Der Katholik und das Sechstagewerk

Wenn man sich im deutschen Blätterwald umschaut oder auch auf deutschsprachigen Internetseiten, so muß man feststellen, daß unsere Schriften eine Ausnahme bilden. Man findet zwar auch konservative und traditionelle Artikel, die in manchen Themen dasselbe Anliegen formulieren, aber nicht als etwas Ganzes. Gemäß unserer Einsicht ist es für einen Katholiken notwendig, daß er wesentlich ein Antimoderist ist und nicht nur beiläufig. Diese Notwendigkeit ergibt sich zwingend aus dem vollkommenen Widerspruch, der zwischen dem modernistischen Denken und der katholischen Wahrheit besteht. Dieser Widerspruch wurde einst vom hl. Papst Pius X. in seiner Enzyklika „Pascendi“ ausgiebig dargelegt und im Antimodernisteneid formuliert.

Schon lange vor dem sog. 2. Vatikanum war die Ablegung dieses Eides zu einer bloßen geistigen Sportübung verkommen, und zurückblickend fragt man sich: Wie war es möglich, daß alle Priester der katholischen Kirche diesen Eid ablegten und dennoch die meisten von ihnen Modernisten waren? Wir haben uns schon einmal Gedanken über „Die Generation der Meineidigen“ gemacht, diese Priester und womöglich späteren Bischöfe, die frech erklärten: „Wir scheiden nicht aus der Kirche; dieses Vergnügen machen wir dem Papste nicht. Wir bleiben in der Kirche, aber um das Papsttum zu zerstören“, wie es im Journal de Genève [Zeitung von Genf] vom 8. Nov. 1907 zu lesen war.

Eine sündige Kirche

Wir möchten daran erinnern, was „Kardinal“ Döpfner im Dezember 1965, also kurz nach dem sog. 2. Vatikanum zu seinen Seminaristen vor Ablegung des Antimodernisteneides gesagt hat, wie der damalige Diakon Peter Neuner in seinem Vortrag „Vor 100 Jahren: Einführung des Antimodernisteneides“ vom 1.9.2010 berichtete: Es gehe weniger um Einzelinhalte und Verurteilungen, diese seien von primär historischem Interesse. Dagegen sollten wir festhalten, dass wir uns auf eine Kirche einlassen, die sehr wohl auch Grenzen und Fehler hat. Wir könnten uns nicht eine ideale Kirche selbst stricken, sondern wir verpflichten uns auf eine konkrete Gemeinschaft, die nicht nur eine Gemeinschaft der Heiligen, sondern sehr wohl auch der Sünder sei. Von uns werde die Solidarität mit einer immer auch sündigen Kirche verlangt. Wer diese nicht zu ertragen vermöge und sich nur in einer idealen Kirche bewegen wolle, sei fehl am Platz.

Aus den Worten des „Kardinals“ ersieht man, daß damals schon alle maßgeblichen Entscheidungen getroffen worden waren: Aus der wahren und einzigen Kirche, der makellosen Braut Jesu Christi, war die sündige Kirche geworden, und wer immer noch an einer idealen, also irrtumslosen und heiligen Kirche festhalten wolle, der sei fehl am Platz. Es ist doch ein wenig verblüffend festzustellen, daß damit zugleich die Ansicht vieler heutiger Traditionalisten wiedergegeben wird, die ebenfalls ständig von einer sündigen Kirche daherschwafeln und nicht von einer heiligen Kirche, in der es selbstverständlich auch Sünder gibt.

Eine Oase des Lichts?

Außerdem sollte man sich ab und zu in Erinnerung rufen, daß damals zwar alle Bischöfe weltweit Papst Pius X. für seine mutige Tat im Kampf gegen diese gefährliche Irrlehre dankten, aber zugleich unisono feststellten, bei ihnen gäbe es – Gott sei Dank! – keine Modernisten, worüber der Modernist Tyrrell ganz zurecht spottete: Jeder Bischof sehe seine Diözese als Oase des Lichts, die in der Wüste vor der ägyptischen Finsternis bewahrt geblieben sei, so daß es offensichtlich „in der ganzen Welt so etwas wie den Modernismus nicht gibt“. Wenn man nur an die kurzen Lebensskizzen denkt, die wir in unserer Zeitschrift über Henri de Lubac und Teilhard de Chardin zusammengestellt haben, ist man doch mehr als verblüfft. Denn beide berichten davon, daß sie im Seminar in einem ganz modernistischen Geist erzogen worden sind, daß die verbotenen Bücher der Modernisten ganz selbstverständlich unter den Hand gelesen wurden und die von Rom gemaßregelten Irrlehrer höchstes Ansehen genossen. Dabei waren sicher nicht allein die jesuitischen Seminare von diesem verderblichen Geist angekränkelt, wie sich übrigens mit der Zeit überdeutlich zeigte. Peter Neuner hatte in seinem Vortrag von 2010 ganz recht, wenn er feststellte:

„Doch genau die in all diesen Stellungnahmen [der Bischöfe] vorausgesetzte enge Umschreibung des Modernismus wollten die Berater des Papstes verhindern. Sie waren bestrebt, den Modernismusvorwurf möglichst uneingeschränkt gegenüber allem erheben zu können, was von der neuscholastischen Tradition abwich. Die Enzyklika stellte den Modernismus als ein unteilbares Ganzes dar, um zu zeigen, dass jeder, der in irgend einem Bereich der Philosophie oder der Theologie oder der kirchlichen Organisation eine als modernistisch verurteilte Positionen vertrat, notwendig auch all der anderen Irrlehren schuldig sei, selbst wenn er sie aus taktischen Gründen verschweige.“

Dem hl. Pius X. ist es tatsächlich darum gegangen, die geistigen Wurzeln des Modernismus bloßzulegen, damit die Bischöfe die überall lauernde Gefahr dieses grundsätzlich falschen Denkens sehen lernten. Offensichtlich war aber die Mehrheit der Bischöfe schon so geistlos, daß sie dieses eigentliche Anliegen des hl. Papstes gar nicht mehr wahrnahmen. Jeder legte sich eine so eng geartete Sicht des Modernismus zurecht, daß er sagen konnte: Bei uns gibt es keinen Modernismus.

