katholische Autoritätsprinzip zerstört – mit anderen Worten: Diese Traditionalisten sind Protestanten geworden, denn ob die Heilige Schrift oder die Tradition und ihre Quellen dem Privaturteil unterworfen werden, ist eines und dasselbe. Diese Traditionalisten vertreten zwar nicht das „Allein die Heilige Schrift“ Luthers, aber sie verkünden lautstark das „Allein die Tradition“.

Dementsprechend reden sie all ihren Anhängern ein, wenn es einen Widerspruch des jetzigen „Papstes“ mit Lehren ihrer Tradition gibt, müsse man immer den Päpsten der Vergangenheit folgen, man müsse also dem lebendigen Lehramt aufgrund des toten Buchstabens widerstehen. Papst Leo XIII. urteilt über dieses Verhalten so: „Desgleichen legt eine wenig aufrichtige Unterwerfung an den Tag, wer einen Gegensatz zwischen einem Papst und einem anderen zu konstruieren sucht. Jene, die von zwei unterschiedlichen Befehlen den gegenwärtigen verweigern, um sich an den vergangenen zu halten, liefern keinen Beweis ihres Gehorsams gegenüber der Autorität, die das Recht und die Pflicht hat, sie zu leiten; in gewisser Weise gleichen sie jenen, die angesichts ihrer Verurteilung an ein künftiges Konzil oder einen besser unterrichteten Papst appellieren möchten“ (Leo XIII. in Epistula tua vom 17. Juni 1885).

Unser alter Text zeigt nun anhand einer ganzen Reihe von Beispielen aus der Kirchengeschichte, wie es jenen ergangen ist, die meinten, man könne durchaus mit dem Papst streiten, ja ihm sogar aufs Schärfste widerstehen, wenn einem seine Entscheidungen nicht passen, weil sie der eignen Tradition, also der eigenen Vorstellung vom katholischen Glauben zu widersprechen scheinen.

Mit dem Vater darf man nicht streiten

Gott hat auf Sinai gesprochen und es mit Seinem allmächtigen Finger in die Steintafel eingeschrieben, und zwar an die erste Stelle der zweiten Tafel, damit es allen sogleich in die Augen falle: „Du sollst Vater und Mutter ehren“. Damit die Kinder dieses so wichtige Gebot gerne erfüllen, hat Er die Verheißung beigefügt, „daß es dir wohl ergehe und du lange lebst auf Erden“. Um die unbändigen Kinder vor der Übertretung dieses Gebotes zurückzuschrecken, legte der Herr auf Sinai zugleich die Rute bei: „Der Berg rauchte und flammte und erbebte“. Aus Feuerflammen und zwar aus ewigen, ist die Rute gewunden, die einst unter Zittern in der Hölle alle ungeratenen Kinder fühlen müssen. Dazu hat Er mehrmals in der hl. Schrift die schwersten Drohungen ausgesprochen und die empfindlichsten Strafen schon in diesem Leben über Kinder verhängt, welche ihrem Vater die schuldige Ehrfurcht verweigerten. Die Hand, die sich gegen den Vater erhob, sollte abgehauen, das Kind, das seinen Vater und seine Mutter nicht ehrt, soll verflucht sein und alles Volk soll sagen: Amen. Die ganze Gemeinde mußte den ungeratenen und widerspenstigen Sohn – steinigen. - -

Wie in der Familie, so hat Gott auch in der großen Familie, in der hl. römisch-katholischen Kirche einen Vater als Seinen Stellvertreter an die Spitze gestellt, den hl. Vater in Rom, und fordert alle Christen des ganzen Erdkreises auf, ihn zu ehren. Es werde allen gut gehen im Leben und Sterben, welche den hl. Vater ehren und als gute Kinder ihm folgen; aber wenn es jemand wagen sollte, den Gesalbten des Herrn, den Vater der Christenheit anzugreifen, mit ihm zu streiten, oder ihm wehe zu tun, der werde es schwer büßen müssen, auch schon hier auf Erden. Der Fluch des Himmels werde über ihn kommen.

Nun besteht diese Gottesfamilie, die hl. katholische Kirche, gegen 1900 Jahren. Und es ist wahr geworden. Wer den hl. Vater ehrte, den hat der Herr gesegnet; wer aber den Vater der Christenheit betrübte, dem ist’s nicht gut gegangen. Da nun gegenwärtig wiederum ein Gericht Gottes an solchen, die den hl. Vater schwer bedrängen, sich zu vollziehen scheint, so dürfte es interessant sein, einige solche Beispiele in der Geschichte etwas näher anzuschauen.

Herodes Agrippa

Der erste hl. Vater war St. Petrus, den der Herr Jesus selbst als Seinen Nachfolger aufgestellt, in dessen Hände Er Seinen Hirtenstab gelegt, mit dem Auftrag, Seine Lämmer und Schafe zu weiden. Wer ihn angreift, dem wird es nicht gut gehen. Herodes Agrippa war der erste; er ließ den Vater ins Gefängnis werfen, seine Glieder in Ketten legen und ihn von Soldaten hinter eisernen Türen bewachen, um am folgenden Tag ihn hinrichten zu lassen. Aber der Engel des Herrn zerbricht die Fesseln, entreißt den ersten Papst den Händen des Tyrannen und gibt den befreiten Vater seinen betenden Kindern zurück. – Und Herodes? Er zog nach Cäsarea, dort öffentl. Spiele zu Ehren des Kaisers Claudius zu geben, begleitet von zahlreichem Gefolge angesehener Personen. Am zweiten Tage des Festes erschien er selbst in prachtvollem, silbergesticktem Kleide, dessen Reichtum durch die Kunst noch übertroffen wurde; als gerade die Sonne darauf fiel, verbreitete dieses solchen Glanz, daß er alle Zuschauer blendete. Kaum hatte sich Herodes in ein Gespräch eingelassen, da riefen seine Schmeichler: „Das ist nicht die Stimme eines Menschen, das ist die Stimme eines der unsterblichen Götter.“ Der stolze Fürst vergaß, daß er ein Sterblicher sei. Da schlug ihn der Engel des Herrn. Der „Gott“ Herodes Agrippa bekam plötzlich Leibweh und zwar in dem Grade, daß er die Schmerzen kaum aushalten konnte. Fünf Tage siechte er dahin, ohne daß ihm die Ärzte die geringste Erleichterung bieten konnten. Würmer fraßen den „Gott“ bei lebendigem Leibe auf und er starb unter Leiden, die man sich nicht vorstellen, geschweige beschreiben kann.

