Die Allerheiligste Dreifaltigkeit und das Allerheiligste Altarsakrament
Es ist äußerst schwer, dem modernen Menschen noch einen echten Geheimnisglauben – wobei dieser im eigentlichen und echten Sinne allein der katholische sein kann – nahezubringen, gleitet dieser doch gewöhnlich unwillkürlich in die Esoterik ab. Schon viel länger als man gemeinhin anzunehmen bereit ist, ist das katholische Glaubenswissen verloren gegangen. Infolgedessen findet sich auch unter den modernen „gläubigen Katholiken“ nicht wenig Esoterik, früher sagte man Aberglauben. Der Grund dafür ist wohl vor allem, es fehlt dem modernen „Glauben“ grundsätzlich die vernünftige Basis. Religiöser Glaube entspringt beim modernen Menschen seinem Gefühl, ist doch – so wendet man ein – Gott nicht mit unserer Vernunft begreifbar. Ein allzu vernünftiger Glaube ist dem modernen Menschen schon vorneweg verdächtig. So vermischen sich bei ihm gewöhnlich seine Gottesvorstellungen mit allerlei Irrationalem, jeder reimt sich seinen eigenen „Glauben“ zusammen. Man kann wirklich immer wieder feststellen: Nichts ist unmöglich!
Das wundert einen anderseits nicht, weil seit mehreren Jahrzehnten die Irrlehre des Modernismus die Menschenmachwerkskirche beherrscht. Für einen Modernisten – also für diejenigen, die sich immer noch katholisch nennen, obwohl sie es schon längst nicht mehr sind – ist der Glaube ohne Inhalt, d.h. er ist an keine bestimmte Lehre gebunden. Der modernistische „Glaube“, besser Irrglaube, richtet sich nach dem persönlichen Geschmack, er hat je nachdem mehr oder weniger esoterische, neuheidnische, okkulte, fernöstliche oder rationalistische Anleihen. Die Mehrheit der modernen „Katholiken“ hat sich schon so sehr an dieses Phänomen gewöhnt, daß es ihnen gar nicht mehr in den Sinn kommt, es zu hinterfragen. Wer es wagt, Zweifel anzumelden, wird meist sofort als Fundamentalist beschimpft und auf eine Stufe mit den radikalen Moslems gestellt. Für einen Modernisten ist es schon radikal, den Glauben überhaupt ernst zu nehmen. Es ist darum recht kurios, wenn so ein Modernist im Eifer des Gefechts seine Irrlehre mit Zähnen und Klauen verteidigt.
Das modernistische Sammelbecken der Häresien
Bei einem solchen Durcheinander wundert es einen nicht, wenn vor allem das zentrale Dogma unseres hl. Glaubens, das der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, z.T. direkt ins Absurde abgleitet. Schon allein im Zuge des interreligiösen Dialogs und Ökumenismus muß dieses Dogma an den Rand rücken und zur Nebensache erklärt, bzw. bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden.
Jeder Katholik muß sich vergegenwärtigen, daß im Zuge dieses interreligiösen Dialogs und Ökumenismus in der Menschenmachwerkskirche die Irrlehre des Arianismus zurückgekehrt ist, aus dem einen Gott in drei Personen ist meist ein Gott in drei Erscheinungsweisen geworden. Selbstverständlich ist für einen Modernisten Jesus Christus nicht der wahre und wesenhafte Sohn Gottes, er ist nur wie einer der heidnischen Göttersöhne. In ihm ist uns „Gott“ nur in besonderer Weise nahegekommen. Nur unter dieser irrigen Voraussetzung kann man nämlich sagen, daß die großen monotheistischen Religionen denselben Gott verehren würden.
Es zeigt sich übrigens in solchen Vereinfachungen um der Ökumene willen der große Mangel an einer klaren Glaubenseinsicht bei der Mehrheit dieser „Katholiken“, haben sie sich doch widerstandslos den sog. Geist von Assisi angeeignet und infolgedessen schon vielmals in ihren Kirchen Götzendienst getrieben; und zudem offenbart sich darin jedem, der es sehen will, der schleichende Übergang in ein dogmenloses Christentum. In der Menschenmachwerkskirche ist wirklich alles möglich, weil keine Lehre letztverbindlich ist! Es gibt wohl kaum noch eine Irrlehre aus der Vergangenheit, die nicht irgendwo von irgendwem vertreten wird.
Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit
Versuchen wir doch, dieser großen Verwirrung ein wenig auf dem Zahn zu fühlen.
Schon lange hatte man im Zuge der modernistischen Verirrungen vergessen, aller Geheimnisglaube über Gott setzt immer schon das Wissen voraus, daß ein Gott ist, ein Schöpfer aller Dinge. Diese Einsicht war schon ganz tief in die Herzen der Israeliten eingegraben worden und die Christen haben sie übernommen und weiter ausgefaltet und vertieft. Matthias Joseph Scheeben schreibt in „Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit“ (Zweites Hauptstück seines Werks Die Mysterien des Christentums):
„‚Das Unsichtbare Gottes wird in den geschaffenen Dingen geistig erschaut‘, sagt der Apostel (Röm 1, 20). Aber was ist dieses Unsichtbare Gottes? Es ist namentlich seine ‚ewige Kraft und Vorsehung‘‚ dasjenige, was in den Werken Gottes hervortritt, wodurch die Werke hervorgebracht werden. Die Gottheit ist unsichtbar in sich selbst, sichtbar bloß in ihren Werken. Aber eben weil sie in sich selbst unsichtbar bleibt, weil wir sie durch die Werke nur in gebrochenen Strahlen, nicht an sich in ihrer reinen Lichtfülle erkennen, die Personen aber zum ‚An sich‘ der Gottheit gehören, bleiben dieselben absolut unsichtbar. So sichtbar und zugänglich Gott ist in dem Strahlenkranze, mit dem er sich in seinen Werken umgeben hat, so wohnt er doch in sich selbst nach dem Apostel ‚in einem unzugänglichen Lichte, wo ihn kein Mensch gesehen hat und auch nicht sehen kann‘ (1 Tim 6, 16). Darum sagt der heilige Johannes mit Recht: ‚Gott hat niemand jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in seinem Schoße wohnt, hat von ihm erzählt‘ (Jo 1, 18); und noch deutlicher der Sohn Gottes selbst: ‚Niemand kennt den Sohn, als der Vater, und niemand kennt (von Natur) den Vater, als der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will‘(Mt. 11, 27). Nur die göttlichen Personen selbst, die in dem unzugänglichen Lichte der Gottheit wohnen, können also sich selbst in ihrem Unterschiede und ihren gegenseitigen Beziehungen erkennen; nur der Vater und der Sohn und der von beiden ausgehende Geist, welcher ‚im Innern Gottes wohnt und die Tiefen der Gottheit erforscht‘ (1 Kor 2, 10), nur sie erkennen einander aus sich; alle geschaffenen Geister, nicht der menschliche allein, erkennen diese Personen bloß durch deren gnädige Herablassung und Offenbarung, nicht auf dem Wege des Schauens oder des Forschens, sondern ausschließlich auf dem Wege der Erfahrung aus positiver Mitteilung Gottes.“
Die Offenbarung des Schöpfers in Seiner Schöpfung
Während wir uns bezüglich Gottes als Schöpfer aller Dinge noch weitgehend auf unsere Vernunft stützen können, wird doch durch die Schöpfung Seine ewige Kraft und Vorsehung in gewissem Maße offenbar, tappen wir bezüglich des Innenlebens Gottes vollkommen im Dunkeln. Niemand hat Gott jemals gesehen, kein Geschöpf kennt sein inwendiges Geheimnis – außer Gott selbst offenbart es ihm.
Wenn sich nun aber Gott dem Menschen offenbart, so immer zunächst und notwendig als ein Gott und als Schöpfer der ganzen Welt. Dabei steht dieser einzig wahre Gott und Schöpfer himmelweit über allen Geschöpfen. Unwandelbar und ewig thront Gott als Schöpfer über Seiner aus nichts geschaffenen Welt. Es ist dem Menschen verwehrt, kraft seiner eigenen Vernunft weiter ins Geheimnis Gottes einzudringen. Die Gottheit ist unsichtbar in sich selbst, sichtbar bloß in ihren Werken. Aber eben weil sie in sich selbst unsichtbar bleibt, weil wir sie durch die Werke nur in gebrochenen Strahlen, nicht an sich in ihrer reinen Lichtfülle erkennen, die Personen aber zum „An sich“ der Gottheit gehören, bleiben dieselben absolut unsichtbar.
Das Buch der Weisheit über das Alte Heidentum
Mit einem Blick auf die Verirrungen des Heidentums begreift man das Dunkel dieses Geheimnisses noch mehr. Die Heiden haben Geschöpfe zu Göttern erhoben, sie haben Sonne, Mond und Sterne angebetet. Ihre Deutung des göttlichen Geheimnisses ging vollkommen in die Irre, wie es im Buch der Weisheit beschrieben wird:
„Toren von Natur waren nämlich schon alle Menschen, denen die Erkenntnis Gottes fehlte und die nicht imstande waren, aus den sichtbaren Gütern auf den Seienden zu schließen, und die beim Betrachten der Werke den Meister nicht fanden. Feuer, Wind, flüchtige Luft, den Kreis der Sterne, das gewaltige Wasser, die Leuchten des Himmels hielten sie hingegen für Götter, die die Welt regieren.
Doch wenn sie schon, hingerissen durch deren Schönheit, sie für Götter hielten, so hätten sie billig erkennen sollen, wieviel herrlicher deren Gebieter ist; denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen. Und wenn sie schon über deren Kraft und Wirksamkeit staunten, hätten sie doch daraus schließen sollen, um wieviel mächtiger ihr Schöpfer ist. Denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe wird durch Vergleiche ihr Schöpfer erschlossen.
Indes verdienen sie nur geringen Tadel; denn sie gehen vielleicht nur irre, während sie wirklich Gott suchen und ihn finden wollen. Denn mit seinen Werken beschäftigt, durchforschen sie diese, lassen sich aber durch den Anblick verführen, weil das, was sie sehen, so schön ist.
Doch andererseits sind sie damit auch nicht zu entschuldigen. Denn wenn sie imstande waren, soviel zu erkennen, daß sie die Welt durchforschen konnten, wie kam es dann, daß sie den Herrn dieser Dinge nicht eher fanden?“
(Weish. 13, 1-9)
Gott selbst gewährt einen Blick in Sein ureigenstes Geheimnis
Wir Katholiken wissen, „Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser Prophezeien“ (vgl. 1Kor 13,9). Nur mit Mühe und oft genug mit Irrtümern vermischt vermag sich der Mensch zur Erkenntnis Gottes als Schöpfer aller Dinge erheben. All unser weitergehendes Glaubenswissen über das innere Geheimnis Gottes beruht dagegen auf göttlicher Selbstoffenbarung. Gott tut uns in Seiner überfließenden Güte die Geheimnisse unserer Welt und unserer Bestimmung kund und gewährt uns zudem einen Blick in Sein ureigenstes Geheimnis.
Wie Matthias Joseph Scheeben erklärt, steht der Mensch fassungslos vor dieser Tatsache:
Die Vernunft sieht also selbst ein, daß sie aus sich selbst nicht zur Erkenntnis der Dreifaltigkeit gelangen kann; und die Offenbarung erklärt wiederum ihrerseits, daß es ihr allein zusteht, dieses Geheimnis zu enthüllen. Die natürliche Vernunft, die Vernunft der Kreatur, erkennt bloß die Natur Gottes, und auch diese nur nach ihrer Außenseite, als die höchste Ursache der geschaffenen Natur, ohne in die innern Tiefen der Gottheit eindringen zu können; staunend und anbetend muß sie hier mit den Seraphim ihr Angesicht verhüllen, oder vielmehr vor dem undurchdringlichen Schleier, der das Angesicht Gottes bedeckt, stehen bleiben, bis Gott in seiner Gnade sich herabläßt, mit eigener Hand diesen Schleier zu lüften, bis er selbst sein Inneres aufschließt, um uns die unbegreiflichen Geheimnisse seines Schoßes und seines Herzens jetzt im ahnungsvollen Dunkel des Glaubens, dereinst in der lichten Klarheit seiner Anschauung zu zeigen.