Ein bloßer Schulstreit?

Letztlich urteilten die Bischöfe schon so wie unser Autor, dessen Bemerkung „was von der neuscholastischen Tradition abwich“ eindeutig den Modernisten offenbart. Denn der Modernismus sieht in der damaligen Auseinandersetzung einen bloßen Schulstreit und nicht den erbitterten Kampf um den übernatürlichen Glauben. Was letztlich auch wieder verständlich ist, gibt es für den Modernisten doch keinen übernatürlichen Glauben mehr, sondern nur noch verschiedene „Theologen“-Meinungen. Und immerhin hatte sich die modernistische Meinung mit dem sog. Konzil endgültig durchgesetzt. Bei uns gibt es keine Modernisten.

Rückblickend wird es jedenfalls einem Katholiken doch etwas unheimlich. Im Jahre 1910 schreibt der Papst eine Enzyklika, in der er gleich zu Beginn feststellt: „in diesem verworfenen Zeitalter ist die Zahl der Feinde des Kreuzes Christi ungemein gewachsen. Voll neuer, hinterlistiger Kunstgriffe suchen sie die Lebenskraft der Kirche zu brechen und, wenn sie könnten, das Reich Christi selbst von Grund auf zu vernichten.“ Und nachdem er ungewöhnlich ausführlich die grassierenden Irrtümer dargelegt hat, zieht er daraus den Schluß: „Überschaut man nun das ganze System mit einem Blick, so wird sich niemand über Unsere Bezeichnung verwundern, daß Wir mit Bestimmtheit erklären: es ist die Zusammenfassung aller Häresien. Hätte sich Jemand die Aufgabe gestellt, Geist und Kern alles Glaubensirrtümer, die es je gegeben hat, zusammenzutragen, so hätte er dies nicht besser verwirklichen können, als es die Modernisten verwirklicht haben. Ja, sie sind noch weiter gegangen als alle und haben nicht bloß die katholische Religion, sondern - wie bereits bemerkt – Jegliche Religion vollständig vernichtet. Daher denn auch der Beifall der Rationalisten [also der Gottesleugner]. Es geht unter den Rationalisten, wenn sie offen und freimütig reden, das Wort um: sie hätten keine wirksameren Helfer finden können als die Modernisten.“

Nichtdestotrotz stellen die Bischöfe auf der ganzen Welt fest: Der Papst beschreibt eine Fatamorgana, bei uns gibt es keinen Modernismus! Das erinnert einen doch recht an unsere Tradis, die ständig über den Modernismus schimpfen und jammern, aber wenn es darauf ankommt, gibt es keinen einzigen festzumachenden Modernisten und folglich auch keinen Modernismus – und dieses apostatische Rom ist immer noch katholisch und Bergoglio ist ihr Papst!

Warum haben die damaligen Bischöfe die brennende Sorge des hl. Papstes nicht mehr verstanden? Mögen die meisten von ihnen auch nicht ausdrücklich den modernistischen Irrlehren erlegen sein, angekränkelt waren sie wohl schon, sonst wären sie zu einem solch krassen Fehlurteil nicht fähig gewesen. Mit anderen Worten: Sie waren sicherlich keine Antimodernisten mehr, sondern großteils schon vom modernen Denken weichgespült.

Eine darwinistische „Umdeutung“ des Sechstagewerks

Um das hier Beschriebene noch faßbarer zu machen, wollen wir das Dargelegte an einem Beispiel illustrieren. Für die Modernisten ist die Heilige Schrift ein Buch wie jedes andere auch, also voller Irrtümer, Widersprüche und Ungereimtheiten. Um den Zeitgenossen dies begreiflich zu machen, haben sie sich zuerst auf den Schöpfungsbericht gestürzt. Dieser war das erste Angriffsziel der Modernisten, sozusagen ihr Übungsfeld.

Der Schöpfungsbericht kam damals durch den sich immer mehr verbreitenden Darwinismus ins Schußfeld der öffentlichen Kritik. Je mehr sich der Evolutionismus durchsetzte, desto größer wurde der Druck zu einer neuen Erklärung des biblischen Schöpfungsberichtes. Zunächst schien die Auseinandersetzung recht harmlos, meinte man doch, man müsse nur die sechs „Tage“ umdeuten, um die neuen „Erkenntnisse“ der Naturwissenschaft in den biblischen Schöpfungsbericht einordnen zu können.

Ein Tag von hunderttausenden Jahren

Wir sind hierzu über einen Artikel aus dem Jahr 1898 gestolpert, der in der „Theologisch-praktischen Quartal-Schrift“ veröffentlicht wurde. Also einem damals sicherlich als „ultramontan“ geltenden Blatt, heute würde man es „antimodernistisch“ nennen. Der Autor ist ein Jesuit, P. Thomas Lempel, Spiritual im Priesterseminar in Klagenfurt (Kärnten).

Unser Autor beginnt seine Darlegungen mit der Feststellung: „Bekanntlich hat die Meinung, daß unter den sechs Schöpfungstagen 1. Mos. 1 gewöhnliche Tage von 24 Stunden zu verstehen seien, nur noch wenige Vertreter.“ Der Grund für diese Entwicklung waren keine neuen Erkenntnisse über den Text der Heiligen Schrift, sondern der Druck von den nunmehr vom Evolutionismus beherrschten Naturwissenschaften. Wie jeder weiß, braucht die Evolution viel Zeit, damit sie endlich zum Leben findet. Damals waren es noch Hunderttausende von Jahren, heute sind es schon Jahrmilliarden. Entsprechend haben die meisten katholischen Exegeten nachbessert: „größtenteils glaubt man heute, daß unter diesen Tagen unberechenbar lange Zeiträume sich bergen.“ Es ist nun freilich gar nicht so einfach einzusehen, warum der Hagiograph gerade mit dem Wort „Tag“ „unberechenbar lange Zeiträume“ benennen soll, weshalb der Jesuit anmerken muß: „Aber die Einwendungen, welche gegen diese letztere Ansicht vom exegetischen Standpunkte sich machen lassen, sind wahrlich nicht leichter Hand zu lösen, und ungeachtet der Mühe, welche sich seit langer Zeit so viele Gelehrte darum gegeben haben, möchte schwerlich jemand behaupten, daß dieses bereits in einer völlig und allgemein befriedigenden Weise gelungen sei.“

