Wie sehr müssen wir Gott für die Gnade unseres hl. Glaubens danken, der uns vor vielfältigen Irrtümern bewahrt, vor mancherlei geistigen Verirrungen und Wirren! So absurd es dem modernen Menschen auch vorkommen mag, es ist doch ganz und gar wahr, durch unseren hl. Glauben werden wir in der Wirklichkeitserkenntnis gefestigt und vor vielen Täuschungen bewahrt, übermittelt uns doch unser hl. Offenbarungsglaube die göttliche Sicht der Wirklichkeit - und welche andere Sicht könnte richtiger sein als diese!
Ein äußerst seltsames Phänomen unserer Zeit ist der sog. Modernismus, also jene Irrlehre, die den christkatholischen Glauben vollkommen von der Wirklichkeit lostrennt – sodann dennoch von ihren Anhängern erwartet, weiterhin ernst genommen zu werden. So etwas ist nun wirklich kaum zu glauben und es stimmt einen doch äußerst nachdenklich sehen zu müssen, wie viele Katholiken diesem Irrwahn auf dem Leim gingen und gehen. Hierin zeigt sich, der Modernismus ist nicht einfach Unglaube, denn ein rechter Unglaube, wenn man so sagen kann, wendet sich klar von dem ab, was er nunmehr in Zweifel zieht und bekämpft es womöglich mit Eifer. Der Modernist hingegen gibt seinen Unglauben als Fortschritt aus und nennt ihn weiterhin Glauben, katholischen Glauben, obwohl er mit diesem überhaupt gar nichts mehr gemein hat.
Gerade am Weihnachtsgeheimnis läßt sich der modernistische Irrwahn gut aufzeigen. Für uns Katholiken ist jede Weihnachtszeit etwa Besonderes, denn sie erinnert uns an das Wunder aller Wunder, die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Wir wahren Katholiken lesen die hll. Evangelien nicht als Geschichten, sondern als Geschichte. Für uns sind sie selbstverständlich Berichte von tatsächlich geschehenen Ereignissen. Wenn es nämlich nicht so wäre, würden wir nicht an Jesus Christus glauben. Auf eine bloße Märchenerzählung oder eine frei erfundene Legende hin baut schließlich kein vernünftiger Mensch sein ganzes Leben auf. Immerhin fordert unser katholischer Glaube unser ganzes Leben ein und verspricht uns dafür die himmlische Glückseligkeit. Damit so ein allumfassender Schritt vernünftig ist, muß er natürlich bestmöglich abgesichert sein. Dies ist nur der Fall, wenn alles stimmt, was in den hll. Evangelien berichtet wird.
Der Modernismus fordert von seinen Anhängern, daß sie ihren Glauben auf Märchen stützen, auf frei erfundene Phantasien von religiösen Schwärmern, die Wahn und Wirklichkeit nicht klar unterscheiden können. Weil dies letztlich doch zu absurd ist, haben auch viele Modernisten ihren Irrglauben aufgegeben, weil in ihnen noch ein Rest von Vernunft übrigblieb, die ihnen sagte: So einen Unsinn kann man nicht glauben! In der Tat, es ist sicherlich vernünftiger nicht zu glauben als einem Modernisten Glauben zu schenken. Um das fertigzubringen muß man schon ganz schön verrückt sein.
Richtiges Lesen antiker Quellen
Der „Sherlock Holmes“ unter den Bibelwissenschaftlern, Carsten Peter Thiede, hat schon einige Bücher geschrieben, in denen er das geschichtliche Fundament des christlichen Glaubens aufweist. Es gibt inzwischen sehr viele Beweise aus der Archäologie, mit denen man die Zuverlässigkeit der evangelischen Berichte untermauern kann. Wissenschaftlich gesehen ist der Modernismus schon lange überholt und als eine Phase infantiler Leichtgläubigkeit erwiesen. Zurückblickend kann man es kaum fassen, daß dieses System eines generellen Unglaubens so lange so ernst genommen wurde und noch wird. Letztlich zeigt sich darin eine erschreckende Verblendung, die an die apokalyptische Apostasie erinnert. In der Einleitung zu seinem Buch „Jesus – Der Glaube – Die Fakten“ stellt Carsten Peter Thiede fest:
„Wir sind heute durchaus in der Lage, uns ein nachvollziehbares Bild von Jesus und seiner Zeit zu machen. Und das heißt, auch wenn es auf den folgenden Seiten nicht immer wieder ausdrücklich betont wird: Es gilt, Abschied zu nehmen von den Mythen, die noch heute als angeblich gesichertes Basiswissen verbreitet werden. Es gilt, auch im Interesse der öffentlichen Meinungsbildung, nein zu sagen zu solchen Behauptungen wie jener, daß der Jesus der Bibel ‚ganz offensichtlich‘ (wie jüngst wieder einmal zu lesen war) nicht der Jesus der Geschichte sei, daß die Evangelien einem mythischen Weltbild verpflichtet seien und erst nach dem Ende der Jerusalemer Urgemeinde in dritter oder vierter Generation entstanden. All diese und viele ähnliche Behauptungen sind falsch, und daß sie immer noch wiederholt werden, macht sie nicht richtiger. Wir müssen es wieder lernen, daß nicht unsere Maßstäbe für die Erfassung antiker Wirklichkeiten gelten, sondern daß umgekehrt wir mit unseren Maßstäben herausgefordert werden von der realen Welt der antiken Quellen und von den Menschen, die hinter ihnen stehen. Es ist nicht die Frage, ob die Texte unseren Erwartungshaltungen gerecht werden: Ob wir ihnen gerecht werden, mit unseren Denkansätzen und Methoden, das ist die Frage, der wir uns selbstkritisch stellen müssen. Jeder Text befragt uns und unsere Methoden.“
(Carsten Peter Thiede, Jesus. Der Glaube. Die Fakten, Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2003, S. 11 – künftig abgekürzt: Thiede, Jesus)
Es ist schon auffallend, wie hartnäckig die Modernisten an ihren Irrtümern festhalten, selbst dann noch, wenn sich ihr ganzes System als intellektuelle Scharlatanerie erwiesen hat. Das Märchen von einer christlichen Mythologie ist selbst zu einem modernistischen Mythos geworden, der wieder und wieder von den modernistischen Sektenanhängern nachgebetet wird. Wie befreiend wäre es einzusehen: „All diese und viele ähnliche Behauptungen sind falsch, und daß sie immer noch wiederholt werden, macht sie nicht richtiger.“