Simon Magus

Simon, mit dem Beinamen Magus, der Zauberer, wollte von Petrus den hl. Geist und die Würdengabe um Geld kaufen, und die Gnade, die zum Heile der unsterblichen Seele gegeben ist, zu Zauberstücken und zum Gelderwerb benützen. Petrus, vom Hl. Geist erfüllt, sprach zu ihm: „Dein Geld sei mit dir zum Verderben.“ Simon Magus bekehrte sich nicht, zog später dem hl. Petrus nach und widersprach in Rom seinen Predigten. Zum Zeichen seiner Macht wollte er endlich gleich dem göttl. Heiland in den Himmel auffahren. Bereits hatte er sich über die Dächer der Häuser mit Hilfe der bösen Geister erhoben. Aber in der Nähe kniete der hl. Petrus nieder zum Gebete. Die bösen Geister mußten den Zauberer verlassen; dieser stürzt vor dem versammelten Volk aus der Luft nieder auf das Pflaster und zerschmettert sich die Gebeine und sein Blut floß bis an das Lusthaus des Kaisers Nero. Aufgehoben und in sein Haus gebracht, stürzte sich der Zauberer voll Verdruß aus dem Fenster und starb.

Nero

Nero, der römische Kaiser, war ein gekröntes Ungeheuer. Er suchte seine Mutter Agrippina zu ertränken; da ihm dies aber mißlang, ließ er sie erdolchen, seine Frau Oktavia und den frommen Seneca ums Leben bringen. Er ließ die Stadt Rom anzünden und sang dazu. Die Schuld aber ließ er auf die Christen schieben. Endlich legte er Hand an den hl. Vater und ließ Petrus auf dem Berge Janikulus kreuzigen. – Da trat der Herr auf und strafte den gottlosen Kaiser. Der Senat erklärte Nero für einen öffentlichen Feind des Reiches und verurteilte ihn: nackt durch die Straßen der Stadt geschleppt, gegeißelt und vom tarpeischen Felsen hinabgestürzt zu werden. Ein schreckliches Los für einen Kaiser, aber für Nero gewiß wohl verdient. Als er die Strafe erfuhr, erschrak er und floh in das Haus eines Freigelassenen, wo er sich im Gebüsch des Gartens zu verbergen suchte. Auf die Nachricht, daß man ihn aller Orten suchte und ihm bereits auf der Spur sei, rief er laut weinend: „Soll ein so guter Musiker umkommen?“ Als er endlich die Hufschlage der Pferde hörte, setzt er sich den Dolch an die Kehle und flehte, man möchte ihm doch den Tod geben. Doch niemand wollte ihm den gefährlichsten und strafbaren Dienst leisten, bis endlich sein Schreiber die Mordwaffe ergriff – der Kaiser, der Hand an den Vater der Christenheit gelegt hatte, war nun ermordet. Seine Statue[n] wurden in den Kot geworfen und sein Haus niedergebrannt.

Kaiser Maxentius

In den Jahren 304-310 war der hl. Marcellus Vater der Christenheit. Er sorgte mit großem Eifer für die Ausbreitung der hl. Religion und für die Rettung der Seelen. Dadurch erregte er den Zorn des Kaisers Maxentius. Dieser ließ den hl. Vater in den öffentlichen Stall bringen, wo auf Staatskosten die wilden Tiere zur Verfolgung der Christen gehalten wurden. Der Papst, der Vater der Christenheit und Stellvertreter Jesu Christi, zum Stallknecht erniedrigt! Gewiß eine schreckliche Mißhandlung. Neun Monate versah der hl. Marcellus diese Dienste und leitete unter Fasten und Gebet durch Briefe die Gläubigen. Endlich von den Christen befreit, wurde er im Hause der sel. Lucine aufgenommen, das er zu einer Kirche einweihte. Nun ließ der Kaiser die Kirche in einen Stall umwandeln und die Tiere dahin bringen, daß Marcellus sie besorge. Von Mühen aufgerieben starb der hl. Papst an diesem Orte. Und der Kaiser Maxentius? Er wurde in der Schlacht geschlagen, verlor Thron und Reich und ertrank im Tiberfluß.

Das waren einige heidnische Kaiser, welche Hand an den Vater der Christenheit legten und sich einen schmachvollen Tod holten. Aber auch christliche Kaiser haben diesen Frevel gewagt. Sie hatten auch das gleiche Los.

Kaiser Constans II.

