Sonntagspflicht

1. „Du sollst jeden Sonn- und Feiertag eine heilige Messe mit Andacht hören“, so lautet das Gebot unserer heiligen Mutter, der Kirche, und so haben wir Katholiken es einst gelernt. Zwar gibt es eine Reihe Entschuldigungen und Ausnahmen, doch an sich ist die Verpflichtung eine strenge, sodaß es eine schwere Sünde wäre, ohne angemessenen Grund die Sonntagsmesse zu versäumen. „Von der Anhörung der heiligen Messe entschuldigt jeder mittelmäßig schwerwiegende Grund, wie er vorliegt bei bedeutendem Ungemach oder bei leiblichem oder geistigem Schaden, den man selbst oder ein anderer erdulden müßte“, lesen wir im Handbuch von Jone, doch abgesehen davon spricht auch dies von einem „schwer verpflichtenden“ Gebot.

Das haben die Katholiken aller Zeiten verinnerlicht, zumal – besonders in katholischen und ländlichen Gegenden – zur familiären Gewohnheit auch der soziale Druck hinzukam. Wer sonntags nicht zur Kirche ging, stellte sich außerhalb der Gesellschaft. Erst die Verstädterung, Industrialisierung und konfessionelle Durchmischung führte zu einer lockereren Auffassung vieler Katholiken vom Sonntagsgebot, der zunehmend auch in die Kirche eindringende Liberalismus und vollends die „konziliare“ Revolution taten ihr übriges. So liegt heute selbst in manchem bayerischen Dorf der sonntägliche Gottesdienstbesuch oft bei mageren 15 bis 20 Prozent der katholischen Einwohner. Laut einer Statistik sank die durchschnittliche Anzahl der katholischen Gottesdienstbesucher in Deutschland von 1950 bis 2012 von beinahe 12 Millionen auf 2,9 Millionen, wobei der stärkste Einbruch zwischen 1965 (11,7 Mio.) und 1985 (6,8 Mio.) geschah. 2013 waren es sogar nur noch 2,6 Millionen oder 10,8 Prozent der angeblichen Katholiken, welche regelmäßig eine Sonntagsmesse besuchten.

Abgesehen von „engagierten Basiskatholiken“, die sich gerne in pseudoliturgischen Funktionen als „Lektor_innen“, „Kommunionhelfer_innen“ etc. hervortun, sind es vor allem ältere Leute, die es von Jugend an nicht anders kennen, und solche, die ihren Glauben noch oder wieder ernst nehmen, darunter neben „Konservativen“ viele Bekehrte oder Konvertiten, welche den armseligen Rest der regelmäßigen Gottesdienstbesucher bilden. Und hier stoßen wir leider auf ein an Tragik kaum zu überbietendes Drama.

2. Der „Novus Ordo“, die sog. „Neue Messe“ Pauls VI., stammt aus der Häresie und führt in die Häresie, wie wir ohne Übertreibung sagen können. Wer regelmäßig solchen Messen beiwohnt, wird kaum ohne Schaden für seinen Glauben davonkommen. Nun sind es aber oftmals gerade diejenigen, wie wir gesehen haben, welche noch Glauben haben, die sich diesem dauernden Bombardement aussetzen. Hier zeigt sich ein wahrer Teufelskreis: Weil sie noch glauben, gehen sie zur Sonntagsmesse, und weil sie dort hingehen, verlieren sie allmählich den Glauben.

Meist finden wir bei den noch gläubigen Katholiken naturgemäß einen eher konservativen liturgischen Geschmack. An liturgischen Experimenten und Entgleisungen haben sie in der Regel keine Freude. Sie bevorzugen daher Priester, die „würdig“ die Messe feiern, möglichst noch die Mundkommunion anbieten und „papsttreu“ sind. Oftmals finden sie dann auch den Weg in die „alte Messe“. Dennoch besuchen sie, wenn es denn nicht anders möglich ist, sonntags eine „Novus Ordo“-Veranstaltung mit allen nur denkbaren Sakrilegien und Greueln. Sie nehmen zwar großes Ärgernis daran, nehmen gleichwohl alles in Kauf, nur um ihrer Sonntagspflicht zu genügen. Sie bringen es einfach nicht über sich, sonntags keine Messe zu besuchen. „Lieber ein Kasperltheater als gar keine Sonntagsmesse“, so hat es einst ein Gläubiger ausgedrückt.