Es ist schon eine Ironie des Schicksals zu nennen, daß gerade die Modernisten, die so viel davon reden, man müsse die verschiedenen Texte der Heiligen Schrift oder auch der christlichen Tradition aus ihrem Umfeld und dem daraus sich ergebenden Zusammenhang verstehen, schließlich genau das Gegenteil getan haben. Sie haben aufgrund ihrer vielen modernistischen Vorurteile nämlich nicht die Texte selbst sprechen lassen, sondern diese ihre Vorurteile in sie hineininterpretiert. Welchen Unsinn muten sie dabei oft einem antiken Schriftsteller zu! Carsten Peter Thiede hat ganz recht, wenn er ihnen vorhält: „Wir müssen es wieder lernen, daß nicht unsere Maßstäbe für die Erfassung antiker Wirklichkeiten gelten, sondern daß umgekehrt wir mit unseren Maßstäben herausgefordert werden von der realen Welt der antiken Quellen und von den Menschen, die hinter ihnen stehen.“
Ein reichgestaltetes, vielfarbiges Mosaik
Wir führen dies hier extra wieder einmal an, weil es ein außerordentliches Kuriosum ist, wie viele Traditionalisten immer noch meinen, ihren „alten“ Glauben in den neuen Schläuchen des Modernismus aufbewahren zu können. Sobald man sich nämlich in die Menschenmachwerkskirche integriert, steht man auf dem Boden des Modernismus, ist doch dieser das Glaubens- bzw. Unglaubens-Fundament dieser Gemeinschaft, wie Herr Bergoglio, alias „Papst“ Franziskus, es jedem überdeutlich vor Augen führt. Wer meint, in der „Kirche“ des Herrn Bergoglio katholisch bleiben zu können, der vergißt, daß er mit seiner Zugehörigkeit zu der Konzilssekte seinen Glauben immer nur als Meinung neben all die anderen Meinungen stellen kann, d.h. er muß jedenfalls tatsächlich seinen Absolutheitsanspruch auf die göttliche Wahrheit aufgeben. Also nochmals:
„Um es anders zu sagen: Was wir uns heute vorstellen oder nicht vorstellen können, ist kein Kriterium dafür, ob es geschehen ist oder nicht geschehen ist. Ein Kriterium bleibt allerdings jenes, mit dem wir begannen: Die Fakten, über die wir verfügen, müssen wie Mosaiksteine in die Rekonstruktion des einst vollständigen Bildes eingefügt werden. Wir wissen durchaus, daß uns viele Mosaiksteine fehlen. Das gilt für alle Ereignisse der Antike, nicht nur für die Personen und Taten, von denen das Neue Testament berichtet. Um so mehr sind wir dazu verpflichtet, die Steine, die wir heute noch haben, auch tatsächlich zu benutzen. Wer freiwillig darauf verzichtet, wichtige Mosaiksteine des Wissens über den historischen Jesus zu verwenden, weil sie nicht in das Gesamtbild passen, das man sich bereits zuvor gedanklich ausgemalt hat, kann als Künstler, vielleicht auch als Philosoph mitdiskutieren, jedoch nicht mehr als Wissenschaftler auf der Suche nach den Realien.“
(Ebd. S. 11 f.)
Hierzu wollen wir doch zur Ehrenrettung der Philosophie ergänzen: als modernistischer Pseudophilosoph. Die wahre Philosophie würde nämlich all die modernistischen und auch traditionalistischen Sophismen schonungslos aufdecken. Ansonsten ist das Gesagte äußerst beherzigenswert. Ein wahrer Katholik, der seiner Vernunft folgt, kann niemals Modernist sein, weil dieser kein Wissenschaftler, sondern ein Phantast ist. Wie notwendig ist es heutzutage, diese Einsicht zu festigen.
Es ist schon recht seltsam, wenn der Anglikaner Carsten Peter Thiede das den modernen „Katholiken“ sagen muß, weil diese es in den modernistischen Wirren ganz vergessen haben: „Dieses Buch will allerdings keine Biographie sein, sondern eine Anregung. Und es will Mut machen, im Vertrauen auf die ältesten Texte diesen Jesus der Geschichte wiederzuentdecken, der sich vom Christus des Glaubens nicht trennen läßt. Die Ergebnisse der Geschichtswissenschaft, der Archäologie, der Papyrologie, der Religions- und Literaturgeschichte und viele weitere Erkenntnisschritte aus den angewandten Altertumswissenschaften kommen dabei zusammen. Es ist in der Tat ein reichgestaltetes, vielfarbiges Mosaik, das auf diese Weise wieder sichtbar wird.“
Für uns Katholiken ist dieses Vielfarbige freilich nichts anderes als unsere katholische Tradition. Haben sich doch nunmehr fast über 2000 Jahre hinweg die größten Gelehrten, unter denen nicht wenige Heilige waren, über unseren hl. Glauben Gedanken gemacht und ihn immer mehr unter der Führung des unfehlbaren Lehramtes durchdrungen.
Die Jungfrauengeburt
Aber kehren wir zurück zur Weihnachtsgeschichte. Zu unserem Weihnachtsglauben gehört wesentlich hinzu, daß unser göttlicher Heiland aus der Jungfrau Maria geboren wurde – womit gesagt wird, daß Maria vor, während und nach der Geburt Jungfrau blieb. Damit wird sowohl die Empfängnis Mariens, als auch die Geburt Christi als Wunder dargetan.
Da die Modernisten nicht mehr an Wunder glauben – ist es doch eines ihrer irrationalen Vorurteile, daß es Wunder nicht geben kann! –, glauben sie selbstverständlich auch nicht an eine Jungfrauengeburt. In seinem Buch verweist Carsten Peter Thiede auf eine Umfrage bei anglikanischen Gemeindepfarrern, die ergab, daß 25 % derselben nicht an die Jungfrauengeburt glauben. Nun könnte man über diese Zahl bekümmert sein, aber wie der Autor ganz zurecht anfügt, auch zugleich erfreut, denn immerhin glauben 75% noch daran. Ob das bei den Pfarrern der Menschenmachwerkskirche noch so ist, darf sicherlich zurecht bezweifelt werden. Thiede gibt jedenfalls zu bedenken: „Trotz der unablässigen Propaganda kritischer Theologen und Journalisten sind es immerhin noch 75 Prozent, die sich vom Glauben an die Jungfrauengeburt nicht abbringen lassen. Dazu gehört durchaus Mut“ (Ebd. S. 13). Wobei nochmals darauf hingewiesen sei, daß man wohl in der Menschenmachwerkskirche noch mehr Mut braucht, so etwas heute noch zu glauben!
