-
Am 11. Februar feiert die Kirche das Fest der Erscheinungen der Unbefleckten Empfängnis in Lourdes, die sich dort im Jahr 1858 zugetragen haben, 100 Jahre vor der Wahl Angelo Roncallis zum ersten „Konzilspapst“. Aus diesem Anlaß wiederholen wir hier einen kleinen Auszug aus unserem Beitrag „Signum magnum apparuit“, in welchem wir einige Aussagen des heiligen Papstes Pius X. zur Unbefleckten Empfängnis zusammengefaßt haben, die etwa in der Hälfte jener hundert Jahre anzusetzen sind, nämlich im Jahr 1904. Sind auch seither weitere über hundert Jahre vergangen, so sind die Worte dieses großen Papstes doch von bleibender Aktualität und gerade für uns ein Ansporn und ein Trost.
Zum 50jährigen Jubiläum des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis erscheint das Apostolische Rundschreiben Papst Pius' X. „Ad diem illum laetissimum“ vom 2. Februar 1904, in welchem er das Lob der Unbefleckten verkündet und sich ganz auf den Spuren des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort und seiner wahren Andacht zu Maria bewegt und so diesem marianischen Propheten und seinen Schriften gewissermaßen päpstliche Anerkennung zollt. Darin spricht er von seiner „zur allerseligsten Jungfrau gehegten dankbaren Liebe, welche Wir als ein Gnadengeschenk von ihrer ganz besonderen Güte alle Zeit hindurch gepflegt haben“.
Er verleiht seinem Verlangen Ausdruck, „daß nun bald jene großen Hoffnungen und Erwartungen erfüllt würden, zu denen Unser Vorgänger Pius (IX.) sowie sämtliche Bischöfe nicht grundlos veranlaßt wurden, sobald einmal die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis feierlich als Glaubenssatz ausgesprochen wäre“. Gegen jene, die es beklagen, „daß sich diese Hoffnungen bis auf den heutigen Tag nicht erfüllt haben“, weist er auf die „verborgenen Gnadenschätze“ hin, „welche Gott infolge der Vermittlerschaft der Jungfrau diese Zeit hindurch der Kirche gewährt hat“. „Wenn aber jemand hiervon absehen möchte, so denke man doch etwa an das Vatikanische Konzil, das ganz zum richtigen Zeitpunkt abgehalten wurde; man denke an die Erklärung über das keines Irrtums fähige Lehramt der Päpste als des höchst angemessenen Mittels gegen die bald darauf zum Ausbruch kommenden Irrtümer. Und erleben wir etwa nicht das Schauspiel eines neuen und nie dagewesenen Liebeseifers, mit welchem aus allen Ständen und aus allen Teilen der Welt die Gläubigen schon seit geraumer Zeit zusammenströmen, um dem Stellvertreter Christi öffentlich Verehrung und Huldigung zu erweisen? Oder muß man nicht die Vorsehung Gottes an jedem von beiden Unserer Vorgänger, Pius und Leo, bewundern, welche in sturmerfülltester Zeit währen einer Regierungsdauer, wie sie kaum einem anderen verliehen war, die Kirche derart ehrfurchtgebietend und gewissenhaft verwaltet haben?“
In diesem Zusammenhang sieht der heilige Papst auch die Erscheinungen Unserer Lieben Frau von Lourdes: „Kaum hatte Pius (IX.) die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis Mariens als verpflichtenden Glaubenssatz ausgesprochen, als in dem Städtchen Lourdes sich durch die Jungfrau selbst Wunder zu ereignen begannen und der mächtige und prachtvolle Bau des Heiligtums der Unbefleckten Gottesgebärerin errichtet wurde, bei dem auf die Fürbitte der Gottesmutter Wunderzeichen geschehen, welche hervorragend geeignet sind, den Unglauben der Menschen der Jetztzeit abzutun.“
Pius X. fährt fort: „So viele und so große Erweise von Güte hat Gott auf die milde Fürbitte der Jungfrau im Laufe dieser fünfzig Jahre erteilt! Sollen wir nun also nicht hoffen können, daß unsere Rettung näher ist als damals, da wir gläubig geworden sind? Und dies umso mehr, da es erfahrungsgemäß der Göttlichen Vorsehung eigen zu sein scheint, daß die befreiende Hilfe gerade dann am nächsten ist, wenn die Übel am äußersten und höchsten sind.“ So sieht er in diesem „signum magnum“ ein Hoffnungszeichen, einen wahren Regenbogen.
