Gottes Strafgerichte

Ein wahrer Katholik kommt sich heutzutage vor wie Noe und seine Familie vor der Sündflut. Die Gottlosigkeit hat derart überhandgenommen, daß man es kaum noch fassen kann. Europa und die ganze katholische Welt wurde nach dem sog. 2. Vatikanum nicht von einem neuen Pfingstbrausen heimgesucht, wie die Modernisten fabulierten, sondern von einem Heer von Dämonen. Diese wurden sozusagen durch die zahlreichen Irrlehren dieses Pseudokonzils entfesselt, um die ganze katholische Welt für den Fürst der Hölle zu erobern. Unglaublich schnell geschah hierauf der Zusammenbruch des katholischen Glaubens und der Moral. Was war der Grund dafür? Wie war das Gebäude schon längst morsch geworden, ehe es in sich zusammenbrach?

Der übernatürliche Glaubensgeist war schon lange zuvor beharrlich unterhöhlt und geschwächt worden. Der „alte“ Gott paßte dem modernen Menschen nicht mehr, er wollte einen „neuen“ Gott bzw. einen Götzen, der ihn so leben ließ, wie er es wünschte. Der neue Götze war der „Gott der Liebe“ – einer Liebe, die nicht mehr straft, nichts mehr fordert, nicht mehr Buße und Umkehr verlangt. Wie man nun mit einer Halbwahrheit landauf landab verkündete: Das Evangelium ist eine Frohbotschaft und keine Drohbotschaft. Das kann man zwar auch noch richtig verstehen, die Modernisten verstanden es aber vollkommen falsch. Ihr Gott, d.h. ihr Götze, liebt alle Menschen bedingungslos, weshalb auch die Hölle leer ist bzw. gar nicht existiert – genauso wie der Teufel. Dieser Gott liebt den Sünder auch dann, wenn er seine Sünde nicht bereut und sich nicht bekehrt. Die Sünde erscheint darum als nichts Schreckliches mehr, denn dieser Götze schaut freudig über jede Sünde hinweg. Also braucht man die Sünde auch nicht mehr meiden, man braucht sich nicht mehr von den Versuchungen und Lustbarkeiten dieser Welt abwenden. Dementsprechend lehrte man, wie damals Martin Luther und die anderen Reformatoren, die Leute das vermessentliche Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, das ist die Sünde gegen den Heiligen Geist. Diese gab man nunmehr als ein besonderes, ja heroisches Gottvertrauen aus. „Sündige tapfer, vertraue noch mehr“, so hatte schon Luther geschrieben. Wobei jedoch Luther den Teufel noch nicht abschaffte, diesen brauchte er nämlich noch, um alle verdammen zu können, die nicht seiner Meinung waren.

Wie ist es also? Gibt es einen strafenden Gott? Gibt es den Zorn Gottes? Gibt es die Hölle? Wenn wir Katholiken diese Frage auch jeweils aus unserem Glauben heraus bejahen, so weiß wohl nicht unbedingt jeder den Sachverhalt auch sicher zu erklären. Hierbei soll uns der hl. Alphons Maria von Liguori behilflich sein. Dieser hat neun Predigten, welche zur Zeit göttlicher Strafgerichte gehalten werden können, aufgezeichnet. Aus diesen wollen wir unsere Gedanken schöpfen, um recht erklären zu können, wie man die Strafgerichte Gottes verstehen muß. (Die Texte sind genommen aus: Gesammelte Predigten des heiligen Alphons Maria von Liguori, Zweiter Teil, Verlag Georg Manz, Regensburg 1866. Grammatik und Rechtschreibung wurden angeglichen.)

Erste Predigt

Gott bedroht uns mit Züchtigungen, um uns von Züchtigung zu befreien

Weh! Ich werde mich trösten an meinen Feinden, und Rache nehmen an meinen Widersachern. (Is. 1,24)

Seht, wie Gott spricht, wenn Er von Züchtigungen und von Rache redet: Er sagt, Seine Gerechtigkeit zwinge Ihn, Rache zu nehmen an Seinen Widersachern. Aber bemerke wohl, Er läßt das Wort „Wehe!“ vorausgehen. Dieses Wort ist, wie Cornelius a Lapide bemerkt, ein Ruf des Schmerzes, womit uns Gott zu erkennen geben will, daß, wenn Er zu weinen vermöchte, Er, ehe Er straft, bitterlich weinen würde; denn Er sähe Sich da gezwungen, uns, Seine Geschöpfe zu strafen, die Er doch so innig geliebt, daß Er für sie Sein Leben hingegeben hat. Dieser unser Gott, der ein Vater der Barmherzigkeit ist, und der uns so innig liebt, hat keine Lust daran, uns zu strafen und zu betrüben. Nein! Er wünscht vielmehr nur, uns zu verzeihen und uns zu trösten. Ich weiß die Ratschläge; ich sinne über euch, spricht der Herr, die Ratschläge zum Frieden, nicht aber zur Trübsal. (Jerem. 29,11) Wenn aber dem so ist, wird vielleicht jemand sagen, warum züchtigt Er uns dann jetzt? Oder warum zeigt Er wenigstens, daß Er uns züchtigen wolle? Warum dies? Weil Er uns Barmherzigkeit erzeigen will. Dieser Sein Unwille, den Er uns jetzt zu erkennen gibt, ist nur lautere Geduld und Barmherzigkeit. Geben wir also wohl Acht, meine Zuhörer! es zeigt Sich jetzt der Herr erzürnt, nicht deshalb, um uns zu züchtigen, sondern damit wir die Sünden aus unseren Herzen verbannen, und Er uns so verzeihen könne. Dies wird also der Gegenstand meiner heutigen Predigt sein.

