1. Als Geistwesen besitzen wir Menschen zwei geistige Vermögen: den Verstand und den Willen. Mit dem Verstand erkennen wir die Wahrheit, mit dem Willen streben wir nach dem Guten. Der Verstand ist gewissermaßen unser geistiges Auge, mit welchem wir die Wirklichkeit schauen, unser Wille ist die geistige Kraft, mit welcher wir uns darin bewegen. Unser Wille hat die Macht, über uns zu bestimmen, ist aber blind. Um zu sehen, ist er auf den Verstand angewiesen, der ihm die Wahrheit zeigt. Der Verstand kann seine Einsicht dem Willen aber nicht aufzwingen, denn der Wille ist frei. Umgekehrt ist jedoch der Verstand der Macht des Willens unterworfen.
So kann es dahin kommen, daß der Wille aus irgendwelchen Beweggründen dem Verstand befiehlt, die Wahrheit nicht zu erkennen bzw. nicht zu zeigen oder sie zu verfälschen. Beispielsweise kann jemand, der gerne zu viel raucht und das nicht ändern will, seinen Verstand soweit bringen, ihm nichts mehr über die Schädlichkeit des Rauchens zu sagen bzw. ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Kommt es auf diese Weise zu einer systematischen Verfälschung der Wahrheit und wird diese geradezu als Lehrgebäude aufgerichtet, sprechen wir von einer Ideologie.
2. Ein Ideologe reinsten Wassers war Martin Luther mit seinem bekannten Ausspruch: „Sic volo, sic jubeo, sit pro ratione mea voluntas. - So will ich, so befehle ich, mein Wille stehe für die Begründung (bzw. für die Einsicht oder Vernunft)“. Seine ganze Lehre gründet auf seinem Willen, nicht auf der Wahrheit. Natürlich brauchten auch alle Gewaltherrscher, die nicht nach Wahrheit und Gerechtigkeit regierten, Ideologien zur Stützung ihrer Macht. Der Antichrist wird schließlich nach Aussage der Heiligen Schrift nicht ohne seinen Ideologen, den Lügenpropheten, auftreten.
Doch kehren wir wieder zurück ins Gefilde der eher alltäglichen Ideologien, von denen es unzählige gibt auf allen Gebieten und Ebenen. Auch die sogenannte Wissenschaft ist davon in keiner Weise frei, denken wir nur an die allgegenwärtige und alles durchdringende Ideologie des Evolutionismus. Es ist geradezu ein Kennzeichen unserer heutigen Zeit des Abfalls von Gott, daß sie von Ideologien beherrscht wird. Wer die Wahrheit zurückweist, wird notwendig ein Sklave der Lüge. Ideologien prägen die Politik im großen wie im kleinen, werden über die Medien überallhin transportiert und formen die Gesellschaft. Man spricht von „political correctness“ und meint nichts anderes als brave Unterordnung unter die vorgegebene Ideologie. Das weist schon wieder auf den antichristlichen Charakter der Zeit, in der wir leben.
3. Bezeichnend für unsere Epoche des großen Abfalls ist das Eindringen der Ideologie auch in den Hort der Wahrheit, den Raum der Kirche. Das „II. Vatikanum“ und die Jahrzehnte danach stellen nichts anderes dar als den Versuch, den Katholiken statt der katholischen Wahrheit eine Ideologie im Gehorsam aufzunötigen. Zurecht setzten sich einige der besonders tapferen dagegen zur Wehr, und wir können es nur überaus tragisch nennen, daß gerade sie zum großen Teil doch wieder Opfer von Ideologen geworden sind.
Die Ideologie, die man den armen „Traditionalisten“ aufgedrückt hat, wurde von den praktischen Amerikanern in die Kurzformel „Recognize and Resist (R&R)“ zusammengefaßt: Anerkenne und widerstehe! D.h. man soll den jeweiligen Mann in Rom als rechtmäßigen katholischen Papst anerkennen und ihm gleichzeitig den Gehorsam durchaus verweigern. Das aber ist ein Widerspruch in sich, denn den Papst anerkennen bedeutet nichts anderes als ihm zu gehorchen. Nun soll man ihn anerkennen und ihm gehorchen und ihm gleichzeitig nicht gehorchen, ihn also nicht anerkennen? Wie soll das gehen?