Damals gab es nämlich noch echte Theologen, die das Wort Gottes ernst nahmen, weshalb sie wußten, daß man von einem eindeutigen Sinn der Heiligen Schrift nicht so einfach abrücken und ihn umdeuten dürfe. Dafür muß es schon entsprechend schwere Gründe geben. Einen heutigen „Theologen“ aus der Menschenmachwerkskirche, also einen Modernisten oder gar Postmodernisten, würden solche Gedanken nur amüsieren. Für ihn hat nämlich der Schöpfungsbericht gar nichts mit „Schöpfung“ und mit „Bericht“ zu tun, er ist für ihn nur ein in dichterische Form gekleideter liturgischer Gesang. Nein, Geschichte oder Wirklichkeitsbeschreibung darf man darin in keiner Weise sehen. Das wäre geradezu lächerlich!

Unser Jesuit meint nun, wenn er auch „weder Gelegenheit noch Zeit, über dieses Thema weitausgreifende Studien zu machen“ hatte, „er sich dennoch die Freiheit nimmt, den Exegeten vom Fach ein Wort darein zu reden… weil ihn seine diesbezüglichen Lesungen, verbunden mit eigenem Nachdenken eben doch zu einer Ansicht geführt haben, welche ihn ganz befriediget, und von welcher er darum meint, daß sie auch andere befriedigen könnte.“

Tag – ein allegorischer Begriff?

Da darf man also gespannt sein, welche Gedanken unserem Nichtfachmann gekommen sind und ihn ganz befriedigt haben. Zunächst erwähnt er, daß der Schöpfungsbericht zu den geschichtlichen Büchern der Heiligen Schrift gezählt wird, womit nichts anderes gesagt ist, als daß der Schöpfungsbericht die tatsächlich geschehene Schöpfung wirklichkeitsgemäß beschreiben möchte.

Würde unser Jesuit diese Feststellung ganz ernst nehmen, wäre sein Anliegen sofort verunmöglicht, denn wie sollen aus den sechs Tagen unberechenbar lange Zeiträume werden, wenn sie einfach Geschichte sind? Nun, so werden wir weiter belehrt, Geschichtsbücher heißt hier nicht, daß „diese Bücher gerade nur Geschichte enthielten, wonach sie dann auch die den ersten Abschnitt der Genesis bildenden Kosmologie einfach als ein Stück Geschichte betrachten und behandeln zu müssen glauben. Bei solcher Anschauungsweise nun läßt es sich in der Tat kaum rechtfertigen, wenn man unter den sechs Schöpfungstagen mehr als unsere gewöhnlichen Tage sucht.“

Wie also einen Ausweg aus dem Dilemma finden? Die erste Möglichkeit wäre, aus dem Wort „Tag“ einen allegorischen Begriff zu machen, also einen sinnbildlichen Ausdruck. Nun gibt aber der Text selber keinerlei Anlaß zu einer solchen Deutung, was unser Jesuit so umschreibt:

„Über der mosaischen Allegorie von den ‚Tagen‘ der Schöpfung liegt dagegen ein mystisches Dunkel. Sechsmal stehen die Worte: ‚Abend‘, ‚Morgen‘, ‚Tag‘ ohne nähere Bestimmung, in selbständigen Sätzen vor uns. Das gewährt den Anschein, als wären da Tage jener Art gemeint, die man eben einfach und ohne Zusatz ‚Tage‘ zu nennen gewohnt ist, also unsere natürlichen Tage mit ihren natürlichen Abenden und Morgen. Wie stark dieser Schein ist, das hat seine Wirkung nur zu sehr bewiesen, da die ‚Tage‘ tatsächlich nicht bloß von schlichten Lesern, sondern auch von so vielen gelehrten und geistreichen Männern als gewöhnliche Tage genommen wurden.“

Es ist fast schon köstlich anzuhören, wie sich unser Autor bemüht, sich aus der Schlinge des Originaltextes der Heiligen Schrift herauszuwinden. Seltsamerweise fragt er sich nicht, warum denn nun all diese gelehrten und geistreichen Männer – darunter befinden sich die meisten Kirchenväter! – so vom „Schein“ (!) dieses Wortes verführen lassen? Es ist wohl die mosaische Allegorie gar kein mystisches Dunkel, sondern beides, die Allegorie und das Dunkel, eine bloße Einbildung unseres Jesuiten.

Das Welterklärungssystem des Evolutionismus …

Dem aufmerksamen Leser wird sicherlich schon aufgefallen sein, daß unser Schrifterklärer mit aller Gewalt etwas in die Heilige Schrift hineinlesen will, was darin offensichtlich nicht steht. Er wird dazu gezwungen, sobald er ins Welterklärungssystem des Evolutionismus hinüberwechselt, das unermeßlich lange Zeiträume braucht. Aber für unseren Autor wird es noch schwieriger – wir geben den folgenden Abschnitt 3 vollständig wieder:

„Indessen tritt in der mosaischen Kosmogonie [Weltwerdung] der Zweck, durch dieselbe die Sabbatfeier zu empfehlen, so lichtvoll zutage, daß kein Erklärer ihn übersehen kann. Man glaubte nun, die Erklärung der Tage als Perioden dadurch annehmbarer zu machen, daß man sagte, Moses habe aus Rücksicht auf den Zweck, in der göttlichen Schöpfungswoche ein Vorbild der menschlichen Woche darzustellen, die langen Zeiträume als ‚Tage‘ bezeichnet.