Dabei ist immerhin zu bedenken, der Glaube an die Jungfrauengeburt hängt mit dem Glauben an die wahre Gottheit Christi unlösbar zusammen. Wenn nämlich Jesus Christus der wahre Sohn Gottes ist, kann er keinen menschlichen Vater gehabt haben. Die Katholiken haben das immer so gesehen, weil jeder vernünftig denkende Mensch es so sehen muß. Mit dem menschlichen Vater fällt der Glaube an den wahren Sohn Gottes notwendigerweise unter den Tisch. Wer die Jungfrauengeburt leugnet, für den ist Jesus Christus nur noch ein Mensch, der aufgrund seines besonderen Lebens als „Sohn Gottes“ bezeichnet werden kann, weil er uns Gott in außergewöhnlicher Weise nahe gebracht hat – wie es gemäß dem üblichen Modernistengeschwätz heißt. Der Modernist kann nicht anders „glauben“, weil dem Glauben an eine Jungfrauengeburt sein Vorurteil entgegensteht: Es gibt keine Wunder! Wie gesagt, bemüht er sich deswegen, sein Vorurteil in die biblischen Texte hineinzulesen und sie dementsprechend zu verdrehen und zu verbiegen und möglichst unkenntlich zu machen. Was aber liest man ohne dieses Vorurteil? Unser „Sherlock Holmes“ stellt fest:
„Nirgends entsteht der Eindruck frei erfundener Geschichten, bei denen es mit aller Gewalt darum ging, Prophezeiungen Wirklichkeit werden zu lassen oder Erwartungen der griechisch-römischen Umwelt zu befriedigen. Was sich hier für aufmerksame Leser lernen läßt, wird sich das ganze Neue Testament hindurch als nützlich erweisen. Schauen wir also etwas genauer hin.“
(Ebd. S. 15)
Folgen wir doch unserem Detektiv ein wenig auf seiner spannenden Spurensuche. Jeder von uns kennt den Satz des Propheten Isaias aus der hl. Liturgie und jeder Katholik erkennt darin eine Prophezeiung der Jungfrauengeburt. Nachdem der König Achaz trotz der Auffoderung durch den Propheten sich weigert, von Gott ein Zeichen zu fordern, antwortet ihm Isaias: „Darum wird der Herr selber euch ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird empfangen und eine Sohn gebären, uns sein Name wird sein: Emmanuel [Gott mit uns]. Milch und Honig wird Er essen [wie andere Kinder], bis Er das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen weiß.“ Im Kommentar zu dieser Stelle der Heiligen Schrift in der Übersetzung von Allioli/Arndt liest man: „Darum weil ihr das wunderbare Zeichen nicht bestimmt, so trifft nun Gott selbst die Wahl (damit der Frommen Glaube an die Errettung von den Feinden durch Gott gestärkt werde). Das Wahrzeichen aber, an dem die Frommen die Wahrheit der verheißenen Rettung erkennen können, wird dieses sein: Ich schaue die wunderbare Begebenheit der Zukunft, die Geburt eines göttlichen Erlösers durch eine Jungfrau. So gewiß es ist, daß dieser göttliche Erlöser einst erscheinen wird, so gewiß werdet ihr von den euch bedrängenden Feinden befreit werden.“
So haben es die Katholiken immer geglaubt, aber natürlich nicht die Modernisten. Sie meinten durchaus ein Haar in der Suppe finden zu können. Das Haar war das hebräische Wort für „Jungfrau“ an dieser Stelle, es heißt „almâ“, also übersetzt einfach junge Frau. Für eine Jungfrau im biologischen Sinn hat das Hebräische ein eigenes Wort, nämlich „betulâ“. Also schließen die Modernisten haarscharf, hier ist nicht von einer Jungfrau die Rede, sondern einfach nur von einer jungen Frau. Was ist also des Rätsels Lösung? Lassen wir es uns von dem „Sherlock Holmes“ unter den Bibelwissenschaftlern erklären:
„Nun muß man sich die wenigen Stellen ansehen, an denen ‚almâ‘ gebraucht wird. Es ist klar, daß hier im Prinzip stets Jungfräulichkeit vorausgesetzt ist. Im damaligen jüdischen Kulturkreis war eine junge, unverheiratete Frau noch eine Jungfrau. Wir sollten die veränderten Lebensgewohnheiten der Neuzeit nicht leichtfertig auf jene Epoche übertragen. Doch das ist noch nicht alles. ‚Betulâ‘ ist nichts anderes als die biologische Zustandsbeschreibung, die für jedes Alter gilt. Also auch eine achtzigjährige ‚alte Jungfer‘ ist eine ‚betulâ‘, aber eben keine ‚almâ‘ mehr. Da jedoch Jesaja ausdrücklich von einer jungen gebärfähigen Frau spricht, hat er keine Wahl: er muß das hebräische Wort ‚almâ‘ benutzen. Als im 3./2. vorchristlichen Jahrhundert, rund zweihundert Jahre vor der Geburt Jesu, Juden für Juden die hebräische Bibel ins Griechische übersetzten – die sogenannte ‚Septuaginta‘ –, da mußten auch sie sich festlegen: Wie übersetzen wir diesen Begriff? Sie deuteten die Stelle völlig richtig in ihrem Zusammenhang und entschieden sich für ‚parthenos‘, Jungfrau. Es ist dieser griechische Text, den der seinerseits griechisch schreibende Matthäus zitiert. Das heißt also: Er macht nicht etwa einen Fehler, sondern er beruft sich auf eine jahrhundertealte jüdische Wiedergabe der Prophezeiung des Jesaja. Mit anderen Worten: Weder Matthäus noch Lukas haben etwas falsch verstanden oder aus vorhandenen Göttergeschichten übernommen. Sie haben – jeder von ihnen mit seiner eigenen Auswahl an Schwerpunkten - etwas dargestellt, das sie selbst recherchiert hatten.“
(Thiede, Jesus, S. 16)
Die einzigen, die etwas falsch verstanden hatten, waren wieder einmal die Modernisten, weil ihre Vorurteile sie dazu geradezu zwangen, an diese Stelle nicht „Jungfrau“ stehen zu lassen, sondern einfach nur „junge Frau“ – und dann noch im ganz modernen Sinne, so als gäbe es überhaupt keine junge Frau mehr, die noch Jungfrau ist.