In Konstantinopel saß Constans II. auf dem kaiserlichen Thron. Statt für das ihm anvertraute Wohl des Staates besorgt zu sein, mischte er sich in die ausgebrochenen religiösen Streitigkeiten und wollte wie ein Bischof entscheiden. Ja, er trat auf die Seite der Irrlehrer. In Rom aber verteidigte der hl. Martin I. entschieden die katholische Lehre und hatte auf einer Kirchenversammlung im Lateran die Irrlehrer ausgeschlossen, unter diesen auch den Patriarchen Paul II. von Konstantinopel. Von diesem aufgehetzt, wollte der Kaiser den hl. Vater tot oder lebendig in seine Gewalt bringen. Diesen Auftrag gab er dem Exarchen Olympias; er überfiel den Papst in der Kirche zur Krippe des Herrn beim hl. Opfer. Aber der Exarch ward von Gott mit Blindheit geschlagen und starb bald darauf, während Konstantinopel mit schweren Plagen heimgesucht wurde. Doch den Kaiser brachte dies nicht zur Besinnung. Er sandte den Exarchen Kalliopas mit demselben Auftrag, den Papst nach Konstantinopel zu bringen. Gott ließ es zu, daß Sein Diener, der hl. Papst, im Lateran gefangen, in einem Halseisen durch die Stadt Rom geführt und nach Naxos geschleppt wurde. Nachdem er hier ein Jahr in der Verbannung zugebracht hatte, wurde er nach Konstantinopel gebracht, wo er die unwürdigste Behandlung fand. 93 Tage lag er hier im Gefängnisse, dann wurde er vor das Gericht gestellt, von erkauften falschen Zeugen angeklagt, verurteilt, mit Mördern und gemeinen Verbrechern zusammen eingesperrt, seiner Kleider beraubt, Hunger und Kälte preisgegeben. Während der Papst im Gefängnisse lag und seiner Hinrichtung entgegensah, lag der Patriarch Paul II. auf dem Sterbebett. Als der Kaiser ihn besuchte und ihm mitteilte, wie man es dem Papste gemacht, kehrte sich der Unglückliche gegen die Wand und seufzte: „Wehe mir! auch das noch ist geschehen, um das Gericht gegen mich zu verschärfen!“ Daraufhin ließ der Kaiser zwar die Hinrichtung des Papstes fallen, den hl. Vater aber nach Cherson verbannen, wo er als Martyrer starb. Vom Kaiser aber war aller Friede gewichen; weder zu Hause noch im Felde konnte er Ruhe finden. Endlich wurde er zu Syrakus im Bade von seinem Kammerdiener ermordet. Dasselbe schmachvolle Ende, wie alle, welche den hl. Vater mißhandeln. Der Fluch Gottes trifft jeden.

Heinrich IV.

Aus diesen so deutlichen Strafgerichten Gottes sollten doch wenigstens die eigenen Kinder lernen, daß man nicht ungestraft mit dem Vater streiten darf. Aber selbst katholische Fürsten haben sich nicht gescheut, den hl. Vater zu beleidigen und sich Schmach und Gottes Fluch geholt. – So ein Musterbeispiel deutscher Nation war Kaiser Heinrich IV., der gegen den hl. Gregor VII. auftrat. Es war damals eine traurige Zeit. Die Sittenlosigkeit hatte allenthalben überhandgenommen, besonders in den höheren Kreisen. Während der Kaiser die geistlichen Pfründen förmlich verkaufte, saugten diese Pfründenbesitzer das Volk aus, um die eingezahlten Summen mit Zinsen wieder zu gewinnen. – Genau betrachtet finden wir aber gerade in jener schmutzigen Zeit einen hell-leuchtenden Beweis von der Göttlichkeit der hl. Kirche. Die Pforten der Hölle werden dich nicht überwältigen, hatte Christus Seiner heiligen Braut auf die Stirne geschrieben. Die Hölle hatte ihre Pforten zum ersten Male geöffnet in der dreihundertjährigen blutigen Verfolgung des Heidentums [d.h. durch das Heidentum]. Aber die Kirche ward nicht überwältigt, sie ging als Siegerin aus diesem langen und blutigen Kampfe hervor und baute aus den Trümmern der gefallenen heidnischen Tempel ihre herrlichen Basiliken. Zum zweiten Male öffnete die Hölle ihre Pforten und warf ein ganzes Heer von Irrlehrern und Lügenpropheten auf den Plan, um die Kirche Jesu mit ihren Irrlehren zu vernichten. Aber die Kirche siegte mit dem Schwert der Wahrheit durch ihre großen hl. Lehrer über die Irrtümer und erleuchtete die Völker. Nun suchte sie Satan im Schmutze der Laster zu ersticken. Wer die Macht der Leidenschaften, die Habsucht, die Fleischeslust und die Hoffart kennt, der wird diese große Gefahr für die Kirche in diesen Tagen verstehen. Aber gerade da zeigt der Herr seine Macht. Er rief den Zisterzienser-Mönch Hildebrand, als Papst Gregor VII. genannt, auf den Stuhl des hl. Petrus. Daß Gregor die Gesellschaft jener Zeit nicht, wie man sagt, mit Glacé-Handschuhen anfassen konnte, sieht wohl jedermann ein. Nur ein gewaltiges Gewitter konnte die verdorbene Luft von so faulen Dünsten reinigen; und es zuckten auch die Blitze der päpstlichen Exkommunikation und wie Donnerrollen dröhnte das Wort des siebenten Gregor über das aufwachende Europa erschütternd hin. Das gläubige Volk freute sich und die guten Elemente scharten sich um den Vater der Christenheit. Die Gottlosen knirschten vor Wut und hielten zum Kaiser. Dieser unterdrückte vor allem die Sachsen, verbannte ihre Häuptlinge und besetze deren Stellen mit seinen Kreaturen, schleifte die Burgen, drückte das Volk mit Abgaben und schonte selbst die Kirche nicht. In ihrer Not wandten sich die Sachsen an den gemeinsamen Vater um Abhilfe. Dieser lud den Kaiser nach Rom zur Verantwortung und zwar unter Androhung der Exkommunikation und Absetzung. – Heinrich berief seine Anhänger nach Worms und – ließ den Papst absetzen, schickte einen Gesandten namens Roland mit dem Schreiben nach Rom, wo der Papst gerade eine Synode versammelt hatte. Roland bedeutete den versammelten Vätern, sie hätten auf Pfingsten wieder zu erscheinen, um aus den geheiligten Händen des Kaisers einen neuen Papst zu empfangen, denn Gregor sei nicht ein Hirte, sondern ein reißender Wolf. – Aber es fehlte nicht viel, da wäre Roland nicht mehr lebendig zurückgekommen, wenn sich nicht Gregor um ihn angenommen und ihn geschützt hätte. Nun sprach der Papst wirklich den Bann über Heinrich aus, entband die Untertanen vom Eid der Treue und forderte die Fürsten auf, einen anderen König zu wählen. Heinrich lachte über die Exkommunikation. Als aber die deutschen Fürsten ernst machten und ihm erklärten, mit einem Exkommunizierten könnten sie keine weitere Gemeinschaft machen; er solle die Herrschaft niederlegen und sich nach Speyer begeben; zu Lichtmeß werde in Augsburg ein Reichstag abgehalten, auf dem auch der Papst erscheinen werde; da werde dann entschieden werden, ob er noch weiter König sein könne oder nicht: da ward ihm anders zumute. –