Die katholische Kirche – Verwalterin der Offenbarungswahrheit
Unser katholischer Glaube faßt nun alle Auskünfte der göttlichen Offenbarung zusammen. Man muß es heute schon ausdrücklich betonen: Ein Katholik steht grundsätzlich glaubend vor Seinem Gott und der von Gott zur Verwaltung der Offenbarungswahrheit gestifteten Kirche. Er bejaht grundsätzlich und mit übernatürlichem Glauben alle Dogmen der katholischen Kirche, weil sie unfehlbares Zeugnis der göttlichen Offenbarung sind. Wir umfassen durch unseren Glauben ein Geheimnis, vor dem selbst die Seraphim staunend und anbetend ihr Angesicht verhüllen. Somit entzieht sich dieser göttliche Offenbarungsglaube ganz selbstverständlich jeglicher menschlichen Vernünftelei. Er ist ganz und gar abhängig vom göttlichen Zeugnis. Umso freier und freudiger ist er anderseits aber auch, weil er uns Anteil schenkt am göttlichen Wissen. Unser göttlicher Lehrmeister sagte einst zu den Juden, die an ihn glaubten: „Wenn ihr in meiner Lehre verharrt, seid ihr wahrhaft meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8, 31f).
Ein undurchdringliches Geheimnis
So ist es schon merkwürdig zu nennen, während immer mehr Menschen allein schon die Tatsache bezweifeln, daß es einen Gott gibt, feiern wir Katholiken ganz selbstverständlich Jahr für Jahr das Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Nein, wir glauben nicht nur, daß es einen Gott gibt, wir Katholiken wagen ganz selbstverständlich den Schritt zu einer übervernünftigen Gotteserkenntnis, weshalb wir wissen, daß dieser eine Gott, der Vater und der Sohn und der Heiligen Geist ist. Man muß es sich schon extra vergegenwärtigen, um es nicht sofort wieder zu vergessen, was Scheeben hervorhebt:
„Ja das Geheimnis ist so groß, so erhaben, daß die Vernunft, ohne vorhergehende Offenbarung, dasselbe nicht einmal ahnen könnte. In der ganzen geschaffenen Welt findet sich nichts, wodurch man auf den Gedanken einer Dreifaltigkeit der Personen in Gott gebracht werden könnte. Nirgendwo finden wir eine Natur in drei Personen; und nicht nur finden wir das nicht, in den Geschöpfen ist auch eine derartige Erscheinung absolut undenkbar. In dem unendlichen Reichtum der göttlichen Natur allein ist es möglich, daß die eine Natur drei Personen zugleich ausstatte und konstituiere. Aber auch diese Möglichkeit können wir natürlicherweise nicht positiv einsehen oder beweisen. Nachdem wir einmal durch den unfehlbaren Glauben von der Wirklichkeit der Dreifaltigkeit überzeugt sind, müssen wir auch die widerspruchslose Möglichkeit derselben präsumieren; wir können ferner mit der ganzen Anstrengung der gläubigen Vernunft die Inkonkludenz [Haltlosigkeit] der Gründe, mit denen man einen Widerspruch im Gegenstande unseres Glaubens dartun will, mit Bestimmtheit nachweisen. Allein ohne die Offenbarung oder abgesehen von ihr haben wir nichts, was uns für die Möglichkeit zu bürgen vermöchte.
Die Notwendigkeit, das göttliche Offenbarungswort unversehrt zu bewahren
Der dreifaltige Gott ist ein undurchdringliches Geheimnis, das wir allein glaubend umfassen können. Mit unserer Vernunft ist dieses Geheimnis niemals erweisbar, fehlen uns doch in unserer Welt die notwendigen Gleichnisse, also Erkenntnishilfen. Es ist uns gläubigen Katholiken nur möglich, die von den Ungläubigen vorgebrachten Einwände zu widerlegen, indem wir zeigen, daß an sich das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit keinen Widerspruch in sich enthält. All unser Wissen darüber – wie Gott in seinem dreifaltigen Geheimnis zu denken ist – beruht auf göttlicher Offenbarung. Wie schwierig und langwierig erwiesen sich daher auch die schon bald aufkommenden Streitigkeiten mit den Irrlehrern, die in irgendeiner Weise das Geheimnis verfälschten, weil sie es meist mit Vorstellungen aus der heidnischen Götterwelt vermengten. Wie sorgfältig galt es, auf das göttliche Offenbarungswort zu hören, um es unversehrt zu bewahren. Es ist nun einmal nicht so einfach, sich in einer fremden, unbekannten Welt zurechtzufinden – und noch viel viel schwerer ist es, sich in der Geheimniswelt des dreifaltigen Gottes zurechtzufinden.
Natürliche und übernatürliche Gotteserkenntnis
Durch die Gegenüberstellung von natürlicher und übernatürlicher Gotteserkenntnis wird uns diese Schwierigkeit womöglich etwas leichter verständlich. Scheeben erklärt:
„Und in der Tat, der natürliche Begriff Gottes stellt uns bloß die göttliche Natur dar, ohne ihre Mitteilbarkeit und Fruchtbarkeit; er zeigt uns Gott in derjenigen Macht und Güte, welche notwendig ist, um alles außer ihm hervorzubringen; er zeigt ihn bloß als die unendliche Ursache des Endlichen. Der Offenbarungsbegriff hingegen zeigt uns Gott den Vater als Prinzip des gleichfalls unendlichen Sohnes und mit dem Sohne als Prinzip des ebenfalls unendlichen Geistes. Jener stellt Gott bloß vor, insofern er den Kreaturen eine endliche Natur mitteilt, dieser, insofern er dem Sohne und dem Heiligen Geiste seine eigene unendliche Natur mitteilt. Wie nun die Produkte der trinitarischen Tätigkeit unendlich hoch über den Produkten der nach außen gerichteten Tätigkeit der göttlichen Natur, über den geschaffenen Naturen, stehen: so muß auch Gott als Prinzip der ersten als unendlich vollkommener erscheinen denn als Prinzip der zweiten. Der Begriff der Trinität enthüllt uns somit eine Vollkommenheit, welche in dem rein vernünftigen Begriffe der göttlichen Natur nicht eingeschlossen ist, sondern sehr hoch über demselben hinaus liegt. Der Inhalt des ersten, der trinitarische Prozeß, ist weit höher als der des zweiten, die göttliche Natur; er ist also insofern in Bezug auf diese übernatürlich; und gerade deshalb, weil er auf solche Weise übernatürlich ist, kann er aus der Natur nicht erschlossen werden, ist also auch superrational, während die göttliche Natur selbst, nicht zwar in ihrer Einheit mit der Trinität, wohl aber in ihrem Bezug auf die geschaffene Natur rational und natürlicherweise erkennbar ist.“
Das göttliche Wesen bildet sich in den geschaffenen Dingen ab. Weil die geschaffenen Dinge unserer Vernunft zugänglich, weil sie uns in ihrem Sosein verständlich sind, deswegen ist es uns möglich, das göttliche Wesen als Ursache all dieser Dinge zu erschließen und daraus gewisse Eigenschaften dieses Wesens zu erkennen.
Bei dem Geheimnis der Trinität ist es anders. Es gibt keinen nach außen gerichteten Prozeß, der das trinitarische Geheimnis abbildet – also unserer Vernunft begreifbar macht. Alle aus der Schöpfung abgeleiteten Bilder für das dreifaltige Geheimnis sind nur ganz entfernte Analogien, also nur irgendwie Hilfsmittel, das Unfaßbare wenigstens irgendwie darzustellen. In Wirklichkeit ist der Dreieine vollkommen übernatürlich und damit auch übervernünftig – superrational!
Das überfließende göttliche Leben
Darum ist es eine ganz und gar außerordentliche Gnade, die wir gewöhnlich viel zu selbstverständlich hinnehmen, daß wir dennoch in ein so lebendiges und inniges Verhältnis zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit treten dürfen. Die Gebete der hl. Liturgie etwa sind voll von trinitarischen Formeln. Wir beten tatsächlich den dreieinen Gott an! In den Gebeten unserer hl. Kirche und aus ihnen spürt man das überfließende göttliche Leben, als welches sich der Dreieine erweist. Der dreipersönliche Gott ist voll des göttlichen Lebens, wie Scheeben weiter hervorhebt: „Die göttliche Natur ist eine durchaus lebendige; die in ihr stattfindenden Produktionen müssen folglich Produktionen der Lebendigkeit dieser Natur sein, wie schon ihre Namen, Zeugung und Hauchung, es ausdrücken. Sie müssen stattfinden durch die Lebensakte dieser Natur, und da diese Lebensakte in Gott geistige sind, also auf Erkenntnis und Liebe sich reduzieren, so müssen auch die Produktionen stattfinden vermittelst der Akte der Erkenntnis und Liebe, welche in Gott unendlich und substantiell sind und deshalb auch ein unendliches und substantielles Produkt hervorbringen.
Allein der Dreieine ist der Gott der Liebe.
Gott ist nicht nur einfach eine Person wie wir Menschen oder auch die Engel Personen sind. ER ist in gewissem Maße Überperson, weil sich sein Personsein nicht in einer, sondern in drei Personen offenbart. Das inwendige Leben Gottes ist so fruchtbar, weil Erkenntnis und Liebe in Gott unendlich und substantiell sind, so daß sie ein unendliches und substantielles Produkt hervorbringen – nämlich den Sohn und den Heiligen Geist.
Wir bedenken es wohl kaum einmal ernsthaft: Allein der Dreieine ist der Gott der Liebe. Nur in oder aus diesem Geheimnis ist somit auch die Liebe Gottes zu uns Menschen begreifbar und erklärlich. Wir vergessen es so leicht, die Götter der Heiden liebten den Menschen nicht. Sie spannen vielmehr ihre Intrigen, fochten ihre Eifersüchteleien aus und verachteten diejenigen, die unter ihnen standen – also ganz besonders die Menschen.
Für einen Katholiken ist das eine recht seltsame Götterwelt. Die Götter der Heiden sind tatsächlich nicht viel besser als die Menschen – außer ihrer vermeintlichen Unsterblichkeit.
Was für eine Wohltat ist dagegen unser katholischer Glaube. Sobald man sich mit der katholischen Glaubenslehre eingehender befaßt, muß man demütig eingestehen, Gott ist himmelweit über alle Menschenvorstellungen erhaben! Wie könnte es anders sein, wenn Gott tatsächlich Seinem ganzen Wesen nach unendlich, wenn ER unermeßlich und ewig ist – also durch keinerlei menschliches Maß zu erfassen! Sobald man diese wahre göttliche Wirklichkeit vor Augen hat, versteht man die Propheten des Alten Bundes, die den Israeliten immer wieder einschärfen: „Denn Nichtse sind alle Götter der Völker, der Herr aber hat den Himmel erschaffen“ (Ps 96, 5). Die Götter der Heiden sind menschenerdachte Göttlein oder auch Dämonen. „Dämonen, Wahngöttern bringen sie Opfer dar, Göttern, die ihnen unbekannt waren, ganz neuen Göttern, die jüngst erst kamen in Schwang, vor denen sich nicht fürchteten eure Väter“ (Dtn. 32, 17).
Tatsächlich trennt ein himmelweiter Unterschied den wahren Gott von den Göttern der Heiden – heute muß man hinzufügen: und den Göttern der Modernisten. Dementsprechend ist auch unser Herr Jesus Christus, der wesenhafte und wahre Sohn Gottes, vollkommen anders, unermeßlich anders als die heidnischen Göttersöhne. Jesus Christus ragt bis ins Innerste des Himmels hinein, denn immer ist ER im Vater und der Vater ist immer in IHM, beide eins im Heiligen Geist.
Das innergöttliche Leben erweist sich letztlich als Liebe.
Wir haben es schon angedeutet: Das innergöttliche Leben erweist sich letztlich als Liebe. Wie ergreifend ist das, was Scheeben dazu zu sagen weiß:
„Die Offenbarung der Trinität ist ein Akt der zartesten Liebe und vertraulichsten Herablassung, durch welche Gott die Kreatur auf übernatürliche Weise ehren und beseligen, sich selbst auf übernatürliche Weise verherrlichen will.
1. Wenn irgendwo, so ist es hier wahr, was der Sohn Gottes selbst sagt: ‚Nun werde ich euch nicht mehr Diener nennen, ich nenne euch Freunde, weil ich euch alles, was ich von meinem Vater gehört habe, mitteile‘ (Jo 15,15). Dem Knechte ziemt es nicht, in das innere Gemach der Familie seines Herrn einzutreten, und so kommt es der Kreatur an sich bloß zu, Gott als ihren Herrn zu ehren; nicht darf sie es wagen, einen Blick in die Mysterien seines Schoßes und seines Herzens zu tun. Wenn sie dazu zugelassen wird, tritt sie eben dadurch schon in eine gewisse Freundschaft zu Gott; denn nur Freunden offenbart man seine innersten Mysterien, sie steigt unendlich hoch über ihre Niedrigkeit empor und, eingeweiht in die Mysterien ihres Herrn, fühlt sie sich auch ihrerseits zu allen übrigen Vorrechten sowohl als Pflichten eines wahren Freundes berufen.“
Gott möchte Seinen geistbegabten Geschöpfen Anteil an Seiner Herrlichkeit geben.
