In der Sicht einiger Ausleger der Apokalypse bezeichnen die Sieben Sendschreiben an die sieben kleinasiatischen Gemeinden, welche in den Kapiteln 2 und 3 der Offenbarung des heiligen Johannes zu lesen sind, die sieben Zeitalter der Kirche. In gewissen Kreisen von „Traditionalisten“ ist nun eine Diskussion entstanden, in welchem dieser Zeitalter wir uns gegenwärtig befinden: im fünften der Kirche von Sardes oder schon im siebenten der Kirche von Laodizea. Steht also die Wiederkunft des Heilands und damit der Weltuntergang als nächstes bevor oder kommt zuerst noch das Zeitalter der Kirche von Philadelphia, das eine Art „Goldenes Zeitalter“ beschreibt?
Wo befinden wir uns im Weltgeschehen?
Da es nicht an uns ist, „Zeit oder Stunde zu wissen, welche der Vater in Seiner Macht festgesetzt hat“ (Apg 1,7), wollen wir auch gar nicht vorwitzig nach solchen Dingen fragen. Der Heiland selbst jedoch gibt uns gewisse Zeichen an die Hand, die uns das Ende der Zeiten anzeigen, und die Offenbarung des heiligen Johannes berichtet sehr ausführlich darüber. Wenn damit auch keine Zeiten oder Zeitdauern angegeben sind, so können wir doch eine gewisse Reihenfolge und vor allem einen gewissen Sinn in diesen Ereignissen erkennen.
Entscheidend erscheint uns hierbei gar nicht die Frage, ob wir uns in Zeitalter 5 oder 7 befinden, sondern wie wir die kirchliche Situation der Gegenwart deuten müssen und worauf wir uns vorzubereiten haben. Namentlich steht hier eine Größe furchterregend und drohend vor unseren Augen: der Antichrist. Viele Kirchenväter und andere sehen den Antichristen erst unmittelbar vor dem Ende der Welt erscheinen, ordnen ihn also dem 7. Zeitalter zu. Und darum geht es auch letztlich in jener eingangs genannten Debatte: Steht uns das Kommen des Antichristen bevor oder kommt zuerst noch eine Zeit des Friedens?
Die Offenbarung des heiligen Johannes
Sieben Siegel und sieben Posaunen
Wir befragen hierzu ganz einfach die Offenbarung des heiligen Johannes selbst, denn diese gibt uns verläßlich Auskunft. Der Seher empfängt diese Offenbarung unter dem Bild eines Buches mit sieben Siegeln. Er schaut das göttliche Lamm, welches nichts anderes ist als Unser gekreuzigter und auferstandener Herr Jesus Christus, und welches alleine würdig ist, die sieben Siegel zu öffnen. Nacheinander werden die Siegel gelöst. Bei der Öffnung des siebenten Siegels wird es zunächst still im Himmel, „etwa eine halbe Stunde lang“, wie in der Apokalypse berichtet (Off 8,1). „Jetzt, da das letzte Siegel geöffnet wird, stehen die Geschöpfe, besonders die Engel, in ehrfurchtsvoll erwartendem Schweigen da, der Offenbarung des Herrn zum Gericht gegenwärtig“, kommentiert die Bibel von Arndt-Allioli.
Das Gericht entwickelt sich nun in der Reihenfolge von sieben Posaunen, die von Engeln geblasen werden und sich jeweils steigernde Plagen zur Folge haben, welche die Erde um ihrer Sünden willen treffen, um sie zu bekehren und zum Gericht zu rufen. Bevor die siebente Posaune ertönt, gibt es eine „Zwischenszene“. Ein gewaltiger Engel erscheint, der den Regenbogen über seinem Haupte trägt, und „der Engel, den ich auf dem Meere und auf dem Lande stehen sah, erhob seine Hand zum Himmel und schwor bei dem, der da lebt in alle Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was in ihm ist, und die Erde und was auf ihr ist, und das Meer und was in ihm ist, daß hinfort keine Frist mehr sein soll; sondern in den Tagen der Stimme des siebenten Engels, wenn er anfängt in die Posaune zu stoßen, wird das Geheimnis Gottes vollendet werden, wie er durch seine Diener, die Propheten, die frohe Botschaft kundgetan“ (Apk 10,5-7).
