Zu Weihnachten gehören Geschichten. Echte Weihnachtsgeschichten bringen in irgendeiner Weise das weihnachtliche Geschehen ins Wort. Sie versuchen, den Leser vom Äußeren und Sichtbaren zum Unsichtbaren zu erheben, wie es so unaussprechlich tief in der Präfation der Weihnachtszeit heißt: „Denn die geheimnisvolle Menschwerdung des Wortes zeigt dem Auge unseres Geistes das neue Licht Deiner Herrlichkeit; indem wir Gott so mit leiblichem Auge schauen, entflammt Er in uns die Liebe zu unsichtbaren Gütern…“
Habe geträumt von einem Stall – ganz weit draußen inmitten des Waldes. Ein ganz alter Stall, halb verfallen wir unsere Menschenwelt, aber dennoch in der größten Not als ein Unterschlupf tauglich.
Und tatsächlich, ein Mann und eine Frau hatten sich in dem Wald verirrt und freuten sich, als sie den alten Bretterverschlag entdeckten. Immerhin bot er ein wenig Schutz vor Wind und Kälte und Schnee. Der Mann zog fest an der alten Türe, die sich tatsächlich noch öffnen ließ, ohne auseinanderzufallen. Eilig machte er drinnen etwas Platz für die Frau, daß sie sich wenigstens niedersetzen konnte. Von dem langen Weg war die Frau nämlich sehr erschöpft, aber zugleich war sie überglücklich, denn sie erwartete ein Kind. Ach was, ein Kind, sie erwartete die Geburt des Sohnes Gottes. Wer kann sich da genügend freuen?
Schon neun Monate spürte sie das Geheimnis unter ihrem Herzen, der ewige Sohn des himmlischen Vaters wollte ein Menschenkind werden. Zu diesem Wunder hatte Er sie auserwählt, auserwählt Mutter Gottes zu werden, auserwählt dem Sohn Gottes wahre Mutter zu sein. Wer kann eine solche Würde begreifen?
Graduale der ersten Weihnachtsmesse: „Dein ist das Königtum am Tage deiner Macht; ich habe dich aus mir gezeugt im Glanze der Heiligkeit, schon vor dem Morgenstern. … So spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten, und ich lege deine Feinde dir als Schemel zu Füßen“ (Ps. 109, 3 u. 1)
Die verschlungenen Wege der göttlichen Vorsehung
Und nun waren sie durch die Launen des Geschicks hier in der Einsamkeit gestrandet, fern von den Menschen, fern von irgendeiner Hilfe. Das waren die verschlungenen Wege der göttlichen Vorsehung. Maria wunderte sich schon lange nicht mehr über diese, denn ihr Leben war voller solcher Überraschungen. Mit ihrem wunderbaren lebendigen Glauben begriff sie es spontan: Es mußte ein Stall sein. So hat es die ewige Weisheit – die gepriesen sei in Ewigkeit! – beschlossen. Kein Ort auf der ganzen Welt war also geeigneter als Geburtsort des Sohnes Gottes als dieser.
Maria wurde es ganz wundersam hell in ihre Seele bei diesem Gedanken. Sie kam aus dem Staunen und Danken nicht mehr heraus. Natürlich wußte sie – anders als unsere modernistischen Theologen und ungläubigen Wissenschaftler: Ihm gehört die ganze Welt. Ihm gehorcht die ganze Welt. Jede Schneeflocke, jeder Baum, jeder Regenwurm, jede Maus, jeder Berg, alle Meere – alles gehorcht Seinem allmächtigen Wort.
Das Überraschende ist nun, Er tut scheinbar nichts in dieser unserer Welt! Es ist kalt und es schneit und es zieht durch die Ritzen der Hüttenwand. Dennoch ist alles göttliche Vorsehung. Diese macht die alte Bretterhütte zum Wunderstall – so wie er ist. Das ist wohl das erste Wunder, das man begreifen muß, will man die anderen verstehen lernen.
