1. Wenn der Priester seine Weihe empfängt, erhält er vom Bischof eine Ermahnung. In dieser legt der Bischof dar: „Sacerdotem etenim oportet offerre, benedicere, praeesse, praedicare, et baptizare.“ – „Der Priester muß nämlich opfern, segnen (weihen), vorstehen, predigen und taufen.“ Das sind die priesterlichen Aufgaben und Pflichten, die der Weihekandidat bereit sein muß zu erfüllen. Und unter diesen Aufgaben stand besonders der priesterliche Segen beim katholischen Volk immer im hohen Ansehen, was man etwa in der außerordentlichen Wertschätzung des Primizsegens sehen kann.
Der Priester soll segnen, weil die Welt des Segens bedarf. Beim Segen bezeichnet der Priester den oder das zu Segnende mit dem Zeichen des hl. Kreuzes. Zeichen heißt auf Lateinisch Signum, woher unser deutsches Wort Signal kommt und bezeichnen heißt signare, woher wiederum das deutsche Wort Segen kommt. Was es bedeutet, verrät schon das erste Wort: „Benedicat“, uns bekannt vom Gruß des Engels her (Lk 1,41 und 42): „Du bist gebenedeit unter den Weibern.“ „Benedicere“ heißt wörtlich übersetzt: „Etwas Gutes sagen.“ Beim Segen wird also jemandem etwas Gutes gesagt und sogar in göttlichem Auftrag gewünscht, darum mit göttlicher Wirksamkeit. So kann also nur Gutes herauskommen, wenn der Priester als der Stellvertreter Jesu Christi in dessen Namen und im Zeichen Seines hl. Kreuzes uns Gutes sagen muß und natürlich auch wünscht. Und da der göttliche Heiland (vgl. Lk 6,25) uns alle aufgefordert hat, so einander Gutes, göttliche Wohltaten, zu erflehen ? ob mit oder ohne entsprechende Gebärde ist unwesentlich ? heißen wir eine solche Äußerung Segenswunsch oder Segen, manchmal auch ihre Wirkung.
Mit diesem Segen wird im Auftrag der Kirche vom Priester alles, was der Mensch braucht, erfüllt. Man muß nur im römischen Rituale einmal nachschlagen, was da alles gesegnet werden kann und soll: Nicht nur Kreuze und Heiligenbilder, Kerzen und Medaillen, sondern auch Tiere und Felder, Häuser und Scheunen, Fabriken und Maschinen, Autos und Flugzeuge, sogar Bier und Butter und vieles mehr. Überallhin soll sich der Segen Gottes ausbreiten, alles soll mit diesem göttlichen Segen erfüllt werden.
Wenn also der göttliche Segen solch große Bedeutung hat, dann ist es nicht verwunderlich, daß neben dem priesterlichen Segen immer auch der bischöfliche Segen vom Volk besonders begehrt war, gar nicht zu reden vom päpstlichen Segen. Der Papst war immer ein Papa benedicens gewesen, ein segnender Papst. Denn segnend ist er durch die Reihen gegangen oder getragen worden, segnend hat er sich dem Volk gezeigt, immerdar segnend sahen ihn die Menschen seine Wege gehen. Und oftmals hatte man den Eindruck, daß der Papst mit diesem seinen Segen die ganze Welt tragen müßte, so sehr lastete diese Segenspflicht auf ihm.
2. Haben Sie es schon bemerkt, neben vielen anderen katholischen Selbstverständlichkeiten ist durch den Modernismus auch diese Geste des Segnens mehr und mehr zurückgedrängt worden und schließlich fast vollständig verschwunden. Wann sieht man einen Priester noch segnen oder einen Bischof oder den Papst?
Besonders in Rom hat sich für den Segen ein Ersatzritus etabliert, der sehr viel über die neue Auffassung des obersten Leitungsamtes in der Konzilskirche aussagt. Vor allem seit Johannes Paul II. segnet der Papst nicht mehr, sondern er winkt. Aus dem Papa benedicens ist unmerklich ein Papa innuens geworden: Beide Hände hoch erhoben, winkend und scherzend durchschreitet Johannes Paul II. die jubelnde Menge.
Fast lautlos hat sich hier etwas ganz und gar Grundlegendes verändert. Aus dem Stellvertreter Jesu Christi, aus dem Hohenpriester des Neuen Bundes, der den Segen Gottes mitverwaltet und im göttlichen Auftrag weitergibt, ist – ja, was ist eigentlich aus ihm geworden? Wir wollen dieser Frage ein wenig nachgehen: Was ändert sich, wenn der Papst nicht mehr segnet, sondern der Menge mehr oder weniger begeistert und begeisternd zuwinkt?