Im 11. Kapitel wird uns dann geschildert, wie der Tempel Gottes mit einem Rohr gemessen wird. „Auf, und miß den Tempel Gottes und den Altar und die in ihm anbeten; den Vorhof aber, der außerhalb des Tempels ist, wirf hinaus und miß ihn nicht, denn er ist den Heiden hingegeben, und sie werden die heilige Stadt zertreten zweiundvierzig Monate lang“ (Off 11,1f). In ihrem Kommentar sehen Arndt-Allioli mit diesem Tempel die Kirche bezeichnet, die also teilweise und zeitweise den „Heiden“ preisgegeben wird, während gleichzeitig das Allerheiligste und seine wahren Anbeter, die gläubigen Christen, bewahrt werden.
Zur selben Zeit treten „zwei Zeugen“ auf, die 1260 Tage lang weissagen und mit großer Macht ihr Zeugnis ablegen, bevor „das Tier, das aus dem Abgrunde heraufsteigt“, Krieg mit ihnen beginnt und sie überwindet und tötet (Off 11,3-7). Sie bleiben dreieinhalb Tage tot auf den Straßen der „großen Stadt“ liegen, ehe sie von Gott auferweckt werden und zum Himmel auffahren. „In jener Stunde“, heißt es, „entstand ein großes Erdbeben, und der zehnte Teil der Stadt fiel, und es wurden durch das Erdbeben siebentausend Menschen getötet, die übrigen aber gerieten in Schrecken und gaben dem Gott des Himmels die Ehre“ (Off 11,13). Im Kommentar von Arndt-Allioli lesen wir hierzu: „In der Stunde, in welcher das V. 12 Erzählte geschah, brach auch das Gottesgericht herein. Dasselbe beginnt bei dem Hause Gottes (1 Petr 4,17). Die Kirche wird um die Mitte, die Welt am Ende der letzten Weltwoche ins Gericht gerufen.“ Auch wird darauf hingewiesen, daß von der Stadt, von welcher hier die Rede ist, offensichtlich Jerusalem, bildlich die Kirche oder Christenheit der letzten Zeiten, nur der zehnte Teil fällt und der Rest erhalten bleibt. Zwar wird auch sie um ihrer Sünden willen bestraft, doch sind in ihr noch „Anhänger der beiden Zeugen da, und die übrigen tun Buße“.
Die Kirchenväter sehen in diesen beiden Zeugen Henoch und Elias. Umstritten ist, ob es sich bei den 42 Monaten, in welchen der Tempel teilweise zertreten wird, und den 1260 Tagen, in welchen Henoch und Elias weissagen, um dieselbe Zeitspanne handelt, oder ob die eine Zeit auf die andere folgt. Tatsache ist jedoch, daß das Gericht Gottes bei der Kirche beginnt. Er überläßt sie um der Sünden ihrer Glieder willen einer Verfinsterung, einer „Zertretung“ durch die Heiden, jedoch nicht zur Gänze. Das Allerheiligste und einige wahre Gläubige bleiben bewahrt. Der „zehnte Teil“ fällt, doch durch die Predigt von Henoch und Elias kommt es zu Bekehrung und Buße.
Am Ende des 11. Kapitels stößt der siebte Engel in seine Posaune, „und es ertönten laute Stimmen im Himmel, welche sprachen: Das Reich dieser Welt ist unserm Herrn und seinem Gesalbten zugefallen, und er wird herrschen in alle Ewigkeit. Amen“ (Off 11,15). „Und die vierundzwanzig Ältesten, welche vor dem Angesicht Gottes auf ihren Thronen sitzen, fielen auf ihr Angesicht nieder und beteten Gott an und sprachen: Wir danken dir, Herr, allmächtiger Gott, der du bist und der du warst und der du kommen wirst, daß du deine große Macht ergriffen und dich als Herrscher gezeigt hast. Die Völker ergrimmten, und es kam dein Grimm und die Zeit für die Toten, gerichtet zu werden, und den Lohn deinen Dienern zu geben, den Propheten und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und den Großen, und diejenigen zu verderben, welche die Erde verdarben“ (Off 11,16-18). Der Christkönig geht also nun daran, die Herrschaft zu ergreifen und das Gericht zu vollziehen, indem Er die gottfeindlichen Mächte niederwirft und die Gottesfürchtigen erhebt.