Warum offenbart Gott sein innerstes Geheimnis seinen geistbegabten Geschöpfen, d.h. den Engeln und den Menschen? ER möchte ihnen Anteil geben an seiner Herrlichkeit, an seinem göttlichen Leben und Lieben. Man sollte es öfter im Gebet erwägen, was Scheeben dazu schreibt: Die Offenbarung der Trinität ist ein Akt der zartesten Liebe und vertraulichsten Herablassung. Der unendliche, vollkommen heilige, unermeßlich gütige und allmächtige Gott möchte die Kreatur auf übernatürliche Weise ehren und beseligen, wodurch ER mit eingeschlossen sich selbst auf übernatürliche Weise verherrlichen will.
Man kann es kaum fassen und dennoch ist es wahr: Gott erwählt die Engel und Menschen, in innigster Freundschaft mit IHM zusammenzuleben. Was für eine unbegreifliche Bevorzugung! Nun hat eine solch auserlesene Freundschaft sowohl Vorrechte als auch Pflichten:
2. Denn wie schon die Offenbarung dieses Mysteriums, als ein außerordentlicher Beweis der göttlichen Liebe gegen uns, eine unendliche Dankbarkeit und Gegenliebe verlangt: so muß noch mehr das Mysterium selbst uns zu einer übernatürlichen, kindlichen Liebe gegen Gott entflammen. Die natürliche Kreatur erkennt Gott mehr als das absolute Sein, von dem jedes andere Sein abhängt, wie auch im Alten Bunde Gott sich darstellte als den, der ist, ohne den nichts ist, und der deshalb als der absolute Herr aller Wesen über uns thront. Auch so verdient Gott unsere Liebe, weil er auch dadurch seine Güte kundgetan, daß er andern Wesen das Dasein gegeben. Aber der Reichtum der göttlichen Güte tritt doch erst in der göttlichen Dreifaltigkeit hervor; hier erscheint uns Gott in einer ewigen, notwendigen, absoluten Hingabe und Mitteilung seines ganzen Wesens; hier sehen wir, daß er nicht bloß gut ist durch den Besitz unendlicher Güter, sondern auch gut und unendlich gut in der vollständigsten Mitteilung seiner Güter. Muß er also uns hier nicht noch unendlich liebenswürdiger erscheinen als zuvor? Muß unsere Liebe zu ihm nicht ohne Vergleich lebendiger und zärtlicher werden, wenn wir sehen, wie der Vater sein ganzes Wesen dem Sohne gibt und dann mit seinem Sohne in einer so wunderbaren Liebe vereinigt bleibt, daß aus dieser Liebe eine dritte Person hervorgeht, in der sich beide umarmen? Kein Wunder daher, wenn mit dem Christentum, welches die deutliche Erkenntnis der Trinität zuerst in die Welt brachte, auch eine neue Quelle nie gekannter göttlicher Liebe der Welt aufging, wenn an die Stelle der ehrfurchtsvollen Scheu vor dem höchsten Wesen, die im Alten Bunde, im Gesetze der Knechtschaft, herrschte, eine entzückende, wonnevolle Bewunderung der göttlichen Güte trat. Freilich wirkte dabei mit, daß Gott der Vater seinen eingeborenen Sohn aus Liebe zur Welt für dieselbe hingegeben hatte. Aber diese Sendung des Sohnes zu den Menschen, diese übernatürliche Liebe Gottes zu den Geschöpfen wirkte gerade deshalb so mächtig auf die Geister und Herzen, weil jene Sendung eine Offenbarung und Fortsetzung der trinitarischen Produktion war und das ewige Verhältnis zwischen Vater, Sohn und Heiliger Geist auch nach außen hervortreten ließ. Doch darauf werden wir später zurückkommen.“
Die Vollendung der göttlichen Offenbarung
Unser hl. Glaube ist die Vollendung der göttlichen Offenbarung. Was im Alten Bund oft nur angedeutet war, das steht durch die Menschenwerdung des Sohnes Gottes nun im hellsten Licht vor unserem geistigen Auge: Der eine Gott des Alten Bundes – der „ICH BIN“ – hat sich als ein Gott der Liebe erwiesen. Unser Herr Jesus Christus ruft einmal sehnsuchtsvoll aus: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, wenn es schon entzündet wäre!“ (Lk 12,49) Und im Hebräerbrief lesen wir: „Da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, laßt uns dankbar sein und so Gott wohlgefällig dienen – mit Furcht und Ehrerbietung. Denn ‚unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.‘“(Hebr. 12,28f)
Jede wahre Liebe fordert Gegenliebe, woran auch Scheeben erinnerte, wie wir schon gelesen haben: „Muß unsere Liebe zu ihm nicht ohne Vergleich lebendiger und zärtlicher werden, wenn wir sehen, wie der Vater sein ganzes Wesen dem Sohne gibt und dann mit seinem Sohne in einer so wunderbaren Liebe vereinigt bleibt, daß aus dieser Liebe eine dritte Person hervorgeht, in der sich beide umarmen? Kein Wunder daher, wenn mit dem Christentum, welches die deutliche Erkenntnis der Trinität zuerst in die Welt brachte, auch eine neue Quelle nie gekannter göttlicher Liebe der Welt aufging, wenn an die Stelle der ehrfurchtsvollen Scheu vor dem höchsten Wesen, die im Alten Bunde, im Gesetze der Knechtschaft, herrschte, eine entzückende, wonnevolle Bewunderung der göttlichen Güte trat.“
Unsere heilige Pflicht, das Geheimnis Gottes betend zu bedenken
Ab und zu sollte man das in aller Ruhe betend bedenken, damit die Seele zu staunen beginnt und sie mit Dankbarkeit erfüllt wird, dieses unergründliche Geheimnis Gottes voller Liebe umfassen zu dürfen. Was für ein Glück, Gott als den Dreifaltigen anzubeten und zu preisen!
Eine Sequenz des Augustinermönches Adam von St. Viktor
Adam von St. Viktor war ein begnadeter Dichter von Sequenzen. Diese wurden damals, Ende des 12. Jahrhunderts, regelmäßig in der Liturgie verwendet, um die Wunder unsers hl. Glaubens zu besingen. Es wird berichtet, daß dieser Augustinermönch mit besonderer Sorgfalt und Freude an allen Gebetsübungen und gottesdienstlichen Handlungen des Klosters teilnahm. Seine Dichtungen geben uns eine Stimmung voll freudiger, liturgisch-festlicher Gehobenheit wieder. Sie bezeugen uns die freudige Heilsgewißheit eines gläubigen Herzens und die unverlierbare Siegeszuversicht der kämpfenden und alle Herrlichkeit der triumphierenden Kirche. Adam von St. Viktor wußte noch, übernatürliche Freude fließt aus dem ganzen Erlösungswerk, Freude aus der jungfräulichen Reinheit der Gottesmutter Maria, Freude aus dem Sieg der Märtyrer – und all dies ist letztlich Freude, die aus dem Geheimnis des dreifaltigen Gottes stammt. Hören wir auf den Jubel des Herzens dieses großen Dichters des Mittelalters.
Sequentia de sanctissima Trinitate
1. Profitentes unitatem
Veneremur trinitatem
Pari reverentia,
Tres personas asserentes
Personali differentes
A se differentia.
2. Haec dicuntur relative,
Cum sint unum substantive,
Non tria principia;
Sive dicas tres vel tria,
Simplex tamen est usia,
Non triplex essentia.
3 a. Simplex esse, simplex posse,
Simplex velle, simplex nosse,
Cuncta sunt simplicia;
Pater, proles, sanctum flamen
Deus unus, sed hi tamen
Habent quaedam propria.
3 b. Non unius, quam duarum
Sive trium personarum,
Minor efficacia;
Una virtus, unum numen,
Unus splendor, unum lumen,
Hoc una, quod alia.
Sequenz auf die heiligste Dreifaltigkeit
1. Laßt uns Gott als Einen nennen
Und als Dreiheit ihn bekennen
Mit der gleichen frommen Scheu;
Laßt uns die Personen preisen,
Die sich dreifach heilig weisen,
Jede ihrer Art getreu.
2. Doch die Worte gilt’s zu wägen:
Einfach wirkt das Urvermögen,
Einfach sind sie an Substanz;
Dreiverbunden, dreierlesen,
Sind die Drei doch Eins im Wesen,
Eins im ungeteilten Glanz.
3 a. Eins im Wesen und im Können,
Eins im Wollen und Erkennen,
Eins in allen Wirkens Kraft;
Vater, Sohn und heilge Lohe,
Sie sind Gott, der Eine, Hohe,
Ob auch drei an Eigenschaft.
3 b. Denn aus Einem, wie aus
Zweien Strahlt so hell wie aus den Dreien
Ewger Allmacht Angesicht;
Eins die Stärke, Eins der Wille,
Eins des Glanzes höchste Fülle,
Eins in jedem ist das Licht.
4. Patri proles est aequalis,
Nec hoc tollit personalis
Amborum distinctio;
Patri compar filioque
Spiritalis ab utroque
Procedit connexio.
5. Non humana ratione
Capi possunt hae personae
Nec harum discretio.
Non hic ordo temporalis,
Non hic situs, aut localis
Rerum circumscriptio.
6. Nil in Deo praeter Deum,
Nulla causa praeter eum,
Qui creat causalia;
Effectiva vel formalis
Causa Deus et finalis,
Sed nunquam materia.
7. Digne loqui de personis
Vim transcendit rationis,
Excedit ingenia;
Quid sit gigni vel processus,
Me nescire sum professus,
Sed fide non dubia.
8. Nos in fide gloriemur,
Nos in una modulemur
Fidei constantia.
Trinae sit laus unitati,
Sed et simplae trinitati
Coaeterna gloria.
4. Sohn und Vater sind der Gleiche,
Ob auch zweifach im Bereiche
Der gesonderten Person;
Heilgen Geistes Allumfangen,
Das von Beiden ausgegangen,
Gleicht dem Vater wie dem Sohn.
5. Fern ist menschlicher Ergründung
Der Personen Wesensbindung,
Fern, was sie als Eigne trennt;
Nichts bedeuten hier die Zeiten,
Nichts des Raums gemeßne Breiten,
Dran die Dinge man erkennt.
6. Gott ist nur sich selbst verbündet,
Nichts ist außer ihm gegründet,
Er ists, der die Gründe schafft;
Gott ist Grund der Formengebung,
Grund der Wirkung, Grund der Strebung,
Aber nie in Stoffes Haft.
7. Drei Personen, hoch enthoben
Allem Denken, allem Loben,
Aller Macht der Phantasie:
Was Erzeugung, was Ergießung,
Nicht begreif ichs durch Erschließung,
Doch der Glaube wankt mir nie.
8. Laßt denn auf des Glaubens Schwingen
Freudger unsre Lieder klingen,
Chöre gläubgen Brudertums.
Lobt die Drei in ihrer Einheit,
Lobt den Einen in der Reinheit
Dreifach ewgen Siegesruhms.
(Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Kösel-Verlag, München 1955, S. 172ff)
Es ist überaus beeindruckend, wie unser Dichter es fertigbringt, das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in seiner gebundenen Sprache meisterhaft auszuworten. Man hört es aus dem Gesang heraus: Das ist das größte aller Wunder, das übernatürliche, das superrationale Geheimnis der Geheimnisse, welches unser heiliger katholischer Glaube unserer Betrachtung darbietet. Ein Geheimnis, dem unsere Vernunft ohne Hilfe des göttlichen Glaubens sich niemals nahen könnte, auf das wir aber dennoch gestützt auf unseren hl. Glauben zuversichtlich schauen, um dem Dreieinen unseren Lobpreis und unsere Anbetung zu schenken. Es ist ein unermeßliches Lichtmeer, in das wir betend schauen dürfen. Das Geheimnis enthüllt sich uns als ein unendlich reiches System der lichtvollsten und erhabensten Wahrheiten. Es ist ein Geheimnis, das gerade deshalb, weil es so hoch über unsere Vernunft hinaus liegt, diese wiederum anziehen muß und auch durch den geringsten Einblick, den es ihr in seinen Schoß gewährt, sie mit namenlosem Entzücken erfüllt. Dementsprechend klingt die Sequenz Adam von St. Viktors auch aus:
8. Laßt denn auf des Glaubens Schwingen
Freudger unsre Lieder klingen,
Chöre gläubgen Brudertums.
