An den Vorfastensonntagen, welche der Fastenzeit vorausgehen, nämlich den Sonntagen Septuagesima, Sexagesima und Quinquagesima, und überhaupt während der ganzen Vorfastenzeit unterläßt die Kirche in der Liturgie das „Alleluja“ und verwendet die violette Farbe. Der Katechismus des heiligen Pius X. erklärt uns, warum das so ist: Die Kirche unterläßt in dieser Zeit „das Alleluja, das ein Ausdruck der Freude ist, und verwendet Paramente violetter Farbe, welche die Farbe der Traurigkeit ist, um die Gläubigen mit diesen Zeichen der Traurigkeit von den eitlen Freuden der Welt abzuhalten und ihnen den Geist der Buße nahezulegen“.
Der Mensch ist ja zur Freude geschaffen. Gott versetzte ihn sogleich ins Paradies, den Garten der Wonne. Doch durch die Sünde ging das Paradies verloren. Seither leben die Menschen als gefallene Kreaturen in einer gefallenen Schöpfung, sie leben nicht mehr im Zustand der Wonne, sondern im Stand der Buße. Nur in den himmlischen Dingen können wir wieder echtes Glück und Freude finden, vollkommen erst in der ewigen Seligkeit. Doch die Versuchung ist allzu groß, die Freude doch wieder in dieser Welt zu suchen, im weltlichen Vergnügen. Dieses aber kann uns nicht wahrhaft glücklich machen, es macht uns vielmehr oft noch unglücklicher, zumal wir infolge unserer erbsündlichen Wunden stets zum Übermaß neigen. Das ist der Grund, warum uns die Kirche von den eitlen Freuden der Welt abhalten und uns den Geist der Buße nahelegen möchte.
Dazu führt sie uns, wie der heilige Pius X. lehrt, bei den Gottesdiensten der Woche von Septuagesima zunächst „den Fall unserer ersten Eltern und ihre gerechte Strafe vor Augen“. Man kann gerade in unserer heutigen Zeit nicht genug daran erinnern, daß wir uns nicht im Stand einer reinen, mehr oder weniger gut geratenen, Natur befinden, sondern im Stand der Sünde, der Schuld, der gefallenen Natur, der Strafe. In den „Gottesdiensten der Woche von Sexagesima“ führt uns die Kirche „die allgemeine Sintflut vor Augen, die Gott als Strafe für die Sünder verhängt hat“. Als wäre die Sünde der Stammeltern nicht genug gewesen, so häufen die Menschen seither Sünde über Sünde hinzu, eine wahre Flut schrecklichster Laster und Sünden hatte bereits zur Zeit Noes die Erde bedeckt, sodaß Gott zur Strafe eine Wasserflut sandte, um diese auszulöschen. Zugleich jedoch wies Er den Weg der Erlösung, so wie Er bereits bei der Bestrafung der Stammeltern zugleich den Erlöser angekündigt hatte. Damals hatte Er von der Frau gesprochen und ihrem Samen, welche der Schlange den Kopf zertreten werde. Nun tilgte eine reine Wasserflut das Meer von Sünden als Hinweis auf die Taufe, und in einer Arche aus Holz wurden Noe, seine drei Söhne und ihre Frauen gerettet. Diese Arche war ein Hinweis auf die Kirche, durch welche wir gerettet werden, und zugleich auf das Holz des Kreuzes, an welchem Christus uns erlöst hat.
Im Gottesdienst „der ersten drei Tage der Woche von Quinquagesima führt uns die Kirche die Berufung Abrahams und den von Gott gewährten Lohn für seinen Gehorsam und seinen Glauben vor Augen“. Abraham ist unser großes Vorbild für den Glauben und den Gehorsam gegen Gott. In diesem Glauben und diesem Gehorsam war er bereit, seinen einzigen Sohn Isaak Gott zum Opfer zu bringen, der dadurch ein Vorbild Unseres Herrn Jesus Christus wurde. Auch dieser wurde von Seinem eigenen Vater für uns zum Opfer hingegeben, auch dieser trug Sein Kreuzesholz selbst empor zum Opferaltar auf Golgotha, wie Isaak das Holz zu seiner Opferung auf den Berg Moria getragen hatte. In gleicher Weise werden auch wir im Evangelium des Sonntags Quinquagesima mit den eigenen Worten Christi zu Seiner Kreuzesnachfolge berufen: „Seht, wir ziehen hinauf nach Jerusalem: dort wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten über den Menschensohn geschrieben haben. Er wird den Heiden ausgeliefert, verspottet, mißhandelt und angespien werden, man wird Ihn geißeln und töten; aber am dritten Tage wird Er wieder auferstehen.“
Jerusalem ist die heilige Stadt, das Bild des Himmels. Babylon ist ihr irdisches, weltliches Gegenstück. Der Aufruf, dem Heiland nach Jerusalem zu folgen, bedeutet Umkehr und Abkehr von Babylon. Babylon ist die Welt der Menschen, die ohne Gott leben, der Toren oder Narren. „Es spricht der Tor in seinem Herzen: Es ist kein Gott.“ Es ist der Weltstaat, wo die Menschen sich selbst lieben bis zu Verachtung Gottes, wie der heilige Augustinus sagt, im Gegensatz zum Gottesstaat, wo die Menschen Gott lieben bis zur Selbstverachtung. Darum tragen die Narren einen Spiegel in der Hand, in welchen sie selbstverliebt blicken, oder ein Narrenzepter, das mit ihrem eigenen Porträt geschmückt ist. Sie haben die Liebe nicht und sind daher nach dem heiligen Paulus ein „tönendes Erz und eine klingende Schelle“, wie wir in der Lesung vom Sonntag Quinquagesima hören. Daher die Narrenschelle.