Allein war es denn für den besagten Zweck wirklich notwendig, daß Moses oder der Geist Gottes selbst, der ihn leitete [ja, der der eigentliche Autor der Heiligen Schriften ist!], habe, um die Erfüllung eines göttlichen Gebotes zu fördern, einer Sprache bedurft, von der vorauszusehen war, daß sie – wenn auch nur in einem unwesentlichen Punkte – vielfach werde mißverstanden werden. Selbstverständlich kann es einem Moses niemand zumuten, daß er seinem Volke die Entstehung oder Entwicklung der Welt und insbesondere der Erde in irgend ähnlicher Weise erzählen und beschreiben wird, wie die heutigen Vertreter der Naturwissenschaften. Aber es hätte ja sehr weniges genügt, um sich etwas deutlicher zu machen. Wenn er z.B. anstatt: ‚es ward Abend und Morgen, Ein Tag‘ nur gesagt hätte: ‚und ein Tag Gottes war vorüber, ein anderer folgte‘, so hätte diese Fassung und namentlich der Beisatz ‚Gottes‘ auch im schlichten Leser leicht den Gedanken angeregt, daß die Tage ‚Gottes‘ wohl viel längere, großartigere Tage gewesen sein dürften, als die Tage, wie wir Menschen sie zählen. Die Ehrfurcht vor dem Sabbat wäre dadurch nicht verringert, eher erhöht worden. Warum setzte also Moses zur Aufklärung der Allegorie gar nichts bei? Jener Moses, den man sonst gerne als einen Lehrer lobt, der zur beschränkten Fassungskraft des Volkes sich herabzulassen verstand? Daß er es nicht tat, schient somit zur Rechtfertigung der Annahme zu dienen, daß er selbst die ‚Tage‘ wirklich als natürliche Tage verstand.

Überdies kann man noch sagen, daß gerade die innige Beziehung, in welche wir da die Tage der Schöpfung zu unseren Wochentagen, den Sabbat Gottes zum Sabbat der Menschen gebracht findet, erst recht nachdrücklich die Auffassung der Schöpfungstage als gewöhnliche Tage zu fordern scheint, besonders, wenn man noch 2. Mos. 20, 8-11. zur Vergleichung heranzieht: ‚Sechs Tage magst du arbeiten und alle deine Geschäfte verrichten. Am siebenten Tage aber ist Sabbat des Herrn, deines Gottes; an ihm tue durchaus keine Arbeit … Denn in sechs Tagen hat der Herr vollendet den Himmel und die Erde, und das Meer, und alles, was in ihnen ist, und am siebenten Tage hat er geruht, weshalb der Herr den Tag des Sabbat gesegnet und ihn geheiligt hat.‘ Bei Lesung dieser Stelle drängt sich die Erinnerung an den bekannten hermeneutischen Kanon auf, daß ein Wort im nämlichen Kontexte wiederholt vorkommend im gleichen Sinne zu nehmen ist, und fertig ist der Schluß: Folglich sind die Tage der Schöpfung gleich unseren Wochentagen Zeiträume von 24 Stunden.“

… paßt nicht zum Bericht des Moses

Vom Textbefund her ist also dem „Tag“ des Moses nicht so einfach beizukommen. Wenn sein „Tag“ in den zusammenhängenden Texten immer ein Tag mit 24 Stunden ist, warum sollte er hier plötzlich mit demselben Wort und ohne irgendeinen weiteren Hinweis mit „Tag“ „unberechenbar lange Zeiträume“ benennen? Wäre das nicht eine gerade allzu gewalttägige Täuschung der Leser?

Was nun?

Nun, was macht ein Modernist alten Schlages, wenn er buchstäblich nicht mehr weiterkommt, wenn ihm der wörtliche Text der Heiligen Schrift einfach nicht das hergeben will, was er für seine Irrlehre braucht? Wir haben geschrieben, „Modernist alten Schlages“, weil diese immerhin noch gezwungen waren, die Heilige Schrift ernst zu nehmen. Wie schon angemerkt, ein heutiger Modernist, fände solche Erwägungen einfach nur lächerlich.

Was macht also der Modernist, wenn er textkritisch nicht mehr weiterkommt? Er ändert kurzerhand die Textgattung! Wir hörten anfangs, daß der Schöpfungsbericht immer schon unter die geschichtlichen Bücher der Heiligen Schrift gezählt wird. In unserem Fall ist das schlecht, weil dann die 7 Tage der Schöpfung durchaus keine unberechenbar langen Zeiträume sein können. Aber es gibt ja nicht nur Geschichtsbücher in der Heiligen Schrift. Es gibt Lehrbücher, Prophetien, Gleichnisse…

Vom mystischen Dunkel der mosaischen Allegorie zum Dunkel der Prophetien

Unser Autor erklärt nun – wobei er in keiner Weise bedenkt, daß er damit tatsächlich auf einen modernistischen Trick zurückgreift! –, betrachtet man die Bücher des Moses aufmerksamer, dann sieht man, daß diese etwa ein „Buch des Gesetzes“, den Pentateuch enthalten. An die Gesetze knüpfen sich zudem eindringliche Ermahnungen. „Nebst all‘ dem sind die Bücher Mosis aber auch prophetische Bücher, voll von Weissagungen, welche teils von Moses selbst, der ja der große Prophet des Alten Bundes ist, teils von Patriarchen der Vorzeit, wie Noe, Abraham, Isaak, Jakob, Josef herrühren.“

Das bis jetzt Gesagte sind alles Selbstverständlichkeiten, wohin will jedoch unser Jesuit hinaus? Der aufmerksame Leser ahnt es wohl schon: „Sofort ist es nun am Platze, zu erinnern, daß die Sprache der Propheten dunkler, als die der Historiker und Didaktiker zu sein pflegt. Die Ursache liegt zum Teile in der Erhabenheit und Ferne der Gegenstände, welche sie mitteilen, zum Teil, und noch mehr in dem Willen Gottes, der seine Geheimnisse den Menschen klarer oder dunkler offenbart, ja nachdem es seine Weisheit für gut findet.“

Das ist nun wirklich ein allzu leicht durchschaubares Manöver – der Fehlerklärung muß man gleich hinzufügen. Die sofort auffallende Brücke ist das Wort „dunkel“. Von dem mystischen Dunkel der mosaischen Allegorie geht es nahtlos zum Dunkel der Prophetien hinüber. Wenn also der Schöpfungsbericht tatsächlich gar kein geschichtlicher Text wäre, sondern eine Prophetie, dann wäre seine Sprache dunkel, dann könnte ein „Tag“ durchaus, ohne weiteres „unberechenbar lange Zeiträume“ bedeuten. Wobei man sich spontan fragt: Beschreibt eine Prophetie nicht wesentlich Zukünftiges und ist deshalb dunkel, weil wir diese Zukunft noch nicht kennen, wohingegen der Schöpfungsbericht zweifelsohne Vergangenes beschreibt?