Evangelium der ersten Messe: „Und dies soll euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gehüllt und liegend in einer Krippe.“
Es war schon so, dieses Zeichen der göttlichen Vorsehung hat Generationen über Generationen spontan überzeugt. Darum kam es, daß dieser Stall fortan nicht nur in Bethlehem zu finden war. All die Jahrhunderte hindurch war er immer wieder da und dort – überall, wo Menschen guten Willens sich fanden. Darum ist etwas zutiefst Wahres an den Weihnachtsgeschichten, die den Stall von Bethlehem überall hinversetzen – denken wir nur an unseren Stall inmitten des Waldes. Ganz weit draußen steht er, weit weit draußen, weil die Menschen so unvorstellbar weit weg sind vom göttlichen Kind.
Aber kehren wie zurück in die Einsamkeit des Waldes, zurück in die alte Hütte. Der hl. Josef hat, so gut es ging, sauber gemacht. – Wer weiß, ob ihm nicht doch heimlich die hl. Engel geholfen haben, wenn er gerade nicht hingeschaut hat. Jedenfalls dachte der hl. Josef am Ende seiner Putz- und Aufräumaktion ganz verwundert: Das ist aber flott gegangen. Er hat so etwas wie eine Schlafmöglichkeit geschaffen, auch wenn zunächst an Schlaf gar nicht zu denken war. Schließlich wird die Gottesmutter ihm zu verstehen gegeben haben, daß nun alles recht ist.
Die Nähe Gottes wurde immer greifbarer. Josef zog sich zurück, um Maria mit ihrem Geheimnis allein zu lassen. Diese ward ganz ganz tief ins Gebet versenkt; ein Gebet, angefüllt mit der ganzen Sehnsucht des Alten Bundes. Alle Patriarchen und Propheten erhoben noch einmal in ihr ihre flehentliche Stimme, daß endlich der Messias kommen soll. Ihr Mutterherz flehte um die göttliche Gnade für die ganze Welt. Mit einem Mal wurde sie entrückt und alles strahlte wie die Sonne – ach was, wie die Sonne, wie tausend Sonnen! Josef erschrak ein wenig vor einer solchen Fülle des Lichts und des Glücks. Es war ihm, als wäre die ganze himmlische Seligkeit auf diese alte Hütte herabgekommen…
Introitus der zweiten Weihnachtsmesse: „Ein Licht erstrahlet uns heute, denn geboren ist uns der Herr! Sein Name ist: Wunderbarer! Starker Gott! Friedensfürst! Vater der kommenden Welt! Sein Königtum wird sein ohne Ende… Der Herr ist König, gekleidet in Hoheit! In Hoheit hat der Herr sich gekleidet, gegürtet mit Macht…“ (Is. 9, 2 u. 6).
Zwei Herzen in vollkommenem Gleichklang
Als Maria aus ihrer wunderbaren Entrückung erwachte, lag das göttliche Kind vor ihr. Da meinte die Mutter, ihr Herz müsse vor Glück zerspringen. Es ist ja wahr, Jesus ist das schönste aller Menschenkinder. Maria verneigte sich ganz tief, um den Sohn des ewigen Vaters anzubeten. Dann erst nahm sie ihn auf ihre Arme und drückte Ihn an ihr unbeflecktes, reinstes Herz. Das Glück dieses Augenblicks läßt sich mit Menschenworten nicht beschreiben. Maria schenkte sich nochmals ganz Gott hin, wie sie es bei der Verkündigung getan. Ihr Wille verschmolz noch mehr mit dem allheiligen Willen Gottes. Sie wollte Jesus immer dienen: Und jeder Pulsschlag soll Dir sagen, Herz Jesu für Dich ganz allein! … Jesus und Maria, das war nun nur noch ein Herz, so vollkommen im Gleichklang waren fortan diese beiden Herzen.