Das Tier vom Meer und das Tier vom Lande
Dies geschieht ab dem 12. Kapitel, in welchem zunächst jene berühmten zwei Zeichen am Himmel erscheinen, das geheimnisvolle „Weib mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen“ (Off 12,1), auf der anderen Seite „ein großer, feuerroter Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern“ (Off 12,3). Das „Weib“ ist die allerseligste Jungfrau Maria, aber auch ein Bild für die Kirche, der Drache ist „die alte Schlange, welche Teufel genannt wird und Satan, welcher die ganze Welt verführt“ (Off 12,9). Das folgende wird also dargestellt als der Kampf zwischen dem Weib und ihrem Anhang sowie der Schlange und deren Anhang, somit als Erfüllung des Protoevangeliums: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft; sie wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihrer Ferse nachstellen“ (Gen 3,15).
Es beginnt mit einem Kampf im Himmel, wobei der Teufel mit seinem Anhang durch den heiligen Michael besiegt und gestürzt wird. Der Drache verfolgt zunächst das Weib, als er aber nichts ausrichtet, geht er hin, „Krieg zu führen mit den übrigen ihres Samens, welche die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu Christi haben“ (Off 12,17). Der Drache stellt sich nun „auf den Sand des Meeres“ (Off 12,18), aus welchem im 13. Kapitel ein furchterregendes Tier auftaucht, das ähnlich wie der Drache sieben Häupter und zehn Hörner trägt. Diesem Tier wird für 42 Monate Gewalt gegeben. Es darf nach dem Kommentar von Arndt-Allioli „erstens … den Heiligen den Krieg erklären und sie äußerlich besiegen, sie quälen und töten, doch der wahre Sieg, das Beharren in der Treue des Glaubens, verbleibt laut 12,11 den Heiligen unverkürzt. Da nach Dan. 7,21 das kleine Horn, der Antichrist, den Krieg mit den Heiligen führt, ist also das Tier der Antichrist. Zweitens gewinnt das Tier Macht über alle Stämme und Völker und Zungen und Nationen; die Gesamtheit der Erdbewohner, im Gegensatz zu den Heiligen.“
Diesem ersten Tier vom Meere gesellt sich alsbald ein zweites Tier „vom Lande“ bei, das später als falscher Prophet bezeichnet wird. „Wie das erste Tier die widergöttliche Weltmacht des Endes und ihren Herrscher, den Antichrist, darstellt, so das zweite diejenige falsche Lehre und Weisheit, welche das religiös sittliche Agens dieser letzten und äußersten Ausgeburt der Menschensünde sein wird“, so wiederum der Kommentar von Arndt-Allioli. Dieses zweite Tier steht ganz im Dienste des ersten, und beide sind die dienenden Mächte des Drachen. Man spricht hier oft von der diabolischen Dreiheit, mit welcher der Teufel die heiligste Dreifaltigkeit nachäfft: Drache, Antichrist und falscher Prophet.
Gericht über Babylon
Im 14. Kapitel erblicken wir die 144.000 Jungfrauen, die dem Lamme gefolgt sind und nun ein herrliches neues Lied singen, woraufhin drei Engel das endgültige Gericht über die gottfeindlichen Mächte ankündigen, welches unter dem Bild der Ernte dargestellt und ab dem 15. Kapitel vollzogen wird. Es treten erneut sieben Engel auf, welche nun die sieben Schalen des Zorngerichts Gottes auf die Erde gießen (Kap. 15 und 15). Ab Kapitel 17 heißt es: „Die folgende Gruppe von Gesichten führt die Ereignisse der Endkatastrophe näher aus... Sechs Engel erscheinen nacheinander. In der Mitte zwischen ihnen erscheint 19,11 als vierter der Heiland selbst, um dem Seher weiter darzulegen, was schon die Gesichte des 14. und 16. Kapitels gezeigt. … Um die Zusammengehörigkeit der Gesichte zu kennzeichnen, wird bei der ersten (17,11) und bei der letzten Vision (21,9) gesagt, daß Schalenengel die ausführenden Kräfte seien, mithin stehen wohl auch die zwischenliegenden Gesichte zu den Schalengesichten in Beziehung. Von Kap. 12 an sind als Feinde der Kirche Christi dargestellt: der Drache als der Urfeind, das Tier aus dem Meere, die antichristliche Weltmacht mit dem Antichrist an der Spitze, endlich das diesem dienende Tier aus der Erde, der falsche Prophet. Während aber die Schilderung der Feinde Christi von dem eigentlichen Urheber der Feindschaft zu den ihm dienstbaren sichtbaren Mächten fortschritt, nimmt die Schilderung des Endgerichts über diese feindlichen Mächte den umgekehrten Gang: Untergang Babels, der Hauptstadt der antichristlichen Weltmacht, und Siegesfeier im Himmel über ihren Fall (17,1-19,10), Endgericht über den Antichrist und den falschen Propheten nach der Ankunft des Herrn (19,11-21), vorläufiges Gericht über Satan und Fesselung auf tausend Jahre und endgültige Verdammung (20,1-10).“
