Der Vorsehungsglaube des hl. Josef

Es hat Gott gefallen, den hl. Josef im Verborgenen leben zu lassen – das gilt nicht nur für sein irdisches Leben, sondern gleichermaßen auch für sein Leben in der hl. Kirche. Zunächst beginnt alles wie im Dunkeln einer Nacht, Josef erscheint nur wie eine Randfigur im göttlichen Drama der Erlösung und in der Geschichte der hl. Kirche. Der hl. Evangelist Markus etwa erwähnt den hl. Josef gar nicht. Die anderen Evangelisten erwähnen ihn zwar, doch recht zurückhaltend, kein einziges gesprochenes Wort wird von ihm überliefert. Die wenigen Stellen, an denen dann sein Name aufscheint, sind jedoch immer so bedeutungsvoll, daß man erahnen kann, was es mit diesem hl. Josef wirklich für eine Bewandtnis hat.

Wenn z.B. der hl. Johannes im ersten Kapitel von der Entdeckung des Messias berichtet: „Wir haben ihn gefunden“, sagt Philippus zu Natanael, „wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben: Jesus, den Sohn Josefs, aus Nazareth.“ Als Natanael ihm zweifelnd entgegnet: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ weiß Philippus nur begeistert zu antworten: „Komm und sieh!“ Der lange erwartete, vom ganzen Volk herbeigesehnte Messias ist Jesus, der Sohn Josefs, aus Nazareth. Der ewige Vater hatte offensichtlich Seinen in Ewigkeit gezeugten – „Gott von Gott, Licht von Licht“ – und jetzt menschgewordenen Sohn – „Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau, und ist Mensch geworden“ – genauso wunderbar wie wirksam vor den Augen der Welt versteckt, versteckt hinter dem hl. Josef. Es scheint direkt so, als ob der ewige Vater gewünscht und Seine Freude daran gehabt hätte, sein göttliches Vatersein hinter dem Vatersein des hl. Josef sorgfältig zu verbergen, damit das Geheimnis des Königs unentdeckt bleibe bis zur vorherbestimmten Zeit Seines öffentlichen Wirkens. Zwar ist der himmlische Vater der eigentliche Vater dieses Sohnes der Jungfrau Maria, doch in der Menschenwelt soll dies zunächst noch niemand wissen als die wenigen dazu Auserwählten. Josef vertritt Seine Stelle für eine kleine Weile von etwa 30 Jahren. Etwa 30 Jahre lang, soll er, Josef, der Schatten des himmlischen Vaters in dieser Welt sein – welch eine gewaltige Aufgabe! Darum hatte der himmlische Vater den hl. Josef aus allen Männern der Weltgeschichte sorgfältig ausgewählt und für diese mehr als ungewöhnliche Aufgabe vorbereitet. Josef stammt aus dem Hause David, damit durch ihn Jesus rechtmäßig Seinen erhabenen Titel als Sohn Davids, der Ihn als den Messias auszeichnet, tragen wird. Er ist zudem der wahre Ehemann der allerseligsten Jungfrau Maria und als solcher dazu bestimmt, die hl. Familie zu leiten, sie zu schützen und zu ernähren.

Beim hl. Evangelisten Lukas fällt auf, wie kunstvoll und umständlich er bei der Verkündigung den Sachverhalt berichtet, so daß der Name Josefs vor dem Namen Mariens erscheint: „Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazaret gesandt, zu einer Jungfrau, die mit einem Mann namens Josef, aus dem Haus David, verlobt war. Der Name der Jungfrau war Maria“ (Lk. 1,26f). Diese Art des Berichtes ermöglicht es ihm außerdem, das Wort Jungfrau zu wiederholen und dadurch darauf hinzuweisen, wie außergewöhnlich diese Jungfrau mit dem Namen Maria in den Augen Gottes war. Maria selbst aber wird vom hl. Evangelisten eingeführt als Braut Josefs. Dieser Name „Josef“ ist der Name eines berühmten Patriarchen, der in der Vergangenheit das Volk Gottes aus der Sklaverei in Ägypten rettete, und der wunderbare Name „Maria“, der gesegnet sei für immer, klingt hier wie ein Echo des ersteren. Josef stellt sich sozusagen bei dieser Szene der Verkündigung nur kurz vor, dann zieht er sich schnell und diskret wieder zurück, denn er liebt das Verborgensein über alles. Dennoch spürt man seine Anwesenheit überall aus den Kindheitserzählungen der Evangelien heraus. Der hl. Josef führt die hl. Familie durch diese Zeit der ersten Prüfungen – und es sind große, leidvolle Prüfungen. Er zeigt sich uns als ein Meister, wenn es darum geht, die Vorsehung Gottes zu verstehen und zu tun. Er lebt ganz und gar in und aus dieser göttlichen Vorsehung, ganz und gar mit dem Blick auf den göttlichen Vater, dessen Schatten er in dieser Welt sein soll und sein darf.

Der hl. Josef – Schutzherr der Kirche

Für uns heute lebenden Katholiken ist damit der hl. Josef ein wunderbares Vorbild und nachahmenswertes Beispiel. Erscheint uns Katholiken diese chaotische Zeit nicht wie eine einzige, unsere Kräfte übersteigende Prüfung? Leben wir nicht gleichsam inmitten eines riesigen geistesgeschichtlichen Strudels, der uns ständig auf den Grund zu ziehen droht, den Grund des Nihilismus, der absoluten Sinnlosigkeit einer gottlos gewordenen Welt? Durch den im kirchlichen Leben um sich greifenden Modernismus wurden und werden auch die Herzen der Katholiken von dieser Seuche mehr und mehr vergiftet, jener Seuche, von der Pius X. geschrieben hatte: „Hätte sich jemand die Aufgabe gestellt, Geist und Kern aller Glaubensirrtümer, die es je gegeben hat, zusammenzutragen, so hätte er dies nicht besser verwirklichen können, als es die Modernisten verwirklicht haben. Ja, sie sind noch weiter gegangen als alles und haben nicht bloß die katholische Religion, sondern – wie bereits bemerkt – jegliche Religion vollständig vernichtet“ (Enzyklika „Pascendi“). Dieses wahrlich diabolische Sammelbecken aller Häresien beherrscht nun schon seit mehr als 50 Jahren das postkonziliare Rom. Was sollten wir Katholiken tun? Woran sollen wir uns festhalten, orientieren, aufrichten?