Prophetie: Blick in die Vergangenheit?

Immerhin ist die Schöpfung der Welt schon lange geschehen und sowohl deren Tatsächlichkeit als auch Ergebnis jedem sichtbar. Wieso also Prophetie? Wenn ich heute die Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 beschreibe, so ist das doch keine Prophetie, sondern Geschichte. Wieso sollte also die Beschreibung der Schöpfung plötzlich eine Prophetie sein? Das Einzige, was man sich zu unserem Thema fragen kann, ist: Wie hat Gott Moses die Schöpfung „sehen“ lassen? Auf welche Weise hat Er sie ihm offenbart? Es dürfte also recht schwierig sein, in die göttliche Erhellung der Schöpfungswirklichkeit durch den Schöpfungsbericht prophetisches Dunkel hineinzuinterpretieren.

Solche Schwierigkeiten existieren freilich nicht für denjenigen, für den das Ergebnis schon feststeht: „Aus der doppelten Tatsache [?!], daß der erste Abschnitt der Genesis sowohl dem Inhalte noch prophetisch [?] ist, als auch durch seine Form von der Geisteserhebung eines Propheten Zeugnis gibt, ziehen wir die Folgerung, daß es vollkommen statthaft ist, was wir da von sechs Tagen göttlichen Schaffens und von einem darauffolgenden Ruhetag des Herrn lesen, als eine Allegorie aufzufassen. Wir fügen bei, daß solche auch dann noch statthaft wäre, wenn der Annahme gewöhnlicher Tage bedeutend geringere Schwierigkeiten entgegenstünden, als es tatsächlich [durch die Anerkennung des Evolutionismus!] der Fall ist; denn bei den Propheten sind Metaphern und Allegorien von mehr oder weniger mystischen Charakter eben nichts Ungewöhnliches.“

Man ist doch sehr verblüfft über die Unverfrorenheit des Autors, für so einen Unsinn einzutreten und sie als doppelte Tatsache auszugeben! Der ganze Schöpfungsbericht löst sich kurzerhand in eine prophetische Allegorie auf. Was bleibt sodann noch an brauchbarem Wissen über die tatsächlich geschehene Schöpfung übrig? Nichts! Wir haben also eine göttliche Offenbarung über die Schöpfung, die man am besten in den Mülleimer wirft, weil sie sowieso nichts Sachdienliches zu der Frage enthält. Damit hat der Jesuit zwar das erreicht, um was es ihm eigentlich ging: Es gibt keinen Konflikt mehr mit den Naturwissenschaften! In diesen prophetischen Schöpfungsbericht läßt sich nunmehr alles einbauen, was man nur will. Aber andererseits hat damit auch der Schöpfungsbericht keinerlei Wert mehr, das Dogma von der Schöpfung zu begründen.

Laßt uns also Vermutungen nachhängen und im (Laplace‘schen) Nebel wandeln!

So hart wie wir drückt es unser Jesuit natürlich nicht aus, aber immerhin schlußfolgert er: „Da ein klareres und bestimmteres Wissen, wie es mit diesen Dingen eigentlich erging, unerreichbar ist, entspricht es dem Triebe des menschlichen Geistes, irgend einer Vermutung nachzuhängen, wie es hergegangen sein möchte.“ Nachdem also unser gelehrter Jesuit die Heilige Schrift demontiert und in den Mülleimer geworfen hat und deswegen gestehen muß, daß ein klareres und bestimmteres Wissen, wie es mit diesen Dingen eigentlich erging, unerreichbar ist, wendet er sich irgendeiner Vermutung zu – welcher wohl? Wenn wundert es, dieser:

„Uns gefällt da der Anschluß an die Hypothese Laplaces, wie Karl Braun sie empfiehlt, und vor ihm schon der französische Gelehrte August Cauchy († 1857) empfohlen hat. Nach dieser Hypothese war nämlich die Sonne anfangs ein Nebelball oder ein Nebelstern von unermeßlichen Umfange; erst mittelst eines allmählichen Prozesses, der unberechenbar lange Zeiten in Anspruch nahm, verdichtete sie sich auf ein verhältnismäßig geringes Volumen, und wurde schließlich jener glühend strahlende Körper, als welchen die Menschen, seit es deren auf Erden gibt, sie kennen. Nun ist es ein allgemeiner, weil auch innerlich ganz zweckentsprechender Gebrauch, daß man angesichts von Dingen, welche eine so große Veränderung erfahren haben, daß sie sich selber, wie sie früher waren, kaum mehr ähnlich sehen, vom Werden und Entstehen neuer Dinge redet, und demgemäß auch einen neuen Namen ihnen beilegt. Aus einem Keime wird ein Pflanze, aus einer Raupe entsteht ein Schmetterling, Dunst wird zu Wasser, Wasser bildet sich in Eis um, u. dgl. m. Ganz angemessen und ohne Zwang läßt es sich somit denken, in der mosaischen Kosmologie sei die Scheidung von Licht und Finsternis, das heißt der Wechsel von Tag und Nacht darum weit vor der Erschaffung oder Bildung der Sonne erwähnt, weil in jener ersten Zeit wohl ein Anfang der Sonne war, ein die Sonne bereitendes, schwächer leuchtendes Nebelgebilde, nicht aber die Sonne selbst, wie sie später der Erde und den Menschen zu dienen begann.“

Man ist einfach sprachlos, was für eine Verwirrung der Begriffe und des Geistes! Aber der Reihe nach!