Die Erfüllung zweier Prophezeiungen
Für einen vernünftigen Menschen ist es meist recht verblüffend, mit welchen Argumenten die Modernisten an der Wahrhaftigkeit der Evangelisten zweifeln. Ein Standartvorwurf gegen sie ist, sie hätten Anleihen bei den heidnischen Göttermythen gemacht, um ihren „Sohn Gottes“ zu kreieren, so muß man wohl am besten sagen. Einen Modernisten stört es dabei auch überhaupt nicht, daß er damit den Evangelisten ausdrücklich widerspricht und sie somit als Lügner darstellt. Denn ganz anders als es sich die Modernisten einbilden, greifen die Evangelisten nicht auf heidnische Mythen zurück, sondern sie stützen sich auf Augenzeugen. Es geht ihnen darum, den Lesern mitzuteilen, was damals wirklich geschehen ist. Daß dabei jeder Evangelist seine Eigenheiten hat, spricht letztlich nur für sie, haben sie doch jeweils andere Adressaten, wie man heute sagen würde. Matthäus etwa schreibt vorwiegend für Judenchristen, wohingegen Lukas, der zwar ebenfalls ein Jude war, aber eher eine griechisch-heidnische Vergangenheit hatte, als Begleiter des hl. Paulus für Heidenchristen schreibt. So hat es die katholische Tradition immer gesehen. Darum hebt Carsten Peter Thiede ganz zurecht hervor:
„Es ist keineswegs abwegig, sondern im Gegenteil sehr wahrscheinlich, daß gerade Lukas, der seine Befragung von Augenzeugen ausdrücklich hervorhebt (1,2-3), noch Maria selbst befragte. Geradezu wohltuend hebt sich da die Darstellung bei ihm und bei Matthäus von der Göttermythologie der Griechen, Römer, Ägypter und Perser ab. Nichts wird ausgemalt, wir lesen keine biologischen Ausführungen über den Zeugungs- und Geburtsvorgang. Ein Geheimnis bleibt, und es soll bleiben. Nicht wie es geschah, interessierte die Berichterstatter und ihre ersten Leser, sondern daß es geschah. Eines dürfen wir festhalten: An der Wahrhaftigkeit der Aussagen besteht für den Historiker kein vernünftiger Zweifel. Und gerade Lukas selbst macht deutlich, daß es etwas gibt, das nach den geschichtlichen Quellen kommt: Der Glaube an den Gott, der in der Geschichte handelt. Das Dankgebet der Maria, das wir in Gottesdiensten als ‚Magnificat‘ kennen (Lukas 1,45-55: ‚Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter ...‘), macht das ebenso deutlich wie seine Zusage an Theophilus zu Beginn des Evangeliums (1,4). Geschichtlichkeit ist, wir sehen es auch hier wieder, nicht alles. Zum Jesus der Geschichte gehört untrennbar der Christus des Glaubens.“
(Ebd. S. 17)
Von wem sonst als von Maria sollte Lukas erfahren haben, was damals in jener Wunderweihnachtsnacht tatsächlich geschehen ist? Sobald man dies nur einigermaßen ernst und tief bedenkt, wird es einem ganz warm ums Herz. Man hört die Gottesmutter gleichsam erzählen, wenn man den Bericht des hl. Lukas liest. Und gleich zweimal betont der hl. Evangelist, daß Maria alle diese Dinge in ihrem Herzen bewahrte und erwog (Lk 2, 19 und 51). Darum konnte sie auch nach Jahren noch so innig und ergreifend von diesen Begebenheiten erzählen, daß sie nunmehr fast zwei Jahrtausend die Menschen mit tiefster Freude erfüllen. Es ist so unbegreiflich und dennoch wahr, Gott ist ein Menschenkind geworden, Er wurde geboren aus der Jungfrau Maria, die Ihn in Windeln wickelte und in eine Krippe legte.
Unsere Erlösung beginnt mit Maria Verkündigung und dem Weihnachtsfest. So still ist unser Herr in unsere Menschenwelt gekommen und unter so ganz menschlichen Umständen. Fügt doch die Vorsehung Gottes das Allermeiste durch menschliche Umstände, also durch das Tun und den Einfluß anderer Menschen. Eigentlich hätte unser Herr in Nazareth geboren werden sollen – so hatten es sich jedenfalls Maria und Josef vorgestellt. Aber da war der Kaiser in Rom, der seine Steuern eintreiben wollte. Also ließ er das Volk aufschreiben, um die Staatseinnahmen überschauen zu können. Es war damals nicht anders als heute.
Natürlich glauben die Modernisten nicht, daß unser Heiland in Bethlehem geboren ist – schuld daran ist sozusagen der Evangelist Matthäus. Dieser bringt nämlich eine Prophezeiung ins Spiel, und wie wir schon gesehen haben, haben die Modernisten etwas gegen Prophezeiungen. Gemäß ihrem Unglauben gibt es die nämlich nicht. Denn kein (normaler) Mensch kann in die Zukunft schauen, also kann es niemand und darf es gefälligst auch nicht tun.
Matthäus war anderer Ansicht, denn immerhin steht Gott über jeder Zeit und weiß darum auch alles, also auch all das, was für uns noch in der Zukunft liegt. Genauso dachten damals auch die Juden, denn als die Heiligen Drei Könige den Herodes nach dem neugeborenen Messias fragten, rief dieser die Schriftgelehrten herbei, die ihm erklärten: „Zu Bethlehem im Lande Juda; denn so steht geschrieben beim Propheten [Mich. 5,2]: Du, Bethlehem im Lande Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus dir wird der Führer hervorgehen, der Mein Volk Israel regieren soll.“ Auch hierzu weiß unser Sherlock Holmes eine recht interessante Anmerkung zu machen:
„Als die Weisen aus dem Morgenland bei Herodes dem Großen eintreffen und nach dem Ort des neugeborenen Königs der Juden fragen, ist Herodes völlig ratlos. Er, einer der besten Kenner der damaligen Astronomie, Astrologie und messianischer Erwartungen, muß erst seine Schriftgelehrten kommen lassen. Die schlagen nach und bieten die Prophezeiung des Micha an (Matthäus 2,1-5). Bethlehem ist die Antwort. Mit anderen Worten: Hier wie an vielen anderen Stellen der Evangelien verhält es sich anders, als die neuzeitliche Bibelkritik es gern hätte. Es ist keineswegs so, daß eine alttestamentliche Prophetie die Voraussetzung für die Erfindung eines unhistorischen Geschehens war. Umgekehrt ist es richtig: Zuerst war da das Ereignis, in aller Rätselhaftigkeit. Bethlehem? Warum ausgerechnet Bethlehem? Wäre Jerusalem zum Beispiel nicht viel eindrucksvoller gewesen, die Stadt des Tempels und immerhin auch eine Stadt Davids? Erst kam das Ereignis, und dann die Frage, wie es mit Hilfe der Propheten zu verstehen sei. Erst also die Geburt in Bethlehem, dann die Wiederentdeckung der Prophetie des Micha.“
(Ebd. S. 19)
So ist es mit der Vorsehung Gottes, sie ist voller Überraschungen. Nein, nicht Jerusalem, sondern das bedeutungslos gewordene Bethlehem. Aber dennoch die Stadt Davids, sein Geburtsort. Aber wie kommen Josef und Maria darauf, so kurz vor der Geburt nach Bethlehem zu ziehen? Die Modernisten sind wie immer davon überzeugt, daß der hl. Matthäus zusammen dem hl. Lukas das Ganze erfunden hat. Auf die Vielzahl der Einwände, die inzwischen wohl sämtlich durch die Archäologie widerlegt sind, wollen wir hier nicht näher eingehen, sondern nur einen herausgreifen. Wie uns der hl. Lukas berichtet, war der Grund für diese unzeitige Reise der Erlaß des Kaisers. Diesem mußte wohl innerhalb einer gewissen Zeit Folge geleistet werden, und womöglich dachte der hl. Josef, es wäre noch genügend Zeit bis zur Geburt.
