Es gibt ein untrügliches Kennzeichen, woran der katholische Priester einen „Novus Ordo“-Besucher erkennt, der sich, aus welchen Gründen auch immer, in seine Heilige Messe verirrt hat: an dem verzweifelten Versuch, noch ein „Amen“ hervorzubringen, während der Priester daran ist, ihm den eucharistischen Heiland auf die Zunge zu legen. Ein ebenso untrügliches Kennzeichen verrät den Meßbesucher, der aus dem „traditionalistischen“ Umfeld stammt, nämlich dessen „liturgische Bewegung“.
Zwar weisen es die „Traditionalisten“ weit von sich, mit den Modernisten und ihrer „Neuen Messe“ etwas zu tun zu haben, wohl aber halten sie es mit deren Ahnen, der „Liturgischen Bewegung“ aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Deren Schlagwort war die „tätige Teilnahme“ der Gläubigen, wobei sie sich auf Papst Pius X. beriefen. Somit sehen sich auch die „Traditionalisten“, namentlich jene der „Piusbruderschaft“, gehalten, die „tätige Teilnahme“ an der Hl. Messe zu praktizieren.
Diese „tätige Teilnahme“ sieht folgendermaßen aus. In ihrer ersten Stufe besteht sie darin, daß der Gläubige sein eigenes Meßbuch in Händen hält, in welchem er selber die „Messe liest“. Dazu verwendet er ein „Volksmeßbuch“ mit landessprachlicher Übersetzung, etwa den „Schott“ oder den „Bomm“. Die meiste Zeit über läßt er seine Nase in sein Buch gesteckt – interessanterweise oft selbst dann, wenn der Priester seinerseits vor der Predigt aus dem „Schott“ das Evangelium in der Landessprache verliest – und blickt nur von Zeit zu Zeit auf, um zu sehen, wie weit der Priester mit seiner Messe ist, um sich einigermaßen mit dieser zu synchronisieren – was oft gar nicht so einfach ist, wenn z.B. der Priester recht schnell zelebriert. Das ist zweifellos eine anstrengende Tätigkeit, aber hinterher kann er sich befriedigt sagen, daß er aktiv die Messe gefeiert hat. Nimmt man ihm seinen „Schott“ weg oder hat er ihn zuhause vergessen oder feiert der Priester irgendeine Sondermesse, die er in seinem Buch nicht findet, so muß er untätig bleiben und ist umsonst gekommen, denn er konnte die Messe nicht mitfeiern.
Auf der zweiten Stufe finden wir so recht die „liturgische Bewegung“, denn unser Gläubiger, der mit seinem Meßbuch in der Hand die „Messe liest“, ist nun zusätzlich damit beschäftigt, an den jeweils richtigen Stellen aufzustehen, hinzusitzen, hinzuknien. Das verlangt hohe Konzentration und einiges mehr an Aufmerksamkeit, wenn der Priester eine Stille Messe feiert und man etwa den Zeitpunkt der Lesung nicht so ohne weiteres mitbekommt, zumal man ja mit seinem eigenen Meßlesen zu tun hat. Da mag es schon manchmal bis zum Ende der Epistel dauern, bis man endlich zum Sitzen kommt, was gleichwohl sein muß, damit man anschließend zum Evangelium aufstehen kann, um sich danach hinzuknien, aber ja nicht, bevor das Offertorium gebetet ist und der Kelch abgedeckt wird, was glücklicherweise zumeist durch ein Klingelsignal angezeigt wird, weshalb man dazu nicht eigens vom „Schott“ aufzusehen braucht.
Die Vollendung der „tätigen Teilnahme“ ist die der dritten Stufe, wo der Gläubige nicht nur die Messe liest und sich in Pantomime liturgisch bewegt, sondern auch die Messe spricht. „Say mass“, sagen die Engländer, „dire la messe“ die Franzosen für das Meßlesen oder die Zelebration der Hl. Messe. So kann sich der wahrhaft liturgisch bewegte Traditionalist, durch „dialogisierte Messen“ geschult und geprägt, kaum enthalten, selbst bei der Stillen Messe die Antworten des Ministranten halblaut mitzumurmeln oder die Gebete des Priesters mitzuwispern.
Der liturgisch unbewegte Katholik hingegen begnügt sich – wenn es sich nicht um ein gesungenes Amt handelt – damit, die „Messe zu hören“, d.h. der Heiligen Messe still und zumeist kniend in innerer Sammlung beizuwohnen, vornehmlich durch Hören und Schauen dem Geschehen auf dem Altar zu folgen und sich innerlich betrachtend damit zu verbinden, wozu das eine oder andere Gebet aus dem Gebetbuch, ein Text aus dem „Schott“ oder das Beten des Rosenkranzes eine gute Hilfe sein kann.
Er weiß, daß die wahre „tätige Teilnahme“ innerlich ist und in drei wesentlichen inneren Akten besteht, welche den drei Hauptteilen der Heiligen Messe entsprechen. Zur Opferung vollzieht er so den inneren Akt des Opferns; er opfert sich, seine Anliegen, seine Kreuze, seine Lieben, alles ganz und gar zusammen mit dem Heiland dem himmlischen Vater auf. Bei der Wandlung verrichtet er den inneren Akt der Anbetung; es ist der Gottmensch Jesus Christus, der nun mit Leib und Blut, Menschheit und Gottheit auf dem Altar gegenwärtig ist. „Venite adoremus! - Kommt, lasset uns anbeten!“ Bei der Kommunion vereinigt er sich geistig mit dem gekreuzigten und auferstandenen Heiland in Liebe und Dank, was er lobenswerterweise mit einer anschließenden sakramentalen Kommunion besiegelt. Noch vollkommener war seine Teilnahme, wenn er dies alles nach Anleitung des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort mit Maria, für Maria, durch Maria und in Maria getan hat. Auf diese Weise hat er wahrhaft tätig an der Heiligen Messe teilgenommen, was dem „liturgisch bewegten“ Katholiken meist gar nicht gelingt, weil er viel zu beschäftigt ist, seine eigene Messe zu feiern.