Lobt die Drei in ihrer Einheit,
Lobt den Einen in der Reinheit
Dreifach ewgen Siegesruhms.
Wie könnte es anders sein, nachdem man die göttliche Offenbarung über die Allerheiligste Dreifaltigkeit glaubend angenommen hat, enthüllt sich vor einem der wunderbare Plan der Erlösung. Alle Gnade fließt aus Gott dem Dreieinen. Matthias Joseph Scheeben endet seine Ausführungen mit der Bemerkung:
„Was wir zeigen wollten, ist durch das Gesagte hinlänglich dargetan, daß nämlich das Geheimnis der Dreifaltigkeit in seinen charakteristischen Momenten, in den ewigen Ausgängen, welche in den Sendungen nach außen fortgeführt werden, die innigste und lebendigste Beziehung zu den Geheimnissen der übernatürlichen Gnade besitzt, daß es die lebendige Wurzel ist, welche die Gnadenordnung aus sich hervorgehen läßt und mit ihren Verzweigungen in dieselbe verflochten wird, daß es endlich durch die Gnadenordnung und in derselben die größte Bedeutung und das lebendigste Interesse gewinnt.“
Das Allerheiligste Altarsakrament
Im zweiten Teil unserer Arbeit möchten wir diese lebendige Wurzel, welche die Gnadenordnung aus sich hervorgehen läßt, in bezug auf ein anderes Glaubensgeheimnis darlegen, nämlich das Allerheiligste Altarsakrament.
Am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag feiern wir Katholiken das Fronleichnamsfest – zur Zeit ohne Prozession, ohne jene Feierlichkeiten, die diesen Tag an sich auszeichnen. Unser Leben als Katholiken ist in dieser papstlosen Zeit an sich schon schwierig und leidvoll genug, seit nunmehr über einem Jahr ist alles noch mühsamer geworden. Gott erwartet offensichtlich von uns noch größere Opfer. Verweigern wir sie IHM nicht, sondern bemühen wir uns, in aller Geduld und Hingabe unser Kreuz an der Seite der Gottesmutter mit Jesus Christus zu tragen. Vergessen wir nicht, hinter diesen vielen verborgenen Opfern verbirgt sich ein heroisches Bekenntnis der göttlichen Wahrheit.
Das öffentliches Bekenntnis dieses Mysteriums im Fronleichnamsfest
Wie beeindruckend ist es an sich: Unser Fronleichnamsfest bezeugt den katholischen Glauben in einer außergewöhnlichen Form. Es ist ein öffentliches Bekenntnis dafür, daß wir an das wahre Opfer unseres Heilandes und ewigen Hohepriesters im hl. Meßopfer glauben und daß wir daraus folgend ebenfalls mit göttlichem Glauben festhalten: Jesus Christus ist mit Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut unter den Gestalten der Hostie wahrhaft und wirklich gegenwärtig. Darum beten wir die kleine weißen Hostie an. Darum tragen wir sie gewöhnlich an diesem Festtag voller Freude durch unsere Straßen und fordern jeden auf, IHM, dem verborgenen Gott, Lob und Dank zu sagen und die gebührende Anbetung zu erweisen.
Die Einheit des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist
Dabei beugen wir unsere Knie auch vor der ganzen Allerheiligsten Dreifaltigkeit, die ebenfalls in der Hostie gegenwärtig ist, weil der Sohn niemals ohne den Vater und Heiligen Geist ist. Weil dies so ist, wird das Fronleichnamsfest auch unmittelbar nach dem Dreifaltigkeitsfest gefeiert. Es ist einfach wahr: Wir Katholiken leben ganz im Banne dieses Geheimnisses der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, weil wir im Banne des menschgewordenen Erlösers Jesus Christus leben. Beide Wahrheiten sind unlöslich miteinander verbunden.
Der hl. Hilarius von Poitiers († 366) verfaßte in der Verbannung in Kleinasien, wo er drei Jahre verweilte, sein Werk „De Trinitate“. Dieses Werk war das Beste, was im Kampf gegen die Arianer geschrieben worden ist. Nachdem der Heilige das innige Verhältnis hervorgehoben, das zwischen Christus und dem Empfänger seines Leibes besteht, fährt er fort: „Wie natürlich aber diese Einheit sei, hat er selbst in folgender Weise bezeugt: ‚Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm,‘ (Joh. 6, 47) Es wird nämlich niemand in ihm sein, wenn er nicht selbst zuvor in ihm ist, indem er nur das Fleisch desjenigen in sich aufnimmt und umschließt, der das seinige empfangen hat. Das Geheimnis dieser vollkommenen Einheit hatte er aber schon in dem Vorhergehenden gelehrt mit den Worten: ,Wie mich der lebendige Vater gesandt hat, und ich durch den Vater lebe, so wird auch, der mein Fleisch ißt, durch mich leben,‘ (Joh. 6, 58) Er lebt also durch den Vater, und wie er durch den Vater lebt, ebenso leben wir durch sein Fleisch. Denn jede Vergleichung wird zu einem Anhaltspunkt für das Verständnis angenommen, daß wir in das, um was es sich handelt, nach dem vorgebrachten Gleichnis eindringen. Das ist also die Ursache unseres Lebens, daß wir Christus haben, der in uns, die wir fleischlich sind, im Fleische wohnt, und wir so durch ihn in dem Zustande leben werden, in welchem er durch den Vater lebt. Wenn wir also von Natur dem Fleische nach durch ihn leben, das heißt, die Natur seines Fleisches erlangt haben, wie sollte er nicht von Natur dem Geiste nach in sich den Vater haben, da er selbst durch den Vater lebt? Durch den Vater aber lebt er, indem er durch die Geburt nicht eine fremde und verschiedene Natur empfangen hat, indem er, während er ist, einerseits durch ihn ist und anderseits doch nicht irgendeine unterlaufende Unähnlichkeit der Natur ihn von ihm trennt, indem er in sich durch die Geburt den Vater hat in der Kraft der Natur.“
Das neue Leben, das wir mit der heiligmachenden Gnade empfangen, ist eine Teilnahme am göttlichen Leben, also am dreifaltigen Leben. Bei der hl. Kommunion empfangen wir den Leib Christi. Man kann sagen, der Leib Christi wird uns als Speise sozusagen einverleibt, damit wir durch IHN verwandelt werden: Das ist also die Ursache unseres Lebens, daß wir Christus haben, der in uns, die wir fleischlich sind, im Fleische wohnt, und wir so durch ihn in dem Zustande leben werden, in welchem er durch den Vater lebt.
ER, Jesus Christus, der ewige Sohn des Vaters, lebt durch den Vater, aus dem ER ewig gezeugt ist. In dieser ewigen, göttlichen, unvergleichlichen Zeugung gibt der Vater dem Sohn an der göttlichen Natur Anteil. Darum hat der Sohn durch diese göttliche Geburt in der Kraft der Natur den Vater in sich. Der Vater ist im Sohn, der Sohn im Vater, beide eins im Heiligen Geist. Diese unvergleichliche Einheit des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist bewirkt, daß mit dem hl. Leib Christi die ganze Allerheiligste Dreifaltigkeit die Seele erfüllt.
Die wirkliche sakramentale Vereinigung mit Christus
Der hl. Hilarius fährt weiter:
„Das haben wir aber deshalb erwähnt, weil die Häretiker eine bloße Einheit des Willens zwischen dem Vater und Sohn fälschlich behaupteten und das Beispiel unserer Einheit mit Gott anwendeten, wie wenn uns, da wir mit dem Sohn und durch den Sohn mit dem Vater nur durch den Gehorsam und Willen der Gottesfurcht geeinigt seien, durch das Geheimnis des Fleisches und Blutes keine Eigenheit natürlicher Gemeinschaft gewährt würde, da wir doch sowohl in der uns verliehenen Herrlichkeit des Sohnes als auch in dem in uns dem Fleische nach wohnenden Sohne, da wir in ihm leiblich und unzertrennlich geeinigt sind, das Geheimnis der wahren und natürlichen Einheit verkünden müssen.“
(8. Buch. 16. Kap.)
Die Häretiker lösen letztlich die Wirklichkeit der Sakramentalen Kommunion in eine rein geistige Kommunion auf. Wie bei ihnen Vater und Sohn nur durch die Einheit des Willens verbunden sind – und nicht in der einen göttlichen Natur! – so ist auch der Kommunizierende nur im Willen und somit allein geistigerweise mit Christus verbunden. Gegen diesen Irrtum müssen wir Katholiken das Geheimnis der wahren und natürlichen Einheit verkünden. Denn wenn wir wahrhaft und wirklich den Leib unseres Herrn Jesus Christus empfangen, dann sind wir auch wirklich mit IHM sakramental vereint. Können wir die Tragweite dieser Geheimnisworte überhaupt abschätzen? „…da wir doch sowohl in der uns verliehenen Herrlichkeit des Sohnes als auch in dem in uns dem Fleische nach wohnenden Sohne, da wir in ihm leiblich und unzertrennlich geeinigt sind.“
Die Wesensgleichheit des Vaters mit dem Sohne …
Der hl. Hilarius weist im Folgenden auf den Unterschied, der zwischen der Einheit des Menschen mit Christus und des Sohnes mit dem Vater besteht, hin. Wir müssen immer bedenken, der Heilige schreibt gegen die Arianer, welche die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater leugneten. Nachdem er in den ersten Büchern nachgewiesen hatte, daß Jesus Christus die gleiche Natur wie der Vater hat, daß dieser ebenso Gott ist wie der Vater und alle vorgebrachten Einwände widerlegt hatte, werden wir im achten Buch darüber belehrt, daß durch die Anerkennung der Gottheit Jesu Christi die Einheit Gottes nicht aufgehoben werde. Zur Entkräftigung der Worte „Ich und der Vater sind eins“ beriefen sich die Arianer auf Joh. 17, 21, wo es heißt: ,Damit alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns seien‘. Hier, so behaupteten sie, ist nur von einer Willenseinheit die Rede, da ja zwischen Schöpfer und Geschöpf keine Wesensgleichheit bestehen könne; also besteht auch zwischen Vater und Sohn keine Wesensgleichheit.
… und die Anteilnahme des erlösten Menschen an der göttlichen Natur
Was kann man hierzu einwenden? Hilarius erklärt, diese Einheit zwischen Gott und dem gläubigen Menschen sei keine Einheit des Willens, sondern bedeute vielmehr eine Anteilnahme an der göttlichen Natur! Zum Beweis zieht er Johannes 6, Vers 56 und 57 heran: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat, und ich durch den Vater lebe, so wird auch, wer mich ißt, durch mich leben!“
Der heilige Kirchenlehrer erklärt dazu: Natürlich sei diese Einheit nicht in demselben Sinne zu verstehen, wie die, welche zwischen Vater und Sohn herrsche – was übrigens für einen, der nicht von der Leidenschaft geblendet ist, eine selbstverständliche Sache sei. Als feststehend betrachtet der Heilige aber, daß der würdige Genuß des Fleisches und Blutes Jesu Christi die Anteilnahme an seiner Natur, die Ursache unseres Lebens sei: „Das ist also die Ursache unseres Lebens, daß wir Christus haben, der in uns, die wir fleischlich sind, im Fleische wohnt, und wir so durch ihn in dem Zustande leben werden, in welchem er durch den Vater lebt.“
Bebt nicht unser Herz vor Glück bei diesen Worten? Durch die hl. Kommunion, in welcher wir das Fleisch Christi genießen, werden wir, die wir fleischlich sind, zum göttlichen Leben erhoben. Wahrhaft göttliches Leben wird uns geschenkt durch unseren Herrn Jesus Christus! Wie unbegreiflich sind diese Worte: daß wir so durch ihn in dem Zustande leben werden, in welchem er durch den Vater lebt! Wer ermißt die Tragweite dieser Worte! Was für ein Gnadenwunder ist eine hl. Kommunion?
Man konnte und wollte die Heiligkeit Gottes nicht mehr ertragen.