„Der Hauptgrund aber, weshalb Wir wünschen, daß die fünfzigjährige Jubelfeier des Tages der Erklärung der Unbefleckten Empfängnis der Gottesgebärerin als Glaubenssatz im christlichen Volk einen neuen, ungewöhnlichen Eifer anregen möchte, ist Unser, in Unserem früheren Rundschreiben ausgesprochenes Verlangen, alles in Christus zu heiligen (instaurare omnia in Christo). Denn wer hält es nicht für gewiß, daß es keinen sichereren und leichteren Weg gibt als durch Maria, alle mit Christus zu vereinigen und durch Ihn die vollkommene Annahme als Kinder zu erlangen, damit wir heilig und makellos vor Gott seien?“ Das ist auch der Grundsatz des heiligen Ludwig Maria und sein ständiges Gebet: „Adveniat regnum Mariae, ut adveniat regnum tuum. - Es komme das Reich Mariä, damit dein Reich komme, o Gott!“ Ganz in diesem Sinne fragt der Papst: „Gibt es denn einen mächtigeren und sichereren Beistand zur Erkenntnis und Liebe Christi als sie? Sind nicht ein trauriger Beweis für diese Wahrheit gerade jene, die – betört durch die List des bösen Feindes oder irregeführt durch falsche Vorurteile – meinen, an der Jungfrau als Helferin vorübergehen zu können? Diese Armen und Unglücklichen! Sie geben vor, Maria unbeachtet zu lassen, um Christus die Ehre zu geben, und sie wissen nicht, daß das Kind nicht anders zu finden ist als mit Maria, seiner Mutter.“
Der Papst betont die Wirkung des Glaubenssatzes von der Unbefleckten Empfängnis auf die Tugenden, insbesondere die Tugend des Glaubens. „Womit setzen denn tatsächlich die Hasser des Glaubens den Anfang bei der Verbreitung ihrer schweren Irrtümer nach allen Seiten, wodurch dann gerade bei vielen der Glaube zum Wanken gebracht wird? Sie leugnen, daß der Mensch durch die Sünde gefallen ist und aus seiner ehemaligen Würde verstoßen wurde.“ Diese Leugnung ist enthalten in der liberalen Auffassung von der allen Menschen von Geburt an eigenen und unverlierbaren „Menschenwürde“, während der Mensch doch in Sünde geboren wird und der Taufe bedarf, um seine Würde wiederzugewinnen.
„Deshalb zählen sie die Erbsünde und alle von ihr ausgehenden Fehler und Gebrechen zu den unwahren Erdichtungen, nämlich: die Verderbtheit des Menschengeschlechtes in seinen Stammeltern und die Ausdehnung derselben auf alle Nachkommen, die auf diese Weise erfolgte Hinaustragung von Leid und Verderben unter die Sterblichen und die daraus folgende Notwendigkeit eines Wiederherstellers. Unter diesen Voraussetzungen ist leicht einzusehen, daß es da für Christus keinen Platz mehr gibt, ebensowenig für die Kirche, für die Gnade und für eine übernatürliche Ordnung. Mit einem Wort, das ganze Gebäude der christlichen Wahrheit ist bis in das Innerste untergraben.“
Dagegen: „Wenn hingegen die Völker glauben und bekennen, daß Maria die Jungfrau im ersten Augenblick ihrer Empfängnis von jedem Sündenmakel frei geblieben ist, so bedeutet dies, daß dieselben auch die Erbschuld, die Wiederherstellung der Menschen durch Christus, das Evangelium, die Kirche und selbst das Gesetz des Duldens und Erleidens zugeben und annehmen müssen; damit haben aber die Völker alles, was mit dem 'Rationalismus' und dem 'Materialismus' zusammenhängt, völlig beseitigt und abgeschüttelt, und es bleibt der Vorzug der christlichen Weisheit bestehen: Wächterin und Verteidigerin der Wahrheit zu sein.“ Eben das ist, wie wir gesehen haben, der Inhalt der Erscheinungen von Lourdes, welche insbesondere auch das Verhältnis des Leidens und der Krankheit zur Sünde wieder neu betonen.