Dabei drängt sich einem die naheliegende Frage auf, warum denn der hl. Josef überhaupt Maria mit auf den Weg nimmt. Die Modernisten sagen natürlich, Lukas habe das nur deswegen so arrangiert, damit die Prophezeiung paßt. Wie gesagt, für die Modernisten ist Jesus in Nazareth geboren worden – die Armen, kann man da nur hinzufügen. Auch in dieser Frage kann unser „Sherlock Holmes mit einer Entdeckung aufwarten, die es in sich hat.
Archäologische Funde zur Beglaubigung
„Schon seit langem sind Papyri aus dem römischen Ägypten bekannt, die Zensusdokumente enthalten. So sind wir längst über die Notwendigkeit informiert, damals vom Wohnort an den Herkunftsort reisen zu müssen, um sich dort eintragen zu lassen. Gegen den Einwand, daß Ägypten weit weg und ohnehin anders verwaltet war als die Provinz Syrien mit ihren Teilgebieten Galiläa, Samaria und Juda, kann seit einigen Jahren ein aufsehenerregender Handschriftenfund aus Judäa vorgewiesen werden: Das vollständige Familienarchiv einer Jüdin namens Babata, in dem sich auch die beglaubigte Kopie einer römischen Steuererklärung befindet. Entdeckt wurde das Archiv bereits 1961 in der sogenannten Briefhöhle in Nachal Arugot nördlich von Masada am Toten Meer; 1989 wurde es vollständig veröffentlicht.“
(Ebd. S. 22)
Wenn das keine Sensation ist – von der man freilich in unseren Medien kein Sterbenswörtlein gehört hat, wohingegen der angebliche Fund des Grabes Jesu fast durch alle Programme geisterte. Der Fund eines vollständigen Familienarchivs ermöglicht selbstverständlich einen recht genauen Einblick in viele Details des damaligen Lebens. Uns interessiert dabei besonders die Steuererklärung.
Doch der Reihe nach. Erwähnte Babata war in zweiter Ehe mit einem Mann namens Judanes verheiratet. Beide lebten in dem Dorf Maoza südöstlich des Toten Meeres, das zur römischen Provinz Arabia gehörte, deren Hauptstadt Petra war. In dem römischen Dokument wird festgehalten, daß Babata in Maoza auf eigenem Grund und Boden lebte. Auch ihr Ehemann, der aus En Gedi in der Provinz Judäa stammte, besaß eigenen Grund und Boden in Maoza. Babata und ihr Ehemann Judanes mußten nun für den Zensus des Jahres 127 von Maoza zum Steuerbüro in das 40 km entfernte Rabbath gehen. Dabei hat Judanes wohl nicht nur seine Frau als „Vormund“ begleitet, der ihre Urkunde mit unterzeichnen mußte, sondern auch seine eigene Erklärung abgegeben. In der Urkunde wird Babatas Eigentum in allen Einzelheiten beschrieben und es werden die Steuersätze sowie die Grundstücksgrenzen bestimmt. Hinzu kommen noch Tag, Monat und Jahr der Beurkundung, der 2. Dezember 127 nach unserer Zeitrechnung.
Herbergssuche
„Die Datumsangaben zu den verschiedenen Unterschriften zeigen, daß insgesamt etwa vier Tage vergingen, ehe der ganze Verwaltungsakt abgeschlossen war. Dazu kamen die zwei Tage der Anreise von Maoza nach Rabbath, die bei 40 km Entfernung zu veranschlagen sind, und die zwei Tage der Rückreise. So benötigten Babata und Judanes eine gute Woche Anfang Dezember, um das Verfahren abzuwickeln. Es war eine günstige Jahreszeit, nach der letzten Ernte. Erträge konnten auf dem Markt der Verwaltungsstadt verkauft werden, und da viele Menschen zur Steuererklärung zusammenkamen, gab es nicht nur gute Absatzchancen und manche Möglichkeit, andere Geschäfte zu tätigen, sondern auch ein Problem, von dem Lukas berichtet: Die Gasthäuser waren voll. Ob Babata und Judanes ‚Raum in der Herberge‘ fanden, teilt das amtliche römische Dokument natürlich nicht mit. …“
(Ebd. S. 24)
Jeder auch nur einigermaßen bibelkundige Christ ist sicherlich erstaunt über die Ähnlichkeit dieser Fakten mit dem Bericht des Lukasevangeliums. Wie wirklichkeitsnah klingen mit einem Mal die erwähnten Einzelheiten:
„Die Parallelen zur traditionellen Jahreszeit der Geburt Jesu, zur mehrtägigen Reise und zur völlig normalen Schwierigkeit, in einer Zensus-Stadt Unterkunft zu finden, sind bereits erstaunlich genug, zumal natürlich ausgeschlossen werden muß, daß Lukas diese spezifische Urkunde ‚kopierte‘ oder umgekehrt Babata eine gefälschte Variante des Lukas-Berichts in ihrem Archiv hatte. Noch erstaunlicher nicht nur für all jene, die Lukas ohnehin gute historische Kenntnisse zutrauen, sind jedoch die juristischen Parallelen, die bis ins kleinste Detail gehen. Am Beginn steht die Nennung des Kaisers, in dessen Namen der Zensus durchgeführt wurde: Hadrian bei Babata und Judanes, Augustus bei Maria und Joseph. Der nächste Name ist der des Statthalters bzw. Legaten, Titus Aninius Sextius Florentinus im Dokument aus der Briefhöhle, Publius Sulpicius Quirinius im Lukas-Evangelium. Es folgt der Gegenstand des Edikts - die Aufforderung, eine schriftliche Steuererklärung abzugeben. Lukas und das Babata-Dokument benutzen dafür das gleiche griechische Wort, ‚apogräphestai‘. Lukas erklärt, was aus dem Kontext des Zensus unter Hadrian ebenfalls hervorgeht: ‚Da ging jeder in seine Stadt‘ (2,3). Die persönliche Formel der Babata: ‚Ich, Babata, erkläre schriftlich, was ich besitze‘, gibt Lukas als Historiker berichtend wieder: ‚Er (Joseph) wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.‘ Wieder haben wir in beiden Texten das gleiche griechische Wort. Auch die Angaben zur Herkunft und zum Besitz entsprechen sich formell in beiden Schriften. Babata nennt den Namen ihres Vaters, von dem sie ihren Besitz geerbt hatte, und fügt hinzu, daß der Besitz ganz ihr eigener ist. Lukas sagt über Joseph, daß er aus Nazarath nach Bethlehem mußte, weil er aus dem Hause Davids stammte. Wieder taucht ein gleiches griechisches Wort auf: ‚oikos‘, Haus, bei Lukas; ‚oikousa‘, wohnhaft, im Babata- Dokument. Jeder Leser des Lukas verstand, auch wenn der Evangelist hier nicht mehr streng juristisch formuliert, sondern sich an biblische Sprachformen anlehnt, daß Joseph ererbten Grundbesitz in oder bei Bethlehem hatte.“
(Ebd. S. 24 f.)
