Der Orden des hl. Ignatius ist in den ersten zwei Jahrhunderten nach seiner Gründung zum Reizthema geworden. Das ist beileibe kein Zufall. Einerseits war der Orden dazu gegründet worden, in die Welt hineinzuwirken, d.h. sowohl im alten Europa als auch in der Neuen Welt zu missionieren, andererseits identifizierte man gerade auch mit dem Orden das römische Denken, womit nichts anderes gemeint war als das katholische Denken, gestützt auf das Vertrauen in das unfehlbare Lehramt der Kirche. Dem hl. Ignatius lag die Bewahrung dieses kirchlichen Denkens ganz besonders am Herzen. Darum hatte er das „sentire cum ecclesia“, also das Mitdenken, ja Mitfühlen mit der hl. Kirche, seinem Orden sozusagen ins Stammbuch geschrieben.
Je mehr sich der Geist, oder richtiger Ungeist, der sog. Aufklärung verbreitete, desto aggressiver wurde der Ton gegen den Orden des hl. Ignatius. Die modernen Freidenker, wie sie sich auch nannten, konnten keinen Gott mehr über sich dulden und wollten letztlich auch keine göttlichen Gebote mehr anerkennen. Der Mensch wurde zum Maß aller Dinge erklärt, und wenn dieser moderne Mensch auch zunächst noch ein irgendwie geartetes höchstes Wesen neben sich dulden wollte, so doch auf keinen Fall den Gott der Offenbarung, der einen übernatürlichen Glauben einforderte.
Ohne daß dies vom hl. Ignatius beabsichtigt war, wurde sein Orden zur Speerspitze der Verteidigung des göttlichen Glaubens gegen den modernen Unglauben in seinen vielfältigen Spielarten. Die Folge davon war nun aber auch, daß kein anderer Orden der katholischen Kirche von den Freidenkern so gehaßt wurde wie die Jesuiten. Gegen keinen Orden wurden so viele Verleumdungen und Lügen verbreitet wie gegen diesen – Lügen, die bis in unsere Zeit geglaubt werden.
Die Angst der protestantischen Schweizer vor dem Jesuitenorden
Noch im Jahr 1953 beschuldigten etwa im Zürcher Kantonsrat protestantische Abgeordnete die Jesuiten, sie seien „Boten einer fremden Macht“ und „eine militärisch geschulte Kampftruppe“. Damit entbrannte der alte Streit über den Jesuitenorden aufs neue und die katholische Minderheit des Landes (42 Prozent gegen 54 Prozent Protestanten) fühlte sich einem „hinterhältigen Guerillakrieg“ ausgesetzt, wie es die katholische Zeitung „Die Ostschweiz“ nannte.
Als schließlich 1973 auch in der Schweiz mit einer knappen Mehrheit von 55 Prozent jene Einschränkung der Religionsfreiheit aufgehoben wurde, welche im Jahr 1874 „Im Namen Gottes des Allmächtigen“ in der Bundesverfassung in Kraft getreten war und den Jesuitenorden und die Tätigkeit seiner Mitglieder „in Kirche und Schule“ (Artikel 51) sowie die Errichtung neuer und Wiederherstellung aufgehobener Klöster oder religiöser Orden (Artikel 52) verbot, kam es am 11. Mai 1973 in Bern noch zu einer Demonstration gegen diese Aufhebung des Jesuiten-Verbots. So tief saß immer noch die Angst der protestantischen Schweizer vor dem Jesuitenorden. So eine tief eingewurzelte Jesuiten-Angst entsteht natürlich nicht über Nacht, sie wurde nur durch die Wiederholung immer derselben Lügen über Jahrhunderte hinweg möglich.
Die Verfolgung der Jesuiten in Portugal
Im ersten Teil unserer Abhandlung haben wir über die Verfolgung der Jesuiten in Portugal gesprochen und aufgezeigt, mit welchen Mitteln der damalige Minister Pombal die Vertreibung des Ordens erzwang. Keine Intrige oder Lüge war dem Freimaurer zu schlecht, wenn sie nur seinem Ziel diente.
Der Kampf der französischen Jansenisten gegen die Jesuiten
Nachdem die Jesuiten in Portugal verboten waren, ging auch in Frankreich die Hetzjagd los. Hier waren es zunächst vor allem die Jansenisten, die sich gegen die Jesuiten formierten. Diese betonten die Vorherbestimmung Gottes so sehr, daß die menschliche Freiheit zu einem bloßen Schein wurde. Zudem förderten sie eine äußerst strenge religiöse Lebensführung, die sich in einem rigorosen Moralismus kundtat.
Im Jahr 1653 wurden durch Innozenz X. in seiner Bulle „Cum occasione“ fünf Thesen des Jansenismus verurteilt. Die Jansenisten akzeptierten zwar die Verurteilung als „berechtigt“, behaupteten jedoch zugleich, diese fünf Sätze stammten „tatsächlich“ gar nicht von Jansenius. Die Jansenisten wollten mit einem „respektvollen Schweigen“ gegenüber Rom ihre eigentlichen irrigen Überzeugungen verheimlichen, also sich nur scheinbar dem römischen Urteil unterwerfen. Dies scheiterte jedoch an Papst Clemens XI., der dies als schweigenden Ungehorsam qualifizierte und dann, mit der Bulle „Unigenitus dei filius“ vom 8. September 1713, die endgültige Unterdrückung des Jansenismus durchsetzte. Die französischen Jansenisten hatten mit der Zeit immer mehr antipäpstliche, gallikanische Züge angenommen. Zudem zeigten die Jansenisten in ihrer Lehre auch protestantische Züge und sie nahmen, besonders in ihrem Verhalten gegenüber Rom und der Berufung auf ihr Gewissen, den erst viel später auftretenden Modernismus vorweg.
Antoine Arnauld
Einer der bekanntesten Jansenisten Frankreichs war Antoine Arnauld (* 5. Februar 1612 in Paris; † 8. August 1694 in Brüssel). Dieser war Anwalt der Pariser Universität (Sorbonne), an der er von 1643 bis 1656 lehrte, bis er sie wegen seiner jansenistischen Haltung verlassen mußte. Dessen Haß gegen die Jesuiten war maßlos, weil sie es vor allem waren, die durch ihre theologischen Arbeiten eine Verurteilung des Jansenismus herbeiführten. Arnold verbreitete nicht nur die alten Lügengeschichten gegen die Jesuiten neu, sondern er ging noch viel weiter, wie Dr. Riffel, den wir im ersten Teil unserer Arbeit schon als eifrigen Verteidiger der Jesuiten kennengelernt haben, bezeugt: „Der nach Mord und Blut dürstende Arnauld hatte richtig vorausgesagt, seine Worte würden in allen Winkeln Frankreichs widerhallen; aber das niederträchtige Mittel, wodurch es gelang, gehört wesentlich zur Charakteristik der Feinde des Ordens. Die Universität ließ nicht bloß Arnauld’s Rede und Schriften gleichen Inhalts massenweise unter das Volk schleudern; sondern sie versammelte auch sämtliche Buchdrucker und Buchhändler von Paris, welche in großer Abhängigkeit von ihr standen, und verbot ihnen, irgendetwas zur Rechtfertigung der Jesuiten zu drucken oder zu verbreiten. So waren also letztere zweifach verurteilt: erstens durch den Ausspruch des Parlamentes zur Verbannung; zweitens durch die Männer der Hochschule zu ewigem Stillschweigen; sie sollten für immer dessen entbehren, was dem gemeinsten Verbrecher gestattet wird; nämlich der Möglichkeit, gegen die ungerechte Anklage sich zu verteidigen“ (Dr. Caspar Riffel, Die Aufhebung des Jesuiten-Ordens, Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1855, S. 118; Die Rechtschreibung wurde angeglichen).
Der Abt von Berault–Bercastel beschreibt die damalige Lage in Frankreich in seiner „Geschichte der Kirche in einem getreuen Auszuge“ folgendermaßen: „In unverrückter Treue verfochten die gute Sache mit diesen Bischöfen die Kartäuser, die Mönche von Cisterz und die berühmte Benediktiner-Kongregation des heiligen Maurus. Die eifrigsten Verteidiger der Bulle (des Papstes gegen den Jansenismus), aber dafür auch allen Schmähungen der Gegner preisgegeben, waren unstreitig die Jesuiten, deren Gesellschaft sich bei diesen entstandenen Irrtümern als eine Säule der orthodoxen Wahrheit beurkundet hat. Als ihren größten Feind erwies sich der Kardinal Erzbischof Noailles, welcher sich alle, jedoch vergebliche Mühe gegeben, daß nach dem Abgange des Claude Fleury kein Jesuit die Beichtvater-Stelle bei dem König erhalten sollte“ (Des Herrn Abbts de Berault-Bercastel, Domherrn an der Kirche zu Noyon, Geschichte der Kirche in einem getreuen Auszuge Neunten Bandes erster Theil. In Kommission bei Nicolaus Doll, Buchhändler in Augsburg, - Und bei Anton Doll, Wittwe und Sohn in Wien. 1824. S. 8).