Die Barmherzigkeit Gottes in der Züchtigung

Was für überraschende Gedanken! Was für eine tiefe Erkenntnis der wahren Barmherzigkeit Gottes und Seiner Liebe. Gerade deshalb, weil Gott uns überaus liebt, droht Er uns ein Strafgericht an, weil wir sonst in unseren Sünden zugrunde gehen würden. Dabei spricht Gott Sein Wehe aus, das der hl. Kirchenlehrer mit einem wunderbar tiefen Satz erklärt: Dieses Wort ist, wie Cornelius a Lapide bemerkt, ein Ruf des Schmerzes, womit uns Gott zu erkennen geben will, daß, wenn Er zu weinen vermöchte, Er, ehe Er straft, bitterlich weinen würde; denn Er sähe Sich da gezwungen, uns, Seine Geschöpfe zu strafen, die Er doch so innig geliebt, daß Er für sie Sein Leben hingegeben hat. Wenn Gott könnte, würde Er weinen über unsere Sünden, die Ihn dazu zwingen, uns zu bestrafen. Soll doch die Züchtigung den Sünder aus seinem tödlichen Schlaf aufwecken und ihn zu Reue und Umkehr bewegen, denn nur dann kann Gott dem Sünder verzeihen. Ohne Reue keine Verzeihung, keine gültige Beichte! Darum zeigt sich die Barmherzigkeit Gottes besonders in der Züchtigung, im Strafgericht. Der hl. Alphons fährt nun weiter:

Wenn Menschen Drohungen ausstoßen, so ist dies gewöhnlich eine Wirkung des Stolzes und ihrer Ohnmacht; denn wenn sie im Stande wären, sich zu rächen, so würden sie nicht drohen, um dadurch ihren Feinden nicht Gelegenheit zu geben, daß sie sich ihrer Rache entziehen könnten. Nur wenn ihnen die Macht fehlt, sich zu rächen, gebrachen sie Drohungen, um wenigstens auf diese Weise ihren Zorn zu befriedigen und ihre Feinde wenigstens mit Furcht zu quälen. Die Drohungen aber, welche Gott macht, sind nicht solcher Art: Die Drohungen Gottes sind ganz anderer Natur. Er droht nicht, weil Er uns nicht strafen kann, denn Er kann Sich allerdings wohl rächen, wenn Er will; aber ER erträgt uns, damit wir Buße tun, und von der Strafe befreit werden: Du bist nachsichtig gegen die Sünden der Menschen, um der Buße willen. (Weish. 11.24) Gott droht auch nicht aus Haß, um uns mit Furcht zu quälen; Gott droht aus Liebe, damit wir uns bekehren und auf diese Weise der Züchtigung entgehen; Er droht, weil Er nicht will, daß wir zu Grunde gehen; kurz, Er droht, weil Er unsere Seelen liebt. Herr, der Du die Seelen lieb hast, Du schonest aller, denn Dein ist alles. (Weish. 11,27)

Er droht; aber desungeachtet trägt Er einstweilen Nachsicht mit uns und hält die Züchtigung zurück, denn Er will uns nicht verdammt, sondern gebessert sehen: Er hat Geduld mit euch, und will nicht, daß jemand verloren gehe, sondern daß alle sich zur Buße wenden. (Jon. 3,4) So sind also die Drohungen Gottes lauter Zärtlichkeiten und liebreiche Zurufe Seiner Güte, womit Er uns von der Strafe befreien will, die wir verdient haben.

Abwehr von Strafen durch Buße

Was für beeindruckende Erwägungen! Was für eine klärende Sicht der göttlichen Beweggründe, dem Menschen Strafe anzudrohen; was für ein tiefer Ernst in allem, was das ewige Heil oder Unheil des Menschen betrifft! Was für ein tiefes Verständnis Seiner ewigen Vaterliebe, in der es keinerlei Willkür gibt, so daß der hl. Alphons feststellen kann: So sind also die Drohungen Gottes lauter Zärtlichkeiten und liebreiche Zurufe Seiner Güte, womit Er uns von der Strafe befreien will, die wir verdient haben. Gottes Drohungen lauter Zärtlichkeiten, was für eine überraschende Einsicht voll göttlicher Tiefen. Diese Tiefen erklärt uns der hl. Kirchenlehrer noch ausgiebiger:

Der Herr sprach zu Jeremias: Sprich zu ihnen: vielleicht, daß sie hören und sich bekehren, ein jeglicher von seinem bösen Weg, und daß Mich reuet des Übels, das Ich ihnen zu tun gedenke. (Jerem. 26,3) Geh, (sagte Er), und sage den Sündern (im Falle sie dich anhören wollen): wenn sie ablassen von ihren Sünden, so will auch Ich es unterlassen, jene Strafen zu senden, die Ich ihnen zugedacht habe.

Habt ihr es vernommen, meine Christen? Dasselbe spricht heute der Herr durch meinen Mund auch zu euch. Wenn ihr euch bekehret, so wird der Herr den Urteilsspruch der Züchtigung wieder zurücknehmen. Der heilige Hieronymus sagt: Gott zürnt nicht über die Menschen, sondern über die Sünden. Gott haßt nicht uns, sondern unsere Sünden. Und der heilige Johannes Chrysostomus fügt noch hinzu: Er vergißt unsere Sünden, wenn wir nur ihrer gedenken; wenn wir uns nämlich verdemütigen, Buße tun und Ihn um Verzeihung bitten: denn Er Selbst hat versprochen: Weil sie sich gedemütigt, will Ich sie nicht verderben. (II. Paral. 12,7)

Der Zorn Gottes ist immer ein durch unsere Sünden bedingter Zorn. Gott kann niemals grundlos oder gar ungerechterweise zornig sein. Überhaupt ist Sein Zorn ganz anders als menschlicher Zorn, gibt es doch in Gott keine Leidenschaften. Sobald wir uns von der Sünde lossagen, also Reue erwecken und Buße tun und damit den Grund für den Zorn Gottes aus der Welt schaffen, erbarmt sich Gott des Sünders.

Der Götze der freien Liebe

Aber gerade daran krankt der heutige Mensch, er will die Sünden gar nicht mehr bereuen, er erhebt sogar einen Anspruch auf die Sünde im Namen seiner vermeintlichen Freiheit. Dieser inneren Fehlhaltung ist das neue Gottesbild entsprungen – man könnte diesen Gott einen Götzen der freien Liebe nennen, wie wir schon erwähnt haben. Der hl. Alphons war ein großer Seelenkenner, er wußte, wie schwer es dem Menschen fällt, sündhafte Gewohnheiten zu lassen.

Hoffnung ohne Furcht

Damit wir innerlich zur Buße bewegt werden, müssen wir die Züchtigung Gottes fürchten; sonst werden wir niemals dahin kommen, unser Leben zu ändern. Freilich ist es wahr, daß Gott diejenigen beschützt, die auf Seine Barmherzigkeit hoffen: Er ist ein Beschirmer aller, die auf Ihn hoffen. (Ps. 17,31) Aber wer auf Seine Barmherzigkeit hofft, der fürchtet auch zugleich Seine Gerechtigkeit; denn eine Hoffnung ohne Furcht artet in Kühnheit und Vermessenheit aus.