Eine solche Übereinstimmung ist nun wirklich allein durch eine übereinstimmende Wirklichkeit erklärbar. In diesen etwas mehr als hundert Jahren hatte sich im römischen Reich bezüglich der Steuererhebungen nicht so viel geändert, das grundsätzliche Vorgehen der staatlichen Obrigkeit blieb somit dasselbe. Darum ist man rückblickend direkt verblüfft, denn:
„Ist bis hierhin schon deutlich, wie genau Lukas über eine römische Steuererklärung und ihre Rahmenbedingungen informiert war, so folgt die eigentliche Pointe in einem letzten Punkt: Aufmerksamen Lesern des Lukas-Evangeliums war immer schon aufgefallen, daß Joseph sich nicht alleine eintragen ließ, sondern ‚mit Maria‘. Warum? Die Antwort ergibt sich aus dem Parallelfall jener anderen Frau, der Babata. Maria mußte überhaupt nur mit auf die Reise, obwohl sie hochschwanger war, weil auch sie selbst eigenen, ererbten Grundbesitz im Großraum Bethlehem hatte. Und den mußte sie persönlich einschreiben lassen. … So tritt hier Joseph ganz genauso wie später Judanes auf: Nicht als der Verlobte bzw. Ehemann, die sie beide natürlich (auch) waren, sondern als juristischer ‚Vormund‘, der die Angaben der Frau mit seiner Unterschrift zu bestätigen hatte. Es folgt daraus nicht zwingend, daß Maria und Joseph ihren jeweiligen Grundbesitz direkt im Ort Bethlehem hatten, wo der Zensus erhoben wurde. Bei Babata und Judanes sahen wir, daß sie 40 km weit zu reisen hatten, obwohl ihr Besitz - anders als der von Maria und Joseph - im gleichen Verwaltungsbezirk lag, in dem sie auch lebten. … Wenn der Grundbesitz ausschließlich aus landwirtschaftlicher Nutzfläche bestand, gab es dort möglicherweise ohnehin keine bequeme Wohnmöglichkeit für eine Schwangere. Klar ist jedenfalls, daß keiner der beiden ein eigenes Haus in Bethlehem selbst besaß.“
(Ebd. S. 25 f.)
Ob jemand, der nur eine frömmlerische Legende schreiben wollte, um seinen Jesus von Nazareth zu einem Gottessohn hochzustilisieren, wie es die Modernisten behaupten, wirklich an all diese Einzelheiten gedacht hätte? Hätte er einen solch genauen Bericht über eine römische Steuererklärung zusammenkonstruiert – und das noch mit so knappen Worten? Das müßte schon ein recht genialer, bzw. äußerst gerissener Fälscher gewesen sein. Wobei es dennoch recht töricht wäre, so einem Fälscher auf den Leim zu gehen und auf seine Lügen die eigene religiöse Überzeugung zu stützen.
Wir Katholiken ziehen es jedenfalls vor, dem hl. Lukas zu vertrauen und deshalb auch seinen Worten Glauben zu schenken. Nein, der hl. Lukas hat unseren Herrn Jesus Christus nicht zu einem Gottessohn gemacht, weil das so schön gewesen wäre, sondern er hat einfach berichtet, was sich damals im Judenland zugetragen hat. Gerade weil sein Bericht so einleuchtend und überzeugend ist, haben viele ihm Glauben geschenkt und sind Christen geworden – Christen voll Hoffnung auf die Auferstehung zum ewigen Leben.
Rachel beweint ihre Kinder… Weitere Legenden?
In den Kindheitsevangelien gibt es noch einen Bericht, der von den Modernisten ins Reich der Märchen verwiesen wird. Ein Hauptgrund für diese Zurückweisung des Berichtes war wohl wiederum eine Prophezeiung – Matthäus kann es einfach nicht lassen, auf das Alte Testament zu verweisen und den Juden aufzuweisen, daß dies schon vorausgesagt worden war: „So erfüllte sich das Wort des Propheten Jeremias [31,15]: Ein Rufen hört man zu Rama, viel Weinen und Wehgeschrei: Rachel beweint ihre Kinder und läßt sich nicht trösten, denn sie sind nicht mehr.“ Hierzu meint Carsten Peter Thiede:
„Auch dieser Kindermord und die rechtzeitige Flucht erst der ‚Weisen‘ zurück in ihre Heimat, dann von Maria, Joseph und Jesus nach Ägypten, wird heute von vielen Bibelforschern in den Bereich der Legende verbannt. Die Bestreiter stören sich an der von Matthäus berichteten Warnung der beiden Gruppen durch einen Traum, als ob es so etwas nicht geben dürfe. Nicht nur Historiker, die ihre Quellen kennen, auch Psychologiestudenten im 1. Semester wissen, daß es derlei selbstverständlich als ganz reales Ereignis geben kann. Anstoß wird aber auch daran genommen, daß der tatsächliche Kindermord – nur Jesus scheint unter den bis zu zweijährigen Jungen in Bethlehem und Umgebung entkommen zu sein – in den Evangelien allein bei Matthäus steht. Lukas fügt zwar in den Monaten vor dem Auftreten der Magier noch die Darstellung Jesu im Tempel am vierzigsten Tag nach der Geburt ein, von der oben kurz die Rede war, überspringt dann aber außer dem Kindermord noch die Zeit in Ägypten und setzt mit seinem Bericht erst wieder in Nazareth ein.“
(Ebd. S. 33)
Zuweilen hat man schon den Eindruck, diese „Bibelforscher“ würden an jedem irgendwie ungewöhnlichen Ereignis der Geschichte zweifeln, wenn sie ihre Urteilskriterien auf diese anwenden würden. Da bliebe von der wirklichen Geschichte wohl nicht mehr viel übrig, als ein paar langweilige Fakten. Unseren „Bibelforschern“ ist bekanntermaßen jedes Eingreifen Gottes in Seine Welt ein Dorn im Auge, weshalb sie es schlichtweg leugnen – bzw. hinweginterpretieren. „Legendäre Zutaten“ heißt es dann.
Dabei gibt es für den Kindermord von Bethlehem doch einige beachtenswerte Argumente. Auf den Unfug, der wieder und wieder behauptet wird, daß ein religiöses Interesse die Objektivität der Berichterstattung behindern würde, wollen wir hier nicht extra eingehen, sondern nur darauf hinweisen: Wenn das stimmte, würde das doch ebenfalls für das im weitesten Sinne des Wortes religiös zu nennende Interesse eines Gottlosen gelten. Sein Interesse, die Existenz Gottes zu leugnen, macht ihn doch mindestens genauso voreingenommen wie einen Christen oder Juden oder Moslem. Als erstes müßte man darum dieses Märchen der Objektivität der Gottesleugner beseitigen, ehe man wieder vernünftig über etwas reden kann.