Natürlich kann man den Papst grundsätzlich als Papst anerkennen und ihm trotzdem ungehorsam sein, sei es unberechtigt oder in diesem oder jenem speziellen Einzelfall sogar berechtigt. Man kann ja auch an Gott glauben und trotzdem seinen Geboten zuwiderhandeln. Aber daraus ein Prinzip zu machen, ist Ideologie. Damit wären wir wieder bei Luther: „Sündige tapfer und glaube noch tapferer!“ Ist das viel anders, als wenn ich sage: „Anerkenne den Papst und widerstehe ihm!“?
4. Ein treffliches Exempel lieferte unlängst einer der Chefideologen der „Piusbruderschaft“. In einem auf den „Pius-Webseiten“ veröffentlichen Beitrag macht er sich tiefsinnige Gedanken über „zwei ganz verschiedene Initiativen von Papst Franziskus“, welche Anlaß gäben „zu ernstem Nachdenken“. Als nämlich „die Menschheit im August und Anfang September des letzten Jahres am Rand eines Weltkrieges stand - Russland unterstützte in Syrien Präsident Assat, der Westen die fanatischen moslemischen Aufständischen - rief der Heilige Vater die ganze Christenheit zu Gebet und einem Tag des Fastens auf. Auf dem Petersplatz wurde eine vierstündige Gebetswache vor ausgesetztem Allerheiligsten mit traditionellen liturgischen Gesängen und Gebeten abgehalten.“ Die Erhörung erfolgte prompt, fast wie bei den „Rosenkranzkreuzzügen“ der „Piusbrüder“: „Wenige Tage danach war die Gefahr wie durch ein Wunder gebannt. Gott erhört die Seinigen, wenn sie seine Majestät und Oberherrschaft über die ganze Welt anerkennend zu ihm um Hilfe rufen.“
Ganz anders in diesem Jahr, in welchem es „eine andere Initiative“ gab: „Anlässlich seines Israel-Besuches lud der Papst den israelischen Staatspräsidenten Peres, also einen Juden, und den Palästinenser-Präsidenten Abbas, einen Moslem, in den Vatikan zu einem Friedensgebet für den Nahen Osten ein. Dieses Treffen fand am Pfingstsonntagabend in den Vatikanischen Gärten statt. Vertreter der drei Religionen formulierten Gebete, wobei der islamische Iman den vorgesehenen Rahmen sprengte und aus einer Sure des Koran zitierte, in welcher die Ungläubigen - nach Auffassung des Islam sind dies vor allem die Christen und Juden - verflucht werden; doch ist dies nur ein Nebenumstand.“ Wichtig ist vielmehr wieder die umgehend erfolgte Antwort des Himmels: „Unmittelbar nach diesem Ereignis brach der Bürgerkrieg im Irak aus und jetzt dazu der mörderische Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, also genau in jener Region und unter jenen Völkern, deren Vertreter mit dem Papst für den Frieden gebetet haben. Offensichtlich hat Gott das Friedensgebet nicht nur nicht erhört; vielmehr fordert die Vermischung der sogenannten drei abrahamitischen Religionen - Christentum, Judentum und Islam - seinen Zorn heraus.“
Daraus schließt unser Beobachter messerscharf: „Handelt der Papst im Geiste der Kirche als wahrer Nachfolger Petri, so wirkt Gott sichtbar sein Heil im Leben der Völker. Handelt der Papst dagegen gemäß den liberalen Ideen der Aufklärung und der Ringparabel Lessings, dann führt Gott seine Kirche nicht nur nicht aus der Krise heraus, sondern züchtigt die Völker durch Krieg, Aufruhr, Terror, Unruhen und Katastrophen.“ Die Ausführungen münden in einen Hymnus auf die „Pius“-Ideologie: „Wie ausgewogen, realistisch und weise ist darum die Haltung der Priesterbruderschaft St. Pius X. und ihres Generaloberen, Bischof Fellay, in der heutigen Krise: Wir anerkennen den Papst und beten für ihn mehr denn je; seinem liberalen und relativistischen Kurs können und dürfen wir dagegen nicht folgen. Wir sind weder schismatisch oder halten es mit den Papst-Absetzern, noch sind wir liberal, sondern katholisch, römisch-katholisch.“ Der Beitrag schließt ausgerechnet mit einem souverän frei abgewandelten Wort der Heiligen Schrift: „Wer Augen hat zu sehen, der sehe (vgl. Mt. 13, 13).“
