1. Der Zisterzienser-Abt Joachim von Fiore (ca. 1130 bis 1202) entwickelte die Lehre von den drei Zeitaltern, die er den drei Personen der heiligsten Dreifaltigkeit zuordnete: dem Zeitalter des Vaters, dem Alten Testament, folgte mit Christus das Zeitalter des Sohnes, das seiner Meinung nach bis gegen 1260 dauern würde. Danach kommt, allerdings erst nach Beseitigung des Antichristen durch eine heilige Person, das dritte Zeitalter des Heiligen Geistes. Dieses Zeitalter, auch „drittes Reich“ genannt, werde ein ausgesprochen glückliches sein, erleuchtet von der „intelligentia spiritualis“, erfüllt mit allen Freuden des himmlischen Jerusalem, wie sie in der Offenbarung des hl. Johannes dargestellt werden. Auch wurde dieses „dritte Reich“ gerne mit den glücklichen „tausend Jahren“ der Apokalypse in Übereinstimmung gebracht, weshalb man auch vom „tausendjährigen Reich“ oder „tausendjährigen Friedensreich“ sprach.
Wie uns allein schon die Ausdrücke „drittes Reich“ und „tausendjähriges Reich“ zeigen, wurde Joachim von Fiore damit zum Ahnherren von bisweilen mehr als zweifelhaften Visionären. Tatsächlich bildet der „Chiliasmus“ (nach dem Griechischen chilia = tausend) oder „Millenarismus“ (nach dem Lateinischen mille = tausend), also die Lehre von einem kommenden glücklichen, tausend Jahre währenden Zeitalter, das Rückgrat so mancher neuzeitlicher Sekte. Er fand in säkularisierter Form als „New Age“ oder „Zeitalter des Wassermanns“ Eingang in die Esoterik und bewegte auch fanatische politische Kräfte. Nicht zuletzt inspirierte die Idee die Väter der „Konzilskirche“, für die mit der Herabkunft des Heiligen Geistes auf dem II. Vatikanum die „Kirche des Neuen Advent“ (nicht zufällig eine Formulierung, die uns an die gleichfalls chiliastischen „Adventisten“ denken läßt) entstand, um das mit dem Jahr 2000 beginnende „neue Zeitalter“ einzuläuten, das vor allem ihr Prophet Wojtyla alias Johannes Paul II. mit aller Kraft beschwor.
2. Also handelt es sich nur um Hirngespinste verworrener Geister? Es mag uns überraschen, wenn wir beim heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort, dessen Schriften im Jahr 1853 durch die römische Ritenkongregation als „von jedem Irrtum, welcher der Heiligsprechung hinderlich sein könnte, frei erklärt“ worden waren, und der am 20. Juli 1947 durch Papst Pius XII. heiliggesprochen wurde, in seinem „Prophetischen Flammengebet“ folgende Zeilen finden: „Das Reich Gottes des Vaters hat gedauert bis zur Sündflut und sein Ende gefunden durch eine Wasserflut; das Reich Jesu Christi fand in einem Strom von Blut seinen Abschluß. Dein Reich aber, o Geist des Vaters und des Sohnes, setzt sich fort in einer Flut von Feuer von Liebe und Gerechtigkeit.“ Sollte es vielleicht doch so etwas geben wie diese „drei Zeitalter“?
Da der dreifaltige Gott der Schöpfer dieser Welt ist, finden sich Spuren der Dreifaltigkeit überall in der Schöpfung. Erst recht dürfen wir erwarten, eine Abbildung der heiligsten Dreifaltigkeit in der Heilsgeschichte zu entdecken. Zwar wirken nach außen alle drei göttlichen Personen stets gemeinsam, dennoch weisen wir gewisse Tätigkeiten oder Äußerungen mehr der einen als der anderen dieser Personen zu, aufgrund des jeweils verschiedenen Ursprungs. Spirago erklärt das in seinem „Volkskatechismus“ so: „Der Vater erzeugt den Sohn (d.h. bewirkt sein Dasein). Daher schreibt man ihm zu das Hervorbringen der vergänglichen Dinge aus Nichts, d.h. das Erschaffen. Man nennt ihn daher 'den allmächtigen Vater' (Apost. Glaubensbekenntnis). Man schreibt ihm auch zu die Barmherzigkeit, weil er uns Sünder wieder zu seinen Kindern annimmt. Er ist der 'Vater der Barmherzigkeit' (2 Kor 1,3). - Der Sohn ist die ewige Erkenntnis des Vaters, die Weisheit. Daher schreibt man ihm zu die Herstellung der schönen Ordnung in der Schöpfung. 'Alles ist durch ihn gemacht worden' (Joh 1,3). Wie der Künstler mit seinem nachdenkenden Verstande den Plan zu einem Werke entwirft, so hat der Vater durch den Sohn die Ordnung in der Welt geschaffen. Auch schreibt man dem Sohne zu die Wiederherstellung der Ordnung durch die Erlösung, und dies umso mehr, weil er hierzu die menschliche Natur angenommen hat. - Der Hl. Geist ist die wechselseitige Liebe des Vaters und des Sohnes. Ihm werden daher alle Wohltaten Gottes zugeschrieben, vor allem die Mitteilung des Lebens bei der Schöpfung. 