Die Religionswirren im Frankreich des 16. Jahrhunderts
Die Auseinandersetzung mit den Jesuiten geht in Frankreich schon weit zurück. Am Ende des 16. Jahrhunderts stand Frankreich mitten in den Religionswirren. Die Heilige Liga wollte verhindern, daß ein Protestant den französischen Thron erbt, deshalb bekämpfte sie den Thronanwärter Heinrich von Navarra, der Hugenotte war. Während der Bürgerkrieg immer noch tobte, wurde Heinrich 1589 aber unter dem Namen Henri IV. trotzdem König, nachdem er – taktisch geschickt – zum Katholizismus konvertiert war. Nun hätte die Liga ihr Ziel eigentlich erreicht, aber der blutige Bürgerkrieg hatte viel Mißtrauen zurückgelassen. Natürlich haben auch die Reformatoren während dieser Zeit alles getan, um Jesuiten aus dem Reich fern zu halten. Darum ist sicherlich ein möglichst objektives Zeugnis aus dieser Zeit sehr wertvoll. Es gibt dieses wertvolle Zeugnis, wie Dr. Riffel betont, in einer Rede von König Heinrich IV. (* 13. 12. 1553 Pau, † 14. 5. 1610 in Paris ermordet). In dieser Rede, die eine Erwiderung auf die Anschuldigungen des ersten Präsidenten von Harlay ist, beantwortet er alle Fragen, welche durch die verschiedenen Anklagen der Feinde des Ordens aufgeworfen wurden. Und da die gleichen Beschuldigungen, mit ganz wenigen Änderungen, auch heute noch vorgebracht werden, soll hier der ganze Text folgen:
Eine Rede König Heinrichs IV. von Navarra
„Ich kenne alle Eure Gedanken und Dienste, aber unser Urteil hierüber ist verschieden. Ihr habt mir da Schwierigkeiten vorgebracht, die Euch groß und wichtig scheinen, und dachtet dabei nicht, daß ich das, was Ihr mir gesagt, schon vor acht oder neun Jahren erwogen habe. Ihr spielt die Weisen in Staatsgeschäften, und versteht nicht besser als ich, über einen Prozeß Bericht zu erstatten. Was Poissy betrifft, so mögt Ihr wissen, daß, wenn Ihr Euch alle so benommen hättet, wie ein oder zwei Jesuiten, die sich zufällig dort befanden, die Dinge für die Katholiken eine weit günstigere Wendung genommen hätten. Man lernte damals nicht ihren Ehrgeiz, sondern ihre Genügsamkeit kennen. Ich sehe nicht ein, worauf Ihr die Meinung von ihrem Ehrgeize gründet, bei Männern, die Würden und Prälaturen ausschlagen, wenn sie ihnen auch angeboten werden, und die Gott geloben, nie darnach zu streben, und die auf nichts anders Anspruch machen in der Welt, als unentgeltlich allen zu dienen, die sich ihrer bedienen wollen. Wenn Euch das Wort Jesuiten mißfällt, warum tadelt Ihr jene nicht, die sich die Religiosen der heiligen Dreifaltigkeit nennen? Und wenn Ihr glaubt, ebenso gut zur Gesellschaft Jesu zu gehören wie jene, warum sagt Ihr nicht, daß Eure Töchter ebenso gut Nonnen sind wie die Gottestöchter (filles-dieu) zu Paris, und daß Ihr ebenso gut zum Heiligen-Geist-Orden gehört wie ich und meine Ritter? Ich wollte ebenso gerne Jesuit heißen als Dominikaner oder Augustiner. Die Sorbonne, sagt Ihr, hat sie verdammt; aber eben wie Ihr, ehe sie dieselben kannte. Und wenn die alte Sorbonne sie aus Eifersucht nicht gewollt, so hat die neue bei ihr studiert und rühmt sich dessen. Wenn sie bis jetzt noch nicht in Frankreich bestanden, so behält mir Gott die Ehre vor, ihnen festen Fuß darin zu verschaffen, und waren sie bisher nur provisorisch da, so sollen sie jetzt Kraft eines Ediktes und eines Erlasses hier existieren. Meine Vorfahren haben sie dulden wollen, ich will sie fest begründen. Die Universität kam nicht aus mit ihnen; aber eben weil sie entweder gelehrter sind als die anderen Professoren, was der Zudrang der Schüler beweist, die ihre Kollegien besuchen; oder weil sie der Universität nicht einverleibt waren, dessen sie sich jetzt nicht weigern werden, wenn ich es ihnen befehle, und wenn Ihr in betreff ihrer Wiederherstellung genötigt sein werdet, sie von mir zu verlangen. Ihr sagt, daß die gelehrtesten Männer in Eurem Parlament nicht bei ihnen studiert hätten. Wenn die Ältesten die Gelehrtesten sind, dann wohl; denn sie haben früher studiert, als man die Jesuiten in Frankreich kannte. Aber ich habe sagen hören, daß die andern Parlamente nicht so sprechen, und nicht einmal das Eurige ganz; und wenn man bei den Jesuiten nicht mehr lernt als anderswo, woher kommt es denn, daß während ihrer Abwesenheit Eure Universität ganz leer geblieben, und daß man sie allen Euren Erlassen zum Trotz zu Douai und außer meinem Reiche aufsuchte. Sie eine Gesellschaft von Aufrührern zu nennen, weil sie an der Liga teilgenommen, heißt die Zeit mißkennen. Sie glauben wohl daran zu tun wie mehrere andere, die sich in jene Zeitereignisse gemengt; aber sie waren mit diesen getäuscht und betrogen und haben ganz das Gegenteil von dem erkannt, was sie für meine Absicht hielten. Auch glaube ich, daß sie mit weniger Bosheit Ligisten waren als die andern und behaupte, daß gerade diese Gewissenhaftigkeit, verbunden mit den Wohltaten, die ich ihnen erweisen will, mir ihre Herzen ebenso sehr, und noch mehr, als der Liga zuwenden wird. Sie ziehen, sagt Ihr, die geistvollen jungen Leute an sich, schauen und wählen die besten sich aus; das gerade ist’s, was ich achte. Wählen wir nicht die besten Soldaten aus, wenn’s in den Krieg geht? Und wenn nicht Begünstigungen stattfänden wie bei Euch, würdet Ihr solche Männer aufnehmen, die unwürdig wären Eures Kollegiums und unwürdig im Parlamente sitzen? Würden sie Euch unwissende Lehrer oder Prediger bieten, Ihr würdet sie verachten; nun sie tüchtige Köpfe haben, tadelt Ihr sie darob. Was die Güter betrifft, die Ihr ihnen zumesset, so ist dies eine Verleumdung und Lüge und ich weiß recht gut, daß man durch Vereinigung derselben mit meinen Domänen zu Bourges und Lyon nur sieben bis acht Lehrer zu unterhalten im Stande war, statt daß ihrer dreißig bis vierzig dort waren. Und sollte von dieser Seite noch eine Schwierigkeit sich finden, so ist durch mein Edikt dafür schon gesorgt. – Das Gelübde des Gehorsams, das sie dem Papst ablegen, wird sie nicht mehr nötigen, seinem Willen zu folgen als der Eid der Treue, den sie mir schwören, nichts gegen den Landesfürsten zu unternehmen. Aber dieses Gelübde gilt nicht einmal allgemein; sie geloben dem Papste nur Gehorsam, wenn er sie zur Bekehrung der Ungläubigen aussenden will. Und in der Tat, durch sie hat Gott die Inder bekehrt, und oft sage ich es, wenn Spanien sich ihrer bedient, warum soll nicht auch Frankreich sie verwenden? Haben wir weniger Ansprüche darauf als andere? Ist Spanien liebenswürdiger als Frankreich? Und wenn es dies den Seinen ist, warum sollte Frankreich es nicht den Meinen sein? Sie kommen nach Frankreich, wie sie können; machen es aber die anderen nicht auch so? Ich selbst bin in mein Reich gekommen, so gut ich gekonnt habe; aber man muß beisetzen, daß ihre Geduld groß ist und daß ich sie bewundere: denn mit Geduld und feiner Lebensart kommen sie in allem zum Ziel. Desgleichen achte