Am 1. November begeht die Kirche das Fest Allerheiligen, bis zum 8. November dehnt sich die Oktav dieses Festes. Zum heutigen Sonntag in der Oktav von Allerheiligen wollen wir unseren Lesern im folgenden eine Predigt vorlegen, um auf die wahre Heiligkeit aufmerksam zu machen, von der heutige Katholiken kaum mehr eine klare Vorstellung haben.
Meine Lieben,
sind Sie schon einmal einem „echten“ Heiligen begegnet, also jemandem, der dann nach seinem Tod offiziell zur Ehre der Altäre erhoben wurde und von den Menschen betend verehrt wird? Auf den ersten Blick scheint das eine reichlich seltsame Frage zu sein. Aber es hat mich vor einigen Tagen sehr berührt, als mir wieder bewußt wurde, daß ich wirklich schon einmal so einem Menschen begegnet bin – und womöglich viele von Ihnen hier auch: Papst Johannes Paul II. …
Er war ein charismatischer Gottesmann, auch wenn er in vielen Entscheidungen durchaus in Kirche und Welt nicht immer unumstritten war. Heute ist er ein – mit all seinen großartigen Fähigkeiten, aber auch mit all dem, was an seinem Leben hinterfragt werden kann – ein offizieller „Heiliger“ unserer Kirche. Papst Franziskus hat ihn – gemeinsam mit dem Konzilspapst Johannes XXIII. am 7. April 2013 zur Ehre der Altäre erhoben. Ich bin also tatsächlich in meinem Leben schon einmal einem „richtigen Heiligen“ begegnet. Und je länger ich darüber nachdenke, bin ich zutiefst überzeugt, daß ich schon viel mehr „Heiligen“ in meinem Leben begegnet bin, auch wenn die niemals von einem Papst heiliggesprochen wurden.
Mir fallen da in meiner Familie und in meiner Heimatpfarrei großartige und liebenswerte Menschen ein, denen ich meinen Glauben und mein bewußtes Leben in und mit dieser Kirche verdanke. Ich denke aber auch an Lehrer von mir und an ganz einfache Leute, bei denen ich spüren konnte, was Menschlichkeit bedeutet. …
Alle diese Menschen sind für mich heute auch „Heilige“. An alle diese Menschen denke ich, wenn ich heute hier diesen Festgottesdienst feiere. …
Nun hoffe ich sehr, daß Sie sich bei dieser Einleitung zur Predigt allmählich wie in einem falschen Film vorgekommen sind. Was Sie gehört haben, waren natürlich nicht meine eigenen Worte, sondern ein Teil einer Predigt von einem Pfarrer der Menschenmachwerkskirche zu Allerheiligen 2015.
Es ist durchaus der Mühe wert, das, was der Herr Pfarrer seinen Leuten damals gesagt hat, etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Wobei es eigentlich einem Katholiken bei dem Gedanken direkt unheimlich werden sollte, denn man glaubt es kaum, aber dennoch ist es so: Karol Wojtyla ist ein offizieller, richtiger Heiliger der Modernistenpseudokirche. Wenn man das Leben dieses Mannes übersieht, verschlägt es einem die Sprache: Wie kann ich nur einen solchen Mann mit solchen Worten und Taten für einen Heiligen halten? (Vgl. Vom Lehramt zum Leeramt IV.1.2.)
Wenn es aber so ist, wenn ich Karol Wojtyla – „mit all seinen großartigen Fähigkeiten, aber auch mit all dem, was an seinem Leben hinterfragt werden kann“ – für einen Heiligen halte, dann gibt es natürlich viel mehr Heilige, auch wenn diese nicht vom Papst heiliggesprochen sind. Ja, es wird dann jeder zum Heiligen, bei dem man spüren kann, was Menschlichkeit bedeutet. Also jeder moderne Gutmensch ist dann letztlich ein Heiliger!
Bei einem solchen Befund darf man doch wohl fragen: Wen wundert es dann eigentlich noch, wenn auch Martin Luther von dieser Menschenmachwerkskirche heiliggesprochen werden wird? Warum regen sich dann eigentlich noch die Konservativen und Traditionalisten darüber auf? Schlimmer als Karol Wojtyla ist Luther als Glaubenszerstörer auch nicht gewesen. Aber womöglich leiden die Konservativen und Traditionalisten inzwischen an erheblichen Wahrnehmungsstörungen, so daß sie das nicht mehr sehen können, erscheinen doch im Kontrast zu Bergoglio selbst Leute wie Roncalli, Wojtyla und Ratzinger wieder viel konservativer.