Um seine Krone zu retten, wollte er nun selbst nach Rom zum hl. Vater, um sich die Lossprechung zu erwirken. Die deutschen Fürsten, welche das merkten, hatten aber die Alpenpässe besetzt und so mußte Heinrich über ungebahnte Bergpfade wandern. Der Winter war ungemein streng, und man muß sich wundern, wie der Kaiser mit seiner Gemahlin unter solchen Gefahren nach Oberitalien kam. Hier nun erfuhr er, daß der Papst bereits auf dem Weg nach Augsburg und bei der Gräfin Mathilde in Canossa abgestiegen sei. Sofort ging Heinrich nach Canossa, um da die Lossprechung vom Papste zu erlangen. Dieser aber gab ihm zu verstehen, daß man in Augsburg darüber verhandeln werde und daß es nicht recht sei, ihn allein anzuhören, es müßten auch die deutschen Fürsten gehört werden, eine Forderung, die gewiß vernünftig und gerecht war. Da erschien Heinrich im Bußgewande und pochte mit Macht drei Tage an das Burgtor von Canossa, bis endlich der Papst auf Bitten der Gräfin Mathilde nachgab und ihn vorließ, ihn sogar auf seine Beteuerungen und Versprechungen hin lossprach. Aber gar bald sollte der Papst, der es aufrichtig gemeint, erfahren, wie wenig ernst es dem Kaiser mit seinen Versprechungen war. Er ging nicht einmal nach Deutschland zurück, sondern sammelte in Oberitalien ein Heer, um gegen den Papst zu kämpfen. Unterdeß wählten die deutschen Fürsten einen neuen König, Rudolf von Schwaben. Nun zog Heinrich nach Deutschland, sammelte seine Günstlinge und schlug Rudolf, dann ließ er als Gegenpapst Clemens III. wählen und zog nach Italien. Im dritten Jahre eroberte er einen Teil der hl. Stadt, führte seinen Gegenpapst ein und ließ sich von diesem zum Kaiser krönen. [Vorher war er König gewesen.] Gregor floh nach Salerno und starb daselbst mit den bekannten Worten: „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung.“

Scheinbar hat nun Heinrich gesiegt und der hl. Vater war unterlegen. Aber das hat Gott so zugelassen, um Seinen Diener zu prüfen. Auf Heinrich lag der Fluch des Himmels; er mußte es noch erfahren, daß man mit dem Vater nicht streiten darf. In Rom ward sein Clemens verjagt, in Deutschland empörte sich gegen den Vater sein Sohn Konrad, der aber bald starb. Die Stände wählten nun den zweiten Sohn, Heinrich V., zum König, der dann gegen den Vater zu Felde zog. Die Reichsstände fielen von dem alten Kaiser ab und zwangen ihn, das Reich an seinen Sohn abzutreten. Heinrich ward als Reichsfeind erklärt und floh nach Köln und dann nach Lüttich, wo er nach zwei Jahren im äußersten Elend starb. Otbert, sein Freund, ließ ihn feierlich im Dom bestatten, aber die Reichsfürsten ließen ihn, weil er im Kirchenbann gestorben [Heinrich IV. war von Gregor VII. erneut gebannt worden], wieder ausgraben. Seitdem stand die Leiche in einem Sarge unbeerdigt auf einer kleinen Insel der Maas, und ein mitleidiger Pilger aus dem hl. Lande sang täglich die Bußpsalmen für die Seelenruhe des unglücklichen Kaisers. Heinrich V. ließ die Leiche seines Vaters nach Speyer bringen, wo sie fünf Jahre in der ungeweihten Kapelle stand, bis der Papst endlich die Erlaubnis gab, sie zu beerdigen. So mußte der Kaiser schwer seine Frevel gegen den Vater der Christenheit büßen. Er hatte den hl. Vater verfolgt und wurde vom eigenen Sohn bekriegt; er hatte den hl. Vater in Verbannung gejagt – und wurde selbst in die Verbannung gestoßen, starb im Elend und konnte lange kein Begräbnis finden. Aber haben sich die deutschen Fürsten an seinem Unglück ein Beispiel genommen?

Friedrich II.

1215-1250 regierte Deutschland Friedrich II. Aufgewachsen unter verschmitzten Höflingen, voll unbändigen Stolzes und kühner Entwürfe besaß er eine seltene Verstellungskunst und aalglatte Gewandtheit. Er gedachte die Herrschaft über Italien zu gewinnen und als absoluter Monarch unbedingte Gewalt über Geistliche und Laien auszuüben. Solange er die Kaiserkrone noch nicht trug, machte er dem Papste viele Versprechungen. Ja, er war bereit, alles zu versprechen und zu geloben – und treulos und meineidig brach er bei günstiger Gelegenheit die feierlichen Eide. Das ist fürwahr ein trauriger Charakter, besonders bei einem Fürsten, der ein großes Volk zu regieren hat.