'Wie der Vogel über den Eiern ruht, um durch die Wärme in ihnen das Leben zu erwecken, so schwebte bei der Schöpfung der Geist Gottes über den Wassern' (hl. Hieronymus). Dem heiligen Geiste wird daher auch die Mitteilung des geistigen Lebens durch die Gnade zugeschrieben, d.h. die Heiligung des Menschen. Ihm, dem 'Finger an der Rechten Gottes', werden zugeschrieben die Wunder; endlich auch das größte Werk der Liebe Gottes, die Menschwerdung.“ Wir sagen daher kurz: „Gott Vater, der uns erschaffen, Gott Sohn, der uns erlöst hat, Gott der Heilige Geist, der uns heilig macht.“
Nun verstehen wir, in welchem Sinn der heilige Ludwig Maria seine drei Zeitalter einteilt. Der Anfang der Schöpfung wird dem Vater zugeschrieben. Mit der Sündflut erhebt sich die Zeit der Wiederherstellung der Schöpfung durch den Sohn. Tatsächlich beginnt mit Noes Sohn Sem die Linie, die schließlich über Abraham, Isaak und Jakob zur Entstehung des Volkes Israel führt und endlich den Sproß des Isai aus dem Hause David und dem Stamme Juda hervorbringt, den Sohn Mariens, Unseren Herrn Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes. Der Heiland erlöst uns durch Seinen Tod am Kreuz und stiftet nach Seiner Auferstehung und Himmelfahrt durch die Herabsendung des Heiligen Geistes auf die Apostel in Gegenwart der allerseligsten Jungfrau Seine Kirche, die dauern wird bis zum Ende der Zeiten. „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Gehet hin und machet alle Nationen zu Jüngern, und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,18-20). Das ist das letzte, das dritte Zeitalter, das Zeitalter des Heiligen Geistes, das Zeitalter der Kirche.
3. Dieses Zeitalter währt also nun schon gut zweitausend Jahre. Was aber ist dann mit dem „tausendjährigen Reich“? Und spricht nicht auch der heilige Ludwig Maria in seinem „Flammengebet“ prophetisch von einer noch kommenden Zeit, wenn er sagt: „Wann wird diese Feuerflut der reinen Liebe kommen, die Du auf der ganzen Erde entzünden und sanft und mächtig anfachen wirst, damit alle Völker, die Türken, die Götzendiener, ja selbst die Juden davon erfaßt und sich zu Dir bekehren werden? Non est, qui se abscondat a calore ejus (Ps 18,7, 'niemand kann sich vor seiner Glut verbergen!'“? Und weiter: „Accendatur: Dieses göttliche Feuer, das Du, o Jesus, auf diese Erde bringen willst, möge sich entzünden, bevor Du das Feuer Deines Zornes senden wirst, das alles in Asche verwandeln wird. Emitte Spiritum tuum, et creabuntur, et renovabis faciem terrae (Ps 103,30), 'sende aus Deinen Geist und sie werden erschaffen werde, und Du wirst das Angesicht der Erde erneuern!' Ja, sende diesen feurigen Geist auf die Erde, um Priester zu schaffen ganz voll Feuereifer, durch deren Dienst das Angesicht der Erde erneuert und Deine Kirche wiederhergestellt wird.“
Nach der Sicht des heiligen Ludwig Maria findet jedes dieser Zeitalter in einer „Flut“ seinen Abschluß und Höhepunkt. Die Sündflut, die nicht zufällig der Entstehung der Erde ähnelt, als diese ebenfalls ganz von Wasser umflutet war, ist in gewisser Weise eine Neuschöpfung, welche das Böse vom Angesicht der Erde tilgt (wenngleich nicht aus dem Herzen der Menschen, wie sehr schnell an Cham zeigte) und so den Boden für Christus bereitete. Abschluß und Höhepunkt des Werks unseres Heilands war Sein heilbringender Tod am Kreuz, als Er Sein Blut für uns vergoß und uns erlöste, „in welchem wir die Erlösung haben durch Sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 1,7). Steht das Wasser für die Schöpfung und den Vater, das Blut für den Sohn und die Erlösung, so das Feuer für den Heiligen Geist und die Vollendung. „Denn nach ihrem eigenen Willen ist ihnen dies verborgen, daß von alters her Himmel waren und eine Erde, entstehend aus Wasser und im Wasser durch das Wort Gottes, durch welche die damalige Welt, vom Wasser überschwemmt, unterging. Die jetzigen Himmel aber und die Erde sind durch sein Wort aufbewahrt, für das Feuer behalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen“ (2 Petr 3,5-7).