Das wird aber wohl noch nicht so bald geschehen, solange die Modernisten das Sagen haben. Letztlich haben sich die Moderisten dieses Vorurteil zueigen gemacht, für sie zählt folglich jede gottlose Meinung mehr als die eines Christen – die sind nämlich voreingenommen, diesen kann man nie trauen und schon gar nicht einem Evangelisten. Deswegen stoßen sich die Modernisten selbstverständlich noch an weiteren Details der Kindheitsberichte der hl. Evangelien, wie etwa dem Besuch der Heiligen Drei Könige, dem bethlehemitischen Kindermord oder der Flucht nach Ägypten.
Legende oder doch nicht Legende?
Wir wollen nur kurz auf das zweite Ereignis zu sprechen kommen. Für einen Modernisten ist es vorneweg abgemacht, daß all diese Ereignisse nicht stattgefunden haben, erscheinen sie ihnen doch schon auf den ersten Blick allzu legendär: Der Stern, die ermordeten Kinder, die Flucht nach Ägypten, damit sich die Prophezeiung erfüllt – „Aus Ägypten berief ich meinen Sohn“ (vgl. Mt. 2, 15). Ganz entsprechend ihrer Brille des Unglaubens phantasieren sie sich irgendetwas über durch den Glauben motivierte Fälschungen zusammen. Die Evangelisten wollten dadurch doch nur zeigen, daß ihr Jesus ein König sei, weshalb er von der Welt und den Tyrannen verfolgt würde, und daß er schließlich dennoch gemäß den alttestamentlichen Prophezeiungen aus dem ägyptischen Exil zurückgekommen ist, wie damals das Volk Israel. Man muß es sodann immer betonen: Wahr, d.h. wirklich geschehen ist davon nichts! Man faßt es kaum, denn dieses Absurdum beherrscht tatsächlich seit Jahrzehnten die Vorstellung der „Bibel-Experten“ der Menschenmachwerkskirche.
Die Wirklichkeit hinter der „Legende“
Aber mutet die Erzählung des Matthäus in dem damaligen geschichtlichen Umfeld wirklich so legendär an? Blicken wir nur kurz einmal auf diesen Herodes. Herodes war ein Tyrann, ein ganz und gar skrupelloser Gewaltherrscher. Durch eine ganze Reihe von rücksichtslos geplanten Morden war er auf den Thron gekommen und hat sein Reich durch viele Intrigen, Bestechungen und hinterhältige Beseitigung seiner Rivalen vergrößert. Als er seine Frau, die Makkabäerin Mariamme, aufgrund der grundlosen Anschuldigungen seiner Schwester Salome hinrichten ließ, verfiel er in tiefe Depressionen. Er lief in seinem Palast von Raum zu Raum und rief verzweifelt ihren Namen. Folgen wir hierzu der Darstellung von Gerhard Kroll in seinem Buch „Auf den Spuren Jesu“:
„Als die Hasmonäerin Alexandra, die Mutter Mariammes, von Herodes' Zustand in Jerusalem erfuhr, plante sie sofort einen Staatsstreich. Ihre Absichten wurden verraten, und der kranke König gab den Befehl, Alexandra hinzurichten. Allmählich begann Herodes zu genesen, aber sein Elan war gebrochen. Er wurde launisch, argwöhnisch und erlag immer häufiger den Ausbrüchen einer krankhaften und plötzlichen Rachsucht. In jedem vermutete er einen Rivalen. Das Leben in Jerusalem verfiel dem Wahnwitz von Spionage und Denunziation, von Erpressung und Folter. Nur einige Beispiele:
Es mag um das Jahr 27 oder 25 v. Chr. gewesen sein, als Kostobar, ein Idumäer aus vornehmem Hause, verdächtigt wurde, Idumäa von Herodes unabhängig machen zu wollen. Kostobar war der zweite Gemahl Salomes, der Schwester des Königs. Er wurde ferner beschuldigt, Anhänger der Hasmonäer verborgen zu halten. Damit war sein Leben verwirkt. Er wurde hingerichtet.
Zwei Söhne der hingerichteten Mariamme, Alexander und Aristobul, waren in Rom erzogen worden. Nach ihrer Rückkehr begann Salome, die Schwester des Königs, ihr Intrigenspiel gegen die Söhne der toten Mariamme. Sie wurden beschuldigt, die Absicht gehabt zu haben, ihren Vater bei einem inszenierten Jagdunfall zu beseitigen. Der König verfaßte gegen seine Söhne eine umfangreiche Anklageschrift und schickte diese nach Rom zu Augustus. Der Kaiser entschloß sich, Herodes die Regelung dieser Angelegenheit allein zu überlassen. Was nun geschah, klingt unglaublich, ist aber wahr. Ein Gericht mit 150 Personen wurde in Sebaste zusammengerufen. Der Vertreter des Kaisers riet zur Milde, und Herodes wurde unschlüssig. Neue Denunziationen brachten aber das schnelle Ende. Der Barbier des Königs meldete, man hätte versucht, ihn zu überreden, seinem Herrn beim Rasieren die Kehle durchzuschneiden. Darauf sprach Herodes über seine beiden Söhne das Todesurteil. Der Diktator zeigte Humor: Er ließ sie erdrosseln. Als Augustus in Rom von der Hinrichtung der Herodessöhne hörte, soll er verächtlich mit einem Wortspiel den Vater charakterisiert haben: »Lieber ein Schwein [griechisch >hys<] des Herodes als sein Sohn [griechisch >hyos<].«“
(Gerhard Kroll, Auf den Spuren Jesu, Verlag katholisches Bibelwerk Stuttgart, S. 81 f.)
Ist es aufgrund dieser geschichtlichen Tatsachen wirklich noch so schwer sich vorzustellen, daß dieser wahnsinnige Tyrann alle Kinder in der Gegend von Bethlehem hat umbringen lassen, nur um seinen Thron zu sichern? Dabei war das beileibe nicht alles, die Grausamkeit des Herodes kannte letztlich keine Grenzen mehr:
„Mit den Königssöhnen mußten der langgediente Offizier Tiron und 300 Soldaten ihr Leben lassen. Sie wurden des »Hochverrates« für schuldig befunden, da sie es gewagt hatten, ihrer freundlichen Gesinnung gegen die Herodessöhne Ausdruck zu geben. Zur Sicherheit wurden der königliche Barbier und alle Denunzianten gleich mit liquidiert (nach Jüd. Altert. XVI, 11. Kap.). Das alles geschah im Jahre 7 v. Chr. Erinnern wir uns daran, daß es das Jahr der Geburt Jesu ist.