In jener Zeit waren die Christen im Morgenlande in großer Bedrängnis und die christlichen Besitzungen in äußerster Gefahr. Der Vater der Christenheit hatte natürlich auch ein Herz für seine Kinder im Morgenlande, wollte ihnen zu Hilfe kommen und predigte mit großem Eifer einen Kreuzzug. Alles war im Abendlande voll Begeisterung, die heiligen Stätten, die der Erlöser mit Seinem Blute geweiht, den Händen der Ungläubigen zu entreißen, die Christen im Morgenlande zu schützen. Man wartete auf den Kaiser. Mehrmals hatte er schon versprochen, den Kreuzzug zu führen, aber dies von einem Jahre auf das andere verschoben, so daß man bereits dem hl. Vater Vorwürfe machte, er sei Schuld an dem Unglück der Christen im Morgenlande, weil er den Kaiser nicht zwinge, sein Wort zu halten.

Nun drohte er dem Kaiser mit der Exkommunikation. Friedrich gelobte neuerdings innerhalb zweier Tage den Kreuzzug anzutreten, weil man sich erst auf ein so wichtiges Unternehmen vorbereiten müsse. – Diese Vorbereitung benützte er aber, die Geistlichen in Sizilien und die päpstlichen Untertanen schwer zu bedrücken; er verjagte die Bischöfe und den päpstlichen Legaten. Als Gregor IX. auf den päpstlichen Stuhl kam, drang er ernst auf einen Kreuzzug. In Unteritalien wartete schon ein gerüstetes Heer auf die Ankunft des Kaisers. Friedrich zögerte noch immer und unterhandelte insgeheim mit dem Sultan, daß dieser ja den Kreuzzug in sein Land nicht übel aufnehme. Endlich 1227 fuhr das Heer ab – aber nach 3 Tagen landete der Kaiser schon wieder in Otranto, angeblich weil er krank geworden sei und der ganze mit so schweren Opfern vorbereitete Zug löste sich wieder auf. Die Mehrzahl der Teilnehmer ging nach Hause. Alles war vereitelt. Die Christen im Morgenlande fanden keine Hilfe.

Nun sprach Gregor den Bann wirklich aus über Friedrich, und schilderte in seinem Schreiben die Wortbrüchigkeit, die Wollust und das tyrannische Schalten des Kaisers, - lud aber mit väterlicher Liebe denselben dringend ein, seine Frevel wiedergutzumachen und durch reuige Umkehr sich die Lossprechung zu verdienen. Aber der Kaiser antwortete mit Schmähschriften gegen den hl. Stuhl, forderte zur Abschüttlung des päpstlichen Joches auf und drohte den Geistlichen, die zum Papste halten würden, mit Einziehung ihrer Güter, ja suchte in Rom selbst eine Gegenpartei gegen den Papst zu gewinnen. Deswegen und wegen neuer Gewalttaten gegen die Bischöfe erneuerte der Papst den Bann und belegte den Aufenthaltsort des Kaisers mit dem Interdikt.

Nun trat Friedrich mit einem kleinen Heere seinen Scheinkreuzzug an, während er ein starkes Heer, in dem auch Sarazenen dienten, zur Bekämpfung des Papstes zurückließ. Im hl. Lande richtete er natürlich nicht viel aus, da es ihm ja gar nicht ernst war und er immer, besonders mit dem Sultan Kamel Unterhaltungen pflegte; darum war er auch in Palästina gemieden und verabscheut.

Später offenbarte er seine ganze grausame Natur. Er ließ die Anhänger und besonders die Verwandten des Papstes grausam mißhandeln, vertrieb die treuen Geistlichen, besonders die Mönche, von denen er je zwei wie Füchse zusammenbinden und verbrennen ließ. Selbst Bischöfe ließ er grausam hinrichten. Endlich war das Maß voll. Er erlitt vor Parma eine schwere Niederlage und starb zu Fiarentino 1250, nicht ganz 56 Jahre alt, an der Ruhr.

Was hatte er erreicht? Trotz aller Anstrengung und Schlauheit, trotz aller Treubrüche und Unterhandlungen mit Ungläubigen hatte er seinen Plan nicht erreicht. Er hatte den hl. Vater oft anzulügen und zu täuschen gesucht, hatte ihn schwer gekränkt und geschmäht; darum lag der Fluch Gottes auf allen seinen Unternehmungen. Er hatte kein Glück, und erst gar keine Ruhe, keinen Frieden des Gewissens und war von allen Guten gemieden und gehaßt. Sein Sekretär Petrus de Vineis wollte ihn vergiften und wurde von ihm ins Gefängnis geworfen und geblendet. Sein Sohn Enzio ward von den Belagerten geschlagen, gefangen gehalten, bis er im Gefängnisse hinsiechte und starb. Er selbst, der unglückliche Kaiser, starb, von den deutschen Fürsten, die einen anderen zum König gewählt hatten, seines Thrones verlustig erklärt, im fremden Lande. – Mit dem Vater darf man nicht streiten.

Nicht in Rom unter den heidnischen Kaisern, nicht in Konstantinopel unter den griechischen, nicht in Deutschland darf man ungestraft mit dem Vater streiten. Werfen wir nun einen kurzen Blick nach Frankreich – und wir werden sehen, daß es auch dort so ist.