Genauso ist es im Modernismus geschehen, die Modernisten haben in Anlehnung an Luther eine Hoffnung ohne Furcht erfunden. In ihrer Kühnheit und Vermessenheit meinen sie, sicher sein zu können, daß sowieso alle Menschen gerettet werden, also die Hölle leer ist. Was für ein gefährlicher Wahnsinn, der die Menschen zur Sünde gegen den Heiligen Geist verführt und sie schlußendlich in die Hölle stürzt. Der hl. Alphons erinnert dagegen daran:

Oft spricht der Herr in der Heiligen Schrift von der Strenge Seiner Urteile, von der Hölle und der großen Anzahl derer, die dahin kommen. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten; fürchtet den, der Macht hat, in die Hölle zu werfen. Weit ist das Tor und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die da hindurch gehen. Aber warum? Damit die Furcht uns herausreiße aus den Lastern, aus den Leidenschaften und den Gelegenheiten zur Sünde; und damit wir dann so gerechter Weise die ewige Seligkeit erhoffen können, welche nur den Unschuldigen oder nur jenen Büßern zu Teil wird, die auf Gott vertrauen und Ihn fürchten. O welch ein kräftiger Zügel ist die Furcht vor der Hölle, um uns von der Sünde zurückzuhalten! Gerade deshalb hat Gott die Hölle geschaffen. Er hat uns erschaffen und durch Seinen Tod erlöst, damit wir selig werden; Er hat uns sogar das Gebot gegeben, die ewige Seligkeit zu hoffen; Er muntert uns dazu auf, indem Er sagt, daß alle, die auf Ihn hoffen, nicht zu Grunde gehen werden: Alle, die auf Dich warten, werden nicht zu Schanden. (Ps. 24,3) Dagegen will und verlangt Er aber auch, daß wir die ewige Verdammung fürchten. Die Irrlehrer behaupten, daß alle Gerechtfertigten mit unfehlbarer Gewißheit glauben müssen, sie seien gerecht und zur Seligkeit vorherbestimmt, und der Besitz des Himmels könne ihnen nicht fehlen; aber mit Recht hat das Concilium von Trient diese Behauptung verdammt. (Sess. 6. can. 14. 15): Eine solche Sicherheit wäre für das Heil der Seelen ebenso nachteilig, wie die Furcht vor der Verdammnis heilsam ist. Die Furcht wird euch zur Heiligung sein. (Is. 8,13) Die heilige Furcht Gottes macht den Menschen heilig. Deshalb bat David um die Gnade der Furcht des Herrn, damit die Furcht in ihm die Begierden des Fleisches ertöte. Durchbohre mein Herz mit der Furcht vor Dir. (Ps. 24,11)

Wahre Gottesfurcht

Durch die erbsündlichen Verwundungen ist der Mensch allezeit zum Leichtsinn geneigt. Es fällt ihm äußerst schwer, die Sünde ernst zu nehmen und die aus dieser folgende Strafe Gottes zu fürchten. Darum müssen wir um die Gottesfurcht bitten wie König David: Durchbohre mein Herz mit der Furcht vor Dir.

Es gilt nun noch zu klären, was die Furcht des Herrn genau ist, denn viele verwechseln sie mit dem Gefühl der Angst. Diese Verwechslung steht sicher auch hinter dem Modernistenspruch: Das Evangelium ist eine Frohbotschaft und keine Drohbotschaft. Sind doch die Modernisten hingegangen, nicht die Angst vor Gott zu bekämpfen, sondern die Furcht des Herrn. Ihrem Gott, vor dem sie meinen keine Angst haben zu müssen, haben sie den Zorn und den Willen zu strafen abgesprochen. Ihr Gott ist ein bloßer Hampelmann ihrer Leidenschaften, aber nicht mehr der dreimal heilige Gott, vor dem die Cherubim und Seraphim zittern. Auch der hl. Alphons erwähnt die Gefahr, die Furcht Gottes mißzuverstehen:

Wir müssen also um unserer Sünden willen von heilsamer Furcht durchdrungen sein; aber diese Furcht muß uns nicht niederschlagen, sie muß uns vielmehr aufrichten zum Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, wie dies bei demselben Propheten der Fall war, da er zum Herrn sprach: Um Deines Namens willen, Herr, sie gnädig meiner Sünde: denn ihrer ist viel. (Ps. 24,11)

Er sagt: Sei gnädig, weil seiner Sünden viele sind. Das kommt daher, weil da, wo das Elend größer ist, auch die Barmherzigkeit Gottes desto klarer hervorleuchtet; und weil derjenige, welcher mehr Sünden begangen hat, auch die Barmherzigkeit Gottes mehr ehrt, wenn er auf Gott hofft, der all denen Rettung verheißen hat, die auf Ihn hoffen: Er errettet sie, denn sie haben auf Ihn gehofft. (Ps. 36,40)

Deshalb heißt es in der Heiligen Schrift, daß die Furcht Gottes nicht Pein, sondern Freude und Fröhlichkeit hervorbringe. Die Furcht des Herrn erfreuet das Herz, gibt Lust und Wonne. (Eccl. 1,12) Durch die Furcht gelangt man zu einer festen Hoffnung auf Gott, welche die Seele glückselig macht. Wer den Herrn fürchtet, zittert vor nichts: denn Er ist seine Hoffnung. Glückselig ist die Seele des Menschen, der den Herrn fürchtet. (Eccl. 34,16)

Ja, glücklich ist eine gottesfürchtige Seele, denn die Furcht entfernt den Menschen von der Sünde: Die Furcht des Herrn vertreibt die Sünde, (Eccl. 1,27) während sie ihn zugleich mit einem großen Verlangen erfüllt, die Gebote Gottes zu beobachten: Glückselig der Mann, der den Herrn fürchtet; er wird große Lust haben an Seinen Geboten. (Ps. 111,1)

Die Furcht des Herrn ist etwas ganz anderes als vor Gott Angst zu haben. Die Furcht ist eine innere Haltung, die aus der Erkenntnis der unendlichen Heiligkeit Gottes entspringt. Ein von der Gottesfurcht ergriffener Mensch fürchtet, Gott zu mißfallen oder Ihn gar zu beleidigen. Je gefestigter die Seele in der Gottesfurcht ist, desto mehr fließt aus dieser Freude und Fröhlichkeit. Denn gibt es eine größere Freude als die, Kind Gottes sein zu dürfen? Die Gottesfurcht treibt die Seele geradezu in die Arme Gottes, wohingegen die Angst vor Gott fliehen läßt. Die Angst unterstellt nämlich Gott eine heimliche Freude an den angedrohten oder vollzogenen Strafen, was grundlegend falsch ist:

Wir müssen also fest glauben, daß Gott keine Freude daran habe, uns zu züchtigen. Da Gott Seiner Natur nach unendlich gütig ist, wie der heilige Leo sagt, so hat Er kein anderes Verlangen, als uns Gutes zu tun und uns glücklich und zufrieden zu sehen. Wenn Er züchtigt, so ist Er dazu genötigt, damit Seiner Gerechtigkeit genug getan werde, nicht aber, weil Er Sein Wohlgefallen daran hat, zu strafen. …

Der Apostel schreibt: Gott erbarmt sich, wessen Er will, und verstößt, welchen Er will. Zu diesen Worten bemerkt der heilige Bernhard, daß Gott, was Ihn Selbst betrifft, uns erretten wolle, daß aber wir Ihn zwingen, uns zu verdammen. Gott wird ein Vater der Barmherzigkeit und nicht ein Vater der Rache genannt: daraus erhellt, daß Er den Grund, uns gnädig zu behandeln, aus Sich Selbst nehme, daß Er aber den Grund, uns zu strafen, aus uns nehme. Wer wird auch jemals begreifen können, wie groß die Barmherzigkeit Gott ist! David sagt, daß Gott auch dann, wenn Er über uns zürnt, mit uns Mitleid trage. Du zürnest, Herr, und erbarmst Dich unser. (Ps. 59,3) Daher ruft der Abt Beroncosius aus: O barmherziger Zorn, der da zürnt, um zu helfen, und droht, um zu verschonen! Du hast, fährt David fort, Hartes erzeigt Deinem Volke, uns getränket mit dem Weine der Trübsal. Schon zeigt Sich uns Gott mit der Zuchtrute in der Hand; aber Er tut dies nur deshalb, damit wir die Beleidigungen, welche wir Ihm zugefügt haben, mit zerknirschtem Herzen verabscheuen. Du hast denen, die Dich fürchten, ein Zeichen gegeben, damit sie fliehen vor dem Bösen, und gerettet würden Deine Geliebten. (Ps. 59,6) Gott zeigt sich uns mit dem gespannten Bogen, schon bereit, den Pfeil abzuschießen; aber Er schießt ihn nicht ab, sondern will nur, daß wir, darüber erschreckt, uns bessern, und so der verdienten Strafe entgehen. Ich will sie erschrecken, sagt der Herr, damit sie, von Angst und Schrecken ergriffen, aus der Ruhestätte ihrer Sünden aufstehen und zu Mir zurückkehren: In ihrer Trübsal werden sie sich frühe zu Mir aufmachen. (Os. 6,1) …

Mahnungen Gottes zur Umkehr

Gott ist der beste aller Väter, er will deswegen auch das Beste für Seine Kinder. Wenn es so ist, wie könnte Er uns einfach ins Verderben rennen lassen? Wie könnte er zusehen, wenn Seine Kinder vor lauter Leichtsinn ihr ewiges Glück aufs Spiel setzen? Nein! Wie der beste Vater mahnt uns Gott, wenn wir in Sünden fallen. Und wenn Seine Mahnungen keinen Erfolg haben, dann droht Er mit Strafe, einer Strafe, die den Sünden notwendigerweise anhängt. Je tauber Seine Kinder Seinen Mahnungen gegenüber werden, desto eindringlicher werden die Drohungen des himmlischen Vaters, wie auch der hl. Alphons lehrt:

Was sollen wir also tun, meine Christen? Seht ihr nicht, daß Gott zürnet? Nicht länger mehr, nicht länger mehr kann Er uns ertragen. Gott zürnt. Seht ihr nicht, wie von Tag zu Tag die Züchtigungen Gottes wachsen? Es wächst die Bosheit, es wächst aber auch der Mangel an allen Dingen. Es wachsen die Sünden, sagt der heilige Chrysostomus, und es wachsen natürlicherweise die Züchtigungen. Gott zürnt, aber so sehr ER auch zürnt, so ruft Er doch mir jetzt zu, was Er eines Tages zu dem Propheten Zacharias gesprochen hat: Sprich zu ihnen. So spricht der Herr; bekehret euch zu Mir, und Ich werde Mich zu euch kehren. (Zach. 1,3) Sünder, sagt Gott, ihr habt euch von Mir weggewendet und Mich dadurch gezwungen, euch Meiner Gnade zu berauben. Zwingt Mich nicht noch ferner, euch völlig aus Meinem Angesichte zu verbannen, und euch mit der Hölle zu bestrafen, wo es keine Verzeihung mehr gibt. Höret auf, lasset ab zu sündigen, und bekehrt euch zu Mir; und Ich verspreche euch, alle Beleidigungen, die ihr Mir zugefügt habt, zu verzeihen, und euch von Neuem als Kinder anzunehmen. …

Zweite Predigt

In seiner zweiten Predigt spricht der hl. Alphons von Liguori über die Sünder, die erst dann den Drohungen Gottes glauben, wenn die Züchtigung selbst über sie kommt. Einleitend erwähnt er die Versuchung Evas im Paradies als Beispiel der Hinterlist des Teufels:

Als der Herr unseren ersten Eltern verboten hatte, von der Frucht des Baumes zu essen, näherte sich die unglückliche Eva dem Baume, von wo herab die Schlange zu ihr sprach und sagte: Warum hat euch Gott geboten, nicht zu essen von dieser schönen Frucht? Eva antwortete: Gott hat uns geboten, daß wir nicht davon essen, ihn auch nicht berühren, damit wir nicht etwa sterben. Seht da, wie schwach Eva war; Gott hatte ausdrücklich mit dem Tode gedroht, und Eva fing schon an, daran zu zweifeln: damit wir nicht etwa sterben; wenn ich davon esse (sagte sie), so werde ich vielleicht sterben. Aber seht auch: Kaum sah der Teufel, daß Eva die Drohung Gottes nur wenig fürchte, so begann er auch schon, sie zu ermutigen und sprach: Keineswegs werdet ihr sterben; fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben: und so täuschte er sie, und bewirkte, daß Eva sündigte und von der Frucht aß. So fährt der Böse Feind noch alle Tage fort, so viele arme Sünder zu täuschen. Gott droht: Sünder! Höret auf zu sündigen, tuet Buße, damit ihr nicht zu Grunde geht, wie so viele andere Verdammte: Wenn ihr nicht Buße tut, so werdet ihr alle auf gleiche Weise zu Grunde gehen. (Luk. 13,5)