So sehen wir also im 17. Kapitel die „große Buhlerin“ Babylon, deren Sturz im 18. und 19. Kapitel vollzogen und bejubelt wird. Am Ende des 19. Kapitels sind „das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, um Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferde saß, und mit seinem Heere“ (Off 19,19). Arndt-Allioli: „In wahnwitziger Vermessenheit will der Antichrist mit seinem Anhange … den … Kampf mit dem König der Könige beginnen. Doch keine Schlacht wird berichtet, sondern einzig die Niederlage der antichristlichen Scharen. Die bloße Erscheinung des Herrn genügt, um die Macht des Antichrist zu vernichten.“ So heißt es auch beim heiligen Paulus im zweiten Thessalonicher-Brief: „Und alsdann wird jener Ruchlose offenbar hervortreten, doch der Herr Jesus wird ihn töten mit dem Hauche seines Mundes und zunichte machen durch den Glanz seiner Ankunft“ (2 Thess 2,8). Das Tier und der falsche Prophet werden ergriffen und „in den Feuerpfuhl geworfen, der mit Schwefel brennt“ (Off 19,20). „Und die übrigen wurden getötet durch das Schwert dessen, der auf dem Pferde saß, das aus seinem Munde geht, und alle Vögel sättigten sich von ihrem Fleische“ (Off 19,21). „Durch Christi Hauch, durch sein Richterwort, werden die übrigen getötet. So ist die Weltmacht des Endes gerichtet, wenn auch damit noch nicht alle Feinde Gottes abgetan sind, wie das Folgende zeigt“, so wieder der Kommentar.
Danach wird berichtet: „Und ich sah einen Engel vom Himmel herabsteigen, der hatte den Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in seiner Hand. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, welche der Teufel und Satan ist, und band ihn auf tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund, und verschloß und versiegelte diesen über ihm, damit er die Völker nicht mehr verführe, bis die tausend Jahre vollendet sind, nach diesen soll er auf kurze Zeit gelöst werden“ (Off 20,1-3). „Als Drache war Satan 12,9 auf die Erde geworfen, so war er 12,18 an den Rand des Völkermeeres getreten, die Völker zur antichristlichen Weltmacht zu gestalten, so hatte er 16,13 die Könige und Völker der Erde zum letzten Weltkampfe aufgestachelt, in dem sie 19,17 ihr Armagedon finden sollte. Nun endlich kommt die Reihe an ihn. Er wird als Drache gebunden, als Hintergrund aller Zusammenrottung feindlicher Weltmächte, als alte Schlange, die seit 1 Mos 3 Urheber der Sünde und des Todes ist, als Teufel, d.i. als Verführer, und als Satan, Ankläger der Menschen.“ Soweit der Kommentar von Arndt-Allioli.
Die „tausend Jahre“
Es werden nun die „tausend Jahre“ geschildert, in welchen diejenigen mit Christus herrschen, „welche wegen des Zeugnisses Jesu und wegen des Wortes Gottes enthauptet waren, und die das Tier und sein Bild nicht angebetet noch dessen Malzeichen an ihrer Stirne oder an ihrer Hand angenommen hatten“ (Off 20,4). „Und wenn die tausend Jahre vollendet sein werden, wird der Satan aus seinem Gefängnisse losgelassen und wird ausgehen und die Völker verführen, die an den vier Enden der Erde sind, Gog und Magog, und wird sie zum Kampfe versammeln, deren Zahl ist wie der Sand des Meeres“ (Off 20,7). Dazu der Kommentar: „Während die Fesselung vier Momente umfaßte, wird der böse Feind jetzt auf Befehl Gottes als Satan losgelassen. Nur die Macht, die Menschen aus Sünde in Sünde zu verführen und zu verklagen, erhält er für eine kleine Zeit zurück, doch nicht mehr die Macht, im Leben der Völker Gesamtgestaltungen der Sünde hervorzurufen.“
„Und sie zogen herauf über die Breite der Erde, und umringten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt. Da fiel Feuer von Gott aus dem Himmel und verzehrte sie. Und der Teufel, der sie verführte, ward in den Feuer- und Schwefelpfuhl geworfen, wo auch das Tier und der falsche Prophet gepeinigt werden Tag und Nacht in alle Ewigkeit“ (Off 20,9f). Der Kommentar erklärt dazu: „Das Verführen war allezeit das Bestreben Satans. Hört die sündige Menschheit auf Erden auf, so ist auch die Wirksamkeit Satans zu Ende. Nun wird er nicht nur gebunden und für eine spätere Rolle aufbewahrt, sondern empfängt sein Gericht. Und da er vor das letzte Gericht der Menschheit nicht gehört, empfängt er das seine im Anschlusse an die Niederlage seiner letzten Werkzeuge sofort.“
Hierauf beginnt das letzte Weltgericht: „Und ich sah einen großen, weißen Thron, und den, der darauf saß; vor seinem Angesicht floh die Erde und der Himmel, und es ward keine Stätte gefunden. Und ich sah die Toten, Groß und Klein, vor dem Throne stehend. Und Bücher wurden aufgetan, und ein anderes Buch ward geöffnet, das Buch des Lebens, und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben war, gemäß ihren Werken“ (Off 20,11f). Im 21. Kapitel schaut der Seher den neuen Himmel und die neue Erde und sieht das himmlische Jerusalem herabsteigen. Im 22. und letzten Kapitel besiegelt und bezeugt er seine Offenbarung.