Hier tut sich ein Dilemma auf, ein typisch katholisches Defizit, möchte man sagen. Der Katholik neigt ja dazu, die Gebote unhinterfragt zu befolgen. Der allzu brave Gehorsam, der nichts weiter untersucht, sondern folgsam tut, was man von oben sagt, hat bekanntlich die „legale Revolution“ des „II. Vatikanums“ erst ermöglicht. Jedes Gebot hat einen Sinn, und darum kann es auch unwirksam werden oder sich sogar in sein Gegenteil verkehren, wenn es diesen Sinn aus irgendwelchen Gründen nicht mehr erfüllt. Doch nach dem Sinn der Gebote zu forschen, scheint manchem guten Katholiken fast schon ein Frevel.

3. Wir wollen diesen Frevel gleichwohl wagen und uns der Mühe unterziehen, den Sinn des Kirchengebotes herauszufinden. Warum schreibt uns die Kirche an Sonn- und Feiertagen die Teilnahme an der Heiligen Messe vor? Der Sonntag ist der Tag des Herrn. Die Feiertage sind diesem nachgebildet. Es sind dies Tage, die ganz Gott geweiht sind, die in erster Linie Seiner Ehre und Verherrlichung dienen. Ihr Nebenzweck ist die körperliche Erholung und geistige Erbauung des Menschen. Das heilige Meßopfer ist der höchste Akt der Gottesverehrung, den wir üben können. Das ist der Grund, warum die Kirche am Tag des Herrn diesen Kultakt öffentlich und feierlich vollzieht und allen Gläubigen die Teilnahme daran befiehlt. Zugleich gibt es nichts, was den Seelen mehr geistigen Nutzen und Erbauung bieten könnte als gerade die Heilige Messe.

Wie sieht es nun mit der sog. „Neuen Messe“ aus? Als Entstellung und geradezu Karikatur der wahren Hl. Messe Unseres Herrn Jesus Christus kann sie in den Augen Gottes nur ein Greuel sein. Mag der eine oder andere noch subjektiv der Auffassung sein, mit dieser „Messe“ Gott die Ehre zu erweisen, so ist dies objektiv jedenfalls nicht mehr gegeben. Auch wird die nach wahrer geistiger Nahrung durstende Seele in diesen „Mahlfeiern“ kaum auf ihre Kosten kommen, wenn sie nicht überhaupt statt Erbauung nur Ärgernis daraus zieht. Wie sinnvoll also kann es sein, durch den Besuch einer „Novus Ordo“-Messe zu versuchen, den Sonntag zu heiligen? Den eigentlichen Sinn des Kirchengebotes wird man gerade verfehlen.

Ein wichtiger Aspekt tritt noch hinzu. Die Messen im „Novus Ordo“ müssen als akatholischer Kult gewertet werden, ähnlich einem protestantischen Abendmahl. Die Kirche verbietet uns aber ausdrücklich die Teilnahme an solchen Kulten, die daher selbstverständlich nicht Gegenstand der Sonntagsverpflichtung sein können, im Gegenteil. Durch die aktive Teilnahme an derlei Kulthandlungen beleidigen wir Gott, machen uns der Häresie verdächtig und setzen uns allen möglichen Gefahren gegen den Glauben aus.

Das Kirchengebot muß also vollständig und im gesamten Kontext verstanden werden. Es verpflichtet uns zum Besuch einer wahrhaft katholischen Sonntagsmesse. Sollte dies aus irgendwelchen Gründen unmöglich sein, so verliert das Gebot seine Verpflichtung. „Ad impossibile nemo tenetur“, lautet ein Grundsatz. Zum Unmöglichen ist niemand verpflichtet. Doch wie steht es nun mit der „alten Messe“?

