Schon damals, als Unser Herr auf diese Erde kam, da hat Ihn die Finsternis nicht ergriffen. Der Geist der Menschen war so verfinstert, daß sie das Licht nicht erkannten, das in diese Welt kam. Nicht anders ist es heute. Zwar feiert alle Welt Weihnachten, aber sie sieht darin nicht mehr das Licht, sondern nur noch die Finsternis: Konsum, Vergnügen, Sentimentalität…
Viele unserer Zeitgenossen wissen nicht einmal mehr, was Weihnachten überhaupt ist und was da gefeiert wird. Der Katechismus des hl. Pius X. erklärt uns: „Das heilige Weihnachtsfest wurde eingesetzt, um das Gedächtnis an die zeitliche Geburt Jesu Christi zu feiern.“ Das ist der wahre Grund unserer Freude: Das Licht kam in diese Welt! Er ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt. Daher die Lichter am Christbaum. Und Er ist gekommen, uns zu Kindern Gottes zu machen und uns mit Seiner Gnade zu beschenken. Darum das Fest der Kinder und der Geschenke.
Das heilige Weihnachtsfest, so belehrt uns der Katechismus, „hat vor allen anderen Festen zwei Dinge voraus: 1. daß nach dem alten Brauch der Kirche der Gottesdienst in der vorausgehenden Nacht an den Vigilien gefeiert wird; 2. daß von jedem Priester drei Messen zelebriert werden“. Außer an Weihnachten gibt es keinen Nachtgottesdienst in der heiligen Kirche, und drei heilige Messen werden sonst nur an Allerseelen gefeiert, um den Armen Seelen besonders reiche Gnaden zukommen zu lassen.
Warum aber „wollte die Kirche den Brauch beibehalten, den Gottesdienst in der Weihnachtsnacht zu feiern“? Sie tat es, „um mit größter Dankbarkeit das Gedächtnis an jene Nacht zu erneuern, in der der göttliche Erlöser geboren wurde und das Werk unserer Erlösung begann“. Es vollzog sich dieses Geheimnis in der Verborgenheit der Nacht, weil auch der göttliche Erlöser in der Verborgenheit der menschlichen Natur auf diese Erde kam.
In den drei Weihnachtsmessen legt uns die Kirche drei Dinge zur Betrachtung vor. „Im Evangelium der ersten Weihnachtsmesse legt uns die Kirche zur Betrachtung vor, daß die allerseligste Jungfrau Maria sich in Begleitung des heiligen Joseph von Nazareth nach Bethlehem begab, um dort nach dem Befehl des Kaisers ihre Namen eintragen zu lassen, und, weil sie keine andere Herberge fanden, Jesus Christus in einem Stall gebar und ihn in eine Krippe legte, aus der sonst Tiere fraßen.“ Wir nennen diese erste Messe, die „Missa in nocte – Messe während der Nacht“, auch das „Engelamt“.
Der „Schott“ beschreibt sie uns so: „Im Geiste versammeln wir uns in Groß St. Marien, dem stadtrömischen Krippenheiligtum und Bethlehem. Ringsum ist Nacht: ein Bild der Welt der Sünde und Gottferne. Da steigt aus dem Lichtschoß des ewigen Vaters (Intr.) der Sohn hernieder, Licht vom Lichte, und leuchtet auf in der Finsternis (Oratio). Wir lieben das Licht und fliehen die Sünde und Gottlosigkeit (Epistel). Im Evangelium wird uns die Frohbotschaft durch die Engel: 'Heute ist euch der Heiland geboren.' Bei der Opferung tragen wir freudig unsre Gabe und damit unser ganze Ich zum Altar; denn bald 'kommt er' (Offert.). Im Lichtglanz des Heiligtums (Grad.) wird er im hl. Opfer gegenwärtig und geht in der hl. Kommunion, stets neues Leben spendend, in unsre Seelen ein.“
Im Evangelium der zweiten Messe legt uns die Kirche zur Betrachtung vor „den Besuch einiger armer Hirten bei Jesus Christus…, die von einem Engel von seiner Geburt erfahren haben“. Wir nennen sie daher das „Hirtenamt“. Es ist die „Missa in aurora“, die Messe „in der Morgendämmerung“. Der „Schott“ dazu: „Die Nacht weicht zurück: es naht die Sonne, das Sinnbild Christi, der an Weihnachten als die wahre Sonne über der Menschheit aufgeht (Intr., Oratio, Grad.), die Finsternis verdrängt und uns voll unverdienter Huld mit seinem Licht und Leben erfüllt (Epistel). Durch das Evangelium im Geiste an die Krippe geführt, preisen wir mit den Hirten Gott ob all dessen, was wir da schauen. Opfernd gehen wir zum Altar, dem 'Throne' des neugeborenen Königs, und bringen dankbaren Herzens uns selbst dar (Offert.).“
Im Evangelium der dritten Messe schließlich legt uns die Kirche „zur Betrachtung vor, daß dieses Kind, von dem wir sehen, daß es aus Maria in der Zeit geboren wurde, von Ewigkeit her der Sohn Gottes ist“. Es ist dies der berühmte Johannesprolog, der sonst stets am Ende jeder Heiligen Messe als Schlußevangelium gelesen wird. Wir nennen diese Messe die „Missa in die“, die Messe „am Tage“. Sie ist das eigentliche Festhochamt.