Halten wir uns an das Vorbild des hl. Josef, der nicht umsonst von den Päpsten zum Schutzpatron der hl. Kirche erhoben worden ist. Lassen wir uns von seiner Ruhe und Stärke inspirieren, mit der er alle Prüfungen seines Lebens bewältigte, weil er immer am Willen des himmlischen Vaters festhielt und im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung unerschütterlich blieb. Lernen wir vom hl. Josef! Versuchen wir uns darum etwas eingehender in den Vorsehungsglauben dieses außerordentlichen Heiligen hineinzudenken und hineinzubeten, um daraus möglichst großen Gewinn zu ziehen.

Der hl. Josef in den Augen der Theologen des kirchlichen Lehramtes

Über die Kindheit und Jugend des hl. Josef wissen wir aus der hl. Schrift nichts. Aber die Theologen, also die Gottesgelehrten, haben sich Gedanken darüber gemacht, wer denn dieser hl. Josef eigentlich sei, wobei sie von dem Grundsatz ausgingen: Gott gibt den Heiligen Gnade und Vorzüge nach Maß der Aufgabe, die er ihnen auf Erden anvertraut. Zu was ist aber der hl. Josef auserwählt? Was sind die besonderen Aufgaben und Auszeichnungen seines Lebens? Er soll kein Geringerer sein als der Gemahl Mariens, der Mutter Jesu, der Pflegevater des menschgewordenen Gottessohnes und der Beschützer der hl. Familie. Wer auch nur eine einigermaßen wache Auffassung vom Reich der Gnade hat, dem wird bei all diesen drei Gedanken schwindelig werden. Welches Maß an Gnade muß dieser Mann haben, damit er diesen drei Aufgaben gerecht werden kann?

Zur ersten sagt der hl. Franz von Sales: „Um diese Reinheit und Jungfräulichkeit zu bewahren, war es notwendig, daß die göttliche Vorsehung sie der Obhut und Fürsorge eines Mannes übergab, der jungfräulich war, und daß die Jungfrau diese süße Frucht des Lebens, unseren Herrn, im Schatten der heiligen Ehe empfängt und gebiert ... nicht, daß Josef in irgendeiner Weise zu dieser heiligen und glorreichen Frucht beigetragen hätte, es sei denn allein durch den Schatten der Ehe ... Und obwohl er nichts aus sich selbst dazu beigetragen hatte, so hat er doch eine wichtige Rolle für diese heiligste Frucht seiner heiligen Braut gespielt; denn sie gehörte zu ihm und wurde direkt neben ihn gepflanzt, wie eine herrliche Palme neben eine von ihr geliebte zweite Palme. Gemäß dem Plan der göttlichen Vorsehung konnte und sollte sie keine Frucht hervorbringen, wenn nicht in seinem Schatten und unter seinen Augen.“

Zur zweiten schreibt Monsieur Olier: „Der bewunderungswürdige hl. Josef wurde der Welt geschenkt, um die hinreißende Vollkommenheit von Gott dem Vater auf greifbare Weise auszudrücken. In seiner Person allein trug er alle Schönheit Gottes des Vaters, seine Reinheit und Liebe, seine Weisheit und Klugheit, seine Barmherzigkeit und sein Mitgefühl. Ein einziger Heiliger wurde dazu bestimmt, Gott Vater widerzuspiegeln, während es einer unendlichen Menge von Geschöpfen, einer Vielzahl von Heiligen bedarf, um Jesus Christus darzustellen. Denn jegliche Arbeit der ganzen Kirche besteht allein darin, eine äußere Manifestation der Tugenden und der Vollkommenheiten ihres anbetungswürdigen Oberhauptes hervorzubringen, der hl. Josef aber repräsentiert allein den ewigen Vater ... Von daher muss der majestätische hl. Josef als die größte, die berühmteste, die unbegreiflichste Person der Welt angesehen werden ... Nachdem [der Vater] diesen Heiligen ausgewählt hat, um aus ihm sein lebendes Abbild auf Erden zu machen, gibt er ihm zusammen mit sich selbst einen Abglanz seiner unsichtbaren und verborgenen Natur mit auf den Weg, und meiner Ansicht nach befindet sich dieser Heilige in einem Bereich weit jenseits aller Verstehbarkeit durch den menschlichen Geist ...“

Zur dritten führt Papst Leo XIII. aus: „Noch dank einer andern hoheitsvollen Auszeichnung nimmt der heilige Joseph eine einzigartige Stellung unter den Menschen ein: durch den Ratschluß der Vorsehung war er nämlich der Beschützer des menschgewordenen Gottessohnes, da er in den Augen der Welt als dessen Vater galt. (Vgl. Luk. 3, 23; Joh. 6, 42.) Aus diesem Umstand ergab sich für das Wort Gottes eine demütige Unterwerfung dem heiligen Joseph gegenüber, so daß Christus in vollkommener Unterordnung seinen Befehlen gehorchte, wie es sich für ein Kind seinem Vater gegenüber geziemt. (Vgl. Luk. 2, 51.) Ferner brachte diese doppelte Ehrenstellung ganz natürlich die Verpflichtungen mit sich, die einem Familienvater von Amts wegen obliegen. Somit war der heilige Joseph zugleich der Beschützer, der Fürsorger, der natürliche und gesetzmäßige Sachwalter der heiligen Familie, deren Oberhaupt er war. Diese Ämter und Befugnisse hat er auch tatsächlich ausgeübt, solange er hienieden lebte. (Vgl. Luk. 2, 22 23 27.) Mit inniger Liebe und unablässiger Mühewaltung hat er seine Ehefrau und das göttliche Kind umsorgt. Er verdiente durch regelmäßige Arbeit ihren Lebensunterhalt. Er entzog Jesus der tödlichen Gefährdung durch den König Herodes, indem er für ihn eine ferne Zufluchtsstätte fand. (Vgl. Matth. 2, 13—15.) Inmitten der Beschwerden einer mühseligen Reise und während des bitteren Auslandaufenthaltes bewährte er sich zu jeder Stunde als Leidensgenosse, Beschützer und Tröster der heiligen Jungfrau und ihres Kindes.“

Die Schauungen der M.C. Baji über den hl. Josef

Gehen wir nun den einzelnen Vorzügen dieses großen Heiligen nach, immer im Hinblick auf seinen alles überragenden Vorsehungsglauben.