Aufgrund der durch die hl. Taufe wiedergeschenkten heiligmachenden Gnade dürfen wir eintauchen in das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Aber ach, wie lau ist der Glaube bei den Katholiken in den letzten Jahrhunderten geworden! Das Feuer der göttlichen Liebe ist bei so vielen erkaltet! Darum sind sie – also die meisten Katholiken – dem Verführer verfallen. Die göttliche Liturgie wurde plötzlich als fade empfunden und der Ansporn durch das Allerheiligste Altarsakrament zu einem heiligen Leben als lästig. Man konnte und wollte die Heiligkeit Gottes nicht mehr ertragen. Darum hat man einen neuen Ritus ersonnen, ehrfurchtslos, banal, irdisch, bar jeglichen Geheimnisses. Kein Opfer mehr, sondern ein bloßes Gedächtnismahl wollte man feiern.
Und tatsächlich, die meisten „Katholiken“ waren und sind mit dieser Afterliturgie zufrieden, die man „Neue Messe“ nennt! Wie schauererregend ist dieses Geheimnis der Verblendung der Masse, dieses Geheimnis der Bosheit. Denn was ist die Folge davon bis heute? All unsere Kirchen sind entweiht! Das ruft uns jedes Fronleichnamsfest schmerzend in Erinnerung: Lauter leere Kirchen, in denen das ewige Licht erloschen ist… Darum ergeht nun das Gericht über die Welt und der hl. Rest feiert das Fronleichnamsfest nicht in einer der großen, herrlichen Kirchen, die unsere Vorfahren in ihrer Glaubensbegeisterung erbaut haben, sondern in irgendeiner Notkapelle.
Der hl. Ephräm der Syrer über das Geheimnis der hl. Kommunion
Aber nein, schauen wir nicht auf die Finsternis, sondern auf das Licht, schauen wir auf das göttliche Feuer, das uns Jesus Christus hinterlassen hat.
Der hl. Ephräm († 373) ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der syrischen Kirche. Mit welch einem Feuer der Begeisterung spricht er über unser Geheimnis: „Was wird nun das Geschlecht der Sünder, dir, dem unbegreiflichen guten und erbarmungsreichen Gott vergelten? Der du durch Gnade die ganze Welt erleuchtetest, die Augen des Blindgebornen dem Lichte öffnetest: erleuchte auch die Augen unseres Herzens, dich zu lieben, o Herr, und mit Lust und Liebe immer deinen Willen zu erfüllen. Wir haben ja den Kelch deines schauererregenden Blutes voll Licht und Leben… Unsere Seele ist die heilige Braut des unsterblichen Bräutigams; die Hochzeit besteht in dem Essen und Trinken der göttlichen Geheimnisse in der Seele.“ (Über das Gericht und die Zerknirschung, Kap. 4.)
Unsere hl. Liturgie, die wahrhaft katholische, die göttliche Liturgie, ist voller Schauer vor dem göttlichen Geheimnis: Wir haben ja den Kelch deines schauererregenden Blutes voll Licht und Leben. Warum hat uns unser göttlicher Erlöser diesen Geheimniskelch hinterlassen? Weil ER uns durch Sein Erlöserleiden die Gnade der Wiedergeburt verdient hat, so daß unsere Seele wiederum durch die heiligmachende Gnade die heilige Braut des unsterblichen Bräutigams gewordenist, weshalb die Hochzeit … in dem Essen und Trinken der göttlichen Geheimnisse in der Seele besteht.
In seiner „Rede über das Priestertum“ nennt der hl. Ephräm die Gaben des Altars „die furchtbaren Geheimnisse voll der Unsterblichkeit.“ Sind wir doch seit der Sünde Adam und Evas für den Tod bestimmt! Muß uns darum nicht Gott die mit der Sünde verlorene Unsterblichkeit wiederschenken, wenn wir ewig leben sollen? Der Heilige weiß uns Kinder Adams zu trösten: „Sein Leib ward zum Brote, um unseren Todeszustand zu beleben.“ (Preis des neugebornen Erlösers, Kap. 8.)
Wir alle wissen, daß wir durch die hl. Taufe das Leben der Gnade wiedererhielten. Dabei gibt uns der hl. Paulus zu bedenken: „Diesen Schatz tragen wir freilich in irdenen Gefäßen, damit die überreiche Fülle der Kraft nicht uns, sondern Gott zugeschrieben werde.“ (2. Kor 4,7)
Mit der Gnadenhilfe Gottes muß also dieses übernatürliche Leben bewahrt und ständig genährt werden. Darum schenkte uns unser gütigster Erlöser eine unvergleichliche Seelenspeise. Wie begeistert spricht der hl. Ephräm über dieses Himmelsbrot:
„In deinem Brote lebt der Geist verborgen, der nicht gegessen werden kann; in deinem Weine wohnt das Feuer, das nicht getrunken werden kann. Der Geist in deinem Brote, das Feuer in deinem Weine sind ganz besondere Wunder, die unsere Lippen empfangen… Feuer fiel einst zur Strafe verzehrend über Sünder herab. Nun aber läßt sich das Feuer des Allbarmherzigen auf Brot herab und wohnt darin. Anstatt jenes Feuers, das Menschen auffraß, esset ihr nun im Brote Feuer und erhaltet das Leben…“
(Unbegreiflichkeit des Sohnes, Kap. 3—6.)
Wer von uns kann weilen beim verzehrenden Feuer?
Sind wir ehrlich, wie wenig denken wir bei der hl. Kommunion daran, daß wir verborgen unter den Gestalten der Hostie das Feuer göttlicher Liebe in uns aufnehmen. Der Heilige Geist durchglüht unsere Seele – warum spüren wir bei der hl. Kommunion davon so wenig, so erschreckend wenig?
Dabei brauchen wir jenes Feuer der göttlichen Liebe so dringend, damit nicht jenes andere Feuer, das der Leidenschaften, uns zu unserm Verderben verzehrt. Beim Propheten kann man lesen: „In Zion beben die Sünder, die Frevler beginnen zu zittern. ‚Wer von uns kann weilen beim verzehrenden Feuer? Wer von uns sich aufhalten bei den ewigen Gluten?‘“ (Is 33, 14).
Auch davon weiß der hl. Ephräm treffend zu berichten:
„Das Feuer, o Herr, droht meinen Gliedern; allein es ist in mir auch, o mein Erlöser, dein versöhnendes Blut verborgen. Die Hölle wartet schon auf mich, um mich zu peinigen; aber dein lebenspendender Leib ist mit mir vereinigt. Ich bin mit den Kleidern des hl. Geistes angetan, so daß ich nicht ins Feuer gerate. Wenn der Feuerstrom schon zur Rache daherrauscht, wird das Feuer in mir erlöschen, sobald der Geruch deines Leibes und Blutes ihm entgegenduftet.“
Die hl. Kommunion ist ein himmlischer Schutz für unsere allzeit gefährdete Seele. Vor allem durch dieses göttliche Heilmittel wird das Feuer der Leidenschaften in uns erlöschen, wohingegen das Feuer der göttlichen Liebe auflodert. Der heilige Kirchenvater bekennt: „Drei Gegenstände sind es, o Herr, vor denen ich mich fürchte: das Feuer, die Hölle und der Wurm, der nicht stirbt. O wenn doch das Feuer und der Brand von mir weggelöscht würde! Dein Fleisch und Blut sollen mich retten!“ (14. Ermahnung– zur Buße, Kap. 7. 9.)
Die kleine weiße Hostie vermittelt die Wesenheit des ewigen Lebens.
Wenden wir uns nunmehr dem hl. Ambrosius von Mailand († 397) zu. Auch er glüht im Feuer der göttlichen Liebe, wenn er vom Allerheiligsten Altarsakrament spricht. Schon das Manna in der Wüste, so erklärt der hl. Kirchenlehrer, war ein großes, äußerst staunenswertes Wunder Gottes, wir aber erleben täglich ein noch viel größeres Wunder: „So ist es denn erwiesen, daß die Gnadengeheimnisse der Kirche älter sind als die der Synagoge; du wirst auch erkennen, daß sie erhabener sind. Es ist ja in der Tat wunderbar, daß Gott der Herr den Vätern Manna vom Himmel hat regnen lassen, und daß sie Tag für Tag mit diesem Himmelsbrote gespeist wurden, wie geschrieben steht: ,Brot der Engel hat der Mensch gegessen‘ (Ps. 77, 25). Aber alle, die jenes Brot gegessen haben, sind in der Wüste gestorben; die Speise aber, die du genießest, jenes lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, vermittelt die Wesenheit des ewigen Lebens. Wer von diesem Brote ist, wird in Ewigkeit nicht sterben: das ist der Leib Jesu Christi.“
Was für ein Wort: Die kleine weiße Hostie vermittelt Dir die Wesenheit des ewigen Lebens. Wie könnte es aber auch anders sein, wenn Jesus der wahre Sohn Gottes und damit wesentlich ewiges Leben ist. ER ist sakramental wirklich in uns mit Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut – die Wesenheit des ewigen Lebens. Der hl. gibt Ambrosius weiter zu bedenken:
„Erwäge denn, ob das Brot der Engel vorzüglicher ist, oder das Fleisch Jesu Christi, das ja der Inbegriff des Lebens ist. Jenes Manna kam aus dem Himmel; dieses Brot ist über alle Himmel erhaben; jenes war eine Gabe des Himmels, dieses eine Gabe des Herrn der Himmel; jenes verfiel der Verwesung, wenn es zum folgenden Tage bewahrt wurde, dieses ist so fern von Verwesung, daß es jeden, der würdig davon ißt, die Verwesung nicht kosten läßt in Ewigkeit.
Den Juden floß Wasser aus dem Felsen, dir strömt das Blut aus der Herzenswunde Jesu Christi; jenen stillte der Felsenquell für eine Stunde den Durst, dich wäscht das Blut des Herrn für die Ewigkeit. Der Jude trank und dürstete alsbald wieder; du wirst nimmer dürsten, wenn du von diesem Blute trinkst. Alles jene war Vorbild, dieses ist Wahrheit.“
(Über die Geheimnisse, Kap. 8 und 9)
Daher prüfe sich der Mensch…
Habt Ihr es recht mit dem Herzen vernommen: „Alles jene war Vorbild, dieses ist Wahrheit.“ Es ist göttliche Wahrheit, daß wir im hl. Leib und im kostbaren Blut Jesu ewiges, göttliches Leben in uns aufnehmen. Darum darf man es auch niemals unwürdig essen und trinken, wie der hl. Paulus einschärft. Das wäre nämlich Gottesraub! Mit welcher Sorgfalt kümmerte sich darum die hl. Kirche allezeit darum, daß ihre Kinder würdig zur Kommunionbank gingen. Eine regelmäßige hl. Beichte ist dazu letztlich unerläßlich. Vor allem in den ersten Jahrhunderten herrschte hierbei eine große Strenge, hatten sich doch in den Zeiten der Verfolgung nur solche der hl. Kirche angeschlossen, die völlig von deren göttlichen Ursprung überzeugt und darum auch entschlossen waren, das ganze Joch Jesu Christi zu tragen. Jeder mußte damals jederzeit bereit sein, seinen katholischen Glauben mit dem Blut zu bezeugen.