4. Es ist klar, daß die Verpflichtung zum sonn- und feiertäglichen Meßbesuch sich nicht auf die „Neue Messe“ beziehen kann, wie wir bereits gesehen haben. Aber sind wir verpflichtet, eine „alte Messe“ zu besuchen, gleich welcher Couleur, wenn wir die Möglichkeit dazu haben? Müssen wir also beispielsweise eine „Indult“- oder „Motu proprio“-Messe besuchen, eine Messe der „Petrusbruderschaft“, des Christ-Königs-Instituts etc., wenn es nichts anderes gibt? Auch hier gilt – ganz abgesehen von der Frage nach den Weihen dieser Priester, die in der Regel von „konziliaren“ Bischöfen vollzogen werden, daher allein wegen der zweifelhaften Bischofsweihen ebenfalls zweifelhaft sind und somit auch zweifelhaft gültige Messen nach sich ziehen, die an sich schon gemieden werden müssen – das Verbot, an akatholischen Kulthandlungen teilzunehmen. Akatholisch ist eine solche Handlung nicht nur, wenn sie in sich nicht katholisch ist, sondern auch, wenn sie außerhalb der katholischen Kirche vorgenommen wird, wie etwa die Messen schismatischer „orthodoxer“ Gemeinschaften. Eine nach demselben Ritus gefeierte Messe einer mit Rom unierten Ostkirche ist ein katholischer Kult, während sie eine akatholische Handlung ist, wenn sie in der schismatischen Gemeinschaft vollzogen wird. Kommt hinzu, daß die sog. alte Messe nach dem 1962er Missale seit sieben Jahren der „außerordentliche“ Ritus der „konziliaren Kirche“ ist.

Die „konziliare Kirche“ ist schismatisch und häretisch, sie ist nicht die katholische Kirche. Jede Messe also, die in diesem Rahmen und in dieser Gemeinschaft gefeiert wird, muß als akatholischer Kult angesehen werden, sei es der „ordentliche“ oder der „außerordentliche“ Ritus. Gilt das nun auch für die Messen der „Piusbruderschaft“? Ja, denn auch ihre Priester feiern ihre Messen „una cum Papa nostro Francisco“, also in Gemeinschaft mit dem Oberhaupt der „konziliaren Kirche“, und sie sind von ihren Oberen her sogar verpflichtet, dies zu tun. Damit sind auch ihre Messen akatholische Kulthandlungen, und das betrifft sogar diejenigen Priester, die sich dem „Pius-Widerstand“ zuordnen und dabei trotzdem die „Pius“-Linie treu weiter befolgen, allem voran die Meßfeier „una cum“, d.h. in Gemeinschaft mit dem konziliaren Papst und seiner „Kirche“ („im Kanon für den Papst beten“, nennt man das in diesen Kreisen meist).

5. Es ist sicher einer der hinterlistigsten Fallstricke des Teufels, daß er gute Katholiken gerade mit ihrer besten Absicht, der Kirche und ihren Geboten treu zu sein, letztlich zum Abfall von dieser bringt. Indem sie nichts anderes als das Sonntagsgebot erfüllen wollen, nehmen sie an akatholischen Kulthandlungen teil, beleidigen Gott, statt ihn zu ehren, zerstören ihren Glauben und ihr geistiges Leben, statt sie zu stärken. Ihr guter Wille und mangelnde Erkenntnis mögen sie subjektiv entschuldigen, je nachdem in höherem oder geringerem Maß – zumal heute die kirchliche Autorität fehlt, die normalerweise den Katholiken den Weg weist, bzw. wir es sogar mit Schein-Autoritäten zu tun haben, die sie bewußt auf falsche Wege führen –, der objektive Sachverhalt bleibt jedoch bestehen.

Wir können daher nur warnen. Es ist für uns Katholiken heute besser, ohne Sonntagsmesse zu bleiben, als irgendwelche Kompromisse mit der „Konzilskirche“ oder einem ihrer Ableger einzugehen, und sei es die „Piusbruderschaft“ samt ihrem „Widerstand“. Wir wissen nicht, wie lange dieser Zustand dauern wird, doch eines wissen wir: Gott wird diese Treue gewiß belohnen und gar bald Abhilfe schaffen. Vielleicht hätte Er es längst getan, wenn wir Ihm mehr Treue erwiesen und nicht mit billigen Kompromisslösungen zur Selbsthilfe gegriffen hätten. „Gott aber sollte Seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu Ihm rufen, nicht Recht schaffen, und sollte dulden, daß sie unterdrückt werden? Ich sage euch: Er wird ihnen schnell Recht schaffen. Jedoch wenn der Menschensohn kommt, wird er wohl den Glauben finden auf Erden?“ (Lk 18,7f). Damit Er wenigstens bei uns den Glauben noch findet, wollen wir alle Gefährdungen meiden, einschließlich falscher Sonntagsmessen.