1. Das Wort „Fronleichnam“ ist eine alte, mittelhochdeutsche Übersetzung des lateinischen „Corpus Christi“ – „Leib des Herrn“ sagen wir heute. Wir feiern also an diesem Tag die leibhaftige Gegenwart Unseres Herrn Jesus Christus im heiligsten Altarsakrament.
2. „Die Anregung zu der Schaffung dieses Festes geht auf eine Vision der heiligen Juliana von Lüttich, einer Augustinerchorfrau, im Jahre 1209 zurück“, schreibt „Wikipedia“. „Diese berichtete, sie habe in einer Vision den Mond gesehen, der an einer Stelle verdunkelt war. Christus habe ihr erklärt, dass der Mond das Kirchenjahr bedeute, der dunkle Fleck das Fehlen eines Festes des Altarsakraments.“ Dietz-Rüdiger Moser weist in seinem Buch „Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf“ darauf hin, daß in der Symmetrie des Osterfestkreises tatsächlich eine Lücke klaffte. Es fehlte gewissermaßen das Pendant zur Vorfastenzeit, die etwa 70 Tage vor Ostern beginnt. Die österliche Zeit jedoch endet mit dem Pfingstfest, 50 Tage nach Ostern, und seiner Oktav. Fronleichnam verlängert die österliche Zeit quasi noch einmal, ertönt doch an diesem Fest noch einmal das feierliche Alleluja wie in der Osterzeit. Auch vom Sinn her bildet es den Gegenpart zur Vorfastenzeit, in welcher der Gegensatz zwischen Gottes- und Weltstaat und der Kampf zwischen beiden dargestellt ist, während hier nun der Triumphzug des Heilands und Seines Gefolges durch das himmlische Jerusalem stattfindet, über blumige und duftende Wege.
Im Jahr 1215 war auf dem Vierten Laterankonzil die Lehre von der Transsubstantiation, der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Unseres Herrn Jesus Christus, erklärt und dogmatisiert worden. 1246 wurde auf Anregung der heiligen Juliana in Lüttich erstmals eine Art Fronleichnamsfest gehalten. Juliana starb 1258, und im Jahr 1261 wurde Jacques Pantaléon, Erzdiakon von Lüttich, zum Papst gewählt. Er nahm den Namen Urban IV. an, mußte aber aufgrund
der Verhältnisse in Orvieto residieren statt in Rom. 1263 ereignete sich in Bolsena bei Orvieto ein Hostienwunder, das Urban IV. selbst bestätigte. Er hatte die blutige Hostie mit dem Korporale persönlich feierlich in Empfang genommen und das Volk damit gesegnet. Dieses Wunder und ein weiteres, das sich 1239 in Daroca in Spanien zugetragen hatte, veranlaßten ihn, den Wünschen, welche der Heiland der heiligen Juliana mitgeteilt hatte und von denen er Kenntnis besaß, zu entsprechen und das Fronleichnamsfest für die ganze Kirche einzuführen. In seiner Bulle „Transiturus de hoc mundo“ schreibt er: „Wir haben es daher, um den wahren Glauben zu stärken und zu erhöhen, für recht und billig gehalten, zu verordnen, daß außer dem täglichen Andenken, das die Kirche diesem heiligen Sakrament bezeigt, alle Jahre auf einen gewissen Tag noch ein besonderes Fest, nämlich auf den fünften Wochentag nach der Pfingstoktav, gefeiert werde, an welchem Tag das fromme Volk sich beeifern wird, in großer Menge in unsere Kirchen zu eilen, wo von den Geistlichen und Laien voll heiliger Freude Lobgesänge erschallen.“
Der heilige Thomas von Aquin, der dank seines Traktates über die Eucharistie in ganz hervorragender Weise der Lehrer des heiligsten Altarsakramentes ist, wurde mit der Schaffung des Propriums für Messe und Stundengebet beauftragt. Seine „Hymnen haben den Charakter des Fests entscheidend geprägt: Panis angelicus, Pange lingua, Adoro te devote, Verbum supernum prodiens und die Sequenz Lauda Sion“, wie wiederum „Wikipedia“ bemerkt. Dort lesen wir auch: „Das Konzil von Trient (1545–1563) bestätigte das Fronleichnamsfest und wertete es gleichsam zu einer gegenreformatorischen Demonstration auf. Es erklärte: 'Außerdem erklärt der heilige Kirchenrat, es sei eine vorzügliche fromme und erbauliche Sitte…, daß alle Jahre dieses erhabene und ehrwürdige Sakrament … durch die Straßen und öffentlichen Plätze herumgetragen werde.'“
3. Der heilige Papst Pius X. belehrt uns in seinem Katechismus: „Am Donnerstag nach dem Fest der allerheiligsten Dreifaltigkeit wird das Fest des allerheiligsten Altarsakramentes oder Fronleichnamsfest gefeiert.“ Auf die Frage, ob denn nicht die Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes bereits am Gründonnerstag gefeiert werde, lautet die Antwort: „Die Kirche feiert die Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes am Gründonnerstag; weil sie da aber vor allem mit Zeremonien der Trauer über das Leiden Jesu Christi beschäftigt ist, hat sie es für gut gehalten, ein anderes, besonderes Fest einzusetzen, um dieses Geheimnis mit voller Freude zu ehren.“ „Mit voller Freude“ bedeutet natürlich als Duplexfest I. Klasse mit Oktav. Aus einem ähnlichen Grund gibt es ja ein zweites Josephsfest, das nach Ostern gefeiert wird, weil der 19. März regelmäßig in die Fastenzeit fällt.