Innerweltliches Werden statt Schöpfung

Unser jesuitischer Gelehrte flüchtet also, nachdem er den Schöpfungsbericht in den Papierkorb geworfen hat, zu einer Hypothese! Man sollte es doch extra betonen: Eine damals ganz und gar unbewiesene und unbeweisbare wissenschaftliche Theorie – also das reine Hirngespinst eines Herrn Laplace. Man kann es einfach nicht fassen! Und unser Jesuit meint tatsächlich, die Hypothese Laplaces sei ganz problemlos mit dem Schöpfungsbericht und dem Dogma der Schöpfung harmonisierbar! Immerhin legte Laplace, wie der französische Astronom Hervé Faye berichtet, vor Napoleon folgendes Geständnis ab: „Als der Bürger Laplace dem General Bonaparte die erste Ausgabe seiner Exposition du Système du monde [Darlegung des Weltsystems] zeigte, sagte der General zu ihm: ‚Newton sprach in seinem Buch von Gott. Ich habe das Ihrige schon durchgesehen und dabei diesen Begriff kein einziges Mal gefunden.‘ Woraufhin Laplace erwidert hatte: ‚Bürger und Erster Konsul, ich habe dieser Hypothese nicht bedurft.‘“

Wir haben somit hier einen katholischen Priester vor uns, der ganz bedenkenlos von einem theistischen zu einem atheistischen System wechselt und meint, damit keine Glaubensprobleme zu bekommen. Die Folge davon ist tatsächlich katastrophal, aus der Schöpfung wird – schwuppdiwupp – ein innerweltliches Werden: Aus einem Keime wird ein Pflanze, aus einer Raupe entsteht ein Schmetterling, Dunst wird zu Wasser, Wasser bildet sich in Eis um, u. dgl. m. Was hat das bitteschön noch mit Schöpfung zu tun? Der Unverstand geht sogar noch weiter, unser Jesuit erklärt zudem, daß man angesichts von Dingen, welche eine so große Veränderung erfahren haben, daß sie sich selber, wie sie früher waren, kaum mehr ähnlich sehen, vom Werden und Entstehen neuer Dinge redet.

Was für ein Unsinn, was für eine Verwirrung des Denkens! Man fragt sich ganz fassungslos: Welche Philosophie hatte dieser Mann im Kopf, als er so etwas schrieb? Kann man tatsächlich das Dogma der Schöpfung mit dem Werden eines Schmetterlings aus einer Raupe verwechseln und diese Verwechslung mit dem Hinweis rechtfertigen, daß man ja schließlich bei einer Änderung, bei der die Dinge dem, was sie früher waren, kaum mehr ähnlich sehen, vom Werden und Entstehen neuer Dinge redet? Man ist einfach sprachlos! Kann man tatsächlich so dumm sein? Jawohl, das kann man! Viele der Konservativen und Traditionalisten sind bis heute genauso dumm. Nur haben sie den Laplace’schen Urnebel gegen den Urknall ausgetauscht. Das Ergebnis bleibt gleich, der wesentliche Unterschied zwischen der Schöpfung und einer evolutiven Weltwerdung wird eliminiert.

Wir erinnern daran: Während jegliches innerweltliche Werden Zeit, womöglich sehr viel Zeit braucht, geschieht die Schöpfung notwendigerweise und immer im Augenblick. Schöpfung braucht niemals Zeit, weil der Übergang vom nichts zum Sein immer nur augenblickshaft sein kann. Darum brauchen auch die Evolutionisten für das Werden ihrer Evolutionswelt notwendigerweise unvorstellbar viel Zeit, wohingegen Gott nur sechs Tage braucht – um es pointiert auszudrücken. Wie ein Katholik diesen wesentlichen Unterschied einfach beiseiteschieben kann, ist einfach schleierhaft. Alois Trißl tritt den Nagel auf den Kopf:

„P. Humelauer in seinem mehrmals erwähnten Werke findet eine Schöpfung in sechs Tagen zu wunderbar, als daß man sie ohne weiteres annehmen dürfe. Hierauf kann man erwidern, daß bei der ganzen Schöpfung ein großartiges Wunder das andere schlägt, daß die Schöpfung aus nichts ein viel erstaunlicheres Wunder ist als die Entwicklung der Pflanzen vom Keime zur Reife, daß der so wunderbar gebaute menschliche Körper, auf dessen Bildung Gott nicht mehrere Jahre verwendete, weit lauter Gottes Macht verkünde, als die Struktur eines ausgewachsenen Baumes, daß überdies die heiligen Väter sich an diesen Wundern nicht stießen, daß der heilige Augustin sogar in einem Augenblick alles entstehen ließ.“

(Alois Trißl, Das biblische Sechstagewerk, Verlags-Anstalt vorm. G.J. Manz, Regensburg 1894, S. 10 f.)

Ist nicht der tiefere Grund für all die Fehlinterpretationen des Schöpfungsberichtes die moderne Wunderscheu – also ein mangelnder Glaube an die tatsächliche Allmacht Gottes? Bei der Schöpfung kommt man an einem Wunder nicht vorbei, wie Alois Trißl hervorhebt, denn die Schöpfung aus dem Nichts ist tatsächlich eines der erstaunlichsten Wunder, das sich überhaupt denken läßt. Auch wenn man damals diese Konsequenz noch nicht zog, die Modernisten werden sie gemäß ihrem Unglauben ziehen: Es gibt keine Wunder! Wunderberichte sind deswegen vorneweg niemals geschichtliche Texte, sondern immer nur allegorische, bildhafte Erzählungen, durch die den Lesern das Wunder des Glaubens nahegebracht werden soll. Damals gab es jedenfalls gegen diese schleichende Zerstörung des Wortes Gottes noch mahnende Stimmen:

„Durch die Idealisierung des Bibelwortes, sagt Dr. Seifenberger, dürfte sein Ansehen und seine Geltung geschädigt werden. Auch scheint ein Abgehen von der kritisch-exegetischen Tradition bedenklich. In der Kirche aber ist dieser erste Bibelabschnitt stets historisch genommen und erklärt worden. Selbst der heilige Augustin hat seine frühere Anschauung, daß man den Bericht allegorisch fassen könne, später korrigiert und zurückgenommen, obwohl er überhaupt dem historischen Charakter durch seine ideale Auffassung nicht zu nahe traten wollte; denn er sagt ausdrücklich, daß die im Sechstagewerke ausgedrückte ursächliche Ordnung der geschaffenen Dinge zugleich auch die wirkliche Ordnung sei, in welcher dieselben von Gott ins Dasein gesetzt wurden. Der heilige Augustin konnte eben nicht denken, daß der inspirierte Schriftsteller so unkorrekt sich hätte ausgedrückt, wenn wirklich die Dinge in anderer Reihenfolge erschaffen worden wären.“

(Ebd. S. 28 f.)

Die Leugnung der göttlichen Allmacht zugunsten einer menschlichen (Un-)Vernunft

Noch etwas anderes geht einem nach, wenn man sich mit diesen Fragen befaßt: Warum sind diese Leute nicht so ehrlich wie Laplace? Warum geben sie nicht unumwunden zu, daß sie zu dieser Erklärung der Weltwerdung keinen Gott mehr brauchen? Nun, diese Verblendung verweist auf die Eigenart des modernistischen Glaubens. Teilhard des Chardin bekannte in seiner kleinen Schrift „Comment je crois“ [wie ich glaube] unumwunden:

„Ich glaube, daß das Weltall eine Evolution ist. Ich glaube, daß die Evolution in Richtung des Geistes strebt. Ich glaube, daß der Geist sich im Personalen vollendet. Ich glaube, daß die Vollendung des Personalen der ‚universale Christus‘ ist.“

Er bekennt damit, daß mit seinem Glauben an die Evolution dem Schöpfungsglauben jegliche vernünftige Basis entzogen wird, weshalb er ihn auch ablehnt. Teilhard war hierin ganz konsequent, wie er in seinem Brief an Leontine Zanta vom 26. Januar 1936 freimütig eingesteht: „Was mein Interesse immer mehr dominiert, ist das Bemühen, in mir selbst eine neue Religion zu etablieren und um mich herum zu verbreiten (nennen wir sie ein verbessertes Christentum, wenn wir so wollen), deren persönlicher Gott nicht mehr der große neolithische Grundbesitzer vergangener Zeiten ist, sondern die Seele der Welt…“

Was bleibt ist eine Art Pantheismus. Von all dem bemerkt P. Thomas Lempel S.J. gar nichts. Er war nicht so konsequent wie Teilhard de Chardin. In seinem geistigen Dornröschenschlaf war er vielmehr ganz zufrieden mit seinem Ergebnis, denn: „Daraus erhellt, daß der Exeget die Geologen und Paläontologen völlig unbesorgt ihre wissenschaftlichen Wege verfolgen lassen kann. Mögen sie ihre Perioden der Entwicklung der Erde so oder anders festsetzen, mag es nach ihren Resultaten weniger oder mehrere erneuerte Schöpfungen von Pflanzen und Tieren gegeben haben, mag der Zeitabstand zwischen der Entstehung der ersten Pflanzen und der ersten Tiere ein größerer oder kleinerer, oder so gut wie gar keiner gewesen sein – mit all dem stören sie den wahren und wirklichen Sinn unseres heiligen Textes nicht. Alle Schöpfungen [?], die sie etwa wirklich konstatieren können, haben innerhalb der langen, kontinuierlichen Zeit des göttlichen Hexaemerons Platz genug, und alle sind sie in den summarischen Angaben unseres Propheten eingeschlossen.“

Man ist erneut sprachlos, kann man tatsächlich so naiv sein? Ja, man kann es, denn nochmals: Viele Traditionalisten denken selbst heute noch so. Der Erklärungsdruck, der durch die modernen Naturwissenschaften entstand, ließ und läßt sie alle einknicken. Alois Trißl bemerkt überaus treffend:

„So kam es, daß selbst von den meisten Theologen – den ‚Resultaten‘ der Naturwissenschaft zuliebe! – die buchstäbliche Erklärung der Schöpfungsgeschichte, wie sie weitaus die Mehrzahl der heiligen Kirchenväter festgehalten hat, als unhaltbar aufgegeben und je nach dem Stande der Naturwissenschaften neue Erklärungsversuche gemacht wurden, die das Ansehen der heiligen Schrift gewiß nicht förderten.“

(Alois Trißl, Das biblische Sechstagewerk, Verlags-Anstalt vorm. G.J. Manz, Regensburg 1894, S. 48)

Antonio Stoppani, seit 1848 Priester und seit 1861 Professor der Geologie ging sogar so weit zu behaupten: „Die Gestaltung des Universums innerhalb von sechs Tagen birgt eine so grobe Verleugnung der Wissenschaft in sich, ist geradezu gesagt eine so große Beleidigung der menschlichen Vernunft, daß auch der furchtsamste Katholik kein Bedenken trägt, sie unter Billigung der Kirche offen zu leugnen“ (Ebd. S. 41).

Der Kampf gegen die Genesis

Aufgrund dieser Überzeugung flüchtete auch Prof. Stoppani seinerseits ebenfalls in eine allegorische Erklärung des Schöpfungsbegriffes und verfing sich dabei in zahlreiche Ungereimtheiten, wie Alois Trißl in seinem Büchlein dokumentiert.