ich sie nicht minder darob, daß sie, wie Ihr sagt, streng nach ihrem Gelübde leben; denn das hält sie aufrecht. Auch wollte ich nichts an ihrer Regel ändern, sondern sie dabei belassen, so daß wenn ich ihnen einige Bedingungen gesetzt, die Fremden nicht gefallen, es besser ist, daß die Auswärtigen von uns das Gesetz annehmen und wir nicht von ihnen. Wie dem auch sei, ich stimme mit meinen Untertanen überein. Was die Geistlichen betrifft, die sich wider sie erheben, so war von jeher die Unwissenheit gegen die Wissenschaft feindselig gestimmt, und ich habe erfahren, daß, so oft ich von ihrer Wiederherstellung sprach, zwei Klassen von Menschen sich derselben widersetzten, die Reformierten und die schlechten Geistlichen; eben darum aber schätze ich sie noch mehr. – In betreff ihrer Meinung vom Papst achten sie denselben sehr wie auch ich; aber Ihr sagt nicht, daß man zu Rom die Schriften Bellarmin’s mit Beschlag belegen wollte, weil er dem heiligen Vater keine so ausgedehnte Jurisdiktion einräumt, wie gewöhnlich geschieht. Ihr redet auch nichts davon, daß die Jesuiten noch jüngsthin behaupteten, daß der Papst nicht irren, wohl aber Clemens (VIII., der damalige Papst) fehlen könne. Auf jeden Fall bin ich gewiß, daß die Jesuiten über die Autorität des Papstes nicht mehr behaupten, als die übrigen, und ich glaube, wollte man ihren Ansichten darüber den Prozeß machen, müßte man ihn der ganzen katholischen Kirche machen. – Was die Lehre über den Königsmord betrifft, muß man zuerst prüfen, was sie sagen, und sich überzeugen, ob es wahr ist, daß sie die Jugend solches lehren. Etwas bestimmt mich, zu glauben, daß nichts daran ist: seit dreißig Jahren nämlich lehren sie die Jugend in Frankreich; mehr als fünfzigtausend Schüler jeden Standes sind aus ihren Kollegien hervorgegangen, haben mit ihnen verkehrt und gelebt, und nicht einen einzigen findet man unter diesen vielen, der uns sagte, daß er sie je eine solche Sprache führen oder Ähnliches, was man ihnen vorwirft, lehren gehört. Noch mehr: es gibt Minister, die bei ihnen studiert haben; man erkundigte sich bei diesen um ihr Leben; es ist vorauszusetzen, daß sie sagen werden, so viel sie können, wäre es auch nur in der Absicht, um sich darüber zu entschuldigen, daß sie dieselben verlassen haben. Ich weiß wohl, daß man es wirklich getan hat, ohne aber etwas anders heraus zu bringen, als daß sich gegen ihre Sitten nichts einwenden lasse. Was Barière betrifft, fehlt so viel, daß ein Jesuit ihn Beichte gehört, wie Ihr sagt, daß ich vielmehr durch einen Jesuiten von seinem Vorhaben benachrichtigt wurde, und ein anderer ihm sagte, er würde verdammt sein, wenn er es auszuführen wage. Bei Châtel konnten die Schmerzen der Folter keine Beschuldigung gegen Guéret oder einen anderen Jesuiten herausbringen; und wenn es anders war, warum habt Ihr ihn verschont? Der, welcher eingezogen wurde, ward es aus einem andern Grund, den man in seinen Papieren gefunden zu haben vorgab. Gesetzt aber auch, es hätte ein Jesuit diesen Streich geführt: müssen denn alle Apostel für Judas leiden? Oder soll ich für alle Diebstähle und Fehler gutstehen, die meine Soldaten begangen haben oder begehen werden? Gott wollte mich damals demütigen und zugleich retten. Ich danke ihm dafür. Er lehrt die Beleidigungen verzeihen, und ich tat es aus reiner Liebe zu ihm; darum will ich mich durchaus nicht mehr daran erinnern, wie Ihr mich in wenig christlicher Weise hierzu auffordert, wofür ich Euch übrigens keinen Dank weiß.“
(Dr. Caspar Riffel, S. 120ff)
Die Jansenisten als Werkzeug der aufklärerischen Philosophen
Es ist schon etwas merkwürdig, daß trotz des ganzen Einsatzes des Königs für die Jesuiten der Haß sich dennoch nicht legte. Verständlich wird dies nur, wenn man hinter diesem Haß eine Macht erkennt, die ihn schürt. Diese Macht ist die Freimaurerei, die sich damals hinter dem Namen „Philosophen“ verbarg. Schnell erkannten diese, daß sie die Jansenisten sehr gut als nützliche Idioten zur Vertreibung der Jesuiten einspannen konnten. Dr. Caspar Riffel schildert diese unheilige Allianz ein wenig näher: „Daß die Prediger des wütendsten Jakobinismus den Untergang des Ordens der Jesuiten, und zwar um jeden Preis und durch jedes Mittel, beschlossen hatten, ist und war nie ein Geheimnis; auch wird diese Verschwörung von den Feinden der Jesuiten so wenig in Abrede gestellt, daß sie vielmehr darin eines der größten Verdienste der Philosophen anerkennen. In gleicher Weise ist es allbekannte Tatsache, daß die Feinde des positiven Christentums bei dem unehrlichen Geschäfte der Zerstörung die Jansenisten als treue Gehilfen betrachtet und gebraucht haben. Ob letztere um diese untergeordnete Stellung wußten, ist für die Sache ganz gleichgültig; sicher dagegen ist, daß die Philosophen mit klarem Bewußtsein dabei handelten. Hinlänglichen Aufschluß gibt darüber eine Äußerung d’Alembert’s in einem Brief an Voltaire: ‚Wißt ihr, was Astruc sagt: Es sind nicht die Jansenisten, welche den Jesuiten den Untergang bereiten; es ist die Enzyklopädie [großes literarisches Werk zur Verbreitung der aufklärerischen Propaganda in Form eines Nachschlagewerks]. Fürwahr die Enzyklopädie! Es kann wohl was daran sein, und der Tölpel Astruc ist wie Pasquin, der auch zuweilen ganz vernünftig spricht. Was mich, der ich gegenwärtig alles im schönsten Licht erblicke, betrifft, ich sehe die Jansenisten eines schönen Todes sterben, und nachdem sie dieses Jahr die Jesuiten eines gewaltsamen Todes haben sterben lassen, sehe ich im folgenden Jahr die Toleranz gegründet, die Protestanten zurückberufen, die Priester verheiratet, die Beichte abgeschafft, und den Fanatismus zu Grunde gerichtet, ohne daß man‘s gewahr wird.‘ Und zu einer andern Zeit schreibt d’Alembert an den Patriarchen von Ferney, an den geliebten Antichrist: ‚Legen wir ja den jansenistischen Spinnen keine Hindernisse in den Weg, die Jesuiten aufzufressen; sind diese einmal vertilgt, dann wird die jansenistische Kanaille von selbst ihres schönen Todes sterben‘“ (Ebd. S. 138).
Blaise Pascal
Wir müssen jetzt noch auf eine Verleumdung der Jesuiten eingehen, die besonders nachhaltig gewirkt hat, sodaß sie selbst heute von den meisten noch gedankenlos nachgebetet und geglaubt wird. Die Jansenisten hatten einen äußerst begabten jungen Mann in ihrer Mitte, Blaise Pascal, geboren am 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand, gestorben am 19. August 1662 in Paris. Dieser war Mathematiker, Physiker, Literat und Philosoph. Schon als Kind zeigte er seine ganz außerordentlichen Begabungen. Auf dem Gebiet der Mathematik und Physik wurde er durch seine Entdeckungen berühmt. Später wendete sich Pascal auch dem Studium der Theologie zu. Leider wurde er befreundeter Einsiedler der Jansenistenhochburg Port-Royal und als solcher selbstverständlich ein leidenschaftlicher Feind der Jesuiten.