Von Maria wissen wir, daß sie sich schon vor ihrer Vermählung mit Josef durch ein Gelübde ewiger Jungfräulichkeit ganz und gar Gott geschenkt hat. Vor der Verlobung mit Josef mußte sie diesem also von ihrem Gelübde Mitteilung machen. Da der hl. Josef sie trotz dieses Gelübdes geheiratet hat – und ein solches Gelübde war zur damaligen Zeit etwas ganz und gar Außergewöhnliches – muß man davon ausgehen, daß auch er sich mit einem solchen Gelübde schon vor Gott gebunden hatte oder ein solches noch vor der Vermählung ablegte. Ersteres scheint der göttlichen Vorsehung angemessener zu sein. Gott führt die zwei reinsten Seelen zueinander, um sie in einem hl. Bund zu verbinden. Doch hat dieser Bund nicht den gewöhnlichen Sinn einer menschlichen Ehe, er dient nicht der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes, sondern er soll Voraussetzung sein für das kommende Leben des göttlichen Erlösers. Die jungfräuliche Ehe zwischen Josef und Maria ist der Lebensgrund für den kommenden Messias, der als Kind geboren werden und in einer Familie aufwachsen soll.

Wenn man mehr und Genaueres über die Zeit der Kindheit und Jugend des hl. Josef wissen will, sind wir auf die von der Kirche geprüften Visionäre angewiesen. Wobei die Kirche sich nur dafür verbürgt, daß die geprüften Visionen nicht im Widerspruch mit dem Glauben stehen, sie will jedoch nicht verbürgen, daß alles wirklich so gewesen sein muß, wie es die Visionäre berichten. Dennoch sind solche Schauungen heiliger oder heiligmäßiger Visionäre eine große Hilfe für uns, uns eingehender und tiefer in das Leben des hl. Josefs hineinzudenken. Bekannt sind die Schauungen der Äbtissin Maria Cäcilia Baij, O.S.B. über das Leben des hl. Josef. Maria Cäcilia Baij lebte im Benediktinerkloster in Montefiascone, wo sie 1713 eintrat. Sie trug unsichtbar die Wundmale Jesu und wurde von ihrem göttlichen Bräutigam aufgefordert, ihre Schauungen mitzuteilen.

Über die Geburt des hl. Josef schreibt sie: „Als die Zeit der Geburt Josefs nahte, bereitete sich seine Mutter mit glühenden Gebeten darauf vor. Es kam nun der bedeutungsvolle Tag. Mit großer Leichtigkeit gebar die Mutter ihren Josef. Durch diese Geburt wurden sowohl die Eltern als auch die helfenden Frauen sehr getröstet. Josef hatte einen engelhaften, ehrwürdigen und heiteren Gesichtsausdruck. Wenngleich in diesem Alter bei anderen Kindern die Gesichtszüge kaum unterschieden werden können, bemerkte man sie bei Josef sehr gut. Jeder, der ihn bloß anschaute, fand Trost. Wie die Eltern ihr Kind in so schöner Gestalt sahen, wurden sie in der Wahrheit, die der Engel ihnen im Traum geoffenbart hatte, befestigt. Nachdem die notwendigen Verrichtungen geschehen waren, dankte die Mutter Gott für die glückliche Geburt. Sie nahm das Knäblein auf den Arm und opferte es Gott auf mit dem Wunsche, es dem heiligen Tempeldienste in Jerusalem zu weihen. Gott aber hatte bereits bestimmt, Josef zum Wächter des lebendigen Tempels des Heiligen Geistes, nämlich der Mutter des göttlichen Wortes, zu machen. Der Allerhöchste nahm zwar die Sehnsucht und das Opfer der Mutter an. Wenn Er aber ihren Wunsch, Josef einmal als Tempelpriester zu sehen, nicht erfüllte, so tat Er es deshalb, um ihn eines höheren Berufes zu würdigen.“

Die göttliche Vorsehung hatte den hl. Josef auserwählt, „Wächter des lebendigen Tempels des Heiligen Geistes, nämlich der Mutter des göttlichen Wortes“ zu sein. Dafür bedarf es zweifelsohne außerordentlicher Gnaden. Das Leben dieses Kindes mußte in der Gnade zu einer Vollkommenheit heranreifen, die unsere Vorstellung weit übertrifft. Der moderne Mensch, der modernistische Theologe will das nicht mehr wahr haben – also für wahr halten und glauben! Er möchte das Leben dieser heiligsten Menschen auf das Niveau eines Durchschnittskatholiken herabziehen. Welch ein Unsinn, oder soll man besser sagen, welch ein Unglaube! In den Schauungen Maria Cäcilia Baijs ist von diesem modernistischen Geist noch nichts zu spüren. Sie führen uns im Gegenteil in eine Welt ein, die weit über unsere religiöse Erfahrung hinausgeht. Doch letztlich ist das bei jedem Heiligen der Fall, der nicht nur eine gewöhnliche, sondern eine heroische, also heldenhafte Tugend übt. Ihre Tugenden, ihre Gebete, ihre Leiden, ihre Prüfungen übertreffen unsere um Vieles. So ist es notwendigerweise auch beim hl. Josef. Die Vorsehung führt ihn den schmalen und steilen Weg der Vollkommenheit.

Wenn ein Heiliger eine außergewöhnlich Sendung zu erfüllen hat, dann greift Gott auch besonders in sein Leben ein. Gott muß ihn auf seine zukünftige Aufgabe vorbereiten. So war es gemäß den Visionen von Maria Cäcilia Baij auch beim hl. Josef: „In einer Nacht, als Josef schlief, erschien ihm der Engel im Traume und sagte ihm, Gott habe sehr große Freude darüber, daß er den Vorsatz machte, die ganze Zeit seines Lebens jungfräulich zu leben. Gott verheiße ihm Seine besondere Gunst und Hilfe. Dann zeigte ihm der Engel einen Gürtel von unvergleichlicher Kostbarkeit und Schönheit und sagte zu ihm: ‚Diesen Gürtel sendet Dir Gott zum Zeichen des Wohlgefallens, das Er an Deinem Entschluß hat. Und zum Zeichen der Gnade, die Er Dir gibt, um immer unvermindert den Glanz Deiner Reinheit zu bewahren, beauftragte Er mich, daß ich Dich mit diesem Gürtel umgebe‘. Der Engel näherte sich nun Josef und umgürtete seine Lenden mit dieser Gürtelschnur. Er befahl ihm, Gott zu danken für die ihm erwiesene Gunst und Gnade. Als Josef erwachte, erhob er sich sofort, kniete nieder und betete Gott an, Ihm innigst dankend für diese Wohltat. Josef wurde dadurch niemals von einer Versuchung gegen die Keuschheit belästigt. Obschon der Teufel ihn mit verschiedenen Versuchungen angriff, konnte er ihm in diesem Punkt nicht nachstellen, weil Gott es nicht zuließ. Der Allerhöchste bewahrte in ihm eine wunderbare Reinheit, so daß er wohl würdig war, Beschützer der Königin der Jungfrauen zu sein.“