Ordnung und Sinn des Geschehens
Es ist oftmals so, daß man aus der Ferne Dinge unmittelbar hintereinander liegend wähnt, während sich, wenn man näher kommt, doch eine beträchtliche Entfernung zwischen beiden zeigt. So scheint uns zunächst ein großer Berg direkt hinter einem kleineren aufzuragen, während wir in der Nähe erkennen, daß nicht nur ein Tal und ein Fluß, sondern vielleicht auch noch eine Ebene von beträchtlicher Ausdehnung zwischen beiden liegt. So ähnlich mag es sich auch mit den Prophetien vom Ende der Welt verhalten. Aus der Ferne scheint es, als geschehe das Auftreten des Antichristen unmittelbar vor der Wiederkunft des Herrn zum Weltgericht, während wir aus größerer Nähe, wenn das siebente Siegel in sieben Posaunen und die siebente Posaune wieder in ihre einzelnen Momente aufgelöst wird, sehen, daß zwischen dem Antichristen und dem Weltuntergang doch noch eine ganze Periode von „tausend Jahren“ liegt, wie uns die Heilige Schrift zeigt.
Nach dem Kommentar von Arndt-Allioli sind die „tausend Jahre“ zwar als symbolische Zeitdauer zu verstehen, bezeichnen jedoch eine bestimmte Periode. Und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Periode nach dem Antichristen liegt und vor dem eigentlichen Ende der Welt mit dem Jüngsten Gericht und dem Weltuntergang bzw. der Welterneuerung. Denn, wie wir gesehen haben, werden zunächst das Tier und der falsche Prophet, d.h. der Antichrist und sein Helfer, abgetan und in den Feuerpfuhl geworfen, während der Satan nur auf tausend Jahre gebunden wird, um danach noch einmal losgelassen zu werden. Auch er gelangt schließlich in den Feuerpfuhl, in welchem sich seine Helfershelfer bereits befinden, aber erst nach den genannten tausend Jahren. Während jener tausend Jahre jedoch werden mit Christus jene herrschen, „welche wegen des Zeugnisses Jesu und wegen des Wortes Gottes enthauptet waren, und die das Tier und sein Bild nicht angebetet noch dessen Malzeichen an ihrer Stirne oder an ihrer Hand angenommen hatten“, also ganz zweifellos die Märtyrer aus der Zeit des Antichristen.
Da wir diese „tausend Jahre“, in welchen nach dem Sieg über den Antichristen und der Zerstörung seines Reiches die heiligen Märtyrer mit Christus herrschen, während der Satan „gebunden“ ist, nur als eine glückliche, „goldene“ Periode werten können, ist zu folgern, daß jenes „Goldene Zeitalter“ nach dem Kommen des Antichristen anzusetzen ist, jedoch noch vor dem eigentlichen Weltende. Denn es ist noch nicht die leibhaftige Wiederkunft Christi selbst, sondern erst das „Aufleuchten Seines Kommens“ bzw. der „Glanz Seiner Ankunft“. Es ist nur angemessen, daß noch vor dem Ende dieser Weltzeit der Christkönig Seinen Triumph über die widergöttlichen Mächte feiert und Sein Reich noch auf dieser Erde errichtet, bevor es seine Vollendung in der Ewigkeit erlangt. „Zu uns komme dein Reich … wie im Himmel, also auch auf Erden.“
Das Endgericht hat also auch seinen Vorläufer, sein „Aufleuchten“. Es beginnt beim Hause Gottes, der Kirche, die zunächst ins Gericht gerufen wird. Um der Sünden ihrer Glieder willen muß sie eine Zeit der Verfinsterung. Bedrängnis und Dezimierung erdulden, wird aber durch das Auftreten der beiden Zeugen Henoch und Elias zur Buße geführt und durch die Verfolgung des Antichristen geprüft und gereinigt, sodaß sie schließlich mit ihrer Schar glorreicher Märtyrer herrlich und prächtig dasteht wie in den Zeiten der Urkirche. Wir dürfen annehmen, daß in diese Zeit auch die Bekehrung der Juden fällt, die nicht zuletzt wegen der Predigt des Elias zu ihrem Messias finden werden.