Heute erscheint uns der damalige moraltheologische Hauptstreitpunkt zwischen den Jansenisten und Jesuiten eher unbedeutend und niemand redet mehr davon. Aber die Schmähungen, die damals bei dieser Gelegenheit gegen die Jesuiten wegen ihrer angeblich zu laxen Moralgrundsätze laut wurden, werden heute noch geglaubt. Was Dr. Riffel hierzu zu bedenken gibt, sollte man sich merken: „Die Protestanten ohne Ausnahme, aber auch die meisten der s. g. liberalen Katholiken sehen die Beichtanstalt, selbst bei der allermildesten Handhabung, als ein unerträgliches Inquisitionstribunal an; und doch verklagen sie gleichzeitig die Jesuiten wegen zu großem Laxismus (von der Kirche verurteilte Richtung der katholischen Moraltheologie, die Handlungen auch dann für erlaubt hält, wenn nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für das Erlaubtsein dieser Handlungen spricht). Ein größerer Widerspruch ist doch wohl nicht denkbar!“
Die 18 Provinzialberichte
Die Jesuiten, denen man vorwirft, mit Hilfe des Beichtsakramentes die Gewissen zu knechten, sollen zugleich verdammungswürdig sein aufgrund ihrer allzu großen Nachgiebigkeit in der Beurteilung der Schwere der Sünden, sie sollen zugleich Tyrannen und allzu liberal sein! In seinen achtzehn „Provinzialbriefen“, zu deren Abfassung A. Arnauld ihn aufgefordert hat, verbreitete Blaise Pascal seine Anschuldigungen gegen die Jesuiten. Diese wurden schnell in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und überall verbreitet. Sie sind abwechselnd in einem leicht scherzenden und bitter beißenden Stil geschrieben, aber zugleich so übertrieben, daß Racine sie einfach als Komödien erklärte und selbst Voltaire nur mit Unwillen von denselben sprach.
Dr. Riffel meint: „In sich schon könnte dem Wahrheitsfreunde das eben vernommene Urteil von Männern genügen, welche, wenn sie zu Gunsten der katholischen Sache ein Zeugnis ablegen, höchst unverdächtig sind; aber seine Überzeugung gewinnt neue Stärke, wenn er erfährt, daß die ‚Provinzialbriefe‘ von mehreren Päpsten, fast von dem gesamten Episkopat Frankreichs, von einer Unzahl gelehrter und frommer Männer und von dem königlichen Staatsrat als lügenhaft und verleumderisch bezeichnet und deshalb von den Parlamenten, mit wenigen Ausnahmen, dazu verurteilt worden sind, daß sie der Henker öffentlich verbrennen sollte. Dies verhindert jedoch ebenso wenig ihre Verbreitung, als die später erscheinenden Widerlegungen den nachteiligen Eindruck zu verwischen im Stande waren. Den Hauptgrund davon muß man in dem französischen Charakter suchen, mit Rücksicht auf welchen ein scharfer Kritiker bemerkt: ‚Seit einiger Zeit ist eine Antwort auf die Provinzialbriefe erschienen, welche sie gänzlich niederwirft, ohne ihnen jedoch bedeutenden Schaden zu bringen. Wie aber ist dies möglich? Die Antwort zeigt wohl ganz augenscheinlich die […] Ungerechtigkeiten, die abscheulichen Verleumdungen, welche in allen diesen Briefen gegen eine der berühmtesten Gesellschaften ausgestreut sind; aber diese haben seit langer Zeit durch ihren scherzenden und spöttelnden Ton die große Zahl der Lacher auf ihre Seite gebracht, und genießen deshalb ein Ansehen, das ihnen nur schwer entzogen werden kann.‘ – Jetzt ist übrigens die Zeit des Lachens, die in einer so ernsten Sache nie hätte eintreten dürfen, längst vorüber, und wer die Wahrheit höher achtet als einen nichtswürdigen Scherz, muß dessen geständig sein, daß nur gehässige Leidenschaft Pascal’s Feder geführt und daß sonach, was er niedergeschrieben, nicht heut zu Tage noch zum Zeugnisse wider die Jesuiten geltend gemacht werden könne. Und doch geschieht dies mit der größten Gewissenlosigkeit, und zwar guten Teils von Menschen, denen nichts weniger als die strenge christliche Moral am Herzen liegt, als deren Sachwalter Pascal doch wenigstens aufgetreten ist. Um seine Gegner desto leichter einer laxen Sittenlehre beschuldigen zu können, ging er von dem falschen Grundsatz aus, der ganze Orden stehe durch die von Seiten der Obern erteilte Approbation für die Werke der einzelnen ein, erkläre den Inhalt und die Aussichten desselben als Ausdruck der Ansichten und Gesinnungen der ganzen Gesellschaft. Wie lächerlich und in sich widersprechend diese Behauptung auch ist, Pascal errichtete auf diesen sandigen Boden sein ganzes Gebäude, und hat demgemäß, wie Voltaire bemerkt, ‚ungereimte Meinungen einiger spanischer und flämischer Jesuiten dem ganzen Orden zugeschrieben; Meinungen übrigens, die man eben so leicht bei den Dominikanern und Franziskanern entdecken könnte.‘ Auf das welthistorische Wirken der Jesuiten nahm der Verfasser der Provinzialbriefe gar keine Rücksicht; ihm war es nur darum zu tun, den Beweis zu liefern, daß die Gesellschaft planmäßig damit umgehe, die Menschen sittlich zu Grunde zu richten“ (Ebd. S. 131ff).
Eine unheilige Allianz
Die Wirkung dieser Verleumdungen können nur erklärt werden, wenn man bedenkt, daß einflußreiche und reiche Männer hinter diesem Unternehmen standen. Die Freimaurerei wußte nur zu gut, daß ihr Plan, die Kirche Jesu Christi zu zerstören, erst gelingen konnte, wenn dessen intellektuelle Stütze gebrochen war.
Dementsprechend stellt Dr. Riffel fest: „Es standen sonach in Frankreich zwei höchst gefährliche Feinde, obgleich in ihren Ansichten grundverschieden, wie ein Lager gegen die Jesuiten in Schlachtordnung, - die Jansenisten nämlich und die Philosophie; im Rücken gedeckt von einem allvermögenden Minister, dessen Arm durch eine königliche Maitresse und viele Helfer und Helferinnen von gleichem Charakter, deren Namen in dem bunten Gewühl sich verlieren, aber auch nicht einmal einer näheren Aufzeichnung wert sind, unterstützt wurde. Ungeheure Mittel standen dabei zu Gebote. Man begnügte sich nicht einmal mit Übersetzungen der portugiesischen Pamphlete (Schmähschriften); neue wurden in Menge abgefaßt; aber wie sich’s von selbst versteht, mußten diese Lügen mit schwerem Geld bezahlt werden. Je ärger und unverschämter die Verleumdung, desto größer die dafür bezahlte Summe. Ob wir aber diese so schwere Anklage beweisen können? Ja, wir sind im Stande, die gegen die Jesuiten Verschworenen aus ihrem eigenen Munde zu verurteilen. Der Präsident Roland d’Erceville, ein eifriger Jansenist, schreibt: ‚Ich habe schon vor dem Tode des Herrn (Rouillé) von Filletières viel Geld verwendet, und die einzige Sache der Jesuiten kostet mich von meinem eigenen Vermögen mehr als 60,000 Livres. In der Tat, die Arbeiten, die ich unternommen, und vornehmlich gegen die Jesuiten, welche nie würden vertilgt worden sein, hätte ich dieser Sache nicht meine Zeit, meine Gesundheit und mein Vermögen aufgeopfert, mußten mir keine Enterbung von meinem Oheim (eben der genannte Filletières) zuziehen.“ (Ebd. S. 143f).
Die Ausweisung der Jesuiten aus dem Königreich Neapel
Wie weitreichend die Lügenpropaganda damals gewirkt hat und überall das Jesuitengespenst umging, wollen wir an einem Beispiel kurz aufzeigen. Bernardo Tanucci war ein neapolitanischer Staatsmann, der 1752 zum Justizminister, später Außenminister und Kronminister ernannt wurde. Obwohl er, seine Frau und Tochter bei einem Jesuiten beichteten, schreibt er am 29. April 1767 an einen Freund: „Die Jesuiten, Mörder im Sold Roms, verführerisch, intrigant, Verderber von Moral und Religion, sind die Pest der Staaten. Sie predigen infernalische Maximen gegen die Finanzen der Herrscher, gegen das Hoheitsrecht, gegen den Episkopat, gegen das Evangelium. Sie wurden nach den Attentaten in Portugal, nach den Nachforschungen und Prozessen in Frankreich schließlich auch in Spanien entlarvt.“ Der Aufklärer Tanucci ließ zahlreiche Klöster aufheben und 1773 die Jesuiten aus Neapel ausweisen.
Das königliche Edikt zur Aufhebung des Jesuitenordens in Frankreich
Die gemeine Wühlarbeit der Feinde der Jesuiten erreichte schließlich doch ihr Ziel. Anfang des Jahres 1764 faßten die Parlamente einen Beschluß, der allen Jesuiten auferlegte, durch einen Eid dem Orden und den Gelübden zu entsagen. Zudem sollten sie ihr Ordensinstitut als mißbräuchlich, strafbar, abscheulich und für gefährlich für den König anerkennen.