Josef soll der reinste Bräutigam der allerseligsten Jungfrau Maria werden. Darum mußte er sich die Tugend der Keuschheit in höchstmöglicher Weise aneignen, was natürlich nur mit der Hilfe einer außerordentlichen Gnade Gottes möglich war. Da jedoch der hl. Josef vollkommen treu mit der Gnade mitwirkte und somit lernte, sich vollkommen zu beherrschen, gewährte ihm Gott die besondere Auszeichnung einer engelgleichen Reinheit, die in der Vision durch den Gürtel, den der Engel ihm umlegt, besiegelt wird: „Der Allerhöchste bewahrte in ihm eine wunderbare Reinheit, so daß er wohl würdig war, Beschützer der Königin der Jungfrauen zu sein.“

Unsere Visionärin berichtet uns zudem, Josef habe Maria schon vor seiner Vermählung gekannt, obwohl er sie niemals vorher gesehen hat, um mit ihr eine Gebetsgemeinschaft zu bilden: „Es befand sich damals im Tempel die heilige Jungfrau Maria, die zur Mutter des göttlichen Wortes bestimmt war. Ihre wunderbaren Tugenden wurden von allen anderen Tempeljungfrauen bewundert, besonders von jenen, denen sie zur Erziehung anvertraut war, und es wurde darüber auch in der Stadt geredet. Unser Josef aber wußte keine Neuigkeiten, denn er verkehrte mit niemanden. In einer Nacht aber sprach der Engel zu ihm im Traume und offenbarte ihm, daß im Tempel ein Mädchen sich befinde, das Gott so sehr teuer sei. Es werde vom Allerhöchsten überaus geliebt und bevorzugt; ja man könne sich die unendliche Liebe Gottes zu diesem Menschenkinde gar nicht vorstellen. Gott habe an ihm Sein größtes Wohlgefallen. Er ergötze Sich an ihm ob seiner seltenen Tugenden und seiner wunderbaren Reinheit und Heiligkeit. Diese Tempeljungfrau sei Maria, die Tochter des Joachim und der Anna, welch beide er ja gut kenne. Dies sagte der Engel zu ihm, auf daß er Gott lobe und Ihm für die Gnaden und Gunsterweise danke, die Er Maria erteilt hat. Er möge sich freuen, daß es auf der Welt ein Geschöpf gebe, das so würdig und Gott so wohlgefällig ist. Als Josef erwachte, erhob er sich und mit großem Herzensjubel dankte er Gott und lobte Ihn. Er freute sich sehr ob der erhaltenen Botschaft. Dabei fühlte er in seinem Herzen eine heilige Liebe zu dieser Jungfrau sich entzünden, sodaß er sehr oft zum Tempel ging, angezogen von der Neigung zu ihr. Obschon er sie niemals sah, liebte er sie doch ob ihrer seltenen Tugenden. Im Tempel betete er und dankte Gott, daß er Sich gewürdigt habe, der Welt eine so heilige Jungfrau zu senden. Er bat den Allerhöchsten, sie immer mehr mit Seinen Gnaden zu bereichern. Und wie sie an Alter zunehme, ebenso möge sie auch in der Tugend reifen. Gott nahm die Gebete unseres Josef mit Wohlgefallen an. Hierüber gab Gott auch Maria ein klares Licht. Er ließ sie die Frömmigkeit Seines Dieners Josef erkennen, Er teilte ihr mit, wie sehr derselbe für sie bete. Auf das hin betete auch Maria von nun an für Josef und flehte zu Gott, Er möge ihn mit Seiner Liebe und Gnade erfüllen. Gott erhörte in wunderbarer Weise die Bitten Mariens. Sowohl der heilige Josef, als auch die heiligste Jungfrau Maria empfahlen sich gegenseitig immer Gott, obwohl sie sich von Angesicht zu Angesicht nicht gekannt, noch jemals miteinander gesprochen hatten. Sie wußten jedoch alles durch göttliche Offenbarung.“

Wie gesagt, muß es nicht in allem genau so gewesen sein, wie es die Schauungen berichten. Dennoch zeigen uns diese Schilderungen der Maria Cäcilia Baij die Möglichkeiten Gottes auf, Großes in den Seelen zu wirken, die einen großen Glauben haben. Warum sollte Gott diese zwei heiligsten Seelen nicht geheimnisvoll miteinander verbunden haben, ehe sie sich überhaupt kannten? Hat er denn nicht auch die Seele eines Franz von Sales mit der einer Johanna Franziska von Chantal in einer Weise verbunden, die jede gewöhnliche Freundschaft himmelweit übersteigt? Sollte Gott nicht wollen, daß die beiden heiligsten Seelen füreinander beten und opfern und sich gegenseitig ermuntern, in der Liebe Gottes Großes zu vollbringen, wenn auch ganz im Verborgenen? So ferne ist dieser Gedanke gar nicht, wie er zunächst womöglich scheint.

Hierzu noch ein weiteres Detail aus den Visionen der Maria Cäcilia Baij: „Der Engel sagte einmal zu Josef, daß Maria sich ganz Gott hingegeben und ihre Jungfräulichkeit durch ein Gelübde Ihm geweiht habe, was Gott höchst wohlgefällig sei. Als der Heilige diese Mitteilung des Engels vernahm, wurde er ganz begeistert, Maria nachzuahmen. Auch er wollte durch ein Gelübde seine Reinheit Gott weihen. Doch da dies damals nicht üblich war, war der Heilige unschlüssig, ob er dies tun dürfe und ob es Gott angenehm sei, wenn er das Gelübde ablegen würde. So ging er zum Tempel, um Gott anzuflehen, Er möge ihm Seinen Willen in dieser besonderen Angelegenheit offenbaren. Nach vielen Bitten würdigte Sich Gott, ihm Sein Wohlgefallen kundzugeben, indem Er innerlich zu ihm sprach; Er sagte ihm, daß es Ihm wohlgefalle, wenn er seine Jungfräulichkeit durch ein Gelübde Ihm weihe. Er versicherte ihn Seines Beistandes und Seiner besonderen Gnade, damit er das Gelübde vollkommen beobachten könne. Josef wurde sehr getröstet, als er die Stimme Gottes vernahm. Sogleich legte nun auch er das Gelübde immerwährender Jungfräulichkeit ab. Als er dieses Versprechen machte, wurde sein Herz von unaussprechlicher Freude erfüllt. Diesen Jubel ließ Gott ihn fühlen, damit er um so mehr die Versicherung habe, wie lieb Ihm dieses gegebene Versprechen sei. Josef wurde auch eine Offenbarung zuteil, in der ihm Gott die vielen Vorzüge der erhabenen Tugend der Reinheit erkennen ließ; er kam dabei sozusagen außer sich vor Freude. Dadurch wurde Josef immer mehr für diese Tugend begeistert und sagte Gott innigsten Dank. Daraufhin kehrte er ganz getröstet und freudig in seine kleine Werkstatt zurück. Des Nachts sprach der Engel wiederum zu ihm und versicherte ihm, daß Gott die Gelübdeablegung, die er zur Nachahmung der Tugend Mariens machte, höchst willkommen sei.“