Dem Sünder fällt es gewöhnlich schwer, die Sünde zu lassen. Wenn ihn Gott mahnt und ermutigt, den entscheidenden Schritt zu tun, findet er viele Ausreden, um sich über den tödlichen Ernst der Sünde hinwegzutäuschen. Sobald aber der Teufel erkennt, daß die Furcht vor der Sünde nur noch gering ist, treibt er die Seele zur Entscheidung. Er beruhigt sie und flüstert ihr ins Ohr: Fürchtet euch nicht, fahret nur fort, euch zu vergnügen, Gott ist ja barmherzig. So bemüht sich der Feind unserer Seele emsig, die Ausführung unserer guten Vorsätze hinauszuzögern und somit zu verhindern. Man kann es nur allzu oft beobachten: Gott flößt der Seele eine heilsame Furcht ein, der Teufel aber nimmt sie hinweg. Wenn man nüchtern darüber nachdenkt, müßte man eingestehen, wie leichtsinnig so ein Verhalten ist, denn es weiß letztlich niemand, wie viel Zeit ihm noch verbleibt, um sein Leben zu bessern. Wie der hl. Alphons sicher aus seiner großen seelsorglichen Erfahrung weiß: Die Sünder wollen so lange den Drohungen Gottes nicht glauben, bis sie die Strafe endlich trifft. Hierzu erwähnt er als Beispiel die Stadt Sodoma.

Das Beispiel der Stadt Sodoma

Als Loth vom Herrn die Versicherung erhielt, Er wolle jetzt die Stadt Sodoma vertilgen, da sprach er sogleich zu seinen Verwandten: Machet euch auf, und gehet aus diesem Orte, denn der Herr wird diese Stadt verderben. (Gen. 19,14) Aber diese wollten seinen Worten nicht glauben: Und es erschien ihnen, als redete er im Scherze. (Ebd.) Es schien ihnen, als wolle er sie durch seine Drohungen nur schrecken. Aber bald kam die Strafe, und als jene in ihrer Torheit blieben, wurden sie vom Feuer verbrannt.

Die Absage der Verstockten an die Barmherzigkeit Gottes

Warum warten wir, meine Christen? Gott verkündigt uns die nahe Strafe: hören wir darum auf zu sündigen! Wollen wir warten, bis Gott Selbst unserem Sündenleben ein Ende macht? Höre, o Sünder, was dir der heiligen Paulus zuruft: Sieh also die Güte und Strenge Gottes: die Strenge gegen die Gefallenen, die Güte Gottes gegen dich, wenn du im Guten verharrest: sonst wirst auch du ausgehauen werden. (Röm. 11.22) Betrachte, sagt der Apostel, die Gerechtigkeit Gottes, die schon so viele Sünder gestraft und zur Hölle verdammt hat. Betrachte dagegen auch die Barmherzigkeit des Herrn, die Er dir bis jetzt erwiesen hat. Höre auf zu sündigen, ändere dein Leben, entferne die Gelegenheiten, empfange häufig die heiligen Sakramente, fahre fort, ein christliches Leben zu führen: so wird der Herr dir die Züchtigung erlassen. Tust du das aber nicht, so wirst du auf ewig zu Grunde gehen, denn Gott hat lange genug Geduld mit dir getragen und wird gewiß nicht länger zusehen. Gott ist barmherzig, aber Er ist auch gerecht. Er ist barmherzig mit denen, welche Ihn fürchten, gegen Verstockte aber kann Er nicht barmherzig sein.

Die gefährlichste aller Sünden

Man kann es nicht oft genug erwägen und hervorheben: Gott ist barmherzig mit denen, welche Ihn fürchten, gegen Verstockte aber kann Er nicht barmherzig sein. Deswegen ist das vermessentliche Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit die gefährlichste aller Sünden. Diese wiegt den Sünder in falscher Sicherheit, da er sich, obwohl er die Sünde nicht lassen will, einbildet, großes Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit zu haben. Dabei kann Gott ihm gegenüber gar nicht barmherzig sein, solange er in seiner Sünde verstockt bleibt.

Was für eine furchtbare Verantwortung haben darum Wojtyla und Genossen, die den Menschen einreden, Gottes Barmherzigkeit sei unendlich groß. Der Sünder brauche sich darob keine Sorgen machen, schließlich werden doch alle gerettet werden. Ganz anders spricht freilich der hl. Alphons:

Zittern wir deshalb, meine Christen, wenn wir sehen, daß andere gezüchtigt werden, da wir doch selbst die nämliche Strafe verdienen. Als der Turm von Siloe über achtzehn Personen einstürzte und sie tötete, da sprach der Herr zu den vielen, die zugegen waren: Meint ihr, daß jene achtzehn schuldiger gewesen seien, als alle Bewohner von Jerusalem? (Luk. 13,4) Glaubt ihr, daß jene Unglücklichen allein vor Gott Schuldner wären wegen ihrer Sünden? Auch ihr seid Seine Schuldner; und wenn ihr nicht Buße tut, so werdet auch ihr bestraft werden wie sie. O wie viele Unglückliche gehen zu Grunde mit der falschen Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes, da sie immer ihr lasterhaftes Leben fortsetzen wollen und sagen: Gott ist barmherzig! Ja, Gott ist barmherzig, und deshalb hilft und beschützt Er den, der auf Seine Barmherzigkeit hofft: Ein Beschirmer ist ER allen, die auf Ihn hoffen! (Ps. 17,31) Aber nur dem, der auf Ihn hofft und sein Leben bessern will; nicht dem, der mit verkehrtem Herzen hofft und fortfährt, Ihn zu beleidigen; dessen Hoffnung nimmt Gott nicht an; nein! Er verabscheut und bestraft solche sogar: Ihre Hoffnung ist Ihm ein Greuel. (Job. 11,20) O arme Sünder! Dies ist ihr größtes Elend, daß sie verloren sind, und es nicht einmal erkennen. Solche Menschen sind schon zur Hölle verdammt, und leben dahin und scherzen, lachen, und verachten die Drohungen Gottes, als ob ihnen Gott die Gewißheit gegeben hätte, daß Er sie nicht strafen werde. Woher, ruft der heilige Bernhard aus, woher kommt nur diese verfluchte Sicherheit? Woher habt ihr Verblendeten diese verfluchte Sicherheit? Er nennt sie eine verfluchte Sicherheit, weil diese Sicherheit gewiß zur Hölle führt: Ich will kommen zu den ruhig und sicher Wohnenden. Der Herr wartet: aber wenn die Stunde der Züchtigung kommt, wird Er in Seiner Gerechtigkeit jene Unglückseligen zur Hölle verdammen, die in ihren Sünden ruhig dahinleben, als ob es für sie keine Hölle gebe.