Eines wird jedenfalls in der Predigt des Pfarrers unübersehbar: Das Wissen um die wahre Heiligkeit ist in der Menschenmachwerkskirche inzwischen vollkommen erloschen. Wie soll es auch anders sein, wenn diese Leute nun schon seit beinahe 50 Jahren eine unheilige Liturgie feiern oder ihr bewohnen? Damit gewöhnt man sich sehr schnell an unheilige Heilige, an Heilige, die womöglich sogar in der Hölle sind. Und deswegen glauben auch schon viele sog. Traditionalisten nicht mehr an die heilige Kirche, sondern an eine unheilige Kirche, in der sich munter die Verdammten auf den Altären tummeln. Was anderseits auch wieder genau die richtigen Statisten zum unheiligen Ritus sind.
Wir Katholiken wissen Gott sei Dank noch, unsere Heilige sind nicht einfach nur Menschen, bei denen man spüren kann, was Menschlichkeit bedeutet. Unsere Heilige sind durch die Gnade Gottes große Helden, die Gott in heroischer Weise gedient haben. Sie sind Menschen, die die Tugenden in einem Maß geübt haben, daß man das mit rein menschlichen Kräften nicht mehr erklären kann. Die wahren Heiligen sind ein Wunder der göttlichen Gnade – und nur als solches recht zu verstehen. An ihnen kann man die verwandelnde Macht der Gnade sehen.
Bei einer katholischen Heiligsprechung wird der Glaube und der heroische Tugendgrad desjenigen untersucht, der heiliggesprochen werden soll. Heroischer Tugendgrad heißt, dieser Mann, diese Frau haben die Tugend in einer Weise geübt, daß sie natürlich nicht mehr erklärbar ist. Unsereins denkt beim Lesen einer Heiligenbeschreibung deswegen oft: Das könnte ich nicht! So geduldig, so demütig, so fromm, so leidensmutig, so gehorsam, so arm könnte ich nicht sein. Aber der Heilige kann das, und er kann das allein deswegen, weil seine Tugend durch die Gnade weit über menschliche Möglichkeiten hinausgewachsen, also heldenhaft geworden ist. Ein Heiliger ist mit der Zeit durch die Gnade so in Gott gefestigt, daß er keine freiwillige läßliche Sünde mehr begeht. Allein deswegen ist es auch vollkommen sicher, daß Gott ihn nach einem Leben der Vollkommenheit zu sich genommen hat. Der Heilige war immer schon ein Freund Gottes, ein vollkommen treuer Freund Gottes.
Heute blicken wir mit der hl. Liturgie zu diesen Helden Gottes empor in den Himmel. Eine große Schar sehen wir am Throne Gottes stehen: „Hierauf sah ich eine große Menge, die niemand zählen konnte, aus allen Völkern und Stämmen und Nationen und Sprachen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamme, angetan mit weißen Gewändern, und Palmen in ihren Händen. Sie rufen mit lauter Stimme: ‚Heil unserem Gott, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme!‘“ Möchte man sich da nicht mit den Chören der Engel und der Schar der Heiligen vereinen, um mit ihnen zusammen Gott gebührend zu loben und zu danken und über alles zu ehren. Gott war immer schon in ihrem Leben die Wonne ihrer Herzen, jetzt ist er es in Ewigkeit.
Damit uns heute, am Allerheiligentag, diese himmlische Wirklichkeit etwas gegenwärtiger ist, lassen wir uns diese von der hl. Hildegard noch etwas eingehender beschreiben (3. Buch Scivias: 13. Schau): „Und nun hörte ich eine Stimme aus der lichtdurchstrahlten Luft. Sie sprach zu mir: Lobgesänge gebühren dem hehren Schöpfer mit unermüdlicher Stimme des Herzens und Mundes, denn nicht nur die Stehenden und Aufrechten, sondern auch die Fallenden und Gebeugten führt ER durch seine Gnade zu den himmlischen Thronen. Daher siehst du, o Mensch, eine von Licht ganz durchglänzte Luft. Sie versinnbildet die lichte Freude und strahlende Herrlichkeit der himmlischen Bürger.“
Oh, wie schön ist es im Himmel, wie unvorstellbar herrlich ist es, in Ewigkeit ein Bürger des himmlischen Jerusalems sein zu dürfen. Da ist alles lichteste Freude, denn „Lobgesänge gebühren dem hehren Schöpfer mit unermüdlicher Stimme des Herzens und Mundes, IHM, der nicht nur die Stehenden und Aufrechten, sondern auch die Fallenden und Gebeugten … durch seine Gnade zu den himmlischen Thronen führt“. Gottes Sorge umhegt uns Tag für Tag. Nicht nur den Stehenden ist ER nahe, auch den Fallenden und Gebeugten wendet Er seine Gnade zu. Sie müssen sich nur möglichst sofort wieder aufrichten lassen, dann werden sie mehr und mehr in der Gnade gefestigt werden.