4. Das Reich des Hl. Geistes findet demnach seinen Abschluß in einer Feuerflut, dem Weltenbrand am jüngsten Tag, „an welchem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Krachen, die Elemente aber im Brande werden aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr verbrannt werden“ (2 Petr 3,10). Zuvor aber sieht der heilige Ludwig Maria noch eine andere Feuerflut kommen, eine gewisse Vollendung oder der Höhepunkt des Zeitalters der Kirche. Er sieht eine Zeit voraus, in welcher „alle Völker, die Türken, die Götzendiener, ja selbst die Juden“ sich zu Christus und zur Kirche bekehren werden. Er prophezeit überdies, daß „gerade für die letzten Zeiten Gott beschlossen“ hat, „im Verein mit seiner heiligen Mutter Heilige großzuziehen, welche die Mehrzahl der anderen Heiligen an Heiligkeit soweit übertreffen werden, als die Zedern des Libanon über das niedere Gesträuch emporragen“. Eben das wird das überragende Werk des Heiligen Geistes sein.
„Gott der Heilige Geist, unfruchtbar in der Gottheit, insofern er keine andere göttliche Person hervorbringt, ist fruchtbar geworden durch Maria, welche er sich vermählt hat. Mit ihr, in ihr und von ihr hat er sein Meisterwerk hervorgebracht, welches ist der menschgewordene Sohn Gottes. Auch heute noch bringt er in gleicher Weise die Auserwählten hervor und wird sie als Glieder jenes anbetungswürdigen Hauptes auch in Zukunft hervorbringen bis zum Ende der Zeiten.“ „Maria hat im Verein mit dem Heiligen Geiste das Größte hervorgebracht, was es je gegeben hat und geben wird, nämlich den Gott-Menschen. Daher wird sie auch die größten Dinge hervorbringen, wenn die letzten Zeiten kommen werden. Die Bildung und Erziehung der großen Heiligen, welche gegen das Ende der Zeiten auftreten werden, ist ihr vorbehalten. Denn nur diese einzig wunderbare Jungfrau kann im Verein mit dem Heiligen Geiste diese einzigartigen und außerordentlichen Geschöpfe hervorbringen.“ Wir nennen darum dieses letzte Zeitalter des Heiligen Geistes auch das „marianische Zeitalter“.
In diesen großen Heiligen der Endzeit, diesen „einzigartigen und außerordentlichen Geschöpfen“, findet gewissermaßen das Schöpfungswerk des Vaters, das Erlösungswerk des Sohnes und das Heiligungswerk des Heiligen Geistes, also das gesamte Heilsgeschehen seinen krönenden Höhepunkt und Abschluß. Es wird dies gewiß ein „goldenes Zeitalter“ sein, wenn alle Völker in der einen Kirche Christi geeinigt sein werden, wenn diese großartigen Heiligen nach den Worten der Apokalypse „herrschen“ werden und obendrein der Satan „gebunden“ sein wird, wie uns die Offenbarung des heiligen Johannes verrät. „Tausend Jahre“ nennt er diese Zeit nicht wegen ihrer wirklichen Zeitdauer, sondern wegen ihrer Vollkommenheit. Sie kann auch wesentlich kürzer sein, was auch wahrscheinlich ist.
5. Da jedoch die erbsündliche Gefallenheit des Menschengeschlechtes bestehen bleibt und daher das Streben des menschlichen Herzens weiterhin böse ist von Jugend an (Gen 8,21), werden Lauheit, Bosheit, Sünden und Laster wieder zunehmen und Gott veranlassen, den Satan noch einmal für kurze Zeit freizulassen, um die Menschen ein letztes Mal zurechtzuweisen, bevor Sein Zorn sich im Weltgericht entlädt, vor dem niemand wird fliehen können.
Davor jedoch dürfen wir uns noch auf jene goldenen „tausend Jahre“ freuen, den Triumph Mariens und das Zeitalter des Heiligen Geistes. Und diese Erwartung ist wichtig für uns, da wir bis dahin sicher noch ein gerüttelt Maß an Todesschatten und Tal der Tränen zu durchschreiten haben. Möge der Tröster, der Heilige Geist, und Seine heiligste Braut Maria uns sicher hindurchgeleiten. Und halten wir den Blick tapfer nach vorne gerichtet, auf eine herrliche Zukunft: den Triumph Mariens und der Kirche, und endlich den neuen Himmel und die neue Erde.