Napoleon

Napoleon I. schwang sich durch sein großes Talent und die Kraft seines Geistes in den Tagen der Französischen Revolution nach mehreren Siegen als General der Armee an die Spitze der Regierung. Er hatte die Idee gefaßt, ganz Europa zu unterwerfen und allein zu beherrschen. Kein Mittel war ihm zu schlecht. Treulosigkeit und Gewalt wandte er an, brach Bündnisse und Verträge und gab sich wieder den Schein eines guten Katholiken, der für das Wohl der Kirche besorgt sei. Er sündigte schwer gegen den hl. Vater Pius VI., den er nach vielen zugefügten Kränkungen nach Valence transportieren ließ. Da man aber überall und besonders hier dem hl. Vater in seiner tiefen Demütigung die größten Huldigungen entgegenbrachte, wollte ihn der Kaiser weiterschaffen lassen. Aber der hl. Vater starb am 29. August 1799, im 25. Jahre seiner Regierung, im 82. seines Lebens.

Nach ihm wurde in Venedig Pius VII. gewählt. Anfangs kam ihm Napoleon freundlich entgegen, aber bald sollte der hl. Vater den Kelch der Leiden tropfenweise bis auf die Hefe leeren. Napoleon ließ durch seinen Legaten Cacoul mit dem Papst unterhandeln, wollte aber den Papst wie einen Fürsten behandelt wissen, der über 200.000 Bajonette zu verfügen hätte. Von der übernatürlichen Macht des Stellvertreters Christi scheint Napoleon keine Ahnung gehabt zu haben.

Als er gar Kaiser der Franzosen geworden, behandelte er den hl. Vater ganz wegwerfend. Zum Danke für die Krönung [eigentlich hatte Napoleon sich selbst gekrönt] fiel Napoleon bald in den Kirchenstaat ein, nahm Stück für Stück weg und ließ seine Soldaten in der Stadt der Päpste schrecklich hausen. Am 17. Mai 1809 ward Rom als kaiserliche Stadt erklärt; am 10. Juni verkündeten Kanonenschüsse von der Engelsburg das Aufhören der päpstlichen Herrschaft. Pius VII. ließ nun die Exkommunikationsbulle gegen Napoleon und seine Helfer expedieren, die auch trotz aller Vorsicht der Franzosen an drei Hauptkirchen Roms angeschlagen wurde und bald ihren Widerhall in ganz Europa fand. Napoleon lachte und spottete darüber, die päpstliche Bulle werde seinen Soldaten das Gewehr nicht aus den Händen reißen. Der Papst wurde gefangen genommen, nach Florenz und dann nach Savona geschleppt, wo er den Winter 1811/12 und das Frühjahr hindurch gefangen gehalten wurde, dann im traurigsten Zustand nach Fontainebleu gebracht, wo ihn Napoleons Kreaturen mürbe machen sollten. Da griff Gott ein und Napoleon bekam die erste deutliche Mahnung, daß man mit dem Vater nicht streiten dürfe.

Er hatte seinen großen Feldzug gegen Rußland unternommen, mußte zurückweichen, und das in einem Winter, welcher so streng war, daß seinen Soldaten buchstäblich die Gewehre aus den erfrorenen Händen fielen, die ganze Armee sich auflöste und er selbst nur mit genauer Not entkam. Aber Napoleon wollte die Mahnung Gottes nicht begreifen und setzte seine Intrigen und Quälereien gegen den hl. Vater fort, den er noch immer gefangen hielt. Er nahm ihm seine treuen Freunde und Berater und setzte dem todmatten Greis mit aller Gewalt zu, daß er ein Konkordat unterschrieb, das ihn nachher bitter reute und das er sogleich als erzwungen und ungültig widerrief. Der hl. Vater war so krank geworden, daß man ihn mit den hl. Sterbesakramenten versah und Vorkehrungen für eine neue Papstwahl traf.

Da war das Maß auch bei Napoleon voll und die Wirkung der Exkommunikation trat ein. Napoleon ward geschlagen in Spanien und in Deutschland. Der Papst war befreit und hielt seinen glänzenden Einzug in seiner hl. Stadt. Napoleon aber mußte abdanken und ward gefangen auf die Insel Elba gebracht. Von da aus war er wohl eines Tages entflohen, erschien plötzlich in Frankreich und zog am 20. März 1815 als Kaiser in Paris ein. Aber es waren ihm nur noch hundert Tage Regierung vergönnt, dann wurde er bei Waterloo von Blücher und Wellington geschlagen und gefangen auf die Insel St. Helena gebracht, wo er 5 und ein halbes Jahr gefangen gehalten wurde. Die letzten 4 Jahre kränkelte er fast immer und ein beständiges Erbrechen schwächte ihn sehr. Endlich starb er unter einem fürchterlichen Sturm am 5. Mai 1821 am Magenkrebs fern vom Vaterland, als Gefangener auf seiner einsamen Insel.

Bei diesem Manne liegen die sonst so verborgenen Gerichte Gottes offen zutage. Er hatte sich an dem hl. Vater vergriffen und ihn im Schlosse Fontaineblau zwingen wollen, auf den Kirchenstaat, das Gut des hl. Petrus zu verzichten. In demselben Schlosse wurde Napoleon wirklich gezwungen, auf das angemaßte Kaiserreich zu verzichten.

An zwei Orten hielt Napoleon den hl. Vater gefangen; zuerst in Savona und dann in Fontainebleu. Gott ist gerecht. An zwei Orten, auf Elba und St. Helena ward Napoleon, aber viel gedemütigter, gefangen gehalten. In Savona hielt Napoleon den hl. Vater kürzere Zeit und milder, in Fontainebleu länger und strenger gefangen. Mit demselben Maße wurde ihm ausgemessen. In Elba war er kürzer und milder, in St. Helena länger und strenger gefangen gehalten worden. Sieben Jahre hatte er den Vater der Christenheit gefangen gehalten und zu stürzen gesucht; sieben Jahre mußte auch er in der Gefangenschaft schmachten und schmerzlich zu Grabe gehen. Er, der den Felsen Petri stürzen wollte, wurde selbst auf eine Felseninsel gleichsam angeschmiedet und am Namenstag des Papstes (5. Mai) vor Gottes Gericht gestellt. So hat auch der gewaltige Napoleon an sich erfahren, daß man mit dem Vater nicht streiten darf.