Im Antichristen und seinem Reich gelangen alle widergöttlichen Bestrebungen seit Anbeginn der Welt an ihr providentielles Ziel, erreicht das Böse seine Reife, um von Gott als Unkraut endgültig ausgerissen und in den Ofen geworfen zu werden (vgl. Matth 13,30). Dieser Sieg geschieht nach der Vorhersage bereits des Protoevangeliums durch die Schlangenzertreterin, die allerseligste Jungfrau Maria und ihre Nachkommenschaft, dargestellt als das große Zeichen am Himmel, das Weib, mit der Sonne umkleidet, den Mond unter ihren Füßen und den Kranz von Sternen über ihrem Haupt. Sie ging als die Unbefleckte Empfängnis der ersten Ankunft des Herrn als Morgenröte vorher, sie ist auch das Aufleuchten oder der Glanz Seines Kommens am Ende der Welt.
So gebührt ihr der Sieg über die Schlange und ihre Nachkommenschaft, d.h. den Antichristen und seine Verbündeten, und der Triumph ihres Unbefleckten Herzens führt alles wieder in Christus zusammen („instaurare omnia in Christo“) zu jener Goldenen Zeit der symbolischen „tausend Jahre“. Da es in diesen glücklichen Tagen den Menschen sehr gut gehen wird, können wir uns leicht vorstellen, wie Leichtsinn, Übermut und Lauheit rasch wieder um sich greifen. Darum muß der Teufel noch ein letztes Mal losgelassen werden, die Christen vor der leibhaftigen Wiederkunft des Heilands zum Jüngsten Gericht noch einmal zu züchtigen und wieder zum Eifer anzuspornen, damit sie nicht ohne Licht und Schmuck dem Herrn und Bräutigam entgegengehen.
So scheint alles einen schönen Sinn zu ergeben und vollkommen der Darstellung in der Heiligen Schrift zu entsprechen. Was aber wäre der Sinn, wenn es zuerst nur eine Art „Generalprobe“ des Antichristen gäbe, dann noch einmal alles abgebrochen und durch das Intermezzo eines „Goldenen Zeitalters“ unterbrochen würde, nach welchem dann erst der Antichrist auftritt und damit zugleich den Triumph des Unbefleckten Herzens zunichte macht, um danach nur noch durch das Weltende und den zum Gericht wiederkehrenden Heiland besiegt werden zu können? Hätte so nicht der Teufel das letzte Wort dieser Weltzeit, hätte nicht die Schlange über Maria triumphiert statt umgekehrt? Und wie vertrüge sich das mit der Heiligen Schrift? Müßten wir da in dem so ausführlich geschilderten Auftreten des Tieres und des falschen Propheten und ihrem Ende nur einen Vorläufer und ein Vorspiel des Antichristen sehen, während der eigentliche Antichrist dann ganz summarisch nur noch ganz am Ende als „Gog und Magog“ auftritt und abgetan wird?
Uns scheint es daher am sinnvollsten, wenn wir uns zunächst auf den Antichristen und seine Herrschaft einstellen und gefaßt machen, bevor wir den Triumph des Christkönigs und Seiner heiligsten Mutter erwarten, welcher dem endgültigen Weltgericht vorausgehen wird. Diese Haltung bewahrt uns am sichersten gleichermaßen vor falschen Hoffnungen wie vor falschen Ängsten. „Diese Worte sind zuverlässig und wahrhaftig. Und der Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen Engel gesandt, seinen Dienern zu zeigen, was in Bälde geschehen soll. Und sieh, ich komme bald! Selig, wer die Worte der Weissagung dieses Buches bewahrt!“ (Off 22,6f).
Mit freundlicher Erlaubnis vom Blog zelozelavi.wordpress.com