Wir müssen also aufhören zu sündigen, meine Christen! Wir müssen uns bessern, wenn wir der Strafe entgehen wollen, die unser wartet. Wenn wir nicht damit aufhören, so muß Gott uns endlich züchtigen: Die böse sind, werden ausgerottet. (Ps. 36,9)

Der Lohn der Sünde ist der Tod

So spricht der wahre Seelenfreund und Seelenführer. Die Sorge um seine Kinder drängt ihn, diese ernsten Wahrheiten einzuschärfen: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, das Gnadengeschenk Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Röm. 6, 23). Gott muß die nicht bereute und gesühnte Sünde strafen, das verlangt seine göttliche Gerechtigkeit. Sicher ist Gott langmütig, übrigens viel langmütiger als wir Menschen es in gleicher Situation wären. Wenn der Sünder jedoch diese Langmut nur dazu nützt, um noch mehr zu sündigen, denn wird die Stunde der Züchtigung kommen und Er wird in Seiner Gerechtigkeit jene Unglückseligen zur Hölle verdammen, die in ihren Sünden ruhig dahinleben, als ob es für sie keine Hölle gäbe.

Dritte Predigt

Versuchen wir darum die Zeichen der Zeit recht zu deuten, um das derzeitige Strafgericht Gottes verstehen, um daraus Nutzen ziehen zu können:

Herr, Du hast diesem Volk schon so oft vergeben, Du hast ihm so oft mit dem Tode gedroht, durch die Erdbeben, Seuchen ringsum, durch Krankheiten und Todesfälle in anderen Orten: dann aber hast Du wieder Mitleid gehabt. Deinem Volke bist Du gnädig, o Herr: gibst gnädig dem Volke; bist Du nicht herrlich? Du hast verziehen, du hast Barmherzigkeit geübt: aber wie hat es Dir vergolten? Haben sie aufgehört zu sündigen? Haben sie ihr Leben geändert? Nein! Sie haben es nur noch schlimmer gemacht als zuvor; sobald die Furcht nur etwas vorüber war, kehrten sie wieder zu den alten Sünden zurück, um Dich zu beleidigen, und Dich von Neuem zum Zorne zu reizen. Aber, o Sünder, was meinet ihr denn? Wird etwa Gott immer zuwarten, wird Er immer verzeihen und niemals strafen? Nein! … Gott zeigt Barmherzigkeit bis zu einem bestimmten Punkt, dann aber tritt die Gerechtigkeit ein und strafet.

Es fällt uns zuweilen sehr schwer, die Sünde so ernst zu nehmen wie sie tatsächlich ist. Das liegt daran, daß wir keinen direkten Erfahrungsschatz über das Übel der Sünde haben. Eine Sünde tut nicht weh, sie zeitigt meist keine direkten, unmittelbar spürbaren Folgen. Diese können wir allein durch den Glauben recht begreifen. Unser katholischer Glaube läßt keinen Zweifel daran, daß die Sünde das Schlimmste ist, was es in dieser Welt gibt. Diese Wahrheit gilt es wieder und wieder zu betrachten, damit wir die innwendige Kraft erlangen, wenigstens alle schweren Sünden zu meiden und sodann eifrig danach streben, auch die läßlichen Sünden zu lassen. Sodann brauchen wir den Zorn Gottes in keiner Weise mehr zu fürchten.

Die Heiligkeit Gottes und die Bosheit der Sünde

Wir müssen uns davon überzeugen, daß Gott die Sünde hassen muß. Gott ist die Heiligkeit selbst: deshalb muß Er dieses feindliche Ungeheuer hassen, dessen Bosheit die Heiligkeit Gottes durchaus entgegen ist. Und wenn Gott die Sünde haßt, so muß Er auch notwendig den Sünder hassen, der mit der Sünde einen Bund eingeht: Der Gottlose und sein gottloses Wesen sind Gott gleich verhaßt. (Weish. 14,9) Ach mein Gott! Mit welcher Kraft und mit wie viel Grund beklagt Sich der Herr über diejenigen, welche Ihn verachten, um sich mit Seinen Feinden zu vereinigen! Höret ihr Himmel, und nimm es zu Ohren Erde, denn der Herr redet: Söhne habe Ich aufgezogen und emporgebracht, aber sie haben Mich verachtet. (Is. 1,2) Ihr Himmel (sagt Gott) höret Mich: Ich habe sie ernährt und wie Meine Kinder aufgezogen, und sie vergelten Mir mit Beleidigungen und Verachtungen. Es kennt der Ochs seinen Eigentümer, und der Esel die Krippe seines Herrn, Israel aber kennt Mich nicht: sie sind rücklings abgewichen. (Ebd. 3,4) Selbst die unvernünftigen Tiere, die Ochsen und Esel, kennen ihren Herrn, und sind ihm dankbar; aber Meine Kinder, klagt der Herr weiter, haben Mich nicht erkannt, und haben sich von Mir abgewendet, sind rücklings gewichen. Aber wie? Selbst die Tiere, sagt Seneca, erkennen die Wohltaten, und sind dankbar gegen ihre Wohltäter; man sehe nur einen Hund, wie der seinem Herrn, der ihn ernährt, so getreu dient und gehorcht! Selbst bei wilden Tieren, selbst Tiger und Löwen bezeigen sich gegen diejenigen dankbar, die sie füttern. Aber, o mein Christ! Gott hat dich bis heute mit allem versehen, was du bedarfst; Er hat dich genährt und gekleidet; mehr noch! Er hat sogar da, als du Ihn beleidigt hast, dein Leben erhalten: und wie hast du Gott behandelt? Was willst du in Zukunft tun? Willst du fernerhin auf diese Weise fortleben? Glaubst du etwa, daß es für dich keine Strafe, keine Hölle gebe? Wisse und bedenke es, o mein Christ! Wie Gott die Sünde hassen muß, weil Er heilig ist, so muß Er auch den verstockten Sünder hassen, weil Er gerecht ist.