Wir Katholiken wissen es noch, im segnenden Papst erscheint uns unmittelbar der Gottmensch Jesus Christus, denn nur Gott kann segnen. Deshalb verweist der Segen immer wieder auf den übernatürlichen Charakter unserer hl. Religion, auf ihren göttlichen Ursprung. Der katholische Priester steht seinerseits ganz und gar im Dienste des Dreifaltigen Gottes. Die persönliche Eigenheit des Priesters, sein persönlicher Charakter muß vollkommen in diesen göttlichen Dienst hineinwachsen und vor diesem zurücktreten.
Ein winkender Papst ist dagegen etwas ganz anderes. Im winkenden Papst erscheint nur noch der Mensch – der Mensch, der sich selbst in den Mittelpunkt rückt, indem er sich von der Masse bejubeln und feiern läßt, wie es die großen Stars auf den Bühnen der Welt vormachen. Durch derartige Gesten des Starkultes entsteht natürlich auch eine ganz eigene Atmosphäre, eine Atmosphäre der Menschenverehrung – womöglich sogar der Vergöttlichung, denn der Starkult des Neuheidentums ist ein Ersatz für den Gotteskult. Aus demjenigen, der die Stelle Gottes zu vertreten hat, der nicht sich selbst, sondern Jesus Christus darstellen und verkünden soll, wird notwendigerweise ein moderner Entertainer, der vor allem die Gefühle der Menschen anspricht, ja die Emotionen der Masse aufpeitscht. Damit verschiebt sich das Verhältnis des gläubigen Verehrers von der Ebene der Vernunft auf eine unvernünftige, irrationale Ebene. Der moderne „Katholik“ hängt dem Papst nicht mehr aus theologischen Gründen an, sondern nur noch aus emotionaler Anhänglichkeit. Darum hat diese Anhänglichkeit auch keinerlei weitere Bedeutung für ihn und sein Leben. Das, was der winkende „Papst“ sagt, muß nicht ernst genommen werden und schon gar nicht als womöglich mit göttlichem Glauben verpflichtend als wahr anerkannt werden.
3. Der winkende Papst ist notwendigerweise nur noch ein Showman, seine religiösen Veranstaltungen sind nicht mehr als Events zur Unterhaltung der Masse. Im Vordergrund eines Events steht immer das Erleben. Bei einem Event ist vor allem wichtig, daß etwas los ist, daß etwas möglichst Außerordentliches geschieht. Alles andere wird demgegenüber zur Nebensache, Inhalte interessieren letztlich überhaupt nicht mehr. Es ist so wie bei den Rocksongs, der Text ist völlig gleichgültig, was zählt ist der Rhythmus.
Unvergeßlich ist in diesem Zusammenhang ein Bild: Johannes Paul II. auf einem der Weltjugendtage in seiner weißen Soutane mit hoch erhobenen Armen zwischen zwei jungen Frauen, mit langen Kleidern angetan, auf der Altar-Bühnen-Plattform dahinschreitend, wobei die beiden jungen Frauen seine Hände mit hochhalten. Besser, d.h. publikumswirksamer könnte sich kein Schauspieler, kein Rockstar, kein Supersportler in Szene setzen. Seit Johannes Paul II. sich ganz bewußt und gekonnt ins Medienspektakel gestürzt hat, gehört der segnende Papst der Vergangenheit an. Darum sieht man den Papst nur noch winken– außer wenn der Segen noch ausdrücklich im Programm vorgesehen sein sollte, was die letzten Jahre schon selten genug der Fall war und nunmehr offensichtlich fast ganz der Vergangenheit angehört.
4. Als Katholiken müssen wir uns angesichts dieser auffallenden Veränderung besorgt fragen: Welches Selbstverständnis hat eigentlich dieser winkende römische Pontifex noch?!
Eines jedenfalls ist ganz klar: Ein Papst, der sich zum Megastar, zum Entertainer für Millionen machen oder auch nur mißbrauchen läßt, ist nicht mehr derjenige, den unser Herr Jesus Christus zum Felsen seiner Kirche erwählt hat. Denn vor einem solchen Publikum kann man nicht mehr Felsen sein, kann man die Wahrheit nicht mehr sagen, dafür fehlen letztlich alle Voraussetzungen. Die göttliche Wahrheit ist nicht dafür geeignet, ein Millionenpublikum zu unterhalten, sie ist nicht geeignet für einen derartigen Megaevent. Darum müßte der Stellvertreter Gottes auf Erden solche Events ganz bewußt meiden, er müßte völlig andere Wege gehen, die zu den Herzen der Menschen führen und nicht nur zu ihrem Bauch. Wenn man sich auf solche Megaevents einläßt, heißt das, man zieht die übernatürliche Religion ganz auf die Ebene der Natur herab und liefert sie dem Geist dieser Welt aus. Letztlich ist die neurömische Art der Megaevents nichts anderes als modernes Charismatikertum. Unbemerkt von den Katholiken hat sich Rom in diese alles verderbende spirituelle Irrlehre eingeklinkt und somit die charismatische Führung übernommen, der römische Pontifex winkend an deren Spitze!