Dr. Riffel führt dazu weiter aus: „Diesen Selbstmord konnten begreiflich die Geächteten nicht vollbringen; selbst der Schlußsatz des Eides war gegen ihr Gewissen: denn obgleich die allermeisten der ‚Behauptungen‘ in den ‚Auszügen‘ wirklich verdammungswürdig und eben deshalb auch nie von den Jesuiten gelehrt worden waren; so hatten doch die Jansenisten einige Lehrsätze als verwerflich bezeichnet, deren gerades Gegenteil die Kirche als Irrtum bezeichnet und verdammt hatte. Wirklich leisteten sie denn auch nicht den geforderten Eid, obgleich sie eben wegen dieser Weigerung für jeden kirchlichen Dienst unfähig erklärt, ihres Gehaltes beraubt wurden und der Strafe der Verbannung aus dem Reich unterlagen. Diese wurde an ihnen mit der größten Härte vollzogen, ohne Rücksicht auf Alter, Krankheit, Talente und Dienstleistungen; selbst die Vertrauten des Hofes, darunter der berühmte Berthier, blieben nicht verschont. Nachdem dieser von der Seite Ludwig’s gerissen war, gelang es der philosophischen Partei, ein königliches Edikt zu erschleichen, wodurch alle Untaten der Parlamente sanktioniert wurden. In dem zu diesem Ende berufenen Staatsrate waren die meisten Glieder entschiedene Jesuitenfeinde und machten geltend, daß dem Frieden des Staates und der Beruhigung aller Parteien dieses Opfer gebracht werden müsse. Mancher der anwesenden Räte mag wohl die Grundlosigkeit dieses erbärmlichen Vorwandes gefühlt haben; aber der Dauphin [Thronanwärter] allein hatte den Mut, seine Gesinnung auszusprechen, indem er erklärte: ‚Das Gut des Friedens und der öffentlichen Ruhe, wovon man spricht, wünsche ich eben so sehr, als irgend ein anderer; aber sie bestehen in der Achtung für Gerechtigkeit, und nur darin. Ich erkläre, daß ich weder bei meiner Ehre noch bei meinem Gewissen für die Vernichtung der Gesellschaft dieser trefflichen Männer stimmen kann, die ebenso nützlich sind zur Handhabung der Religion unter uns als notwendig zur Erziehung der Jugend.‘ Diese kräftige Sprache indes konnte sie nicht mehr aufhalten. Im November 1764 erschien das königliche Edikt, wodurch die Gesellschaft Jesu als aufgehoben erklärt, jedoch den einzelnen Mitgliedern erlaubt wurde, als Privatpersonen im Reich zu leben. … Damit wurde der König sich selbst untreu, indem er die verübten Gewalttätigkeiten seiner Parlamente hinterher billigte; er ließ sich selbst zu unbefugten Eingriffen in das unantastbare Gebiet der Kirche fortreißen, und hat dadurch mit eigener Hand den Eckstein des Fundamentes herausgebrochen, worauf sein eigener Thron ruhte“ (Ebd. S. 166ff).
Die päpstliche Bulle Apostolicum
Den Jesuitenfeinden war dieser Erfolg immer noch nicht genug. Sie wollten den Orden ganz auslöschen, was aber nur mit Hilfe des Papstes möglich war. Darum bemühten sie sich, ihren Einfluß in Rom geltend zu machen. Aber Papst Clemens XIII. ließ sich nicht täuschen, wie Dr. Riffel zeigt: „Nachdem alle Bitten und Vorstellungen seitens Clemens XIII. gegen dieses frevelhafte Unterfangen wirkungslos geblieben, reagierte er in rechter Würdigung der ihm obliegenden Pflicht, die Herde Christi zu weiden und zu schützen, unterm 7. Januar 1765 mit dem Erlass der Bulle Apostolicum, worin er den Orden der Jesuiten wie auch schon seine Vorgänger Paul III, Julius III., Paul IV., Gregor XIII., Gregor XIV. und Paul V. auf’s Neue förmlich bestätigte. Eine Vernichtung des Werkes der Bosheit konnte wohl der Papst durch diese Bulle nicht erzielen: selbst die Aufhebung des Ordens in andern Ländern wurde dadurch nicht verhindert; aber es ist doch in derselben ein bleibendes Denkmal aufgestellt, welches als der vorzüglichste Protest wider alle Beschuldigungen über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben steht, den Zweck und die Mittel des ganzen finstern Treibens der Verschworenen rücksichtslos enthüllt und nach Gebühr verdammt, und endlich dem redlichen Freunde der Wahrheit jeden Zweifel löset, der etwa bei der Unzahl und Schwere der Anklagen in ihm noch zurückgeblieben sein mag“ (Ebd. S. 168f).
„Nach dem Jahre 1771, als in welchem Ludwig XV., um die Rechte der königlichen Macht und sein Ansehen zu retten, die Parlamente vernichtete, kehrten viele aus der Verbannung zurück und wurden von den Bischöfen in der Seelsorge verwendet; aber wie es scheint, waren sie nur zurückgekehrt, um nach so vielen Zeugnissen für ihre Unschuld zuletzt durch ihr Blut den Beweis zu liefern, daß sie keine Königsmörder seien; denn dem unglücklichen Ludwig XVI., der sie ihren Feinden preiszugeben schwach genug war, bewiesen sie Treue und Ergebung in den Gefängnissen und auf dem Blutgerüste, das ihre Feinde, die Männer der Revolution, allenthalben errichteten, um Freiheit und Gleichheit zu predigen. Wiederholt mussten wir darauf aufmerksam machen, daß nach Aufhebung des Ordens der irreligiöse Geist mit Riesenschritten seinem letzten Ziel entgegeneilte, bis es zuletzt über dem Leichnam des Königs der Göttin Vernunft Altäre errichtete, um vor denselben die tiefste Entwürdigung der Menschheit zu feiern“ (Ebd. S. 172).
Die Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV.
Das internationale Kesseltreiben gegen die Jesuiten drängte auch den Papst immer mehr in die Enge. Während sein Vorgänger noch den Mut hatte, seinen Offiziersorden, wie man die Jesuiten nennen könnte, gegen die Verleumdungen zu verteidigen, ließ sich Clemens XIV. zu einer Tat verleiten, die in der Kirchengeschichte wohl einmalig ist. Er hob aufgrund des Drucks der gottlosen Propaganda der Kirchenfeinde und dem Drängen der europäischen Höfe einen blühenden Orden auf und stürzte damit eine der stärksten Säulen der hl. Kirche. Der hl. Alfons von Liguori, der ein Zeitzeuge dieses Geschehens war, schrieb darüber: „Alles nur Intrige der Jansenisten und einer Gesellschaft von Ungläubigen. Wenn sie die Vernichtung der Gesellschaft Jesu erreichen, dann haben sie nichts mehr zu befürchten. Sobald diese Festung gefallen ist, welche Umwälzung wird dann die Kirche und mit ihr der Staat durchmachen? Wenn die Jesuiten vernichtet sind, werden sie Papst und Kirche angreifen. Die Jansenisten haben nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Kirche und den Staat im Visier.“
Das Breve, mit dem der Papst die Auflösung des Ordens bekannt gab, war für den hl. Alfons ein herber Schlag. Als er davon erfuhr, schwieg er einen Augenblick, um dann nur die schlichten Worte zu sagen: „Wille des Papstes, Gottes Wille“. Den tiefen Schmerz darüber behielt er für sich. Als Rubini und einige andere eines Tages in seiner Gegenwart Clemens XIV. kritisierten, entgegnete er: „Armer Papst! Was könnte er unter so schwierigen Umständen tun? Alle Kronen hatten sich verbunden, um ihm diese Aufhebung abzuringen. Was bleibt da anderes, als schweigend die Urteile Gottes zu bewundern und still zu halten? Aber ich sage, wenn auch nur ein einziger Jesuit übrigbleibt, ist er fähig, die Gesellschaft wieder aufzubauen.“
Ein Scheinfriede
So sah ein Heiliger das damalige, traurige Geschehen. Unser Berichterstatter Dr. Riffel faßt zusammen: „Unter diesen Umständen konnte es niemanden mehr überraschen, als am 19. August 1773 … das vom Papst Clemens XIV. unterzeichnete Aufhebungs-Breve ‚Dominus ac Redemptor noster‘ den Vorstehern des Ordens eröffnet wurde und zwar durch eine Kommission, die sich von Schergen und Soldaten begleiten ließ. … Mit wenigen Ausnahmen widersprach alles darin enthaltene der offenbaren, durch Tatsachen erwiesenen Wahrheit. Clemens scheute sich nicht, von der Bulle seines Vorgängers Clemens XIII. zu erklären, sie sei durch Zudringlichkeit der Jesuiten ihm abgerungen worden. ... Weiter zählte er in langer Reihe, ohne die Gründe zu benennen, die Orden, Gesellschaften, Kongregationen und frommen Vereine auf, die in den verflossenen Jahrhunderten von Päpsten aufgelöst worden seien. Die Aufhebung selbst geschah aber immer wegen Abfall vom Geist des Instituts und gescheitertem Wiederherstellungsversuch; außerdem geschah es jeweils in strenggesetzlicher Form, nach förmlicher Anklage und sorgfältiger Prüfung. … Anders dagegen verhielt es sich bei den Jesuiten. Ihr Institut wurde als in sich verderblich gelästert, obgleich es seit mehr denn zwei Jahrhunderten zum Wohle der Kirche und des Staates bestanden hatte. Die Untersuchung, die allein der Kirche zukam, fand Clemens unsicher und schleppend; er nahm als vollgültige Beweise auf, welche die Feinde des Ordens ihm zur Hand lieferten, forderte dagegen von den unschuldig Verurteilten einen so unbedingten Gehorsam, daß sie zu ihrer Verteidigung nichts anführen, über die angeschuldigten Verbrechen sich nicht einmal rechtfertigen sollten. Doch stellte es der Papst nicht in Abrede, daß er dem Verlangen der bourbonischen Höfe, deren Minister und einiger den Grundsätzen der s. g. Philosophie huldigenden Bischöfe dieses Opfer gebracht habe, und zwar des lieben Friedens wegen und zur Wiederherstellung des guten Einvernehmens mit verschiedenen Kabinetten“ (Ebd. S. 189ff).