Pius X. weiter: „Auch dies ist eine allgemeine Verirrung der Feinde des Glaubens, namentlich in unserer Zeit, mit welcher sie in den Seelen den Glauben in Vergessenheit bringen: daß sie gegenüber der Autorität der Kirche und überhaupt gegenüber jeglicher (übergeordneten) Gewalt unter den Menschen die Ehrfurcht und den Gehorsam herabsetzen und laut schreien, diese von sich werfen zu müssen. Das sind die Ursprünge des 'Anarchismus', einer Gefährdung und eines Verderbens, wie es nichts Verhängnisvolleres gibt für die natürliche und für die übernatürliche Ordnung der Dinge.“ Es ist dies das liberale „Freiheits“-Streben, das auch unter Katholiken erheblichen Schaden angerichtet hat.
Auch hierfür ist das „signum magnum“ der Unbefleckten Empfängnis das Heilmittel. Denn „auch dieses für die staatlichen ebenso wie für die kirchlichen Verhältnisse gleichermaßen gefährliche Unheil vernichtet der Glaubenssatz von der Unbefleckten Empfängnis der Gottesgebärerin, denn er nötigt uns, der Kirche die obrigkeitliche Gewalt einzuräumen, welcher man sich nicht bloß durch die Zuneigung des Gemütes, sondern auch dem innersten Wesen nach zu unterwerfen hat. Denn wegen der so gearteten Unterwerfung des Denkens und der Absichten preist das christliche Volk die Gottesgebärerin: Ganz schön bist du, Maria, und der Makel der Erbschuld ist nicht in dir. Hieraus kann man wiederum schließen, daß die Kirche mit Recht von der erhabenen Jungfrau sagt, sie allein habe alle Irrlehren in der ganzen Welt aus dem Weg geräumt.“
Auf das große Zeichen aus der Apokalypse geht der Papst direkt ein: „Ein großes Zeichen, so beschreibt der Apostel Johannes die ihm von Gott gesandte Vision, ein großes Zeichen erschien am Himmel: ein Weib, bekleidet mit der Sonne, der Mond zu ihren Füßen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen. Niemandem ist es aber unbekannt, daß jenes Weib Maria die Jungfrau bedeutet, welche als Unversehrte Christus, unser Haupt, geboren hat. Und das Weib, so fährt der Apostel fort, war gesegneten Leibes, schrie in Wehen und war in Pein, zu gebären. Der Apostel sah also die heiligste Gottesmutter, obwohl sie sich bereits des ewigen Glückes erfreute, dennoch an geheimnisvollen Geburtswehen leiden. Was war denn das für eine Geburt? Unsere Geburt ist es offenkundig, die wir, in der irdischen Verbannung zurückgehalten, zur vollkommenen Liebe Gottes und zur ewigen Seligkeit noch geboren werden müssen. Ihre Geburtswehen aber bedeuten den Eifer und die Liebe, mit denen die Jungfrau in der himmlischen Heimat wacht und durch ihre fortwährende Fürbitte zu bewirken sucht, daß die Zahl der Auserwählten voll werde.“ Hier liegt eine weitere Erklärung für die Tränen Unserer Lieben Frau von La Salette.