Rom

Und nun kehren wir wieder nach Rom zurück, von wo wir ausgegangen sind, um da recht deutlich zu lernen, daß man mit dem Vater nicht streiten darf. Vor 25 Jahren haben die Italiener den hl. Vater bekriegt und endlich auch seine Stadt Rom erobert und ihn gefangen gehalten in seinem Palast. Pius IX. war damals auf dem Stuhl des hl. Petrus. Als er sah, daß die Übermacht der Feinde zu groß sei, gab er, um unnützes Blutvergießen zu verhindern, seinen Soldaten den Auftrag, die Waffen niederzulegen. Die Italiener verlangten, daß die Waffen ausgeliefert würden – und gaben sie später ihrem „guten Freund“, dem König Menelik in Afrika. 25 Jahre verfolgten sie den hl. Vater auf alle Weise. 25 Jahre flehten die braven Katholiken, Gott möge doch dem hl. Vater wieder die Freiheit geben. Aber die Feinde durften sogar das 25-jährige Jubiläum ihrer Bosheit feiern. Und fürwahr, sie trieben es arg. Nun aber scheint das Maß voll zu sein. Italien ist trotz des Kirchenraubes, ja gerade deswegen verarmt und steht vor dem Staatsbankrott, das Volk ist überall unzufrieden und die allgemeine Revolution droht sich über das ganze Land auszubreiten. Ein großes Heer der Italiener ist in Afrika, von Halbwilden – unter Führung des „Freundes“ Menelik geschlagen und aufgerieben – und merkwürdig: die Kugeln, welche Tod und Verderben in die Reihen der Italiener trugen – kamen auch aus Gewehren, die man den päpstlichen Soldaten abgenommen und dem „guten Freund“ Menelik zum Geschenk gemacht hatte! Wie es noch weiter geht, kann die nächste Zukunft lehren.

Gottes Mühlen mahlen langsam; Langsam, aber trefflich fein. Was Er durch die Zeit versäumet, Holet Er durch Schärfe ein.

Italien wird es noch erfahren und wir werden es sehen: Mit dem Vater darf man nicht streiten.

Ob die Feinde der Kirche wohl einmal zur Einsicht kommen? Wir glauben es nicht. Gewisse Kreise lernen nichts aus der der Geschichte. Aber wir als treue Katholiken wollen die Augen offen halten bei den Gerichten des Herrn; abseits vom Lager der Feinde wollen wir fleißig beten, Gott möge bald den hl. Vater den Triumph der Kirche schauen lassen, daß auch wir uns dann aus ganzem Herzen mit ihm freuen dürfen. –

(Text aus: „Die heilige Familie. Monatsschrift für die christliche Familie“, IV. Jahrgang. Hrsg. von Clemens Schlecht. Freising. Verlag Dr. Franz Paul Datterer. 1896)

Ob die Feinde der Kirche wohl einmal zur Einsicht kommen? Wir glauben es nicht. – eine deprimierende, aber leider nur allzu sehr zutreffende Befürchtung. Wer einmal Hand an den hl. Vater gelegt hat, der überschreitet jederzeit die von Gott gesteckte Grenze. Er vergißt einfach, wer der hl. Vater ist und behandelt ihn wie jeden anderen Menschen auch. Selbst viele Traditionalisten, Konservative und letztlich alle Modernisten haben Hand an der hl. Vater gelegt. Das sind alles „Katholiken“, die darum ganz selbstverständlich meinen: Mit dem Vater darf man immer streiten, auf jeden Fall immer dann, wenn er ein schlechter Vater ist! Sie haben keinerlei Bedenken mehr, dem von Gott eingesetzten Oberhaupt ihrer Kirche systematisch und beharrlich den geschuldeten Gehorsam zu verweigern, selbst wenn das Dogma und die ganze Kirchengeschichte gegen sie spricht.

Papa a nemine iudicatur, nisi deprehendatur a fide devius

Prof. Dr. Rolf Decot erklärt in seinem Werk, „Die Kirche im Spätmittelalter (Konziliarismus und Reformkonzilien)“ in §6 „Das Problem des Konziliarismus im Spätmittelalter“ hierzu:

„b) Kirchenverfassung und ‚häretischer Papst‘.

Der Rechtsgrundsatz ‚prima sedes a nemine iudicatur‘ [der Stuhl Petri wird von niemand gerichtet] ist seit dem 5. Jhd. nachweisbar. Ausnahmen von der Gültigkeit dieses Satzes gab es für den Fall der Häresie eines Papstes. Daher entwickelte sich der Rechtsgrundsatz weiter zu der Form: ‚Papa a nemine iudicatur, nisi deprehendatur a fide devius‘. [Der Papst wird von niemand gerichtet, außer er weicht vom rechten Glauben ab]. So wird dieser Satz bereits von Papst Hadrian II. (867-872) anerkannt und endgültig von Kardinal Humbert (+1061) promulgiert. Durch Kardinal Deusdedit, Ivo von Chartres und Gratian fand dieser Rechtsgrundsatz Eingang in die kirchliche Kanonistik und wurde von den Dekretisten immer wieder eifrig kommentiert. Die Vorstellung findet sich in dem berühmten Kanon Si papa.“

Der einzige Grund, der es möglich macht, den Papst zu richten, ist sein Abfall vom katholischen Glauben. Denn sobald er vom Glauben abgefallen ist, verliert er sein Amt und hat damit nicht mehr die oberste Gerichtsbarkeit in der Kirche inne.