Oration der zweiten Weihnachtsmesse: „Durchflutet vom neuen Licht deines Wortes, das Fleisch geworden, bitten wir dich, allmächtiger Gott: dieses Licht, durch den Glauben entzündet in unseren Herzen, strahle wider in unserem Leben: Durch unsern Herrn…“
Später rief Maria den hl. Josef. Auch dieser verneigte sich ganz tief vor dem Kind und betete den Sohn des ewigen Vaters voller Freude und tiefster Ehrfurcht an. Oh, wie unbeschreiblich glücklich war da auch der hl. Josef! Maria legte ihm das Kind in seine Arme. Fast ein wenig unbeholfen nahm er es entgegen. Aber dann wurde sein Griff wieder fest: „Ich werde immer für Dich da sein, göttliches Kind!“ Josef war ein Mann weniger Worte, aber von treuer, fester Tat. Der Gedanke ergriff den hl. Josef ganz tief, daß der Sohn Gottes einen Beschützer brauchte - und er sollte und wollte dieser Beschützer sein…
Introitus der dritten Weihnachtsmesse: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt! Auf seiner Schulter ruhet das Reich! Sein Name ist: Bote des göttlichen Rates“ (Is. 9, 6). „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn Wunderbares hat er getan…“ (Ps 97, 1).
Weil der Stall draußen im Wald gar so hell leuchtete, wurden die Menschen in der ganzen Gegend aufmerksam. Zunächst meinten sie, der ganze Wald würde brennen. Aber schnell erkannten sie, das war kein Feuerschein, das war Licht vom Himmel. All diejenigen, die wenigstens noch etwas Glauben in ihrem Herzen hatten, erkannten das göttliche Zeichen und gingen in sich. Der eine sprach zum anderen über die Hoffnung Israels, den kommenden Messias, den Gott ihnen senden wollte. Schließlich machten sie sich voller Sehnsucht auf dem Weg. Denn öde war die Menschenwelt geworden und alles Glück war unter der Last der Sünde verwelkt. Nein, das Leben war nicht schön, wenn alles Glück unter der Last der Sünde verwelkt ist.
Die alte Waldhütte leuchtete immer noch so hell, daß sie allen sicher den Weg wies. Als das Licht im Wald immer heller wurde, erkannten die nächtlichen Pilger, hier ist das Wunder geschehen und sie ahnten es, Gott hat sich endlich unser erbarmt. Da eilte die fröhliche Schar schneller werdend zur Hütte, denn alle wollten endlich das Erbarmen Gottes schauen.
Erschienen ist dem Menschengeschlecht das ewige Heil
Oration der dritten Weihnachtsmesse: „Allmächtiger Gott und Vater, du siehst, wie die alte Knechtschaft der Sünde unter ihrem Joch uns gefangenhält: gib, daß deines Eingeborenen neue Geburt im Fleische uns Freiheit erwirke: Durch unsern Herrn…“
Maria und Josef hatten noch lange das Kind angebetet und sodann ein wenig geruht, als es an die Türe klopfte. Zunächst leise, zaghaft, dann immer etwas lauter. Josef ging zur Türe: „Ja, der Heiland der Welt ist in dieser Nacht geboren worden“, erklärte er kurz und führte die Leute zur Krippe, in der das Kind himmelsselig schlief. Jeder wollte das Kind anschauen und anschauen und anschauen. Da kam man an gar kein Ende mit dem Schauen und jeder war von dem göttlichen Kind bezaubert. Die Menschen guten Willens aber hörten in ihrem Herzen ganz neue Worte, Worte des göttlichen Trostes und der Ermutigung: „Hab keine Angst mehr. Jetzt bin Ich da und werde Eurer Erlöser sein.“ Jeder hört diese Worte etwas anders, jeder erlebt ja auch die Weihnachtsgnade ganz gemäß seiner eigenen Seelenstimmung.