Wir möchten darauf ein anderes, nicht abgewandeltes Wort des Heilands entgegnen: „Zum Gericht bin ich in die Welt gekommen, damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden“ (Joh 9,39). Oder wie ist es zu erklären, daß unser „Sehender“ hier so blind ist und geflissentlich übersieht, daß auch die Syrien-Initiative seines „Heiligen Vaters“ vom vorigen Jahr bereits ein interreligiöser Gebetsaufruf gewesen ist? Wir zitieren hier die damaligen Worte Bergoglios nach einem Bericht von „Radio Vatikan“: „Möge der Schrei nach Frieden laut aufsteigen, damit er das Herz aller erreicht und alle die Waffen niederlegen! Darum, liebe Brüder und Schwestern, habe ich entschieden, für die ganze Kirche am 7. September, der Vigil des Festes Mariä Geburt, einen Tag des Fastens und des Gebets für den Frieden in Syrien, im Nahen Osten und weltweit anzusetzen. Ich lade auch die nicht-katholischen christlichen Brüder, die Angehörigen anderer Religionen und alle Menschen guten Willens dazu ein, sich dieser Initiative anzuschließen“ (RV). Wir sehen daher nicht so recht den wirklichen Unterschied zwischen dieser interreligiösen Initiative und der diesjährigen, außer daß letztere den Aufruf konkret im Vatikan verwirklichte. Und wieso der Himmel jeweils so verschieden reagiert haben soll (zumal der „Schrei nach Frieden“ ja gar nicht an ihn adressiert war, sondern nur „aufsteigen“ sollte, um „das Herz aller“ zu erreichen), ist uns wahrhaft ein Rätsel.
Kein Rätsel ist uns das Zustandekommen dieser Blindheit. Sie ist ein Resultat der Ideologie des „Recognize and Resist“, die hier auf Biegen und Brechen belegt werden soll. Ideologen stehen ja unter ständigem Beweiszwang, und pseudomystische Beweise haben bei ihnen Hochkonjunktur. Das aber geht nur auf Kosten der Wahrheit. Sich dabei mit einem mißbrauchten und entstellten Heilandswort auch noch als besonders hellsichtig auszugeben, macht die Sache recht bedenklich. „Wenn ihr blind wärt, so hättet ihr keine Sünde; nun aber sagt ihr: Wir sehen! So bleibt eure Sünde“ (Joh 9,41).
5. Als wäre der bisherige Befund nicht bereits traurig genug, müssen wir leider feststellen, daß auch solche, welche endlich im „Widerstand“ den Fängen genannter „Piusbruderschaft“ entronnen zu sein schienen, nach wie vor Gefangene von deren Ideologie sind. In ihren geistigen Augen finden sich sozusagen zwei blinde Flecken, ein heller und ein dunkler. Der helle gleicht der Sonne, in die man bekanntlich nicht schauen kann. Vor gleißender Helligkeit kann man gar nichts erkennen und droht sogar völlig zu erblinden, wenn man den Blick nicht bald abwendet. Der dunkle hingegen gleicht einem schwarzen Loch, das jegliches Licht verschluckt und überhaupt alles in sich aufzusaugen droht, was in seine Nähe gelangt.
Der helle Fleck trägt den Namen Marcel Lefebvre. Diese hehre Gründergestalt strahlt für unsere wackeren „Widerständler“ so sehr im Glanze erhabenster Heiligkeit, daß sich erstens jede Kritik an ihr ohnehin von vornherein verbietet und zweitens jedes nähere Hinsehen gar nicht möglich ist, weshalb man praktischerweise die eigene Position einfach ihr unterschieben und sie auf diese Weise selbst heiligsprechen kann. Da hat sich doch in „Tradiland“ jüngst Unerhörtes zugetragen: Eine „Widerstands-Website“ wagte zu behaupten, Erzbischof Lefebvre habe gar nicht die von der „Resistance“ wie ein Mantra vor sich hingetragene unerbittliche Forderung vertreten: „Keine kanonische Einigung mit Rom ohne vorhergehende theologische Einigung.“ Mehr noch, er habe sich mit seinem Pragmatismus bzw. seinem in Wirklichkeit nie widerrufenen „Protokoll“ vom 5. Mai 1988 sogar einen gravierenden Fehler in den Prinzipien zuschulden kommen lassen. Diese Aufstellungen wurden mit reichlichen Zitaten belegt.