Hat also die Fastnacht oder der Karneval auf diese Weise christliche und liturgische Wurzeln und eine tiefe Bedeutung, so konnte es doch aufgrund der menschlichen Gefallenheit nicht ausbleiben, daß er mehr und mehr in weltliche Lustbarkeit und sündhaftes Vergnügen ausartete. So stellt der Katechismus des heiligen Pius X. die Frage: „Wie kommt es, daß man trotz der Intentionen der Kirche zur Zeit von Septuagesima, Sexagesima und Quinquagesima mehr Ausschweifungen bei einem Teil der Christen sieht als zu irgendeiner anderen Zeit?“ Die Antwort lautet: „Man sieht zu dieser Zeit mehr Ausschweifungen bei einem Teil der Christen als zu einer anderen Zeit infolge der Bosheit des Teufels, der sich in der Absicht, den Intentionen der Kirche zu widersprechen, auf das äußerste anstrengt, die Christen zu einem Leben nach den Eingebungen der Welt und des Fleisches zu verleiten.“ Ruft auf der einen Seite Christus die Seinen auf, sich selbst zu verleugnen und Ihm mit Seinem Kreuz nach Jerusalem zu folgen, so sammelt auf der anderen Seite der Teufel seine Anhänger zu Vergnügen, Tanz und Spiel. Nirgendwo so deutlich wie in dieser Zeit treffen die beiden Banner, wie der heilige Ignatius in seinem Exerzitienbüchlein nennt, oder die beiden Parteien, von welchen der heilige Ludwig Maria Grignion in seinem Brief an die Freunde des Kreuzes spricht, so hart aufeinander und verlangen unsere Entscheidung: für oder wider Christus.
Was sollen wir also tun, „um den Intentionen der Kirche in der Zeit des Karnevals zu entsprechen“? Der Katechismus antwortet: „Um den Intentionen der Kirche in der Zeit des Karnevals zu entsprechen, sollen wir uns von gefährlichen Schauspielen und Belustigungen fernhalten und mit größerem Eifer dem Gebet und der Abtötung obliegen, indem wir das allerheiligste Sakrament öfter als sonst besuchen, besonders wenn es zur öffentlichen Anbetung ausgesetzt ist. Das sollen wir tun, um so viele Ausschweifungen zu sühnen, durch die Gott in dieser Zeit beleidigt wird.“ Darum wird in diesen Tagen da, wo es möglich ist, das „Vierzigstündige Gebet“ abgehalten vor dem ausgesetzten Allerheiligsten.
Natürlich ist es auch dem Christen nicht verboten, sich einige unschuldige Faschingsfreuden zu gönnen. Doch muß man stets auf der Hut sein und vor allem jene Veranstaltungen meiden, welche die Sitten gefährden. Es kann jedoch trotzdem sein, daß man, z.B. aus irgendwelchen beruflichen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen, „notgedrungen bei einer gefährlichen Karnevalsunterhaltung zugegen sein muß“. Was ist dann zu tun? „Wer notgedrungen bei einer gefährlichen Karnevalsunterhaltung zugegen sein muß, soll zuerst um den Beistand der göttlichen Gnade bitten, um jede Sünde zu vermeiden, sich dann mit großer Bescheidenheit und Zurückhaltung hinbegeben und sich danach durch die Betrachtung irgendeines Grundsatzes des Evangeliums sammeln.“ So wird die Seele keinen Schaden nehmen und treu in der Nachfolge Christi bleiben.