Die Vermählung des hl. Josef mit der allerseligsten Jungfrau Maria

Nach dieser Schauung wäre es also wirklich so gewesen: Gott hat zunächst diese zwei reinsten jungfräulichen Seelen in einem hl. Gelübde ewiger Jungfräulichkeit an sich gebunden, ehe sie sich überhaupt kannten, um sie dadurch auf ihren unvorstellbar heiligen Beruf vorzubereiten.

Da wir uns nun schon etwas in diese visionäre, aber durchaus mögliche Welt eingelesen haben, dürfen wir wohl auch noch fragen, wie es Gott in Seiner unaussprechlichen Vorsehung gefügt hat, daß der hl. Josef zum Bräutigam dieser heiligsten Braut wurde. Da Josef nach den hl. Evangelien kein großer Redner war, wird er wohl einfach durch seine Eltern dazu bestimmt worden sein. So denkt man zunächst, denn immerhin war das damals ein allgemein üblicher Brauch. Trotz dieser Annahme bliebe jedoch immer noch als Hindernis einer Vermählung das Gelübde der Jungfräulichkeit. Wobei man sich durchaus vorstellen kann, daß der hl. Josef ganz im Vertrauen auf Gottes Vorsehung hoffen konnte, daß er eine Braut finden könne, die dieses Gelübde anerkennen und womöglich gleichfalls ein solches Gelübde ablegen könnte.

Nach unserer Visionärin war der Hergang noch viel ergreifender. Josef hatte seine Eltern schon einige Zeit verloren und lebte allein in Nazareth, wo er eine sehr kleine Werkstatt hatte und arbeitete. „Josef hörte nun sagen, daß die heilige Jungfrau verheiratet werden solle. Deshalb wurden alle Jungmänner vom Stamme Davids verständigt, daß sie sich zum Tempel begeben sollten. Jener, der nach Gottes Willen zum Bräutigam Mariens bestimmt sei, werde sie zur Braut bekommen. Josef staunte darüber sehr und sagte: 'O selig jener, dem solch ein Glück zuteil wird!' Muß auch er als Nachkomme Davids zu dieser Entscheidung im Tempel sich einfinden? Er war sehr unschlüssig. Doch um dem Befehl zu gehorchen, schickte auch er sich an, zu dieser Begegnung mit Maria sich zu begeben. Er dachte aber, daß ihm ein so schönes Los nicht zuteil werden würde, da er doch seine Jungfräulichkeit Gott geweiht hatte. Trotzdem empfahl er sich Gott sehr an und bat Ihn um Seine Huld und Seinen Beistand in dieser so wichtigen Angelegenheit.“

Wie treffend die göttliche Vorsehung alles fügt. Da Josef aus dem Hause David stammt, ist auch er zur Brautschau geladen, der sonst niemals hinzugekommen wäre. Josef wollte einfach nur den Willen Gottes erfüllen, als er zu der festgelegten Zeit zum Tempel ging.

„Es hatten sich auch die übrigen Nachkommen Davids eingefunden und viele andere, die ebenfalls die heilige Jungfrau sehen wollten ob des großen Rufes, der in der Stadt verbreitet war. Der Priester gab die Erklärung ab, daß Maria mit einem Manne aus dem Stamme Davids verheiratet werden müsse. Er machte folgenden Vorschlag: Um den göttlichen Willen zu erkennen, wer von Gott zum Bräutigam der so würdigen Jungfrau bestimmt sei, möge jeder von ihnen einen dürren Zweig in der Hand halten. Man möge Gott anflehen, Er solle den Zweig desjenigen erblühen lassen, der zum Bräutigam Mariens bestimmt sei. Mit allgemeiner Zustimmung wurde dieser Vorschlag des Priesters angenommen und so getan. — Indessen flehte die heiligste Jungfrau Maria in ihrer Kammer Gott um Seinen Beistand und Seine Gnade an; Er möge ihr einen jungfräulichen Bräutigam auserwählen, der der Wächter ihrer Reinheit sei. Schon sah sie im Geiste, wie ihr der keuscheste und heiligste Josef zugewiesen werden wird. Darüber höchst erfreut, sagte sie Gott Dank.
Inzwischen verrichtete der Priester mit allen anderen ein Gebet, das sich auf den guten Ausgang der Sache bezog. Unser Josef stand hiebei an der abgelegensten Stelle, weil er sich für unwürdig erkannte. Da auf einmal sah er seinen Zweig erblühen und mit schneeweißen Blüten bedeckt werden. Das Wunderzeichen wurde gleich von allen angestaunt. Auf das hin sagten die Diener des Tempels und der diensthabende Priester, Josef sei von Gott zum Bräutigam der Jungfrau Maria bestimmt. Nach diesem Ereignis wollte Gott auch ein anderes offenkundiges Zeichen von dieser keuschesten Vermählung geben. Alle sahen nun eine schneeweiße Taube vom Himmel herabsteigen und sich auf das Haupt Josefs setzen. Durch dieses Zeugnis von Seiten Gottes wurden alle in Staunen versetzt und man hatte nun die Gewißheit, daß Gott Josef aus allen Bewerbern zum Bräutigam der heiligsten Jungfrau erwählt hatte. Alle freuten sich darüber; nur jene, die enttäuscht wurden, empfanden Schmerz über die für sie ungünstige Entscheidung.
Welche Gefühle das Herz des demütigsten Josef nun durchfluteten, kann jeder sich vorstellen.
Während er sich wegen seiner Unwürdigkeit schämte, wurde er zugleich ob des glücklichen Ausganges von Jubel erfüllt, und zwar in einer Weise, daß er in Verzückung geriet. Oft wiederholte er: 'Woher ist mir, mein Gott, eine so große Gnade geworden? Wann habe ich jemals ein so besonderes Geschenk verdient? O, mit Recht hat mir der Engel gesagt, daß Du mir eine überaus große Gnade zugedacht hast und daß ich mich darauf vorbereiten soll. Nun weiß ich, wer die reinste Taube ist, die mir in die Hand gegeben wurde, damit ich der Wächter ihrer Reinheit sei. Ich werde, mein Gott, dies sein, mit Hilfe Deiner Gnade und mit der Gunst meiner treuen Taube und Braut Maria.'
Indessen wurde die heiligste Jungfrau Maria herbeigeholt, damit der Priester sie mit Josef vermähle. Alle blieben hier, um dies zu sehen. Nun erschien die Jungfrau mit zur Erde gewandten Augen. Ihr Antlitz hatte eine wunderbare, jungfräuliche Röte. Beim Anblick ihrer Erscheinung wurde jeder in Staunen versetzt ob ihrer seltenen Schönheit, Anmut und einzigartigen Bescheidenheit. Alle beneideten Josef ob seines glücklichen Loses. Als Josef Maria sah, wurde er ganz verzückt, er weinte vor Freude. Der Heilige sah einen großen Glanz im jungfräulichen Antlitz seiner reinsten Braut und in seinem Herzen vernahm er die Stimme Gottes, die zu ihm sprach: 'Josef, Mein getreuer Diener, siehe, Ich mache Dir nun das verheißene Geschenk und gebe Dir zur Braut das teuerste Geschöpf, das Ich auf Erden habe. Ich übergebe Dir dieses Kleinod, auf daß Du dessen Wächter seiest. Diese reinste Taube wird Deine treueste Gefährtin sein. Ihr beide werdet Euch jungfräulich erhalten. Ist es doch gerade die Jungfräulichkeit, die Euch am innigsten verbindet. Die Liebe von Euch beiden wird sich nun zu einer Liebe vereinigen, die Mir geweiht sein wird. Bin doch Ich der Mittelpunkt dieser Liebe und das Ziel all Eurer Wünsche.'
Josefs Herz war voll von Trost und Jubel. Er wagte es nicht, seine reinste Braut anzuschauen; er fühlte sich jedoch angezogen von einer wahren, herzlichen Liebe und von einer zarten Weihe, anzuschauen und zu verehren die Schönheit und Majestät ihres Antlitzes. So oft er die Augen erhob, um sie zu sehen, war er entzückt. Er erkannte deutlich durch ein höheres Licht, daß seine Braut voll der Gnade war. Er verdemütigte sich aber und erkannte sich als den Unwürdigsten, mit ihr umzugehen. Oft sagte er: 'Wie hast Du, o mein Gott, mir eine so große Gunst erwiesen?' — Unterdessen nahm der Priester die religiöse Handlung vor, wie sie in jener Zeit gebräuchlich war. Während dieser feierlichen Handlung sahen die heiligen Brautleute aus ihren Herzen eine Flamme hervorbrechen, die sich zu einer einzigen vereinigte und zum Himmel stieg. Gott bestätigte mit diesem sichtbaren Zeichen das, was Er Josef in seinem Innern vernehmen ließ, nämlich, daß ihre Liebe zu einer einzigen vereint und Gott der geliebte Gegenstand in der Ehe sein werde.“