Im Band II. Seite 436, Fußnote 2 seiner Dogmatik stellt J.B. Heinrich fest: „Endlich kommt hier der sehr allgemein anerkannte, in´s Corpus juris canonici – Can. Si Papa dist. 4.c.6 – aufgenommene Grundsatz in Betracht, daß der Papst, wenn er persönlich in Häresie falle, eo ipso seines Amtes verlustig sei und von der Kirche gerichtet werden könne.“

Es ist somit ein von den Theologen allgemein anerkannter Grundsatz, daß ein Papst, der persönlich in Häresie fällt, damit eo ipso (also schon durch die Tat selbst, ohne richterlichen Spruch) seines Amtes verlustig geht und deswegen auch von der Kirche gerichtet werden kann. Heinrich erinnert daran, daß dieser Grundsatz seit Jahrhunderten im Kirchenrecht verankert ist!

Das kümmert freilich die Traditionalisten, Konservativen und Modernisten wenig, sie halten fest an ihrem schlechten Vater, dem sie jederzeit tapfer widerstehen können. Für diese gilt ebenfalls, was der Autor unseres Textes hervorhebt: Gewisse Kreise lernen nichts aus der der Geschichte. Wir haben schon oft darauf hingewiesen, daß diese Leute eifrig bei den Irrlehrern abschreiben und deren gefälschte Geschichtsschreibung übernehmen, weil die Irrlehrer genauso wie sie selbst der festesten Überzeugung sind: Mit dem Vater kann man nicht nur, sondern muß man sogar streiten, wenn man anderer Meinung ist als er. Wir Katholiken wissen, das ist ganz und gar falsch! Ja, es ist nicht nur falsch, sondern fordert die Gerechtigkeit Gottes heraus.

Es sei hier extra nochmal hervorgehoben: Wir Katholiken widerstehen nicht den Päpsten, sondern wir treten den Scheinpäpsten aufs Schärfste entgegen, also jenen Männern, die schon lange aufgrund ihres Abfalls vom katholischen Glauben ihr Amt verloren haben und deswegen sich nur widerrechtlich „Papst“ nennen, es aber nicht sind. Diese verbreiteten und verbreiten seit Jahrzehnten weltweit eine neuheidnische Religion und verführen alle ihre Anhänger zum Götzendienst. Sämtliche Kirchen sind durch eine neuheidnische Mahlfeier entweiht, der Greuel der Verwüstung an hl. Stätte ist überall zu sehen. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Sollte es für einen Katholiken nicht selbstverständlich sein, daß er einem Glaubenszerstörer und Kirchenzerstörer nicht das Papstamt zuerkennt?

Es sei nochmals daran erinnert, was Fenelon dazu schreibt: „Wenn der Apostolische Stuhl jemals etwas Häretisches definieren und der Kirche zu glauben vorschreiben würde, so wäre er, so lange er diese Definition, welche eine Pest und Ansteckung für die ganze Kirche wäre, nicht zurücknähme, keineswegs das die Glieder bestärkende Haupt, sondern selbst ein krankes gefallenes Glied, das von den anderen zurechtgewiesen und geheilt werden müßte. In diesem ganzen Zeitraum würde der Nachfolger Petri nicht Christi, sondern in Wahrheit des Antichristen Stellvertreter sein: denn er würde die Völker nicht den Glauben Christi lehren, sondern sie zum Abfall von dem Glauben Christi verführen; daher wäre er in dieser Zeit nicht der Vater und Lehrer aller Christen, sondern der Verführer der Völker und Lehrmeister des Irrtums.“

Diese Männer sind in der Tat kein Segen für die Kirche, nicht dessen Felsen-fundament des unverrückbaren Glaubens, sondern eine Pest und Ansteckung für die ganze Kirche, sie sind keine Lehrer der Wahrheit für alle Christen, sondern der Verführer der Völker und Lehrmeister des Irrtums. Ja noch mehr, in diesem ganzen Zeitraum würde der Nachfolger Petri nicht Christi, sondern in Wahrheit des Antichristen Stellvertreter sein.

Den Stellvertreter des Antichristen für den legitimen Papst der Kirche Jesu Christi zu halten, das ist schon eine Extradummheit, so müßte man meinen. Um das fertigzubringen, muß man sich schon inmitten eines theologischen Scherbenhaufens befinden, so daß man nicht mehr weiß, was denn nun eigentlich die eine heilige katholische und apostolische Kirche von allen anderen Religionen unterscheidet. So hält man diese neuheidnische Religionsgemeinschaft um Rom tatsächlich für die Kirche Jesu Christi. Kaum zu glauben, aber dennoch wahr.

Es sind nur noch sehr wenige, die sich ihr katholisches Gespür inmitten des modernistischen Wahnsinns bewahrt haben. Gott aber wacht über seine kleine Herde, über den hl. Rest, der vor Baal seine Knie nicht gebeugt hat. Er wird auch, wenn es Zeit ist, Gericht über diese Pseudokirche halten und alles an den Tag bringen, wie schon so oft in der Geschichte der Kirche. Dann wird sich wieder einmal als wahr erweisen: Mit dem Vater darf man nicht streiten! Wir als treue Katholiken wollen die Augen offen halten bei den Gerichten des Herrn, abseits vom Lager der Feinde wollen wir fleißig beten.

Das ist wohl unsere bedeutsamste Aufgabe. Wo alle menschlichen Mittel versagen, das bleibt uns nur noch das Gebet, die flehentliche Bitte an unseren Herrn Jesus Christi: HERR, rette DU!