Der schwache Papst ist dem enormen politischen Druck erlegen und hat durch seine Fehlentscheidung einen unüberschaubar großen Schaden verursacht, den er als oberster Hirte vor seinem Herrn Jesus Christus, dessen Stellvertreter auf Erden er war, verantworten mußte. „Clemens behauptete zwar, er habe bei diesem Akt die gewissenhafte Klugheit sich zum Gesetz gemacht, jede Übereilung vermieden und sei mit der größten Vorsicht verfahren, aber das Vorausgegangene und Nachfolgende lassen diese Behauptung als unwahr und lügenhaft erscheinen. Ein gerechter Ausspruch wird ohne Härte und Grausamkeit, er wird mit der größtmöglichen Schonung vollzogen; diese Rücksichten der Menschlichkeit glaubte man aber den Jesuiten nicht schuldig zu sein.“
Die Ausplünderung der Jesuiten
„Gegen acht Uhr des Abends begaben sich fünf Kardinäle aus der Zahl der geschworenen Feinde des Ordens in das Profeßhaus der Jesuiten; obgleich nun diese, nach Eröffnung des Breves erklärten, sie würden sich ohne Widerstand den Befehlen des Papstes unterwerfen, so wurden doch alle Schriften und Bibliotheken unter Siegel gelegt, Kisten, Kasten und Schränke mit roher Gewalttätigkeit erbrochen und heißhungrig alles geraubt, was an Gold und Silber und sonstigen wertvollen Gegenständen sich vorfand, - weil in dem Breve alle Güter der Jesuiten dem apostolischen Stuhle zur Verfügung zugesprochen waren. Unter Alfani (Clemens XIII. hatte ihn wegen schlechter Führung vertrieben, Clemens XIV. aber wieder in Gnaden aufgenommen.) bemächtigte sich die Horde der heiligen Gefäße, der Reliquienbehälter (der kostbaren Einfassung wegen), der vorzüglichen Gemälde und herrlichen Teppiche und brachte die reichliche Beute auf die päpstliche Münze oder verwendete sie zur Verschönerung des päpstlichen Lustschlosses; Alfani selbst riß dem Bilde der heiligen Jungfrau ein mit echten Perlen reichbesetztes Halsband ab, um den Hals einer Dirne damit zu schmücken“ (Ebd. S. 191f).
Gott läßt das Unrecht geschehen und das Ärgernis zu, aber wehe den Menschen, durch den das Ärgernis verursacht wurde! Es ist kaum zu glauben, wie Männer der heiligen Kirche sich benehmen können, wer dem Bild der heiligen Jungfrau das mit echten Perlen reichbesetzte Halsband raubt, um damit den Hals einer Dirne zu schmücken, zu was ist dieser sonst noch fähig? Solche Vorkommnisse rufen einem in Erinnerung, daß es in der hl. Kirche nicht nur Heilige, sondern auch Sünder, ja sogar große Sünder gibt. Wie auch überall anderswo war auch in Rom die Freude der Feinde der Jesuiten etwas getrübt, denn: „Die aufgefundene Beute war bei weitem nicht so groß, als man erwartet hatte.“ Man kann sich auch nach Jahrhunderten des Eindrucks nicht erwehren, die Feinde glaubten inzwischen ihre eigenen Lügengeschichten vom unermeßlichen Reichtum der Jesuiten und wollten selbst aufgrund der laut sprechenden Tatsachen nicht wahrhaben, daß es einfach nur Lügen waren. Das kann man durchaus eine Ironie des Schicksals nennen. Der erhoffte Reichtum blieb jedenfalls überall aus.
Die Reaktion der Jesuiten
Ganz anders als das Benehmen der Feinde, war das der armen Jesuiten. Gerade in diesen Stunden grausamster Verfolgung bewiesen sie ihren übernatürlichen Glaubensgeist, wie wiederum Dr. Riffel anhand eines Schreibens von Pater Karl Frey von Neuville an einen Mitbruder dokumentiert: „Die Gesellschaft ist nicht mehr. Erlauben Sie mir, als Vater und Freund über diese tragische Umwälzung, worüber die Nachwelt staunen wird, zu sprechen. Nicht ein Wort, keine Miene, kein Ton der Klage oder des Murrens, eine Ehrfurcht, die sich beim Hinblick auf den apostolischen Stuhl und den Hohenpriester, der ihn einnimmt, nicht verleugnen kann; vollkommene Unterwerfung unter den obgleich harten, aber immer anbetungswürdigen Willen der Vorsehung, und unter die Autorität, die sie zur Ausführung ihrer Pläne, deren Tiefen uns nicht zu ergründen ziemt, eingesetzt hat! Wir wollen unsern Kummer, unsere Seufzer, unsere Tränen nur vor dem Herrn und in seinem Heiligtum ausgießen; vor Menschen mag sich unser gerechter Schmerz durch Stillschweigen, Bescheidenheit und Gehorsam ausdrücken. Wir wollen weder die Lehren noch die Beispiele vergessen, die wir der Gesellschaft schuldig sind; wir wollen durch unser Benehmen zeigen, daß sie einer anderen Bestimmung würdig war. Die Reden und Taten der Kinder seien die Verteidigung der Mutter; diese Art, sie zu rechtfertigen, wird die beredteste, die überzeugendste, die allein geziemende, die einzig erlaubte und rechtmäßige sein. Wir haben gewünscht, durch unsern Fleiß und unsere Talente der Religion zu dienen; wir wollen uns bemühen, selbst durch unsern Sturz und unser Unglück ihr zu nützen. Zweifeln Sie nicht, mein teurer Mitbruder, daß ich an Geist und Herz tief erschüttert bin beim Anblick der demütigen Vernichtung der Gesellschaft, der ich alles verdanke, Tugend, Talente und Ruhm; ich kann sagen, daß ich jeden Augenblick den Kelch der Schmach und Bitterkeit trinke, daß ich ihn bis auf die Hefe schlürfe; aber wenn man einen Blick auf den gekreuzigten Jesus wirft, sollte man noch eine Klage hören lassen? Der Gott der Barmherzigkeit, der hienieden schlägt, um den Gerechten zu prüfen, den Sünder zurückzuführen und den Büßenden zu reinigen, dieser Gott der Güte schlägt mich mit einem andern persönlichen Kummer: ich habe meinen teuren und ehrwürdigen Bruder verloren. Eine Betrachtung erleichtert mir den Verlust: er hat seine lange Laufbahn mit Tugenden ausgefüllt, und der Herr hat ihm den traurigen Anblick der zertrümmerten Gesellschaft erspart. Ich empfehle ihn Ihrem Gebet und dem unserer zerstreuten Väter“ (Ebd. S. 193f).