Der heilige Pius X. beschließt sein Schreiben „mit dem erneuten Ausdruck der großen Hoffnung, durch die Wir gänzlich geleitet werden, daß durch die Wirkung der außerordentlichen Gnade dieses Jubeljahres, das Wir unter dem Schutze der Unbefleckten Jungfrau ausgeschrieben haben, recht viele, die sich elend und erbärmlich von Jesus Christus getrennt haben, zu Ihm zurückkehren werden, und daß im christlichen Volk die Liebe zur Tugend und die Glut der Frömmigkeit wieder zu glänzen beginne“. „Als Unser Vorgänger Pius es vor 50 Jahren als verpflichtende katholische Glaubenswahrheit verkündete, daß die seligste Mutter Christi vom Makel der Erbsünde völlig frei ist, da erlebte man, wie Wir bereits sagten, einen Überfluß an himmlischen Gnaden, welcher über die ganze Welt ausgegossen wurde, und das Wachstum der Hoffnung und des Vertrauens auf die jungfräuliche Gottesgebärerein bewirkte auch allerorts unter den Völkern eine beträchtliche Annäherung an die althergebrachte Gottesfurcht und Frömmigkeit. Was hindert uns daran, noch Großartigeres für die Zukunft zu erwarten?“ Wie der hl. Ludwig Maria vorhersagte: „Besonders gegen das Ende der Welt, und zwar schon bald, wird Maria auf Erden mit einem Eifer verehrt werden wie nie zuvor; denn gerade für die letzten Zeiten hat Gott beschlossen, im Verein mit seiner heiligen Mutter Heilige großzuziehen, welche die Mehrzahl der anderen Heiligen an Heiligkeit soweit übertreffen werden als die Zedern des Libanon über das nieder Gesträuch emporragen.“
Pius X.: „Gewiß sind die Zeiten, in die wir geraten, todbringend und verderblich; und auch wir könnten zurecht mit den Worten des Propheten laut klagen: Es ist keine Wahrheit, kein Erbarmen und keine Erkenntnis Gottes auf Erden. Lästerung, Lüge, Mord, Gaunerei und Ehebruch haben überhandgenommen. Aber siehe! In dieser Sündflut von Übeln erscheint vor unserem Blick das Bild des Regenbogens, die mildeste Jungfrau, und sie stellt sich gleichsam als Schiedsrichterin des Friedens zwischen Gott und die Menschen. Meinen Bogen setze ich ins Gewölk, und er sei zum Zeichen des Bundes zwischen mir und der Erde. Mag der Sturm wüten und der Himmel sich mit schwarzer Nacht des Grauens anfüllen: es sei niemand innerlich unsicher. Der Anblick Mariens wird Gott versöhnen, und Er wird uns Schonung beweisen. Und wenn der Bogen im Gewölke stehen wird, werde ich auf ihn schauen und gedenken des ewigen Bundes. Und es werden hinfort keine Wasserfluten mehr kommen, alles Fleisch zu vertilgen.“ Welch tröstliche Worte auch für uns und ein Hinweis auf das wahre Zeitalter des Regenbogens, welches ein Zeitalter Mariens ist.
So endet der heilige Papst mit dem auch vom hl. Ludwig Maria für die Letzten Zeiten geschauten Ausblick auf die schon im Paradies verheißene Schlangenzertreterin: „Fürwahr, wenn wir auf Maria, so wie es angemessen ist, zuversichtlich hoffen, besonders eben nun, da wir ihre Unbefleckte Empfängnis mit feurigerem Eifer verehren wollen, unter solchen Umständen werden wir es unmittelbar wahrnehmen, daß sie die mächtigste Jungfrau ist, welche den Kopf der Schlange mit jungfräulichem Fuße zertreten hat.“