Der hl. Augustinus schreibt: „Der eine sagt, man solle die Eucharistie nicht täglich empfangen; fragt man warum, so antwortet er: Weil solche Tage dazu zu wählen sind, an denen der Mensch reiner und enthaltsamer lebt, damit er zu einem so großen Sakramente würdig hinzutrete; denn wer unwürdig ißt, der ißt und trinkt sich das Gericht. Der andere aber sagt: Im Gegenteil! Wenn die Sünde so schwer und der Anfall der Krankheit so arg ist, daß solche Heilmittel verschoben werden müssen, so muß ein solcher durch die Stimme des Bischofs vom Altare ferngehalten werden zur Ableistung der Buße und muß durch dieselbe Stimme rekonziliiert werden; denn das heißt unwürdig sie empfangen, wenn man sie zu der Zeit empfängt, wo man Buße tun müßte, aber nicht, daß man nach eigenem Ermessen sich der Kommunion entziehe und zurückgebe. Wenn übrigens die Sünden nicht so groß sind, daß der Betreffende zu exkommunizieren wäre, so soll er sich nicht von dem täglichen Heilmittel des Leibes des Herrn trennen. Am besten wird man wohl zwischen diesen beiden den Streit schlichten, wenn man sie ermahnt, daß sie vor allem im Frieden Christi bleiben, und daß ein jeder das tue, was nach seiner Überzeugung das Beste ist; denn keiner von beiden entehrt den Leib und das Blut Christi, sondern beide beeifern sich um die Wette, das heilbringende Sakrament zu ehren, … indem der eine wie Zachäus den Herrn mit Freude in sein Haus aufnimmt, der andere mit dem Hauptmann spricht: Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach; beide ehren den Herrn auf verschiedene und sozusagen entgegengesetzte Weise: der eine wagt ihn aus Ehrfurcht nicht täglich zu empfangen, der andere wagt aus Ehrfurcht nicht, den Empfang einen Tag über zu unterlassen.“
Die Lehre über die Eucharistie des hl. Johannes Damascenus
Lassen wir hierzu auch noch der hl. Johannes Damascenus († um die Mitte des 8. Jahrhunderts) zu Wort kommen. Dieser war ein Sammler, der die Glaubenslehre, wie er sie aus der Schrift und Tradition kennen gelernt hatte, in einem einheitlichen Ganzen dargestellt hat. In seinem Buch „Glaubenslehre“, Kap. 9 nennt er das Blut Christi in der Eucharistie einen „ewiges Leben gewährenden Trank“. Zusammenhängend finden wir seine Lehre über die Eucharistie im dreizehnten Kapitel desselben Werkes dargestellt:
„Es sollte aber nicht bloß der Erstling unserer Natur zur Teilnahme an dem Guten gelangen, sondern auch jeder Mensch, der will, sowohl in zweiter Geburt geboren als mit neuer und der Geburt zuträglicher Nahrung genährt werden und so das Maß der Vollkommenheit erreichen. . . Er gab uns also eine zweite Geburt, damit wir, wie wir aus Adam geboren, diesem gleich wurden, den Fluch und das Verderben erbend, so auch, aus ihm geboren, ihm gleich würden und seine Unvergänglichkeit, seinen Segen und seine Herrlichkeit erbten.
Weil aber dieser Adam geistig ist, mußte auch die Geburt geistig sein, desgleichen auch die Speise. Aber weil wir Doppelwesen sind und zusammengesetzt, muß auch die Geburt doppelt sein, desgleichen auch die Speise zusammengesetzt. Die Geburt ist uns nun durch Wasser und Geist gegeben (ich meine die heilige Taufe); die Speise aber ist das Brot des Lebens selbst, unser Herr Jesus Christus, der vom Himmel herabkam… Brot aber und Wein wird dazu genommen; denn Gott kennt die menschliche Schwachheit; sie kehrt sich nämlich meistens von dem, was nicht im alltäglichen Gebrauch ist, unwillig ab. Gemäß seiner gewohnten Herablassung also vollbringt er durch das, woran die Natur gewohnt ist, das Übernatürliche. Und wie er bei der Taufe, weil die Menschen sich mit Wasser zu waschen und mit Öl zu salben pflegen, mit dem Öl und Wasser die Gnade des Geistes verband und es zum Bade der Wiedergeburt machte, so verband er, weil die Menschen Brot zu essen und Wasser und Wein zu trinken pflegen, mit dieser seine Gottheit und machte sie zu seinem Leibe und Blute, damit wir durch das Gewohnte und Natürliche das Übernatürliche erlangen …
Leib und Blut Christi gereichen zur Erhaltung unserer Seele und unseres Leibes, indem sie nicht aufgezehrt werden, nicht verderben, nicht zur Ausscheidung gelangen (das sei fern!), sondern sie sind für unsere Wesenheit und Erhaltung eine Abwehr jeglichen Schadens und eine Reinigung von allem Schmutze, wie wenn man unlauteres Gold nimmt und es in der ausscheidenden Verbrennung reinigt, damit wir nicht in der Zukunft mit der Welt verdammt werden. Dieses Brot ist die Erstlingsgabe des künftigen Brotes, welches ist das wesentliche. Denn das ‚Wesentliche‘ bedeutet entweder das künftige, d. h. das des künftigen Lebens oder das zur Erhaltung unserer Wesenheit Genommene. Sei es nun so oder so, es wird passend darunter der Leib des Herrn verstanden. Denn lebendigmachender Geist ist das Fleisch des Herrn, weil es vom lebendigmachenden Geist empfangen worden ist. Denn das vom Geist Erzeugte ist Geist. Das aber sage ich, nicht um die Natur des Leibes aufzuheben, sondern um seine lebendigmachende und göttliche Kraft zu zeigen.“
Kraft unsterblicher Wesenheit
Der hl. Papst Leo der Große († 461), mit welchem die Blütezeit der patristischen Literatur abschließt, nennt das Altar-Sakrament „Kraft unsterblicher Wesenheit.“ (XXI. Rede) Da drängt sich wiederum sofort die Frage auf: Warum sind wir dennoch so schwach, obwohl wir doch häufig kommunizieren? Unser Glaube ist wohl nicht lebendig genug, nicht tief genug, nicht genug von der Gnade durchformt. Bitten wir also das eucharistische Herz Jesu innständig um all diese so notwendigen Gnaden, damit wir es bei jeder hl. Kommunion spüren dürfen: „Kraft unsterblicher Wesenheit.“ Nach jeder hl. Kommunion sollten wir eigentlich mit dem hl. Paulus bekennen können: „Alles vermag ich in dem, der mich stärkt!“ (Phil 4, 13). Ja, die hl. Kommunion sollte uns in dieser Kraft unsterblicher Wesenheit in Christus umwandeln, wie der hl. Papst zu erklären weiß: „Denn nichts anderes bewirkt die Teilnahme am Leibe und Blute Christi, als daß wir in das verwandelt werden, was wir genießen, daß wir in Geist und Fleisch den allweg tragen, in welchem wir mitgestorben und mitbegraben und mitauferweckt sind gemäß dem Worte des Apostels: ‚Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christo in Gott verborgen. Wenn aber Christus, euer Leben, erscheinen wird, dann werdet auch ihr erscheinen in Herrlichkeit mit ihm.‘“ (XXII. Rede.)
Mit diesen Worten des hl. Leo des Großen stehen wir wieder inmitten des Geheimnisses der Allerheiligsten Dreifaltigkeit: Unser Leben ist mit Christo in Gott verborgen. Nur in Jesus Christus sind wir Söhne und Töchter Gottes. ER schenkt uns durch die Erlösungsgnade Teilnahme an Seinem Leib und Sein kostbares Blut, wodurch wir geheimnisvoll, gnadenhaft in IHN verwandelt werden. Der hl. Petrus beschreibt dieses Geheimnis in seinem zweiten Brief so: „Seine göttliche Macht hat uns alles für das Leben und die Frömmigkeit Notwendige geschenkt durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Kraft. Durch sie sind uns die wertvollen und überaus großen Verheißungen geschenkt worden, damit ihr durch diese der göttlichen Natur teilhaftig werdet und dem in der Welt durch die Begierde herrschenden Verderben entflieht“ (2. Petr. 1, 3f).
Das Geheimnis unseres Heiles
Niemals werden wir es ganz verstehen, was hier der hl. Petrus beinahe selbstverständlich anfügt: Durch Jesus Christus sind uns die wertvollen und überaus großen Verheißungen geschenkt worden, unaussprechlich große Verheißungen, nach denen wir – wer kann es fassen? – der göttlichen Natur teilhaftig werden.Die Menschwerdung des göttlichen Wortes wirkt gnadenhaft fort in allen Sakramenten, ganz besonders im Allerheiligsten Altarsakrament. Der hl. Thomas von Aquin lehrt: „In diesem Sakrament ist das ganze Geheimnis unseres Heiles beschlossen.“ (S. Th. III. 83,4) Der in diesem Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtige hl. Leib und das kostbare Blut Jesu Christi verwandelt unsere Natur, wie der Herr einmal zum hl. Augustinus sprach: „Nicht du verwandelst Mich in dich, wie die Speise deines Fleisches, sondern du wirst verwandelt in Mich.“ Durch das sakramentale Leben und durch das Leben des inneren Gebetes und der Beschauung, das durch die heiligen Sakramente beständig geweckt und gefördert wird, sind wir Söhne des Vaters. Solange wir in der heiligmachenden Gnade sind, erkennt der Vater in uns Seinen Sohn, weil wir durch die Gnade wahrhaft vergöttlicht werden. Wir lesen es im Schlußevangelium jeder hl. Messe: Das Wort ist Fleisch geworden, „um allen, die es aufnehmen, die Macht zu geben, Kinder Gottes zu werden.“ Also ist Christus wahrhaft unser Bruder. Und desgleichen ist der Heilige Geist die Seele unserer Seele.
Es ist somit Jesus Christus, der in uns betet und der in uns spricht und uns die Geheimnisse der göttlichen Wahrheit aufschließt. ER belehrt uns nicht mit toten Buchstaben, sondern indem Er uns teilnehmen läßt am göttlichen Lebensodem. „Weil ihr nun Söhne seid, sandte Gott den Geist Seines Sohnes in euer Herz“ (Gal 4, 6). „Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet“ (Mt 10, 20). „Wir alle aber schauen mit unverhülltem Antlitz den Glanz des Herrn und werden dadurch in das nämliche Bild umgewandelt, in immer größerem Glanze strahlend, der vom Geiste des Herrn ausgeht“ (2 Kor 5, 18). Dazu noch die wunderschöne Stelle aus dem Römerbrief: „Ihr habt ja nicht den Geist der Knechtschaft empfangen, um von neuem in Furcht zu leben, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: ‚Abba, Vater!‘“ (Röm 8, 15).
Die Gegenwart des Geheimnisses der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in unserer Seele
Es ist eine unleugbare Tatsache: Das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ist gnadenhaft und wirklich in unserer Seele gegenwärtig. Durch die heilige Menschheit des fleischgewordenen Wortes erhebt sich unsere Seele zur Teilhabe an der göttlichen Natur. Sobald wir aber die Herrlichkeit Gottes gewahren, fühlt sich unsere Seele angesichts der göttlichen Gerechtigkeit ganz vernichtet, wohingegen sie durch Seine Barmherzigkeit angezogen wird. Durch Jesus Christus und in Jesus Christus dürfen wir im Heiligen Geiste vor den Vater treten, denn: „Durch Ihn haben wir beide in einem Geiste den Zutritt zum Vater“ (Eph 2, 18). Erschaffung, Menschwerdung, Erlösung und Verherrlichung, diese staunenswerten Wunder der göttlichen Liebe sind nichts anderes als ein beeindruckendes Gemälde der geheimnisvollen, unendlichen göttlichen Liebe, die ewig eine ist in drei Personen. „Das Geheimnis, das vor aller Welt und von Ewigkeit her verborgen war; jetzt ist es aber den Heiligen Gottes geoffenbart worden“ (Kol 1, 26).
Die Kommunion Mariens
Wenden wir uns am Schluß unserer Erwägungen noch der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria zu. Sie hat uns den Heiland geboren und uns somit den Weg wiedergeschenkt, der zum Vater führt, Jesus Christus führt uns heim ins Reich des Vaters. Aber nicht nur dies, nach der Himmelfahrt hat Maria noch lange hienieden gelebt – und sie hat selbstverständlich oft kommuniziert. Unsere Mystiker sagen uns sogar, in ihr wäre der sakramentale Leib Christi durch ein Wunder immer bis zur nächsten Kommunion gegenwärtig geblieben. Maria lebte also in ununterbrochener Anbetung des eucharistischen Heilandes!
Eine solch innige Herzensverbindung hat es niemals in der ganzen Schöpfung gegeben und wird es niemals mehr geben. Die Cherubim und Seraphim brennen vor Gottesliebe und zittern vor Ehrfurcht vor dem dreimal heiligen Gott – Maria hingegen spricht ganz ruhig, mit tiefster Ehrfurcht und unermeßlicher Liebe: Mein Sohn! Hier verbindet sich vollkommenste, lauterste Liebe mit allerhöchster Anbetung. Der hl. Thomas von Aquin beschreibt es so unsagbar tief: „Es muß aber des Menschen Gemüt eingeübt werden in dem Glauben, daß es nur einen höchsten Urgrund der Dinge gibt, und zwar dadurch, daß er ihm darbringt, was sonst niemandem dargebracht wird: und dies nennen wir den Kult der Anbetung“ (Summa contra Gentiles 3,120).