Wenn uns aber Gott straft, so straft Er nicht, weil Er Sein Wohlgefallen daran hat, sondern weil wir Ihn zwingen, uns zu strafen. Der weise Mann sagt: Gott habe die Hölle nicht geschaffen, weil Er Seine Lust daran habe, die Menschen darin zu bestrafen oder weil Er Sich an ihrer Verdammung erfreue; denn Er will nicht, daß etwas von dem, was Er geschaffen, zu Grunde gehe. Gott hat den Tod nicht gemacht, und am Untergange der Lebenden freuet Er Sich nicht; Er schuf ja alles zum Segen. (Weish. 1,13f) …

Die strafende Gerechtigkeit Gottes

Die strafende Gerechtigkeit Gottes zieht nur die notwendigen Konsequenzen aus dem Wesen der Sünden, wenn sie uns straft. Aber diese Konsequenzen sind für uns durchaus erschreckend:

Der heilige Johannes Chrysostomus betrachtet die Worte, welche Jesus Christus beim Jüngsten Gericht zu den Verworfenen sprechen wird: Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist (Matt. 25,41), und sagt: Wer hat dieses Feuer den Sündern bereitet? Etwa Gott? Nein! Denn Gott hat die Seelen nicht für die Hölle geschaffen (wie dies der gottlose Luther behauptete), sondern dieses Feuer bereiten sich die Sünder selbst durch ihre Sünden. Wer Sünden säet, erntet Strafe. Wer Ungerechtigkeit säet, wird Unglück ernten. Wenn eine Seele in die Sünde einwilligt, so verpflichtet sie sich freiwillig, die Strafe zu zahlen, und verurteilt sich selber zur Hölle. Wir, sprechen die Sünder, haben einen Bund mit dem Tode geschlossen, und einen Vertrag mit der Hölle gemacht. (Is. 28,15) Mit Recht sagt daher der heilige Amborius, daß Gott niemanden verurteilt, sondern daß ein jeder selbst der Urheber seiner Strafe sei. Und, wie der Heilige Geist selbst lehrt, der Sünder wird von demselben Hasse verzehrt, den er gegen sich selbst getragen hat: Die Rute seines Zornes wird ihn vernichten. (Prov. 22.8) Mit Recht sagt also Salvianus: Der Mensch, der Gott beleidigt, hat keinen grausameren Feind als sich selbst; denn er selbst bereitet sich die Strafe, welche ihn quält. Gott will uns nicht gequält sehen, aber wir selbst ziehen die Strafen über uns herab, und entzünden durch unsere Sünden jene Flamme, die uns verzehren wird. Gott also züchtigt uns deshalb, weil wir Ihn zwingen, uns zu züchtigen. …

Was kann Gott dann noch tun?

Zu allen Zeiten waren die Menschen Sünder, natürlich auch die Katholiken. Aber sie haben deswegen nicht die Lehre verfälscht, sie haben sie „nur“ durch ihr Leben geleugnet. Solange die Lehre recht ist, solange der Sünder um die Gerechtigkeit Gottes und die ewige Strafe der Hölle weiß, kann er sich auch bekehren. Das schlechte Gewissen wird nie ganz ausgelöscht werden, so daß sich der Sünder wieder Gott zuwenden kann. Sobald er aber die Sünde als solche leugnet, sieht er gar keinen Grund mehr, sein Leben zu ändern. Er fordert sogar ein Recht auf die Sünde ein, wie wir es immer mehr erleben. Was kann Gott dann noch tun?

O mein Christ! Wie viele Heilmittel, wie viele Eingebungen, wie viele Zurufe hat Gott dir bis zu dieser Stunde zukommen lassen, um dich vor der ewigen Verdammnis zu bewahren? Kann Gott mehr tun? Und wenn Er dich dann verdammt, kannst du dich dann gegen Gott beklagen, der dich auf so mannigfache Weise gerufen hat? Gott ruft dich durch Predigten, durch innere Einsprechungen; Er ruft dich durch Wohltaten! Er ruft dich endlich durch zeitliche Strafen, damit du die ewigen Strafen fürchten und meiden lernst; denn, sagte der heilige Bernardin von Siena, um gewisse Sünden, besonders die Ärgernisse aufzuheben, gibt es kein besseres Mittel, als die zeitlichen Strafen Gottes. Aber wenn Gott sieht, daß alle Seine Wohltaten zu nichts dienen, als die Sünder in ihrem bösen Leben nur noch übermütiger zu machen; wenn Er sieht, daß Er spricht und nicht gehört wird, dann verläßt Er den Sünder, und straft ihn mit dem ewigen Tode. Deshalb sagt Er: Ich rief, und ihr habt nicht gewollt; ihr habt Meine Strafreden in den Wind geschlagen; so will Ich auch bei euerem Untergange lachen und spotten. (Prov. 1,21) Ihr, sagt der Herr, lachet nun über Meine Worte, über Meine Drohungen und Meine Strafen: aber es wird über euch die letzte Strafe kommen, und dazu werde Ich über euch lachen. Der Stab ward zur Schlange. (Ex. 4,3) Der heilige Bruno bemerkt über diese Worte: Der Stab wird zur Schlange, wenn der Sünder sich nicht bessern will. Auf die zeitliche Strafe wird die ewige folgen. O wie gut versteht es Gott, uns zu züchtigen, und wie weiß Er es einzurichten, daß die Strafe denselben Dingen und Ursachen folge, wegen welcher wir sündigten! Womit jemand sündiget, damit wird er auch bestraft. (Weih. 11.17) …

O Sünder! Ladet doch nicht von Neuem den Zorn Gottes auf euch. Wisset, daß je größer die Barmherzigkeit des Herrn gewesen, die Er euch erwiesen, und je länger Er euch erduldet, desto größer und schneller auch Seine Strafe erfolgen werde, wenn ihr nicht aufhört, Ihn zu beleidigen. Die späte Rache gleicht Gott aus durch die Schwere der Strafe, sagt der heilige Gregorius. …

Lasset uns hintreten zum Throne der Gnade

Was sollen wir nun tun, sagt ihr, sollen wir verzweifeln? Nein! Gott will nicht, daß wir verzweifeln. Seht, der heilige Paulus ermahnt uns, was wir tun sollen: Lasset uns mit Zuversicht hintreten zum Throne der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden, wenn wir Hilfe nötig haben. (Heb. 4,16) Schnell also müssen wir hintreten zum Throne der Gnade, um Nachlassung unserer Sünden, um Nachlassung der uns drohenden Strafe zu erlangen; zur Zeit, da wir Hilfe nötig haben; d.h. alsogleich; denn heute will uns Gott etwa noch helfen, morgen wird Er es vielleicht nicht mehr wollen. Schnell also zum Throne der Gnade! Aber wer ist dieser Thron der Gnade? Es ist Jesus Christus: Er ist die Versöhnung für unsere Sünden. (1. Joh. 2,2) Jesus ist es, der uns durch die Verdienste Seines Blutes Verzeihung erlangen kann. Aber schnell! Denn vorübergehend predigte Jesus in Judäa, vorübergehend heilte Er Kranke, teilte Er Seine Gnaden den Menschen mit, und nur, wer achtsam war und Ihn darum bat, erhielt dieselben. Wer sich aber nicht um Ihn kümmerte, wer Ihn vorübergehen ließ, ohne Ihn um eine Gnade zu bitten, der ging leer aus: Wohltaten spendend, ist er vorübergegangen. (Apg. 10,38) …