Doch auf „welche Weise können wir das Geheimnis ehren, das zu Fronleichnam gefeiert wird“? Um dies zu tun, sollen wir zunächst „mit besonderer Andacht und Inbrunst zur heiligen Kommunion gehen und dem Herrn aus ganzem Herzen danken, daß er sich einem jeden von uns in diesem Sakrament schenken wollte“. Es ist ja dies der tiefste Ausdruck und das tiefste Geheimnis der göttlichen Liebe, daß Er, der Sohn Gottes, Sich noch weiter erniedrigt, als Er es durch Seine Menschwerdung bereits getan hat, und sich in die Gestalt einer kleinen Hostie begibt, um Sich ganz mit uns zu vereinigen. Wie also könnten wir Ihm dies große Geschenk besser danken als durch eine würdige und andächtige Kommunion?
Wir sollen außerdem „an diesem Fest und, wenn möglich, während der ganzen Oktav den Gottesdiensten, besonders dem heiligen Meßopfer, beiwohnen und häufig Jesus, der unter den sakramentalen Gestalten verborgen ist, besuchen“. Nächst der sakramentalen und geistigen Kommunion ist ja die Teilnahme an der Heiligen Messe und der Besuch des Allerheiligsten die beste Art, wie wir dem verborgenen Heiland unseren Glauben, unsere Liebe, unseren Dank, unsere Ehrfurcht, Hingabe und Demut zum Ausdruck bringen können. Mit welchem Wohlgefallen ruht das Auge Unseres Herrn, gegenwärtig auf dem Altar und im Tabernakel, auf jenen, die zu Ihm kommen, weil sie an Ihn glauben und Ihn lieben.
4. Warum aber „wird am Fronleichnamstag die allerheiligste Eucharistie in feierlicher Prozession herumgetragen“? Dies geschieht zum einen, „um die allerheiligste Menschheit unseres Herrn zu ehren, die unter den sakramentalen Gestalten verborgen ist“. Es ist unser Gott und unser König, den wir als Sein Gefolge in großer Pracht und Herrlichkeit durch die Straßen tragen. Zweitens geschieht es, „um den Glauben zu beleben und die Andacht der Gläubigen zu diesem Geheimnis zu vermehren“. Es ist ja ein Bekenntnis unseres Glaubens, denn wir würden uns lächerlich machen, wollten wir ein Stück Brot in dieser Weise feierlich herumtragen und ehren. Aber es ist kein Brot, sondern der Gottmensch, und das verleiht der Prozession ihren Sinn und tiefen Wert.
Drittens tun wir es, „um den Sieg über die Feinde des Sakramentes zu feiern, den Er Seiner Kirche verliehen hat“. Noch befinden wir uns zwar im Kampfgetümmel, doch schon ist der Heiland als der Sieger in den Himmel eingezogen, und wir wissen den Sieg auf unserer Seite. So dürfen wir bereits den endgültigen Triumph und Sieg feiern, als kleinen Vorgeschmack auf den Himmel. Viertens endlich halten wir die Prozessionen, „um die Beleidigungen, die Ihm von den Feinden unserer Religion angetan werden, einigermaßen wieder gutzumachen“. Wieviel haben wir da gerade heute an Wiedergutmachung zu leisten, da auch Katholiken und sogenannte Katholiken das Altarsakrament so vielfach lästern und entheiligen! Allein der „Novus Ordo“ wäre ein Grund, tagtäglich Sühneprozessionen abzuhalten.
Wie nun „soll man an der Fronleichnamsprozession teilnehmen“, damit sie auch wirklich ihren Sinn erfüllt? Dazu soll man zunächst „mit großer Sammlung und Bescheidenheit“ teilnehmen, „ohne herumzuschauen oder unnötig mit irgendjemandem zu reden“. Schon am Fehlen dieser einfachen ersten Bedingung erkennt man meist die Leere und profane Hohlheit sogenannter Fronleichnamsprozessionen von „konziliaren“ Pfarreien. Zweitens sollen wir die Intention haben, „durch unsere Anbetung den Triumph Jesu Christ zu ehren“. Das bloße physische Mitmarschieren bedeutet nichts. Unsere innere Absicht, unser Wille, ist entscheidend.
Drittens sollen wir „Ihn demütig um Vergebung bitten für die unwürdigen Kommunionen und alle anderen Entweihungen, die diesem göttlichen Sakrament angetan werden“, und deren Zahl heute überall Legion ist, gerade und ausgerechnet auch am Fronleichnamstag. Viertens sollen wir in uns erwecken die Gefühle „des Glaubens, des Vertrauens, der Liebe und der Dankbarkeit gegenüber dem in der konsekrierten Hostie enthaltenen Jesus Christus“, und damit auch Sühne leisten für unsere eigene Lauheit und Nachlässigkeit, mit welcher wir Ihn so oft empfangen.
5. Fügen wir noch eine große Andacht zur allerseligsten Jungfrau hinzu, welcher wir diesen hochheiligsten „Fronleichnam“ verdanken. „Ave verum corpus natum de Maria Virgine. - Sei gegrüßt, du wahrer Leib, geboren aus Maria, der Jungfrau.“ Sie allein hat alle Häresien dieser Welt überwunden, indem sie uns diesen Leib geschenkt hat und mit Ihm das „Mysterium fidei“, das Geheimnis des Glaubens, der diese Welt überwindet.