Wobei noch zu bedenken ist, daß diese Liebe und Anbetung Mariens beständig ins dreifaltige Geheimnis hinein erweitert wurde. Sie brachte tatsächlich dem Dreieinen dar, was sonst niemandem dargebracht wird. Maria wußte, ihr Sohn ist der ewige Sohn des himmlischen Vaters und zudem wußte sie, nur im Heiligen Geist war sie als die Gnadenvolle zur Mutter Gottes berufen worden. Wie unermeßlich tief muß sich die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria schon in dieser Welt in die Anschauung des Dreieinen hineingebetet haben, wenn schon Schwester Elisabeth schreiben konnte: „Die Liebe wohnt in uns; auch ist es meine einzige Übung, in mein Inneres einzukehren und mich in die drei göttlichen Personen zu verlieren, die da sind.“ Mariens Sterben war sicherlich nur noch ein bloßer Übergang ins ewige Schauen des Dreieinen in der himmlischen Herrlichkeit.
Die ganze Dreieinigkeit ist in Tätigkeit, gibt sich hin und schenkt sich hin.
Unter den Verehrern des Geheimnisses der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ragt die Karmelitin Elisabeth von Dijon besonders hervor. Diese heiligmäßige Ordensschwester, die den Namen Elisabeth von der heiligsten Dreifaltigkeit trug, betrachtete Maria ganz im Licht des Dreifaltigen.
Der Karmel ist an sich schon in einer vorzüglichen Weise ein marianischer Orden. In den Vorschriften, die von den spanischen Müttern nach Frankreich gebracht wurden, liest man:
„Die Seelen, die Gott dazu beruft, Ihm in unserm Orden zu dienen, müssen wissen, daß ihre erste und Hauptverpflichtung als Karmelitinnen darin besteht, die heiligste Jungfrau Maria mit ganz besonderer Sorgfalt zu verehren: erstens in ihrer erhabenen Würde als Gottesmutter, in allen Vorzügen und in aller Größe, welche diese Eigenschaft in sich schließt, und in der Herrscherwürde, die sie ihr im Himmel und auf Erden verleiht; zweitens in dem Übermaß an Güte und Demut, welche die heiligste Jungfrau veranlaßt hat, Mutter und Schutzfrau dieses Ordens zu werden.
Um dieser Pflicht nachzukommen, wird jede darauf bedacht sein, mindestens einmal im Monat die hl. Kommunion zu Ehren der heiligsten Jungfrau zu empfangen: damit sich ihre Absichten hier auf Erden erfüllen, damit ihre Ehre in allen Seelen zunehme, und um zu erreichen, daß die Seelen dieses Ordens sie lieben, sie verehren, ihr dienen und ihr angehören in dem ganzen Ausmaß der erbarmungsvollen Absichten ihres lieben Sohnes und der ihren.“
Schwester Elisabeth hat sich diese Anweisungen natürlich zu Herzen genommen. Immer tiefer verstand sie, diese Jungfrau des Karmel, die von allem Geschaffenen vollkommen losgelöst war, war die Anbeterin des in ihrem Schoße verborgenen Wortes. Maria ist die Jungfrau der Menschwerdung. Zu dieser fühlte sich Sr. Elisabeth von der heiligsten Dreifaltigkeit am meisten hingezogen, denn auch ihr Ideal bestand darin, in schweigsamer Stille den im Innersten ihrer Seele verborgenen Gott anbetend zu leben. In einem Brief an ihre Schwester schreibt sie im November 1903: „Kann man sich vorstellen, was in der Seele der Jungfrau vor sich ging, als sie nach der Inkarnation das menschgewordene Wort, die Gabe Gottes, in sich barg? In welchem Schweigen, welcher Sammlung, welcher Anbetung muß sie untergetaucht sein im tiefsten Grunde ihrer Seele, um sich dem Gott zu einen, dessen Mutter sie war.“
Der Gott aber, dessen Mutter Maria war, war der dreifaltige Gott. Schwester Elisabeth hatte ein Bild erhalten, das die Jungfrau der Menschwerdung gesammelt unter der Wirksamkeit der heiligsten Dreieinigkeit darstellte. Zu diesem Bild hatte sie eine besondere Andacht. Sie schreibt darüber: „In der Einsamkeit unserer Zelle, die ich ,mein kleines Paradies‘ nenne — da sie ganz erfüllt ist von Jenem, von dem man im Himmel lebt — werde ich das kostbare Bild oft anschauen und werde mich mit der Seele der Jungfrau vereinen, während der Vater sie überschattet, während das Wort in ihr Fleisch annimmt und der Hl. Geist über sie kommt, um das große Mysterium zu vollziehen. Die ganze Dreieinigkeit ist in Tätigkeit, gibt sich hin und schenkt sich hin. Und sollte das Leben einer Karmelitin nicht unter diesen göttlichen Umklammerungen dahingehen?“ (Brief an Frau von S., 1905)
Gilt dasselbe tatsächlich nicht auch im gewissen Sinne für jeden von uns nach der hl. Kommunion, wenn das fleischgewordene Wort sakramental in uns gegenwärtig ist, also geheimnisvoll unser Herz erfüllt: Die ganze Dreieinigkeit ist in Tätigkeit, gibt sich hin und schenkt sich hin?Bezeugt dann nicht der Vater inwendig, in uns: Dies ist mein geliebter Sohn, auf Ihn sollt ihr hören, während der Heilige Geist uns mit göttlicher Liebe erfüllt? Wie selten erheben wir uns bei der hl. Kommunion zu solcher Gedankenhöhe, die nur die Wirklichkeit umschreibt, in die wir gnadenhaft eingetaucht werden.
Geistliche Lehre Schwester Elisabeths von der Heiligsten Dreifaltigkeit
Und zudem: Sollte nicht das Leben eines jeden Katholiken unter den göttlichen Umklammerungen dahingehen, d.h. ganz im Banne des dreifaltigen Gottes stehen?
Wer sich Maria als Vorbild seines inneren Lebens erwählt und sodann ihren Anweisungen treu folgt, wird jedenfalls zu solchen Höhen emporsteigen. Das Leben Schwester Elisabeths ist ein beeindruckendes Zeugnis für diese Wahrheit. Elisabeth erwägt in einer Betrachtung während ihrer letzten Einkehrtage:
„Niemand hat den Vater gesehen“ (Joh. 6, 46.), sagt uns der hl. Johannes, „außer der Sohn und diejenigen, denen es der Sohn offenbaren wollte“ (Luk. 10, 39.). Mir kommt vor, man kann auch sagen: Niemand hat das Mysterium Christi in seiner Tiefe erfaßt, außer die seligste Jungfrau.
Johannes und Magdalena sind darin weit vorgedrungen. Der hl. Paulus spricht oft von der „Einsicht“ (Eph. 3, 4.), die ihm zuteil geworden ist, und dennoch, wie bleiben die Heiligen alle im Schatten, wenn man die Klarheit der seligsten Jungfrau betrachtet! Sie ist die Unaussprechliche. Das Geheimnis, das sie „in ihrem Herzen bewahrte und überdachte“ (Luk. 2, 19.), läßt sich nicht künden, keine Zunge hat es offenbaren, keine Feder es beschreiben können.
Diese Mutter der Gnade wird meine Seele bilden, damit ihr kleines Kind ein lebendiges, treffendes Bild ihres Erstgeborenen werde, des Sohnes des Ewigen Vaters, der das vollkommene Lob der Herrlichkeit seines Vaters gewesen ist.“
(P. Michel Philipon O.P. Die geistliche Lehre Schwester Elisabeths von der Heiligsten Dreifaltigkeit, Verlag Herder, Wien 1951, S. 166)
Die Einsamkeit Jesu und Mariens
Wir vergessen es meist, weil wir es leider aufgrund unserer Anhänglichkeit an diese Welt nicht recht verstehen können: Am Höhepunkt ihres Lebens sind die Heiligen die einsamsten Menschen auf Erden – weil sie das Mysterium Christi in seiner Tiefe erfaßt haben.Wer von uns kann ermessen, wie einsam die seligste Jungfrau und erst recht unser Herr Jesus Christus waren. Haben wir überhaupt schon einmal an die Einsamkeit der Seele des ewigen Wortes oder Mariens gedacht? Wir lesen es so oft am Ende jeder hl. Messe: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott – und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ – aber auch: „Er kam in sein Eigentum; doch die Seinen nahmen Ihn nicht auf.“
Ist ER nicht als einsamer Gott mitten durch Seine Schöpfung gewandelt? Wie einsam war das Herz des göttlichen Erlösers, wenn ER all diese Menschen sah, die nicht an IHN glauben wollten, weil sie die Finsternis mehr liebten als das Licht?! Freilich, in seinem Innern hatte ER ununterbrochen die Gesellschaft des Vaters und des Heiligen Geistes in der Einheit der göttlichen Wesenheit. Aber wenn man IHN sah, wer hätte das vermuten können? Spürt man nicht von dieser Einsamkeit, wenn uns die Evangelisten berichten, daß er öfter am Abend allein auf einen Berg stieg, um die ganze Nacht hindurch zu beten?
Und im richtigen Verhältnis gesehen, war es auch mit der Seele der makellosen Jungfrau so ähnlich. Haben wir jemals darüber nachgedacht, wie einsam die Unbefleckte war, gerade aufgrund ihrer Sündenlosigkeit? Maria war einsam inmitten der Menschen von Nazareth, von Bethlehem und schließlich am einsamsten zu Füßen des Kreuzes. Dennoch war sie gerade aufgrund dieser Einsamkeiten ganz mit Christus verborgen in Gott, dessen dreieines Geheimnis sie Tag und Nacht in ihrem Herzen erwog.
Die Seele Mariens war vollkommen einsam geworden, d.h. nichts Menschliches war mehr in ihr. In ihr ist das reine, leuchtende, durchsichtige, von allem Irdischen befreite Sein. Die schuldig gewordene oder auch nur zu gefühlsmäßige Liebe kann niemals eine solch makellose Reinheit hervorbringen. Maria ist die im höchsten Sinn des Wortes ganz Jungfräuliche, die von allem Geschiedene, die ihr Leben verbracht hat „allein mit dem Alleinigen“, die keine andere Gesellschaft gewollt hat als die Seine, sowohl im Glück wie im Leid.
Herzenseinsamkeit der Jungfrau der Jungfrauen, die durch nichts Sinnenfälliges aufgehalten wurde, die durch die Einwirkungen dieser vergänglichen Welt „heilig und unbefleckt in der Liebe“ hindurchgegangen ist.
Seeleneinsamkeit der Jungfrau auch im Verkehr mit Gott allein. Wohl stand sie mitten im Leben der Menschen, doch immer nur, um daselbst ein göttliches Werk zu vollbringen. Mariens Seele ist die Seele der Miterlöserin, die immer mehr und mehr eins wurde mit allen Bewegungen der Seele Christi, die so einsam war abends auf dem Berge oder in Gethsemani.
Göttliche Einsamkeit der Seele der getreuen Jungfrau, die von dem Ewigen Wort, ihrem Sohn, bis an die Grenzen der Gottheit emporgehoben und dort wegen ihres einzigartigen Platzes im Heilswerk der Welt allen Plänen der heiligsten Dreieinigkeit zugesellt ist. Aber gerade dort, im Angesicht des dreifaltigen Gottes, zeigt sich auch die unendliche Distanz, wie sie nun einmal zwischen dem Geschöpf und seinem Schöpfer immer besteht. Aus der Einsicht in diese Distanz erwächst letztlich die abgrundtiefe Demut der Jungfrau ohne gleichen.
Das sind die Seelenabgründe, die uns erschauern lassen.
Die vollkommenste Kommunion
Wer hat unter allen Menschen eigentlich Gott am meisten, am vollkommensten, am geziemensten angebetet? Wer hat IHN in der hl. Kommunion am innigsten, glühendsten, vollkommensten geliebt? Wer hat aus jeder hl. Kommunion am treuesten alle Gnaden geschöpft, so wie sie Gott geben wollte? Kurzum: Wer hat also am besten kommuniziert?