Die größte Prüfung im Leben des hl. Josef

Man möchte bei diesen Beschreibungen fast ausrufen: Gepriesen sei Gott ob Seiner wunderbaren Vorsehung. Der hl. Josef war begreiflicherweise voller Glück und Freude, eine solche von Gott geliebte, heilige, reine Braut sein eigen nennen zu können. Mit welcher Ehrfurcht wird er sie in sein Heim eingeführt haben. Und wie waren die Tage so voll unbeschreiblichen, himmlischen Glücks. Ein Glück, das aber nur die Vorbereitung auf eine der größten Prüfungen im Leben des hl. Josefs war. Denn es kam der Tag der Verkündigung, und seine Braut empfing vom Heiligen Geist denjenigen, vor dessen Namen sich alle Knie beugen, im Himmel und auf Erden und unter der Erde. Josef wußte nichts von diesem Geheimnis. Ganz ahnungslos verlebte er noch die Tage, bis zu dem Tag, an dem er zum ersten Mal unsicher wurde: Erwartet seine Braut ein Kind? Natürlich erschien ihm das Erkannte unmöglich. Seine Braut war so rein, so heilig, so fromm, so gottverbunden, wie man es sich nur denken konnte. Wie sollte sie jetzt ein Kind erwarten, ein Kind von wem? Ein verwirrender, ängstigender, ja geradezu unheimlicher Gedanke. Es folgten für den hl. Josef Tage schwerster Leiden – seelischer Leiden, Gedankenpeinen ohnegleichen! Tag und Nacht ließ es ihn nicht mehr los: Was sollte er nur tun? Er versuchte den Willen Gottes zu erforschen, versuchte eine Lösung des Rätsels zu finden, fand es aber nicht. Schließlich wollte er heimlich weggehen, wollte seine Braut verlassen und fern in der Fremde leben mit seinem zerbrochenen Herzen. Gott wußte, warum alles so war, und Gottes Willen sei über allem gepriesen in alle Ewigkeit!

Lassen wir uns nun den Fortgang des Geschehens von einem der größten Prediger der Ostkirche erklären, von Johannes Chrysostomus: „Es kam also der Engel, als Joseph bereits unruhig geworden war ...Siehst du, wie gut der Mann war? Nicht nur hat er seine Braut nicht bestraft, er hat auch mit niemandem davon geredet, nicht einmal mit ihr selber, an deren Treue er zweifelte, sondern einzig und allein mit sich selber ging er zu Rate; ja er suchte die Ursache seines Vorhabens sogar vor der Jungfrau selbst noch zu verbergen... Denn mit niemandem über etwas reden und dann das, was er nur in Gedanken mit sich herumgetragen, aus dem Munde des Engels hören war für ihn ein ganz unzweifelhaftes Zeichen, daß derselbe von Gott gesandt sei. Er allein kann ja die geheimen Gedanken des Herzens schauen. Sieh also, wozu dies alles gut war: der fromme Sinn Josephs hat sich geoffenbart... Diese von dir Geschiedene, sagt der Engel, behalte bei dir, da ja Gott es ist, der sie dir gibt, nicht ihre Eltern. Er übergibt sie dir aber nicht zur Ehe, sondern damit sie mit dir unter einem Dache wohne, und er übergibt sie dir durch diese meine Worte. Denn wenn er auch vom Heiligen Geiste ist, glaube deshalb nicht, die göttliche Vorsehung habe dir keine Aufgabe dabei zugewiesen. Wenn du auch zur Menschwerdung nicht mitgewirkt hast, wenn auch die Jungfrau unversehrt geblieben, so sollst du, freilich ohne das Vorrecht der Jungfrauschaft ihr zu nehmen, dennoch wie ein wirklicher Vater das Recht haben, dem Kinde diesen Namen beizulegen. Du sollst ihm diesen Namen geben. Denn wenn es auch nicht dein Kind ist, du sollst ihm dennoch sein wie ein Vater. Deshalb knüpfe ich schon von dem Augenblick an, wo ihm der Name gegeben wird, ein Band zwischen dir und dem Kinde...“ (Matthäus-Kommentar, 4. Homilie, aus: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 1, S. 68 ff.).