Es ist bezeichnend für den Zustand der geistigen Führung in den traditionellen Gruppen, daß diese zutiefst erschreckende Entwicklung offensichtlich niemandem so recht aufgefallen ist. Das liegt wohl daran, daß das eigene Papstbild schon ebenfalls von allerlei irrationalen Momenten geprägt ist. Ein „Papst“, dem man niemals gehorchen muß, ist auch nicht viel anders als der „Papst“ der Modernisten. Nur aus den Reihen der sog. „Sedisvakantisten“ kommt noch vereinzelte Kritik.
Dabei ist die Bedeutung dieses Wandels im öffentlichen Auftreten des Papstes niemals zu unterschätzen, denn das aktuelle Papstbild der Gläubigen wird gerade durch diese öffentlichen Auftritte maßgeblich geprägt. Wenn der Papst nicht mehr ist als ein Star, dem man zujubelt und den man wie einen Filmschauspieler oder Sänger oder Supersportler verehrt, dann hat er damit beim Volk seine moralische Autorität eingebüßt, gar nicht mehr zu reden von seiner göttlichen Autorität als Stellvertreter Jesu Christi auf Erden. Einen immer nur winkenden Papst muß man sicher nicht mehr ernst nehmen, er ist nur noch eine Marionette.
5. Nachdem unter Benedikt XVI. ganz seiner Eigenart entsprechend das winkende Auftreten des „Papstes“ wieder etwas zurückhaltender geworden ist – andererseits hatte sich auch Josef Ratzinger in erstaunlich kurzer Zeit dieses Verhalten angeeignet und es, wenn auch verhaltener als sein Vorgänger, geübt – steigert sich unter Bergoglio dieses den Massen anbiedernde Getue zu einem neuen Höhepunkt. Schon beim Antritt als Bischof von Neurom warf er sämtliche zeremoniellen Vorgaben über den Haufen und benahm sich wie ein ungezogenes Kind. Aber nicht nur in seinem Benehmen zeigte er sich befremdlich, auch seine Aussagen entbehrten nicht einer gewissen Abenteuerlichkeit, mit katholischer Theologie haben sie jedenfalls nichts mehr zu tun. Der neue Mann in Rom ist darum ganz nach dem Geschmack der Medien. Zum Weltjugendtag 2013 titelt eine Zeitung: Millionen Gläubige feiern Papst wie einen Rockstar. Mit dem Papamobil fährt der Papst durch die Menge am Strand. Die drei Millionen Besucher an der Copacabana feiern Franziskus mit Sprechchören, Mate-Tee und Trikots.
Eine andere spricht von den skurrilen Aktionen des Papstes: Dass er dicht an dicht mit Jugendlichen für lustige Handyfotos posiert, dass er einen Studenten anruft und ihm das "Du" anbietet. Alles Zeichen neuer Gepflogenheiten, neuer Offenheit gegenüber den Menschen.
Und weiter: Der Gottesdienst bildete den Abschluss des Weltjugendtags in Brasilien. Franziskus legte die letzten drei Kilometer bis zur Bühne am Strand in einem offenen Papamobil zurück. Er hielt mehrfach an, um den Wartenden seinen Segen zu spenden, Kinder zu umarmen oder Mate-Tee zu trinken, der ihm in sein Fahrzeug gereicht wurde. Franziskus wurde mit Sprechchören gefeiert, Fußball-Trikots landeten in seinem Fahrzeug.
Die Amtszeit Bergoglios ist sicher noch zu kurz, um Endgültiges sagen zu können, aber sie ist andererseits auch schon lang genug, um die Richtung bestimmen zu können: Franziskus wird in seiner Modernistenkirche auch noch den letzten Rest an Verbindlichkeit dem Erdboden gleich machen, er wird das alte Papsttum endgültig begraben – was anderseits wiederum die ganz natürliche, notwendige, im Grunde schon geschehene Folge des Modernismus ist. Im Modernismus gibt es den „Papst“ nur noch mit Anführungszeichen. Daß die sog. Katholiken das im Jahre 2013 trotz eines „Papst“ Franziskus nicht wahr haben wollen, zeigt, daß die Verblendung inzwischen ihr Endstadium erreicht hat.