Zweifelsohne die Gottesmutter Maria! Wie gesammelt, wie andächtig, wie gottversunken ging sie zur hl. Kommunion. Mit welcher Ehrfurcht und übernatürlicher Freude begrüßte sie jeweils ihren göttlichen Sohn, der sakramental zu ihr kommen wollte. Welch vollkommenste Akte der Anbetung schenkte sie IHM, mit welchem Lob und Dank überschüttete sie IHN und was für Bitten trug sie IHM vor, sobald sie IHN in der hl. Hostie empfangen hatte. In der Seele Mariens verwirklichte sich bei jeder Kommunion das, was der hl. Thomas von Aquin so umschreibt: „Aus der Kraft dieses Sakramentes wird die Seele geistlich erquickt dadurch, daß sie geistliche Freude erfährt und in bestimmtem Sinne trunken wird durch die Süßigkeit der göttlichen Gutheit, gemäß jenem Worte: ‚Esset, meine Freunde, und trinket und berauschet euch, Geliebteste‘ [Hohel 5, 1].“ (S.Th. III. 79, 1 ad 2) Gott mußte wohl bei jeder Kommunion Mariens ein Wunder wirken, daß sie sich nicht auflöste, um für immer bei Christus zu sein. Was Maria in dieser Welt hielt, das war letztlich allein der Wille Gottes. Schwester Elisabeth schreibt einmal: „Lieben wir die anbetungswürdigen Fügungen Gottes, jede Freude, jeden Schmerz als geradewegs von ihm kommend, so gestaltet sich unser Leben zu einer fortwährenden Kommunion.“
Warum konnte die allerseligste Jungfrau in dieser vollkommenen Weise kommunizieren? Weil sie aufgrund ihrer vollkommenen Einsamkeit ganz in Gott verborgen war und in Jesus Christus, ihrem Sohn, ununterbrochen das Geheimnis des Dreieinen in ihrem Herzen erwog.
Wenn wir ehrlich sind, wir können es nicht wirklich begreifen, wie tief sich die Gottesmutter ins Geheimnis ihres eucharistischen Herrn und Gottes versenkte. Wie sehr ihre Herzen in Liebe verschmolzen – Jesus ganz in ihr und Maria ganz in Jesus und damit im Vater und im Heiligen Geist.
Ein Lobgebet zu Ehren der Gottesmutter
Während ihres betrachtenden Gebetes versuchte Schwester Elisabeth diese Geheimnisse zu durchdringen. Am letzten Tag ihrer Exerzitien verfaßte sie folgendes Lobgebet, das durch seine Richtigkeit des Glaubensinhaltes beeindruckt und von einer seltenen Tiefe ist:
„Nach Jesus Christus und ohne Zweifel in dem Abstand, der zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen besteht, gibt es ein Geschöpf, das auch das große Lob der Herrlichkeit der heiligsten Dreifaltigkeit gewesen ist. Eine entsprach vollkommen der göttlichen Erwählung, von der der Apostel spricht. Sie war immer rein, unbefleckt, tadellos in den Augen des dreimal heiligen Gottes.
Ihre Seele ist so einfach, deren Bewegungen so tief, daß man ihnen nicht nachspüren kann. Sie scheint auf Erden das Leben hervorzubringen, das das Leben des göttlichen Seins, des ganz einfachen Seins ist. Auch ist sie so durchsichtig, so lichtvoll, daß sie das Licht selbst zu sein scheint. Und doch ist sie nur der Spiegel der Sonne der Gerechtigkeit: speculum justitiae.
,Die Jungfrau bewahrte dies alles in ihrem Herzen.‘ (Luk. 2, 51.) Ihre ganze Geschichte kann in diese wenigen Worte zusammengefaßt werden: sie lebte in ihrem Herzen in einer solchen Tiefe, daß unser Blick ihr nicht folgen kann.
Wenn ich im Evangelium lese, daß Maria ,eilends über das Gebirge Judäas ging‘ (Luk. 1, 39.), um ihren Liebesdienst an ihrer Verwandten Elisabeth zu erfüllen, sehe ich sie vorübergehen so schön, so still, so majestätisch, so im Innern gesammelt mit dem ewigen Wort! Wie das seine, war auch ihr Gebet immer das: Ecce, hier bin ich! — Wer? — Die Magd des Herrn, das geringste seiner Geschöpfe, sie, seine Mutter.
Sie war so wahr in ihrer Demut. Das war, weil sie stets selbstvergessen, sich selbst unbekannt, frei von sich selbst war. So konnte sie singen: ‚Großes hat an mir getan, der da mächtig ist, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.‘ (Luk. 1, 48. 49.)
Diese Königin der Jungfrauen ist auch Königin der Märtyrer; doch ist es ihr Herz, das vom Schwert durchbohrt wird, denn bei ihr geht alles im Innern vor sich.
Wie schön ist es, sie während ihres langen Martyriums zu betrachten: so ruhig ist sie, eingehüllt in eine Majestät, die gleichzeitig Kraft und Milde atmet. Das kommt daher, weil sie vom ewigen Wort selbst gelernt hat, wie diejenigen leiden sollen, die der Vater zu Schlachtopfern erwählt hat, die an seinem großen Erlösungswerk teilnehmen zu lassen, Er beschlossen hat, ,die er zuvor erkannt und vorherbestimmt hat, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu werden‘ (Röm. 8, 29.), dem aus Liebe Gekreuzigten.
Sie steht da unter dem Kreuz, aufrecht in Kraft und Tapferkeit. Und da spricht der Herr zu mir: ,Ecce mater tua‘ (Joh. 19, 27.) Er gibt sie mir zur Mutter. Und jetzt, da Er zum Vater zurückgekehrt ist, da Er mich an seinerstatt ans Kreuz geheftet hat, damit ich ersetze, was an seinem Leiden noch mangelt für seinen Leib, die Kirche, ist seine Mutter wieder da, um mich zu lehren, zu leiden wie Er, um mich die letzten Gesänge seiner Seele vernehmen zu lassen, die niemand außer ihr, seiner Mutter, erlauschen konnte.
Wenn ich mein ,Consumatum est‘ [Es ist vollbracht] (Joh. 19, 30.) gesprochen habe, wird sie, Janua Coeli, es sein, die mich in die himmlischen Gefilde einführen wird, indem sie mir leise das geheimnisvolle Wort zuflüstern wird: ,Laetatus sum in his quae dicta sunt mihi, in domum Domini ibimus.‘ (Ps. 121, 1.)“
(Ebd. S. 167f)
Die Gnadenvolle, die fürbittende Allmacht
Zwischen Maria und Jesus, zwischen Maria und der Allerheiligsten Dreifaltigkeit herrschte auch schon während die Gottesmutter noch in dieser Welt lebte ein vollkommener Gleichklang. Mit ihrem Sohn konnte sie sagten: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu vollenden.“ (Joh 4,34) Maria verschmolz regelrecht mit dem Erlösungswerk ihres göttlichen Sohnes. Ihr ganzes Leben war ein: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort.“ (Lk 1,38) So steigt sie an der Seite Jesu hinauf nach Golgotha und harrte unter dem Kreuz aus bis zum „Consumatum est“, die virgo fidelis, die getreue Jungfrau.
Weil Maria die Gnadenvolle ist, ist sie auch die fürbittende Allmacht. Wer könnte uns mehr dabei helfen als sie, die gnadenhafte Umgestaltung in Christus so zu vollenden, wie es Gott von uns erwartet? Ist nicht sie es, die uns in Wirklichkeit zu Kindern des Vaters macht? Wir erfassen das Mitwirken unserer himmlischen Mutter am Erlösungswerk sicherlich noch viel besser, sobald wir uns vergegenwärtigen, daß alles übernatürliche Leben letztlich darin besteht, ihrem göttlichen Sohn ähnlich, d.h. christusförmig zu werden. Wer könnte uns besser und tiefer ins Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit einführen als die Tochter des Vaters, die Mutter des Sohnes und die Braut des Heiligen Geistes?!
Janua Coeli – Die Pforte des Himmels
Am Vorabend ihres Todes sagte Schwester Elisabeth leise: „In zwei Tagen werde ich im Schoße meiner ,Drei‘ sein. ,Laetatus sum in his quae dicta sunt mihi‘ (Ps. 121, 1.) Die Jungfrau ist es, dieses ganz leuchtende Wesen, ganz rein von der Reinheit Gottes, die mich bei der Hand nehmen wird, um mich in den Himmel einzuführen, diesen Himmel voll blendender Schönheit.“ (Ebd. S. 166)
In den letzten Wochen ihres Lebens nannte Schwester Elisabeth Maria nur noch mit dem Namen: Janua Coeli – Pforte des Himmels. Eine Statue der Jungfrau von Lourdes, ihre „Janua Coeli“, begleitete sie fortan überall hin. „Als sich Sr. Elisabeth entkräftet auf die kleine Tribüne schleppte, von der aus man in den Chor sah, trug sie mühsam in ihren abgemagerten Händen diese ungefähr 30 cm hohe Statue, die fast zu schwer war für ihren so geschwächten Körper. …
Eines Tages stellte Sr. Elisabeth eine kleine, aus Karton verfertigte Festung mit einer Zugbrücke in die Zelle ihrer Priorin. Neben den verschlossenen Eingang hatte sie eine ausgeschnittene Jungfrau von Lourdes angebracht: Janua Coeli. Von einer der Ecken des ausgezackten Turmes flatterte ein kleines Banner, das die Inschrift trug: ‚Festung des Schmerzes und der heiligen Sammlung, vorläufige Wohnung von Laudem gloriae in Erwartung des väterlichen Hauses.‘ Janua Coeli war für sie zur Pforte der heiligsten Dreifaltigkeit geworden.“ (Ebd. S. 165)
Das ist also der Heilsweg, den das geoffenbarte göttliche Geheimnis vor unsere Augen zeichnet. Durch unseren göttlichen Erlöser gnadenhaft hineingenommen ins Leben der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, wird ER uns auch zum Weg, der uns zum Vater führt. Damit wir auf dem Weg nicht erliegen, nährt ER uns geheimnisvoll mit Seinem heiligsten Leib und Seinem kostbaren Blut. So erreichen wir unter dem Schutz und der mütterlichen Führung Mariens das ewige Ziel, die himmlische Heimat. Jedem soll Janua Coeli zur Pforte der heiligsten Dreifaltigkeit werden…
Gebet der Schwester Elisabeth zur Heiligsten Dreieinigkeit
Am 21. November 1904 schrieb Schwester Elisabeth in einem gnadenhaften Aufschwung ihrer Seele folgendes Gebet zur Heiligsten Dreieinigkeit nieder:
„O mein Gott, Dreifaltiger, den ich anbete, hilf mir, mich selbst ganz zu vergessen, um mich in dir zu begründen, unbewegt und friedvoll, als weilte meine Seele schon in der Ewigkeit. Gib, daß doch nichts meinen Frieden stören könne oder mich heraustreten lasse aus dir, o mein Unveränderlicher, sondern daß jede Minute mich tiefer hineintrage in den Abgrund deines Geheimnisses.
Gib meiner Seele den Frieden, mach sie zu deinem Himmel, deiner geliebten Wohnung und dem Ort deiner Ruhe; möge ich dich dort nie allein lassen, sondern allzeit da sein mit meinem ganzen Wesen, ganz wach im Glauben, ganz Anbetung, ganz Hingabe an deine schöpferische Tätigkeit.
O mein geliebter, aus Liebe gekreuzigter Heiland! Ich möchte eine Braut deines Herzens sein; ich möchte dir ein Übermaß an Verherrlichung bereiten; ich möchte dich lieben — immer mehr — bis ich aus Liebe sterbe. Aber ich fühle mein Unvermögen und bitte dich deshalb, mich mit dir selbst zu bekleiden, meine Seele eins zu machen mit allen Bewegungen der deinen, mich zu überfluten, mich ganz zu durchdringen, dich selbst an Stelle meines Ich zu setzen, damit mein Leben nur eine Ausstrahlung deines Lebens sei. Komm in mich als Anbeter, als Genugtuer, als Erlöser.
O ewiges Wort, Wort meines Gottes, ich will mein Leben damit zubringen, dir zu lauschen. Ich will mich ganz gelehrig machen, um alles von dir zu lernen; und dann durch alle Nächte, alle Leere, alles Unvermögen will ich immerdar auf dich schauen und unter deinem großen Lichte bleiben. O mein geliebtes Gestirn, banne mich in deinen Strahlenkreis, damit ich mich nie mehr daraus entfernen könne!
O verzehrendes Feuer, Geist der Liebe, komm in mich herab, damit sich in meiner Seele gleichsam eine Menschwerdung des Ewigen Wortes vollziehe, auf daß ich eine Ausdehnung seiner Menschheit für ihn werde, in der er sein Geheimnis voll erneuert.
Und du, o Vater, neige dich über dein armes, kleines Geschöpf; sieh in ihm nur den Vielgeliebten, an dem du dein Wohlgefallen hast.
O meine Drei, mein alles, meine Seligkeit, unendliche Einsamkeit, Unermeßlichkeit, in der ich mich verliere, euch liefere ich mich als Beute aus; begrabt euch in mir, damit ich mich in euch begrabe, wartend bis ich einst dahingehe, um in eurem Licht den Abgrund eurer Herrlichkeit zu bewundern. Amen.“
(Ebd. S. 315f)