Damit war das Maß voll. Ein solches Sakrileg, einen solchen Frevel konnte man ja wohl nicht dulden. Als er drohte, auf ein anderes französischsprachiges „Widerstands-Forum“ im Internet überzugreifen, konterte dessen Administrator, der sich den schönen und bezeichnenden Namen „Gentiloup – der freundliche Wolf“ gegeben hat (nomen est omen!) mit einem Anathem: „Es gibt hier einen Heiligen (Unantastbaren), das ist Mgr. Lefebvre, der Gründer unserer FSSPX. Möge man sich das gesagt sein lassen! Würde irgendjemand auf die Idee kommen, die großen Ordensgründer zu kritisieren wie den heiligen Dominikus, den heiligen Franziskus von Assisi oder den heiligen Benedikt? Nein! Nun, Mgr. Lefebvre entspricht einem dieser großen Ordensgründer, er hat das Werk gegründet, das er als 'Leuchtturm der Tradition' für unsere Zeit wollte, und wir schulden ihm alles.“ Er fuhr fort: „Es ist nicht das erste Mal, daß N.N. unseren Gründer kritisiert, ich habe mich hier schon vor einiger Zeit gegen diese Kritiken gewandt. Ich weiß, daß dieses Gerede Anklang findet, selbst unter den Priestern des Widerstands. Hier ist dies nicht der Fall! Wir danken, uns vor diesen Dingen zu verschonen, die leider mehr den Zweifel als den Glauben stärken.“ Und er schloß apodiktisch: „Es ist in diesem Forum verboten, Mgr. Lefebvre zu kritisieren, ich habe erklärt warum und werde nicht darauf zurückkommen.“ So einfach kann man es sich natürlich machen. Man schließt die Augen, und alles ist in bester Ordnung.
Ein „Widerstands“-Priester seinerseits wies die frevlerische Kritik zurück mit dem Bemerken, allein die Tatsache, daß Erzbischof Lefebvre am Ende zugegeben habe, er sei bei seinen Verhandlungen mit den Römern womöglich zu weit gegangen, spreche doch wohl zu seinen Gunsten, zumal die Situation „in den Jahren, die nahe auf das Konzil folgten“, nicht so klar gewesen sei wie sie es jetzt für uns ist, die wir pausenlos erfahren, wie die Dinge immer schlechter werden. Dazu wäre freilich zu fragen, ob denn 1988 wirklich noch so „nahe am Konzil“ war, daß man – vor allem nach dem Frevel von Assisi – nicht bereits ebenso klar die Apostasie des konziliaren Rom erkennen konnte wie heute.
Mgr. Lefebvre war da offensichtlich weiter als sein Apologet, denn schon 1986 sagte er in einem Vortrag an seine Seminaristen: „In den zwanzig Jahren seit dem Konzil haben wir darauf gewartet, daß der Vatikan seine Irrwege erkennt. Die Bruderschaft hat darauf gewartet, daß der Papst erkennt, daß das Ergebnis dieser falschen Prinzipien die Selbstzerstörung der Kirche ist. Wir müssen jedoch zugeben, daß die Situation nur immer schlechter wird, daß der falsche Ökumenismus eskaliert, daß speziell seit der Synode vom letzten Jahr die Krise immer schneller und schneller auf die völlige Zerstörung der Kirche hinsteuert.“ Oder in einem Vortrag von 1987: „Rom hat den Glauben verloren, meine lieben Freunde. Rom befindet sich in der Apostasie. Das sind nicht nur Sprüche und leere Worte, die ich Ihnen sage. Es ist die Wahrheit, Rom befindet sich in der Apostasie. Man kann kein Vertrauen mehr haben zu dieser Gesellschaft da, sie hat die Kirche verlassen. Sie haben die Kirche verlassen, sie verlassen die Kirche, das ist sicher, ganz und gar sicher.“ Eine erstaunliche Einsicht, die Erzbischof Lefebvre jedoch keineswegs an weiteren Verhandlungen mit „dieser Gesellschaft“ gehindert hat.