Die letzten Tage…
Es war beeindruckend, mit welcher Treue die Jesuiten zu ihrem Orden standen, wie sie sich bemühten, auch in diesen schwierigen Zeiten nach der Aufhebung alles Unrecht mit übernatürlichem Glauben und Vertrauen auf Gottes heilige Vorsehung anzunehmen und in Liebe zu Jesus Christus zu ertragen. Es wird wohl wenig Vergleichbares in der Geschichte zu finden sein. Während viele kirchliche Würdenträger den Jesuiten helfen wollten, blieb der Papst jedoch ganz ungerührt, wie Dr. Riffel feststellt: „Clemens hatte solch eine heldenmütige Ergebung nicht erwartet; ihn erschütterte für einen Augenblick die Haltung der edlen Dulder. Und doch ließ er es bei diesen Maßregeln nicht bewenden. Wenige Tage später untersagte er den Jesuiten die meisten Verrichtungen des priesterlichen Amtes und verordnete sogar …, daß sie wenigstens sechs Meilen weit von dem Landhaus sich entfernt halten müßten, wo er den Herbst zu verbringen gedachte. Damit gab er seiner verbrecherischen Absicht Ausdruck, die Jesuiten zu verdächtigen, sie seien eines Mordversuches auf seine Person fähig. So fand auch die Verhaftung des Ordensgenerals, der Assistenten und einiger ausgezeichneter Glieder der Gesellschaft statt; sie wurden gewaltsam aufgerissen, auf die Engelsburg geschleppt und in harter, schmachvoller Gefangenschaft gehalten. … Man vermutete, sie hätten die wichtigsten Papiere zur geheimen Geschichte der Gesellschaft auf die Seite geschafft und in betrügerischer Weise der Obrigkeit Schuldbriefe statt gefüllten Geldkisten hinterlassen. … Die Verhöre der Gefangenen zeugen hinlänglich für die persönliche Unschuld wie für die Schuldlosigkeit des ganzen Ordens; keine einzige Anklage wurde erwiesen“ (Ebd. S. 194f).
Arme Jesuiten, kann man nur sagen – und mit dem hl. Alfons: Armer Papst! Clemens XIV. hatte gesagt: „Diese Aufhebung wird mich umbringen“ – und so war es denn auch. Folgen wir Dr. Riffel in seiner Beschreibung von dessen letzten Lebenstagen: „Die Lage des Papstes Clemens XIV. dagegen erscheint höchst bejammernswert; denn die kurze Zeit, welche er nach vollzogener Aufhebung des Ordens noch zu leben hatte, waren Stunden voll Angst, Unruhe und Gewissensbissen. … Vor allem mußte er bemerken, daß gerade die entschiedensten Feinde der Kirche über das Erscheinen des Breves in unmäßigen Jubel ausbrachen; nicht nur feierte Pombal das Ereignis durch einen öffentlichen Gottesdienst, nicht nur frohlockte die philosophische Partei über das Gelingen ihrer Pläne; sondern auch die Calvinisten und Jansenisten stimmten in das Freudengeschrei ein: letztere sogar durch eine Medaille, die sie zu Ehren Ganganelli’s prägen ließen“ (Ebd. S. 198).
Auf einer Medaille der Calvinisten und Jansenisten als Held gefeiert zu werden, das ist nun wirklich keine Ehre für einen Papst. Offensichtlich hatte Clemens XIV. die Lawine, die seine Aufhebung des Ordens auslösen würde, vollkommen unterschätzt. Es ist zu befürchten, daß bei dieser seiner Entscheidung mehr die Angst als die Klugheit Ratgeber war. Allein, es war zu spät, die Lawine war nicht mehr aufzuhalten – und der Weg zur Revolution war frei! Leider trug der Papst das Leiden nicht so heroisch wie seine Opfer, die Jesuiten. Aber jedenfalls hatte er darin Recht behalten, daß er die Aufhebung der Jesuiten nicht lange überleben würde.
… und der Tod Papst Clemens‘ XIV.
„Allein seine Kräfte nahmen zusehends ab durch ein heftiges Fieber, das ihn ergriff; zu diesem Übel gesellte sich eine Unterleibsentzündung, in Folge deren Clemens, nachdem er die Sterbesakramente empfangen, am 22. September unter großen Schmerzen verschied. Der Leichnam war so zerrüttet, daß er schon im ersten Augenblick des Todes in völlige Verwesung überging und dadurch das Einbalsamieren unmöglich gemacht wurde. Doch wollte man die Ausstellung der Leiche in St. Peter und den dabei üblichen Fußkuß nicht unterlassen aus Furcht, es möchte ansonsten der Eindruck, welchen der Tod des Papstes unter so besonderen Umständen hervorgebracht, noch verstärkt werden; allein der Verwesungsgeruch war so Abscheu erregend, daß man von dem Vorhaben abstand und die Bestattung schleunigst vollzog. Dies gab den Feinden des Ordens Anlass zu den furchtbarsten Verleumdungen: die Jesuiten wurden als Giftmischer verlästert. Vernunftgründe und handgreifliche Beweise halfen hingegen nichts, wie denn die Bosheit überhaupt dadurch nicht zum Schweigen gebracht werden kann; mag man auch geltend machen, daß die Jesuiten, falls sie eines so schweren Verbrechens fähig wären, es doch vor ihrer Aufhebung hätten vollbringen müssen, um diese selbst zu verhindern: mag man hinweisen auf die Ergebung, womit sie ihr hartes Los erduldeten, auf die rührenden Beweise ihres Gehorsams gegen das Oberhaupt der Kirche, oder auf die Unmöglichkeit, diesem selbst zur Ausführung eines so schwarzen Planes nahe zu kommen: der unersättliche Haß, die blinde Leidenschaft wußte immer noch einen Ausweg, und durch diesen eine Schwächung der Gründe aufzufinden. Selbst nachdem der Leibarzt des Papstes die Leiche eröffnet, den natürlichen Verlauf der Krankheit entwickelt und durch einen förmlichen gerichtlichen Akt beteuert hatte, daß keine Spur von Vergiftung vorhanden gewesen: selbst nachdem der General der Franziskaner, den man als Bürgen für die abscheuliche Lüge angeführt, durch einen Eid sich gereinigt und das Gerücht als eine niederträchtige Verleumdung bezeichnet hatte – selbst da verstummten noch nicht alle Lästerzungen, und so ist denn diese Anklage oder doch Verdächtigung, mit so vielem andern Unrat der Vorzeit, bis auf unsere Tage fortgewälzt worden, und findet Zungen, die sie nachzusprechen wagen, und Druckerpressen, die sich durch ihre Verbreitung brandmarken. Der Katholik und jeder wahrheitsliebende Mann vermag unter diesen Verhältnissen nichts Besseres zu tun, als mit dem protestantischen Konsistorialrat Le Bret (der in seinem Magazin der Staaten- und Kirchengeschichte die überzeugendsten Dokumente von der Falschheit des Gerüchtes vorgelegt hat), mit Niebuhr und andern ehrenhaften protestantischen Schriftstellern seine tiefste Verachtung gegen jene auszusprechen, welche die alte Lüge immer auf’s neue auftischen und so gegen die geschichtliche Wahrheit einen strafbaren Mordversuch unternehmen. Mit Recht können wir sagen, daß Clemens selbst den Giftbecher sich gemischt habe, indem er entweder aus Feigheit oder aus falschen Rücksichten eine Handlung beging, die in sich eben so ungerecht, als in ihren Folgen für die Kirche und das Christentum höchst verderblich war. Von dem einen und dem andern wird die Nachwelt sich immer mehr überzeugen und mit Unwillen jene Schandschriften der Vernichtung und jene Männer der verdienten Verachtung preisgeben, welche alles aufbieten, das richtige Urteil in dieser Sache unmöglich zu machen oder doch zu erschweren. Das Andenken Ganganelli’s bleibt für immer in den Blättern der Geschichte ein unerfreuliches; und haben auch seine Nachfolger sich beeilt, das verübte Unrecht gut zu machen, so konnten sie doch die Tat selbst nicht aufheben, und niemand, dem Gefühl für Recht und Gerechtigkeit inne wohnt, wird sich berufen fühlen, ihre Verteidigung zu übernehmen“ (Ebd. S. 206ff).
Selbst der Tod des Papstes wurde noch den Jesuiten in die Schuhe geschoben. Man kann es kaum fassen, wie ein Haß so groß und allgemein werden kann. D.h.: Der Teufel muß die Jesuiten schon außerordentlich gehaßt haben.