Wir finden es recht erstaunlich, daß all diese gelehrten oder auch nicht gelehrten Herren, Professoren, katholische Priester immer nur fähig waren und selbst heute noch sind, bis zur eigenen Nasenspitze zu schauen. Als sie nämlich meinten, mit ihren als einem unermeßlich langen Zeitraum interpretierten „Tag“ wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, mußten sie feststellen, daß das nur eine Einbildung war. Der Kampf gegen die Genesis war selbstverständlich nur der Auftakt des modernistischen Angriffes. Sobald jemand den Schritt in die evolutionistische Welterklärung gemacht hat, muß er sich doch sofort auch die Frage gefallen lassen, wie es denn dann mit dem Paradies steht? Wie will er das Paradies in die moderne naturwissenschaftliche Erklärung der Welt einbauen, ohne sich ebenfalls lächerlich zu machen? Birgt das nicht auch eine so grobe Verleugnung der Wissenschaft in sich, ist [das nicht] geradezu gesagt eine so große Beleidigung der menschlichen Vernunft wie die Schaffung der Welt in sechs Tagen? Also auch eine allegorische Erklärung des Paradieses, der Schaffung der ersten Menschen und selbstverständlich des Sündenfalls. Denn Hand aufs Herz, das sind doch – angesichts der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse! – mindestens genauso unglaubwürdige Märchenerzählungen wie der Schöpfungsbericht.

Die Leugnung des Paradieses und des Sündenfalls

Es sei nochmals an das erinnert, was wir in der letzten Nummer unserer Zeitschrift über Teilhard de Chardin geschrieben haben. Der Marxist und Teilhardspezialist Olof Klohr stellt ganz zurecht fest:

„Adam und Eva sind für Teilhard keine Gegenstände ernsthafter Überlegungen. ‚Die Menschheit ist grundsätzlich in derselben Weise in Erscheinung getreten wie jede andere Spezies.‘ Die Frage, ob Adam und Eva das erste Menschenpaar gewesen sei, kann ‚keinen Anspruch auf wissenschaftliche Bedeutung erheben, da die Paläontologie die Arten ja nur in Gruppen zu erfassen vermag.‘ … ‚Wie könnten sie auch jemals hoffen, jemals Spuren der ersten Menschen zu entdecken, wo wir doch schon darauf verzichten müssen, die ersten Griechen oder Chinesen aufzufinden.‘ Damit aber existiert für Teilhard auch die Erbsünde nicht, und das wiederum gibt ihm die Möglichkeit eines zukunftsfrohen Optimismus für die Menschheit auf Erden, der so gar nicht der katholischen Geisteshaltung entspricht.“

Eigentlich müßte jeder, der die evolutionistische Welterklärung akzeptiert, dieselben Konsequenzen ziehen. D.h. wenn er Katholik war, müßte er sich damit eingestehen, daß er es jetzt nicht mehr ist, weil er nunmehr die Schöpfung, Adam und Eva als erstes Menschenpaar, die Erbsünde und die Erlösungsbedürftigkeit wenigstens einschlußweise leugnen muß. Nein, der Gott der Evolution, der Gott des Urknalls ist nicht der Gott der Katholiken. Man ist verblüfft, warum erkennt das der Marxist Olof Klohr viel klarer als die meisten unserer Tradis?

„Ein Gott in der Natur, ein mit der Natur werdender Gott – das ist natürlich kein christlicher Gott, da er die geforderte absolute Transzendenz vermissen lässt. Teilhards System nähert sich zwangsläufig einem Pantheismus mit einer besonderen Betonung der Rolle des Psychischen. ‚So bleibt bei Teilhard die Gefahr einer Häresie, die in gnostische und pantheistische Richtung weist‘, schreibt Günter in der ‚Frankfurter Allgemeinen‘.“

Ein dunkler „Evolutions-Gott“

Und:

„Über seinen ‚Gott-Omega‘ selbst weiß Teilhard allerdings wenig zu sagen. Dieser Evolutions-Gott ist dunkel. … Offensichtlich verstrickt sich Teilhard in haltlose Spekulationen und idealistische Mystik, um theoretisch den religiösen Glauben aufrechterhalten zu können, um dem Christentum in der Evolution des Weltalls einen Platz einzuräumen.“

Vom Schöpfungsbericht zum poetischen Gesang

Noch etwas sei abschließend erwähnt, weil es ebenfalls eine typische modernistische Denkart aufzeigt. Nachdem unser tapferer Jesuit dem Schöpfungsbericht jegliche Bedeutung als Zeugnis für die tatsächlich geschehene Schöpfung abgesprochen hat, wozu ist er dann eigentlich noch tauglich? Hätte Gott dann nicht besser gar nichts gesagt? Nein, nein! Der Schöpfungsbericht ist immerhin ein schöner, ein heiliger Gesang, der von den Gläubigen im Gottesdienst wieder und wieder rezitiert wird, wodurch er sich aufs Tiefste in die Gemüter einprägt. Daraus rechtfertigt und erklärt es sich auch, „daß der heilige Verfasser nicht bloß summarisch sagen wollte: In sechs Tagen schuf Gott Himmel und Erde – , sondern die Tage nach verschiedenen Absätzen des Gesanges einzeln anführt und zählt.“

Zur Erinnerung: Wir haben zusammen mit unserem Pater Spiritual mit der Feststellung begonnen, daß der Schöpfungsbericht zu den geschichtlichen Büchern der Heiligen Schrift gezählt wird, also geschichtliche Tatsachen berichtet; sodann mußten wir uns korrigieren und einsehen, daß er nur eine prophetische Allegorie ist, also nur dunkel und in poetischer Sprache das Werden der Welt besingt; schließlich bleibt von ihm nichts mehr übrig als ein bloßer liturgischer Gesang. Die Schöpfungs-Tage dienen allein dazu, diesen Gesang zu gliedern – und das, war im Gesang prophetisch dunkel besungen wird, hat selbstverständlich mir der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun, weshalb man auch keinen Konflikt mit den modernen Naturwissenschaften mehr befürchten muß. Dieser Hymnus auf die Schöpfung ist ein bloßes frommes Geschwätz zur Erbauung der Gläubigen. Und nicht nur dieser Hymnus auf die Schöpfung, nein, die ganze Heilige Schrift ist ausschließlich frommes Geschwätz. Schönster Modernismus ist das. Und diesen findet man unwidersprochen in einem ultramontanen Blatt aus dem Jahr 1898! Darwin und seine Evolution machen es möglich, kann man da nur feststellen…