Ohne auf die einzelnen vorgebrachten Argumente weiter einzugehen, behauptet unser Pater pauschal, die Argumente gegen Erzbischof Lefebvre grenzten an Unterstellungen, sowohl die der Befürworter eines „Rom-Anschlusses“ als auch die der „Sedisvakantisten“. „Sie vergessen, daß Erzbischof Lefebvre de facto die Tradition gerettet hat, indem er die Konsekrationen [der „Pius“-Bischöfe] vornahm und indem er im Augenblick der Konsekrationen sagte, es wäre mit der Tradition vorüber gewesen, wenn er ein Abkommen unterzeichnet hätte. Sie vergessen ebenfalls die zahllosen Erklärungen, viel zahlreicher nach den Konsekrationen, die er privat und öffentlich gab gegen ein Abkommen, solange die römischen Autoritäten nicht zum Glauben zurückkehren.“ Dabei hatte besagte frevlerische „Website“ dies alles gar nicht vergessen, sondern ausführlich darauf geantwortet und belegt, daß es auch nach den Bischofsweihen von 1988 genügend anderslautende Aussagen von Mgr. Lefebvre gab, um endlich mit dem Lefebvre-Biographen Mgr. Tissier de Mallerais zu entgegnen: „Er hat es gesagt, aber er hätte es nicht gemacht“ (vgl. Union Sacerdotale).
6. Damit sind wir schon beim zweiten blinden Fleck, dem dunklen, wie wir ihn nannten. Dieser trägt den furchtbaren Namen „Sedisvakantismus“, der allein schon so viel Angst und Schrecken verbreitet, daß sich niemand auch nur von ferne ihm zu nahen wagt. In diesem „schwarzen Loch“, wie wir es ebenfalls nannten, kann man nun bequem alle Gegengründe versenken, welche die Ideologie des „Recognize and Resist“ der „Piusbruderschaft“ und ihre Sonderversion des „Widerstands“ mit dem „Amendment“ oder Zusatz „kein rein kanonisches Abkommen“ bedrohen würden. Wer da wagt, unbequeme Fragen zu stellen, wird einfach zum „Sedisvakantisten“ gestempelt und ist damit ein für allemal abgefertigt und erledigt.
Um den blinden Fleck schön dunkel zu halten, muß der „Sedisvakantismus“ natürlich in einem fort bekämpft und schlechtgemacht werden, was am besten mithilfe des hellen Flecks gelingt. Auch einige „Widerstands-Dominikaner“ können nicht widerstehen, am Ende noch diesen Knüppel aus dem Sack zu ziehen, nachdem sie in einer gelehrten Studie versucht haben, den „Sedisvakantismus“ zu widerlegen und sich der Kraft ihrer „Argumente“ doch wohl nicht ganz so sicher sind. Sie fassen daher zusammen: „Es ist eine Position, die spekulativ nicht bewiesen ist [hört, hört!], und es ist unklug, sie praktisch festzuhalten (eine Unklugheit, welche ernste Folgen haben kann – denken wir nur etwa an Leute, die sich selbst der Sakramente berauben unter dem Vorwand, keinen Priester zu finden, der dieselbe 'Meinung' hat wie sie [eine „Unklugheit“, die sich freilich ebenso den „Traditionalisten“ vorhalten ließe, die sich etwa weigern, eine Messe der „Petrusbruderschaft“, eine „Motu proprio“-Messe oder einen „würdig“ zelebrierten „Novus Ordo“ zu besuchen]). Das ist der Grund, warum Erzbischof Lefebvre nie diesen Pfad beschritt und sogar den Priestern seiner Bruderschaft untersagte, den Sedisvakantismus zu bekennen. Wir sollten seiner Klugheit und seinem theologischen Sinn vertrauen.“ Ein blinder Fleck ruft den anderen hervor.
7. Es ist klar, daß eine Ideologie, da sie nicht in der Wahrheit ruht, dauernd gestützt und verteidigt werden muß, und daß dies nur mithilfe von Sophismen, Demagogie und Propaganda möglich ist. Dahin gehört auch die Aufrichtung blinder Flecken durch numinose Überhöhung charismatischer Gestalten und die Einführung vernichtender Schlagworte wie „Sedisvakantismus“. Darauf näher einzugehen, würde jedoch den Rahmen dieser kleinen Abhandlung sprengen und soll möglicherweise bald nachgeholt werden.
Wer in einer Ideologie befangen ist, kann nicht mehr offen der Wahrheit begegnen, die doch nichts anderes ist als Unser Herr Jesus Christus. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, auf daß ich der Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh 18,37). Und somit schließen wir mit den wahren und unverfälschten Worten des Heilands: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (Mt 11,15; 13,9; Mk 4,9.23; 7,16).