Im selben Jahr — man beachte es wohl! — ließ Herodes 6000 Pharisäer verhaften, da sie dem Kaiser den Treueid verweigerten. Einige von ihnen, so berichtet Josephus, prophezeiten die Ankunft des Messias. Die Antwort des Königs war eindeutig; sie wurde mit Blut geschrieben (Jüd. Altert. XVII, 2, 4). Der Schrecken dieser ungeheuerlichen Hinrichtungsaktion legte sich wie ein Leichentuch über ganz Jerusalem. Niemand wagte mehr, auf der Straße laut zu reden, überall fürchtete man Spitzel und Spione des Königs. In dieser gespannten Situation kamen die Weisen aus dem Morgenland nach Jerusalem und stellten ahnungslos die Frage, die damals niemand auch nur zu flüstern gewagt hätte: »Wo ist der neugeborene König der Juden?« Mit unerhörter Realistik schildert Matthäus die Wirkung dieser Frage in einem einzigen Satz: »Herodes erschrak und ganz Jerusalem mit ihm!« (Mt 2, 3)“
(Ebd. S. 82 f.)
In welch neuem und geschichtlich prägnantem Licht erscheint damit plötzlich die Bemerkung des Evangelisten! Wie kann man direkt das Knistern der Spannung spüren, als die Könige den Herodes unvermutet und vollkommen unerwartet fragen: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Wie schnell hat Herodes den Plan gefaßt, diesen Konkurrenten auszuschalten, sobald die drei Weisen von ihrem Erfolg Kunde gegeben haben. Und wie jähzornig wird er reagiert haben, als er erfuhr, die Weisen sind schon wieder auf dem Weg in ihr Heimatland, ohne daß sie ihm über das Kind Bescheid gegeben haben. Und das soll alles nur eine Legende sein? Nein, sicher nicht!
Ein außerbiblisches Zeugnis für den Kindermord
Übrigens gibt es sogar einen außerbiblischen Hinweis auf den bethlehemitischen Kindermord des Herodes, den Carsten Peter Thiede nicht erwähnt, den aber wiederum Gerhard Kroll anfügt und entsprechend kommentiert:
„In einem zeitgenössischen Bericht heißt es über Herodes: »Es folgte ein frecher König, der nicht aus priesterlichem Geschlecht war, ein verwegener und gottloser Mensch. Er tötete die Alten und die Jungen, und eine schreckliche Angst vor ihm kam über das Land. Er wütete unter ihnen mit Blutbefehlen, wie es in Ägypten geschah« (Ass. Mos. 6, 22). Der Wert dieses zeitgenössischen Zeugnisses – die angeführte Schrift stammt aus essenischen Kreisen und wurde noch in Jesu Tagen geschrieben – liegt darin, daß wir hier eine vom Evangelium unabhängige Erwähnung des Kindermordes von Betlehem finden. Bei der Ermordung der »Jungen« könnte man zunächst an die drei Söhne denken, die Herodes umbringen ließ. Doch dazu paßt der Hinweis auf den ägyptischen Kindermord nicht: »Er wütete mit Blutbefehlen, wie es in Ägypten geschah.« Der Pharao hat nicht seine eigenen Söhne umgebracht, sondern die kleinen Hebräerjungen. Wenn jener unbekannte jüdische Zeitgenosse in seinem Bericht schrieb: »Herodes wütete mit Blutbefehlen, wie es in Ägypten geschah«, dann hören wir heute noch daraus das Entsetzen über den Tod jener unschuldigen Kinder von Betlehem. Der Evangelist sieht noch eine Dimension tiefer. Die Verehrung des Rahelgrabes bei Betlehem erinnert ihn an ein Wort des Propheten: »Da wurde das Wort erfüllt, das durch den Propheten Jeremia gesprochen wurde: Eine Stimme hört man in Rama, viel Weinen und Wehklagen; Rahel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr sind« (Mt 2,17.18).“
(Ebd. S. 91)
Glaubenswirklichkeit
Was können wir also aus dem Gesagten schließen? Erst dann, wenn die Evangelien die wahre Geschichte berichten, sind sie echte, brauchbare und ernstzunehmende Glaubenszeugnisse. Denn natürlich gehört immer beides zusammen, wobei das eine das andere bedingt. Jedem denkfähigen Menschen müßte es spontan einleuchten, die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist ein so bedeutendes, alles andere weit übertreffendes Ereignis, daß sie auch nachweisbar sein muß. D.h. sie muß an bestimmten geschichtlichen Fakten festzumachen sein, sonst wäre es nämlich nicht vernünftig zu glauben und Gott könnte deswegen auch keinen Glauben einfordern.
Wenn aber die Modernisten Recht hätten, dann wäre unser Glaube nichts anderes als eine Wahnvorstellung. Ein in die Wirklichkeit hineinprojizierter Wunsch von ein paar religiösen Schwärmern, bzw. Verrückten. Kein vernünftiger Mensch kann so einen „Glauben“ ernst nehmen. Basieren hingegen die Berichte der Evangelisten auf geschichtlichen Tatsachen, dann ist das darin Berichtete todernst, handelt es sich doch um die wichtigste Botschaft, die jemals an die Menschen ergangen ist. Dementsprechend erklärt der hl. Petrus, erfüllt vom Heiligen Geist, gegenüber den Juden:
„Oberste des Volkes und Älteste höret! Wenn wir heute wegen einer Wohltat, die wir einem kranken Mann erwiesen haben, jetzt darüber vernommen werden, durch wen er gesund geworden sei, so sei euch allen und dem ganzen Volke Israel kund: Im Namen Jesu Christi, des Nazareners, den ihr gekreuzigt habt, den aber Gott von den Toten erweckt hat, in ihm steht dieser hier gesund vor euren Augen.”
(Apg. 4, 8-10)
Ganz selbstverständlich führt hier der erste Papst den Tod am Kreuz und die Auferstehung als geschichtliche Tatsachen an, die dem Glauben zugrundeliegen. Aus diesen Ereignissen wird auch allein beglaubigt, was er sodann feststellt:
„Er ist der Stein, der von euch, den Bauleuten, verworfen ward, jedoch zum Eckstein geworden ist. In keinem anderen gibt es Rettung; denn es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, der uns Menschen gegeben wäre, in dem wir selig werden müssen.“
(Ebd. 4, 11-12)
Somit können und müssen wir feststellen: Unser katholischer Glaube ist zwar eine frohe und froh machende Botschaft, aber nur für diejenigen, die ihr Glauben schenken. Dabei darf man niemals vergessen, erst der durch die Gnade gewirkte, übernatürliche Glaube erschließt uns sodann die ganze Wirklichkeit des Berichteten. Der Glaubende steht mit einem Mal vor der unermeßlichen Wunderwelt Gottes und Seiner heilenden Gnade, die uns erschienen ist in Jesus Christus, unserm Herrn und Erlöser.
Während der ganzen Weihnachtszeit treten wir immer wieder in diese Wunderwelt Gottes ein, sobald wir vor die Krippe knien und über das Geheimnis des Christkindes nachdenken. Dann formt sich womöglich eine Bitte wie diese: „Wir bitten Dich, allmächtiger Gott: gib, daß der heute geborene Heiland der Welt, wie Er für uns der Urheber der Gotteskindschaft ist, ebenso auch der Spender der Unsterblichkeit sei…“ (Postcommunio der 3. Weihnachtsmesse).