Der heilige Alfons von Liguori
Kehren wir nochmals kurz zum hl. Alfons von Liguori zurück: Es ist der 21. September 1774. Der hl. Alfons läßt sich nach der Feier der hl. Messe zu seinem Stuhl führen, ohne die übliche Danksagung zu machen. Er erschien matt und rührte sich nicht, auch sprach er kein Wort. So vergeht der ganze Tag und sogar die ganze Nacht. Verständlicherweise erfaßte das ganze bischöfliche Haus eine große Unruhe. Der Heilige wirkt wie weggetreten, vollkommen abwesend, wie in einer Ekstase. Am Morgen des nächsten Tages zwischen sieben und acht Uhr ertönt plötzlich das Glöcklein, weshalb schnell alle Bewohner des Bischofspalastes herbeieilen. Der hl. Bischof erwacht plötzlich aus seinem seltsamen „Schlaf“ und fragt: „Wieso denn so viele? Was ist los?“ „Was los ist?“ entgegnete man ihm, „Das ist nun schon der zweite Tag, daß Ihr nicht sprecht, nicht eßt, kein Lebenszeichen mehr von Euch gebt!“ „Das stimmt“, antwortet der hl. Alfons. „Ich war beim Papst, um ihm beizustehen; er ist soeben gestorben.“ Nach dieser Bemerkung hätten alle am liebsten laut zu lachen begonnen, aber einige Tage später erfuhr man, daß Clemens XIV. am 22. September zu genau dieser Stunde verstorben war.
So ist also Giovanni Vincenzo Antonio Ganganelli, der zunächst Franziskanermönch war und am 18. Mai 1769 zum Nachfolger von Papst Clemens XIII. gewählt wurde, mit dem geistlichen Beistand des hl. Alfons am 22. September 1774 in Rom gestorben. Diesen Beistand wird er wohl dringend nötig gehabt haben. Denn obwohl Clemens XIV. persönlich ein untadeliger Mönch und Theologe war, hatte er doch eine der größten kirchenpolitischen Fehlentscheidungen in der Papstgeschichte vor seinem ewigen Richter zu verantworten. Dies hat sich offensichtlich tief ins Gedächtnis der Kirche eingeprägt, denn seit dem Pontifikat Clemens‘ XIV. wurde nie wieder ein Franziskaner zum Papst gewählt.
Friedrich von Preußen und …
Noch etwas sei angemerkt: Der hl. Alfons war davon überzeugt, „wenn auch nur ein einziger Jesuit übrigbleibt, ist er fähig, die Gesellschaft wieder aufzubauen“. Die göttliche Vorsehung sorgte dafür, daß diese Worte wahr würden und wählte zwei nichtkatholische Herrscher aus, um den Jesuitenorden über die Zeit der Auflösung hinweg zu retten. In Preußen untersagte Friedrich der Große den katholischen Bischöfen seines Landes, den Ordensmitgliedern in Schlesien das päpstliche Breve amtlich mitzuteilen: „Sie werden jedem, der es hören will, jedoch ohne Affektion, erklären, was Sie auch dem Kardinalstaatssekretär zu sagen Gelegenheit suchen müssen, daß ich in Beziehung auf die Jesuiten fest entschlossen sei, dieselben, wie bis jetzt geschehen, auch fernerhin in meinen Staaten zu erhalten. Ich habe in dem Vertrage von Breslau die in Schlesien bestehenden Verhältnisse der katholischen Religion garantiert, und seitdem nirgends bessere Priester gefunden, als die Jesuiten sind“ (Ebd. S. 200). Der protestantische Herrscher fand es recht sonderbar, daß die Jesuiten in Schlesien über seine Unterstützung gar nicht so erfreut waren. Diese baten ihn vielmehr wiederholt, um das Beispiel eines vollkommenen Gehorsams zu geben, daß er ihre Aufhebung auch in seinem Reich vollziehen lasse, was er schließlich auch zuletzt, jedoch mit einem gewissen Unmut, bewilligte.
…Katharina von Rußland
Auch die Kaiserin Katharina von Rußland, die sich bei der Vereinigung des von Polen getrennten Weißrußlands mit dem russischen Reich verpflichtet hatte, die katholische Religion und deren Diener in allen seitherigen Verhältnissen und Rechten zu schützen, wollte den Jesuitenorden in ihrem Reich nicht aufheben lassen. Die Kaiserin war dem Orden gegenüber voller Dankbarkeit für dessen ausgezeichnete Dienste, die seine Missionare den in türkische Gefangenschaft geratenen Russen in Konstantinopel geleistet hatten. Zudem war sie der Überzeugung, daß die Jesuiten die besten Erzieher, Lehrer, Priester und Seelsorger ihrer katholischen Untertanen seien. Da alles Bemühen, die Kaiserin umzustimmen, nutzlos war, mußten die Gegner allerlei Geschichten erfinden, um wenigstens den moralischen Eindruck, den die Treue der Kaiserin zu den Jesuiten erweckte, zu schwächen. So fabulierte man: Das Verhalten der Kaiserin zeige nur die den Frauen eigene Laune. Sie habe nur aus Liebhaberei an dem Sonderbaren und in der Absicht, den Papst und die bourbonischen Höfe zu ärgern, die Jesuiten gegen die Aufhebung geschützt.
Geschichten hin oder her, eines steht jedenfalls fest: Friedrich der Große und Kaiserin Katharina haben sich bei Papst Pius VI. um die förmliche Wiederherstellung der ganzen Gesellschaft Jesu eingesetzt. Da jedoch Pius VI., der von der Unschuld der Jesuiten überzeugt war, diese aus taktischen Gründen nicht sofort gewähren konnte, gestattete er deren Fortbestand in Rußland, erlaubte ihnen sogar die Aufnahme von Novizen und setzte über sie einen Generalvikar. So überdauerte der Orden die Zeit der Auflösung. Der Dichter Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, wohl besser bekannt als „Novalis“, schrieb 1799: „Jetzt schläft er, dieser furchtbare Orden, in armseliger Gestalt an den Grenzen von Europa. Vielleicht daß er von daher sich, wie das Volk, das ihn beschützt, mit neuer Gewalt einst über seine alte Heimat, vielleicht unter anderm Namen, verbreitet.“
Die Wiederherstellung des Ordens durch Papst Pius VII.
Am 7. August 1814 zelebrierte Papst Pius VII. in der Kirche Il Gesù zu Rom, die dem hl. Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens geweiht ist, die hl. Messe. Im Anschluß ließ er die Bulle „Sollecitudo omnium ecclesiarum“ verlesen, mit der er den Orden für den ganzen Erdkreis wiederherstellte. Omnia ad maiorem Dei gloriam! Alles zur größeren Ehre Gottes!
Nachtrag
Der eine oder andere Leser wird sich vielleicht fragen, wie es mit den Jesuiten heute steht. Die Jesuiten sind mit derzeit mehr als 17.000 Mitgliedern der größte Männerorden der Welt. Aber natürlich ist auch am Jesuitenorden der Modernismus nicht spurlos vorübergegangen. Etwa um das Jahr 1900 ist festzustellen, daß der Orden allmählich kippt und der Modernismus Fuß faßt in der Gesellschaft Jesu. Wohl spätestens in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war es dann geschehen, was der Lateiner mit den Worten ausdrückt: „Corruptio optimi pessima“ – Die Verderbnis der Besten ist das Allerschlimmste. Entsprechend dieser Gesetzmäßigkeit, sind die sog. Jesuiten in der Menschenmachwerkskirche heute überall in der modernistischen Verderbnis führend.
Ein Nachwort zum Rosenkranzmonat: DER HOHE WERT DES ROSENKRANZGEBETES
„Dann bleibt noch übrig, darauf hinzuweisen, dass das Rosenkranzgebet einen hohen Wert und Nutzen besitzt, weil es mit zahlreichen Privilegien und Rechten ausgestattet ist und vor allem an dem Schatz der Ablässe überaus reichen Anteil nimmt. Wie sehr daher allen denjenigen, die um ihr Seelenheil besorgt sind, daran gelegen sein muss, sich dadurch zu bereichern, ist leicht einzusehen. Es handelt sich nämlich um den gänzlichen oder teilweisen Erlass der zeitlichen Strafen, welche auch nach Vergebung der Sünden in diesem oder aber im jenseitigen Leben verbüßt werden müssen. Sehr reich ist ja der Schatz Christi, der Gottesmutter und der Heiligen, aus ihren Verdiensten entstanden, in Bezug auf welchen Unser Vorgänger Clemens VI. mit Recht jene Worte aus dem Buch der Weisheit anwendete: „Unendlich ist der Schatz für die Menschen; diejenigen, welche davon Gebrauch machen, sind der Freundschaft Gottes teilhaftig geworden.“ Schon haben die römischen Päpste kraft der ihnen von Gott verliehenen Gewalt den Marianischen Sodalitäten vom heiligsten Rosenkranz, welche diese Gebetsübung pflegen, die reichen Schätze dieser Gnaden erschlossen.“
(Leo XIII. über den Rosenkranz)