„Aus ihr tönen dir wundersam, gemäß all den Sinnbildern, die du schautest, mannigfaltige Klänge entgegen. Lobgesänge sind es auf die, die in den Himmelsfreuden wohnen, weil sie auf dem Wege der Wahrheit starkmütig verharrt sind, dann Klagelieder über die, die noch in der Sünde, aber zu den gleichen Lob- und Freudengesängen zurückgerufen sind. Wie die Luft das umfaßt und trägt, was unter dem Himmel ist, so besingt, wie du hörst, in allen dir enthüllten Wundern GOTTES der liebliche, wonnige Zusammenklang jeglicher Freude die Wunder der Auserwählten.“
Ja, die Heiligen sind Wunder Gottes, ewig wunderbare Wunder Gottes, die für immer in der Himmelsstadt weilen und mit inniger Hingebung in Gott verharren. Und nicht nur Gott gilt das Lob, sondern auch Seine Freunden für ihre Treue. Aber auch Klagelieder gibt es jetzt noch über diejenigen, die noch im Fegefeuer für ihre Sünden büßen müssen. Aber auch diese sind schon enthüllte Wunder der Barmherzigkeit Gottes. Dort, im Himmel, gibt es keine Aufregung mehr, keine Angst, kein Versagen mehr, da Gott alles in allem ist. Darum herrscht im Himmel ein wonniger Zusammenklang jeglicher Freude, jeder freut sich mit jedem und jeder freut sich über jeden.
„Jener erste Schall also singt wie die Stimme einer großen Menge in harmonischem Zusammenklang das Lob der himmlischen Wohnungen. Wie aus einer Seele und einem Herzen preisen diese Lieder die Herrlichkeit und Ehre der Himmelsbürger. Ihre Melodien tragen das in die Höhen empor, was das Wort kündet... So vernimmst du, o Mensch, der du armselig und gebrechlicher Natur bist, durch das Umfangen der Worte des blühenden Reises (d.i. Mariens) in einhelligem Gesang das Lied von der feurigen Glut jungfräulicher Reinheit (in Jesus); das Lied von der Erhabenheit der brennenden, in der Himmelsstadt flammenden Leuchten (das sind die hl. Engel); das Lied von der Weissagung geheimnistiefer Worte (nämlich der Propheten); das Lied von der weithin ergehenden, wunderbaren Lehre (der Apostel); das Lied von der Vergießung des Blutes der sich getreulich Opfernden (der Märtyrer); das Lied von den priesterlichen Geheimnissen (der Bekenner), und das Lied vom jungfräulichen Reigen der in himmlischer Grüne Blühenden (der Jungfrauen). Denn dem erhabenen Schöpfer frohlockt jede gläubige Kreatur in Jubel und Freude und opfert Ihm stets erneuten Dank.“
Wenn man diese Wort hört, möchte man sich doch am liebsten zu den Engeln und Heiligen gesellen und mit ihnen mitsingen, um Gott für all Seine Wundertaten über alles zu lobpreisen. Jeder hl. Engel und jeder Heilige ist ein einmaliges Zeugnis der Güte, Weisheit und Allmacht Gottes. Sobald die Engel und Heiligen dessen inne werden – und in der Ewigkeit sind sich sich dessen ununterbrochen inne – beginnen sie das Lob Gottes zu singen, denn nur die Liebe singt, singt ein ewig neues Lied auf den Gott, der die Liebe ist.
Sobald man jedoch als armer Sünder in dieser Welt diese Freude sieht, erinnert man sich daran, daß wir hienieden die Gnade noch in irdenen, zerbrechlichen Gefäßen tragen. Darum wollen wir die Engel und Heiligen eifrig um ihre Fürsprache und Hilfe anflehen. Sie sind unsere himmlischen Freunde und die Freunde Gottes. Was vermag nicht alles ihre Fürsprache bei Gott! Und wie viel Mut schenkt uns Ihr eigenes Vorbild. Ein Blick in den Himmel gibt immer wieder neue Zuversicht und neues Vertrauen. Haben doch die Heiligen selbst alle auch in unserer Welt gelebt und sich darin mit der Gnade Gottes bewährt, warum also sollte uns das nicht auch gelingen?
Der hl. Franz von Sales wohnte der Seligsprechung von Franz Xaver bei. Während der Feierlichkeiten wurde er innerlich so von der Gnade ergriffen, daß er ausrief: „Das war der dritte Franz, der selig wird, ich will der vierte sein.“ Und in der Tat, er ist es geworden! Das zeigt uns, was ernstliches Wollen vermag. Oh, ihr Heiligen im Himmel, helft uns, daß auch wir so ernstlich wollen können. Amen.