Zeiten der Gnade

Es ist durchaus etwas Geheimnisvolles: Es gibt Zeiten der Gnade und es gibt zudem besondere Gnaden, die dem Menschen von Gott nur einmal angeboten werden. Darum mahnt unser göttlicher Lehrmeister so eindringlich zur Wachsamkeit. Es ist eine sehr ernste Erwägung: Er teilte Seine Gnaden den Menschen mit, und nur, wer achtsam war und Ihn darum bat, erhielt dieselben. In der Geheimen Offenbarung findet sich eine so ergreifend schöne Stelle, die dasselbe zum Ausdruck bringt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich bei ihm einkehren und mit ihm essen und er mit mir“ (Offb 3, 20). Wenn auch ungesagt, so klingt in diesen Worten dennoch auch die andere Wahrheit an: Wenn jemand nicht öffnet, geht unser Herr vorüber – und wer weiß, ob Er dann wiederkommt? Wer weiß, welche Folgen diese Nachlässigkeit nach sich zieht, bzw. welche Möglichkeiten der Versuchung durch den Teufel daraus entstehen.

Abschließend kommt der hl. Alphons noch auf die Gottesmutter zu sprechen, die wir in diesen gefahrvollen Zeiten besonders verehren und der wir uns mit ganzem Herzen anvertrauen sollen.

Die Mutter der heiligen Hoffnung

Ein Thron der Gnade ist auch, wie der heilige Antonin sagt, die allerseligste Jungfrau Maria, die eine Königin und Mutter der Barmherzigkeit ist. Wenn du also siehst, daß Gott gegen dich zürnt, dann wende dich, wie dich der hl. Bonaventura dazu ermutigt, an die Hoffnung der Sünder. Wer ist aber die Hoffnung der Sünder? Maria ist es; denn sie wird in der Heiligen Schrift genannt: die Mutter der heiligen Hoffnung. (Eccl. 24,24) Man muß aber wissen, daß eine heilige Hoffnung nur die Hoffnung jenes Sünders sei, der seine Missetaten bereut, und der sein Leben ändern will; wenn man aber sein böses Leben fortsetzen wollte, mit der Hoffnung, Maria werde helfen und retten, so wäre dies eine falsche, eine vermessene Hoffnung. Bereuen wir also unsere Sünden, entschließen wir uns zur Buße und wenden wir uns mit Vertrauen an Maria! Dann wird sie uns helfen und erretten.

Nochmals kommt der hl. Kirchenlehrer auf die falsche Hoffnung zu sprechen. Nein, unser Vertrauen auf die Mutter der Barmherzigkeit soll uns nicht zum Fallstrick werden. Wende dich nur ehrlichen Herzen an deine himmlische Mutter, dann wird sie dir ganz gewiß helfen, dein Leben zu ändern, so daß es dem Leben ihres göttlichen Sohnes ähnlich wird. Was könnte die Gottesmutter auch mehr wünschen, als daß das Bild ihres Sohnes immer mehr in uns Gestalt annehme, d.h. daß wir wahrhaft Kinder Gottes sind und immer noch mehr werden.

Maria bewahrt ihre Verehrer vor der Hölle

In seinen Herrlichkeiten Mariens kommt der hl. Alphons darauf zu sprechen, daß Maria ihre Verehrer vor der Hölle bewahrt, was er so erklärt:

Es ist unmöglich, daß ein Verehrer Mariens, der beharrlich ihr dient und sich ihr anempfiehlt, verdammt werde. Diese Behauptung erscheint auf den ersten Blick vielleicht zu gewagt, doch wolle man sie nicht verwerfen, ohne zuvor das, was ich über diesen Punkt bemerken werde, gelesen zu haben. Der Ausspruch, daß ein Verehrer Mariens unmöglich verdammt werde, ist nicht von solchen Verehrern zu verstehen, welche ihre Andacht dazu mißbrauchen, um mit weniger Furcht sündigen zu können. Solche vorgebliche Verehrer Mariens scheinen jene Tadler im Auge zu haben, die ungerechterweise sich gegen die Lobpreisung der Barmherzigkeit Mariens mit den Sündern ereifern, indem sie behaupten, diese treiben nur Mißbrauch damit, um noch mehr zu sündigen. Solch verwegene Menschen aber verdienen wegen ihres vermessenen Vertrauens Züchtigung, nicht Barmherzigkeit. Ich verstehe vielmehr jene Verehrer darunter, welche bestrebt sind, ihr Leben zu bessern und beharrlich zu bleiben im Dienst und der Andacht zu Maria. Von diesen behaupte ich, daß es moralisch unmöglich sei, daß sie verlorengehen. Und ich finde, daß auch Pater Crasset dasselbe in seinem Buch von der Verehrung der Jungfrau Maria gesagt hat, und vor ihm Vega in seiner Marianischen Theologie, Mendoza und andere Gottesgelehrte. Um uns zu überzeugen, daß diese nicht aufs Geratewohl dies behauptet haben, wollen wir sehen, was die Kirchenlehrer und die Heiligen gesagt haben. … Der heilige Anselm sagt: „Gleichwie es unmöglich ist, daß jemand selig wird, der Maria nicht ehrt und von ihr nicht beschützt wird, so unmöglich ist es, daß jemand verdammt wird, der sich der allerseligsten Jungfrau anempfiehlt und von ihr mit Liebe angesehen wird.“ Der heilige Antonin bestätigt dies mit den fast gleichen Worten: „Wie es unmöglich ist, daß jene gerettet werden, von denen Maria ihre barmherzigen Augen abwendet, so müssen jene, auf welchen ihre Augen ruhen und für die sie Fürsprache einlegt, notwendig zur Seligkeit und zur Herrlichkeit gelangen.“

Man erwäge den ersten Teil des Ausspruches dieser Heiligen, und jene werden zittern, die geringen Wert auf die Andacht zur göttlichen Mutter legen, oder aus Gleichgültigkeit sie ganz unterlassen. Sie sagen ausdrücklich, es sei unmöglich, daß jene selig werden, welche nicht unter dem Schutz Mariens stehen. … In gleichem Sinn bezieht auf Maria die heilige Kirche die Stelle: „Alle, die mich hassen, lieben den Tod.“

Darum gibt sich auch der Teufel so viel Mühe mit den Sündern, daß sie nach dem Verlust der göttlichen Gnade auch die Andacht zu Maria fallen lassen.