Ergänzen wir diese Worte des Goldmundes noch mit denen des Honigmundes, des hl. Bernhard von Clairvaux: „'Es ward der Engel Gabriel von Gott gesandt zu einer Jungfrau, die mit Joseph verlobt war.' Zu einer Jungfrau, die verlobt war. Warum verlobt? Da sie eine auserwählte Jungfrau war und, wie gezeigt wurde, eine Jungfrau, die empfangen, eine Jungfrau, die gebären sollte, so ist es auffallend, warum sie verlobt war und sich nicht vermählen sollte. Sollte dies ein Zufall sein? Wer möchte es behaupten? Nein, hier liegt kein Zufall vor, sondern ein vernünftiger Grund, ein höchst nützlicher und gebieterischer Grund, der Anordnung des göttlichen Ratschlusses vollkommen würdig. Ich will euch meine, vielmehr der Väter Ansicht darüber kundtun. Die Verlobung Mariens hatte den gleichen Grund wie der Zweifel des Thomas. Es war Sitte der Juden, vom Tage der Verlobung an bis zur Hochzeit die Braut dem Bräutigam in Obhut zu geben, damit er ihr um so treuer sei, je sorgfältiger er auf ihre Keuschheit geachtet hatte. Thomas zweifelte und berührte die Wundmale des Herrn und ward so der standhafteste Bekenner der Auferstehung Christi. Joseph verlobte sich mit Maria, prüfte zur Zeit dieser Überwachung mit Sorgfalt ihren Lebenswandel und ward so der treueste Zeuge ihrer Reinheit. Beide Tatsachen stimmen herrlich überein: der Zweifel des Thomas und die Verlobung Mariens. Beide konnten uns in einen ähnlichen Zweifel verstricken, dort am Glauben, hier an der Keuschheit; beide konnten die Wahrheit verdächtigen. Aber in überaus kluger und gütiger Weise geschah das Gegenteil. Woraus man Verdacht fürchtete, kam sichere Gewißheit. Auch ich, schwach wie ich bin, würde über die Auferstehung des Sohnes schneller Thomas glauben, der zweifelt und betastet, als Kephas, der hört und glaubt. Betreffs der Enthaltsamkeit der Mutter glaube ich leichter dem Bräutigam, der sie bewacht und prüft, als der Jungfrau selbst, die nur mit ihrem Gewissen sich verteidigt. Sag, wer würde sie nicht eher Buhlerin als Jungfrau nennen, sähe er sie unverlobt und schwanger? Es wäre aber ungeziemend gewesen, dies von der Mutter des Herrn zu sagen. Erträglicher und ehrenvoller war es, eine Zeitlang zu glauben, Christus sei aus dem Ehebund entsprossen, als hervorgegangen aus dem Laster.“

Gott prüft zwar den hl. Josef hart, aber diese Prüfung geht dennoch einerseits nicht über seine Kräfte, anderseits ist sie für uns eine große Gnade. Denn Josef wird zum Zeugen der Reinheit Mariens und zum Bewahrer und Schützer ihres Geheimnisses, wodurch er schon als Schutzpatron der hl. Kirche vorgebildet ist. Als er nicht mehr aus noch ein weiß, sendet Gott den Engel und tröstet den hl. Josef: „Josef, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Frau, heimzuführen; denn das in ihr Gezeugte stammt vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären: Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er nämlich wird retten sein Volk von seinen Sünden“ (Mt. 1,20f).

Damit beginnt ein ganz neues, unvorhergesehenes Leben für den hl. Josef, er wird ganz unvermutet zum Nährvater des Sohnes Gottes und zum Schutzherrn der hl. Familie. Der hl. Josef geht ganz in dieser neuen Aufgabe auf und wächst an der Seite des menschgewordenen Wortes Gottes zu einer schwindelerregenden Größe heran, die freilich zum Großteil verborgen ist hinter einem ganz alltäglichen Leben.

Die Geburt des göttlichen Kindes

Gottes Wege sind nicht unsere Wege, Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Diese Wahrheit begegnet uns augenscheinlich in der ersten Zeit des Zusammenseins von Josef und Maria. Nachdem der hl. Josef die schwerste Prüfung, wie wir sahen, glücklich bestanden hatte, kam die Zeit der Geburt. Die göttliche Vorsehung führte den hl. Josef nach Bethlehem und schließlich in einen Stall, eine Felsengrotte, wie wir es Jahr für Jahr am Weihnachtsfest betrachten. Josef lernte an diesem Tag, seine eigenen Vorstellungen zurückzustellen, um die göttliche Vorsehung vollkommener verstehen zu lernen. Josef sah ein, es mußte ein Stall sein, weil es die göttliche Vorsehung so wollte. So schwer es ihm auch fiel, diese Armut des neugeborenen Kindes zu sehen, so lieb hatte er sie anderseits auch wieder gewonnen, denn es war offensichtlich der Wille des Vaters. Josef verstand damit immer besser, daß alles im Leben des menschgewordenen Gottes ein Vorbild war und zugleich ein Gegenbild. Ein Vorbild für alle Menschen, immer den Willen des himmlischen Vaters über alles zu lieben, und ein Gegenbild zum Stolz des Teufels, den es zu besiegen galt. Das war nun wirklich ein Kampf ganz eigener Art, der hier entbrannte. Es dauerte deshalb auch nicht lange, bis man dem Kind nach dem Leben trachtete. Aber der hl. Josef war als Beschützer zur Stelle. Eilends, mitten in der Nacht, packte er schnell alles zusammen, was man für die Reise brauchen könnte, und floh mit dem Kind und der Mutter ins ferne Ägypten. Josef lernte, die Gewalt der in die Sünde verstrickten Menschen zu erdulden. Er lernte, auf Gott zu vertrauen, ohne ein Wunder zu fordern, eine Ausnahme für sich und die ihm Anvertrauten. Er lernte geduldig darauf zu warten, bis sich die Lage wieder beruhigt hat – auch wenn das mehrere Jahre dauerte, die er in Ägypten ausharren mußte. Josef blieb immer lernfähig, der Wille Gottes konnte ihn sanft und geschmeidig lenken, weil er sich vollkommen lenken ließ.