Hl. Evangelium der Hirtenmesse: „Als sie es sahen, da verkündeten sie, was ihnen von diesem Kinde gesagt worden. Und alle, die es hörten, wunderten sich über das, was die Hirten ihnen erzählten. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten zurück, und sie priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war.“
Heute ist der Tag der neuen Erlösung
Ergänzen wir das Gehörte noch ein wenig mit Texten des Kirchlichen Stundengebets:
„Heute hat sich der König des Himmels gewürdigt, für uns geboren zu werden aus der Jungfrau, um den verlorenen Menschen zum himmlischen Reich zurückzurufen. Es freut sich der Engel Heer. Denn erschienen ist dem Menschengeschlecht das ewige Heil. Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen guten Willens. Es freut sich der Engel Heer. Denn erschienen ist dem Menschengeschlecht das ewige Heil. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist! Heute ist uns der wahre Friede vom Himmel gestiegen. Heute sind die Himmel honigfließend geworden über aller Welt. Heute ist uns der Tag der neuen Erlösung, der alten Vergeltung, des ewigen Glückes aufgeleuchtet.“
Diese Worte sprechen von der überfließenden Freude der hl. Weihnacht: Es freut sich der Engel Heer. Denn erschienen ist dem Menschengeschlecht das ewige Heil. Er hat durch Sein Kommen unsere Menschenwelt verwandelt, denn mit Ihm ist der wahre Friede vom Himmel gestiegen. Der wahre Friede, das ist der Friede mit Gott. Dieser Friede wurde von der Sünde zerstört und konnte darum nur durch den göttlichen Erlöser wiedergeschenkt werden.
Kann man es schöner ausdrücken, was in der Heiligen Nacht geschieht? Heute sind die Himmel honigfließend geworden über aller Welt. – Kommt und seht, wie süß der Herr schmeckt! Jeder von uns sollte von dieser Tatsache etwas erspüren in den Weihnachtstagen. Das göttliche Licht muß unsere Herzen hell machen, denn nur dann erkennen wir das wahre Licht, das uns im Jesuskind entgegenleuchtet…
Lesung der dritten Weihnachtsmesse: „Vielfach und auf mancherlei Weise hat Gott einst durch die Propheten zu den Vätern geredet. Zuletzt hat er in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er zum Erben des Weltalls eingesetzt, durch den er die Welt auch erschaffen. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens, er trägt das Weltall durch das Wort seiner Allmacht. Er sitzet zur Rechten der Majestät in der Höhe, nachdem er uns von unsern Sünden gereinigt“ (Hebr. 1, 1-3).
„Denkt euch nur: Gott ist ein Mensch geworden!“
Es war in der Weihnachtszeit. Eine ganz einfache Klosterfrau dachte viel über das Wunder der hl. Weihnacht nach. Während dieses Nachsinnens überwältigte sie auf einmal der Gedanke: Gott der Unendliche, der Allmächtige, der das ganze All geschaffen hat und von dem jegliches Leben kommt, ist ein Mensch geworden. Es überkam sie plötzlich eine solche inwendige Freude, daß sie nicht mehr recht wußte, wohin mit dieser Freude und was sie tun sollte. Schließlich lief sie zur Konventglocke, die sonst die Schwestern zu den gemeinsamen Gebeten zusammenrief, und läutete, läutete, läutete aus Leibeskräften. Die anderen Schwestern waren selbstverständlich vollkommen überrascht über das Läuten außer den gewohnten Zeiten und liefen bestürzt zusammen. Sie fragten die Schwester ganz aufgeregt: „Was ist los? Was gibt es denn? Was ist Schlimmes passiert?“ Da gab die Klosterfrau zur Antwort: „Stellt euch vor, Gott ist ein Mensch geworden. Er, der Allmächtige ist ein Kind geworden.“ Die anderen verstanden zunächst gar nicht, was sie sagen wollte. Aber die Schwester antwortete auf alle weiteren Fragen oder gar Verdächtigungen immer wieder: „Denkt euch nur: Gott ist ein Mensch geworden!“
Schlußgebet der dritten Weihnachtmesse: „Heute ist uns geboren der Heiland der Welt, durch den wir geboren sind zum göttlichen Leben; verleihe, allmächtiger Gott, daß er uns einst die Gabe der Unsterblichkeit schenke: Der mit dir lebt…“
Da verschlägt es einem doch den Atem: …durch den wir geboren sind zum göttlichen Leben… Möge jeder Leser von dieser unbändigen Weihnachtsfreude erfüllt werden: „Denkt euch nur: Gott ist ein Mensch, Er ist ein Kind geworden!“