Der „Schott“: „Nun sind wir zur eigentlichen Haupt- und Festmesse im Gotteshause versammelt. Christus, das Kind in der Krippe, ist der Herr des Weltalls, des Reiches der Natur und der Gnade, der König; auf seinen Schultern ruht die Herrschaft (Intr.). Er hat Macht über die Seelen, sie von der Knechtschaft der Sünde zu erlösen (Oratio). Er trägt das Weltall, thront zur Rechten der Majestät Gottes, ihm sind auch die Engel untertan (Epistel). Er ist das Wort Gottes, selber Gott; doch ist er unsretwillen Mensch geworden, um uns zu Kindern Gottes zu machen (Evang.). - Bei der Opferung bringen wir mit der Kirche des Himmels und der Erde uns selbst zum Throne des Gottkönigs, dem alles gehört (Offert.). In der hl. Kommunion schauen wir dankerfüllten Herzens das 'Heil unsres Gottes', das sich uns in der ewigen Kommunion des Himmels für immer offenbaren wird.“
Der Katechismus des hl. Pius X. erklärt uns, was die Kirche will, wenn sie uns „die Geheimnisse der drei Weihnachtsmessen zur Betrachtung vorlegt“. Sie will, „daß wir dem göttlichen Erlöser dafür danken, daß er für unser Heil Mensch geworden ist, daß wir ihn zusammen mit den Hirten anerkennen und als den wahren Sohn Gottes anbeten und daß wir auf die Lehren hören, die er uns durch die Umstände seiner Geburt schweigend gibt“. Was nämlich lehrt uns „Jesus Christus durch die Umstände seiner Geburt“? Er lehrt uns dadurch, „den Eitelkeiten der Welt zu entsagen und Armut und Leiden hochzuschätzen“. Das ist das Gegenteil von dem, was Weihnachten für die meisten heute bedeutet.
„Sind wir am Weihnachtsfest verpflichtet, drei Messen zu hören?“ fragt der Katechismus weiter. Die Antwort: Nein, wir sind „nur verpflichtet, eine Messe zu hören, aber er ist gut, alle drei zu hören, um den Intentionen der Kirche besser zu entsprechen“. Aus diesem Grund wurden bisweilen mancherorts alle drei Messen hintereinander gefeiert, um so auch den Gläubigen, die von weit her kamen, die Gelegenheit dazu zu geben.
Was nun „müssen wir zu Weihnachten tun, um den Intentionen der Kirche besser zu entsprechen“? Vier Dinge sind es, die wir dazu tun sollen: „1. uns am Vigiltag dadurch vorbereiten, daß wir das Fasten mit größerer Sammlung als gewöhnlich verbinden“. Der Vigiltag von Weihnachten hat ja als „Heiliger Abend“, an dem bei uns gewöhnlich das „Christkind kommt“, das Weihnachtsfest fast schon verdrängt. So erhält man zumeist auf die Frage, wann Weihnachten gefeiert wird, die prompte Antwort: „Am 24. Dezember“, und erntet große Überraschung, wenn man als korrekten Weihnachtstag den 25. Dezember nennt. Aber auch der Advent wird ja heute zumeist nur noch als lange vorgezogenes Weihnachten gefeiert und nicht mehr als jene Buß- und Fastenzeit, die dieses Fest vorbereiten soll. In Wahrheit ist der Vigiltag von Weihnachten ein gebotener Fast- und Abstinenztag.
Wir sollen „2. durch eine gute Beichte eine besondere Reinheit erreichen und ein besonderes Verlangen erwecken, den Herrn zu empfangen“. Schließlich kommt der Heiland alle Jahre aufs Neue mit Seinen übernatürlichen Gaben auf diese Erde, um sich nicht nur im menschlicher Gestalt, sondern in der Hülle der heiligen Kommunion besonders innig mit uns zu vereinigen. Damit dies umso besser und fruchtbarer gelingt, ist es angeraten, daß wir „3. wenn möglich in der vorausgehenden Nacht dem Gottesdienst und den drei Messen beiwohnen und dabei die betreffenden Geheimnisse betrachten“, sowie daß wir „4. diesen Tag, so gut wir können, zu Werken christlicher Frömmigkeit verwenden“.
Es lohnt sich sicherlich die Bemühung, Weihnachten einmal in dieser Weise zu feiern, statt nur mit Essen und Trinken, Spielen und Behaglichkeit. Eine ganz neue Art von Weihnachtsfreude wird sich einstellen, und wir werden uns reicher beschenkt fühlen, als wenn wir alle Wünsche dieser Welt erfüllt bekommen hätten.