Der Nährvater Jesu

Das Größte aber im Leben des hl. Josefs war der Alltag von fast 30 Jahren, ein Alltag verbunden mit der Fähigkeit, kleine Dinge ganz groß zu machen. An der Seite seiner heiligsten Braut erlebte der hl. Josef Tag für Tag das Wunder aller Wunder, wie nämlich der menschgewordene Sohn Gottes vor ihren Augen vom Kind zum Erwachsenen heranwuchs. Wobei der hl. Josef nicht nur Zuschauer ist an diesem gottmenschlichen Schauspiel, sondern Mitspieler, Hauptdarsteller. Er, der einfache Zimmerer, ist der Stellvertreter des himmlischen Vaters, zu dem Jesus Christus wirklich auch „Vater“ gesagt hat, wie es der hl. Franz von Sales einmal so beeindruckend und innig schreibt: „Aber, oh siegreiche Mutter! Wer kann seine Augen auf deine Majestät richten, ohne zu deiner Rechten den zu sehen, für den dein Sohn sich aus Liebe zu dir so oft herabließ, ihn mit dem Titel Vater zu ehren, nachdem er dich mit ihm verbunden hatte durch das himmlische Band einer höchst jungfräulichen Ehe, auf dass er dein Beistand und Helfer sein möge bei der Führung und Erziehung seines göttlichen Kindes? O großer heiliger Josef! Vielgeliebter Gatte der so sehr geliebten Mutter, ach! Wie oft hast du in deinen Armen die Liebe des Himmels und der Erde getragen, während - entflammt von den süßen Umarmungen und Küssen dieses göttlichen Kindes - deine Seele vor Freude schmolz, wenn es zärtlich in dein Ohr flüsterte (o Gott, welche Süßigkeit!), dass du sein großer Freund wärest und sein geliebter Papa!“

Die Väterlichkeit ist sein Charakter und zwar Väterlichkeit mit allen Eigenschaften, die zu ihr wesentlich gehören: Ruhe und Überlegung, Selbstlosigkeit, Treue und Unerschöpflichkeit der Liebe. So begegnet uns der heilige Josef im Evangelium als unerschütterliche Ruhe in allen Ängsten, als die Geistesgegenwart in aufregendsten Vorkommnissen, als die Sanftmut und Geduld in quälenden Sorgen, als die bewunderungswürdigste Einfachheit und Schlichtheit bei den größten Gnadenbezeigungen und Ehrenvorzügen, als die ergiebigste Liebe und der unwandelbare Starkmut in der Pflichterfüllung. In diesen lieblichen und erhabenen Zügen trägt der heilige Josef ganz das Bild des himmlischen Vaters, welcher in der heiligsten Dreifaltigkeit auch die von einem Ende zum anderen ruhig und beständig fortwirkende göttliche Vorsehung darstellt. Der hl. Josef ist die wunderbarste Interpretation von der göttlichen Vorsehung in unserer Menschenwelt, weshalb die geistlichen Schriftsteller es lieben, ihn als den Schatten des himmlischen Vaters zu bezeichnen. Das drückt auch wirklich den ganzen Beruf und die ganze Größe des heiligen Josef auf die bündigste und erhabenste Weise aus. Dabei ist der hl. Josef nicht nur der Schatten des himmlischen Vaters in dem Sinne, daß er der Stellvertreter der Autorität des himmlischen Vaters an seinem Sohn ist, sondern auch insofern, als er durch den Anschein natürlicher Vaterschaft die Gottheit dieses Sohnes in der Zeit verdecken soll. Gott stellt den hl. Josef mit seiner gesetzlichen Vaterschaft wie einen Schatten zwischen sich und das Kind.

Der hl. Josef ist somit wirklich der Engel des Ratschlusses und der Heilige der Kindheit Jesu, er ist ihr Schützer, ihr Erzieher, man möchte sogar sagen, er ist die lebendige, geschaffene Vorsehung, die über ihn wacht. Das ist die eigentümliche Größe und Herrlichkeit des Berufes des hl. Josef.

Der hl. Franz von Sales hat dem heiligen Josef einen ebenso wahren wie schönen Ehrennamen gegeben, er nennt ihn „den Nährvater unserer Liebe zu Christus“. Nährvater Christi zu sein war seine erste Aufgabe; in ihr und durch sie ist er zu seiner zweiten herangereift, der Nährvater unserer Liebe zu Christus zu werden. Wir glauben, daß der heilige Josef die Sorgen seiner Vaterschaft in den Zustand seiner Vollendung mitgenommen hat; daß er seine Liebe zu Christus und Maria auf die Glieder des Leibes Christi überträgt und kein reineres und innigeres Verlangen kennt, als der Nährvater ihrer Liebe zu Christus zu sein. — „Zu meinem Fürsprecher und Herrn“ — Worte der heiligen Theresia von Avila — „erwählte ich den glorreichen heiligen Joseph und empfahl mich ihm recht inständig. Und in der Tat, ich habe klar erkannt, daß dieser mein Vater und Herr es gewesen, der mich sowohl aus meiner damaligen Not als auch aus anderen, noch größeren Nöten, die meine Ehre und das Heil meiner Seele betrafen, gerettet und mir sogar mehr noch verschafft hat, als ich zu bitten gewußt. Ich erinnere mich nicht, ihn bis jetzt um etwas gebeten zu haben, was er mir nicht gewährt hätte. Ja es ist zum Erstaunen, welch große Gnaden mir Gott durch die Vermittlung dieses glückseligen Heiligen verliehen und aus wie vielen Gefahren des Leibes und der Seele er mich durch ihn befreit hat. Andern Heiligen scheint der Herr die Gnade gegeben zu haben, nur in einem bestimmten Anliegen helfen zu können; diesen glorreichen Heiligen aber habe ich in allen Stücken als Nothelfer kennengelernt. Der Herr will uns ohne Zweifel zeigen, daß er ihm im Himmel alles gewähre, was er von ihm begehrt, nachdem er ihm auf Erden als seinem Nähr- und Pflegevater, der das Recht hatte, zu befehlen, untertänig gewesen war.“

So hat eine große Heilige die immerwährende Mission Josefs an sich erfahren, der Nährvater unserer Liebe zu Christus zu sein und an uns liegt es nun, gleichfalls diese Erfahrung zu machen und zu erleben, welche große Gnaden uns Gott durch die Vermittlung dieses glückseligen Heiligen verliehen und aus wie vielen Gefahren des Leibes und der Seele er uns durch ihn befreien möchte.