Wenn ein Kind zu Verstand kommt und die Vernunft bei ihm erwacht, fängt es an, Fragen zu stellen: „Was ist das? Woraus ist das? Warum ist das so? Wer hat das gemacht?“ Es ist dieses Fragen offensichtlich dem menschlichen Verstand natürlich und eigentümlich. Es geht nach den Ursachen der Dinge und will diese ergründen. Dabei bleibt es nicht bei den nächsten Ursachen stehen, sondern will bis zu den letzten Gründen und Ursachen durchdringen. Das kann für die Eltern dieser aufgeweckten Kinder sehr strapaziös sein, wenn es auf jede Antwort wieder nur heißt: „Und warum?“ Man stößt dann allzu schnell an seine Grenzen und muß feststellen, daß man es sich vielleicht selber bisher allzu leicht gemacht und sich mit den vordergründigsten Antworten zufrieden gegeben hat. Die Kinder zwingen uns zum Nachdenken, zum Weiterbohren.
Es ist dies der Beginn der Wissenschaft, denn der Wissenschaftler tut im Grunde nichts anderes, als dieses kindliche Frage- und Wissensbedürfnis in erwachsener, gereifter und systematisierter Form weiterzubetreiben. Auch die Wissenschaft ist ja die Suche nach den Gründen und Ursachen. Sie ist nach der gut scholastischen Definition cognitio certa per causas, also die sichere Erkenntnis aufgrund der Ursachen. Der Ursachen aber gibt es im wesentlichen vier, wie uns unser fragendes Kind bereits belehrt und die scholastische Philosophie es wissenschaftlich kategorisiert hat: die Formursache oder causa formalis („Was ist das?“), die Materialursache oder causa materialis („Woraus ist das?“), die Zweckursache oder causa finalis („Wozu oder warum ist das?“) und die Wirkursache oder causa efficiens („Wer hat das gemacht?“). Jedes Ding in unserer körperlichen Welt hat diese vier Ursachen und läßt sich nach ihnen erkennen und beschreiben.
Form- und Materialursache nennen wir zwar die inneren Ursachen, denn aus ihnen besteht das Ding dem Wesen nach, so wie der Mensch aus Seele und Leib. Das aber bedeutet nicht, daß die anderen beiden Ursachen, die außerhalb des Dings liegen und die deshalb äußere Ursachen heißen, nicht von großer Bedeutung wären für die Sache selbst. Gerade der Zweckursache oder causa finalis kommt dabei die größte Bedeutung zu, ist sie es doch, die letztlich über die Form entscheidet, also darüber, was eine Sache überhaupt ist. Dient sie dem Trinken, so ist sie ein Getränk, dient sie dem Putzen, so ist sie ein Reinigungsmittel.
Wir sehen an diesem Beispiel bereits, wie wichtig die Kenntnis dieser Ursachen für uns schon im Alltag sein kann. Leider geschieht es ja bisweilen, daß ein Putzmittel mit einem Getränk verwechselt wird, und das hat mitunter verheerende Folgen. Auch sonst im bürgerlichen, sittlichen, staatlichen und praktischen Leben sind wir vom Prinzip dieser vier Ursachen, dem Kausalitätsprinzip, wie wir es philosophisch nennen, abhängig und wenden es selbstverständlich und unablässig an. Die Kriminalpolizei etwa fragt: „Wer hat das getan?“, was im Englischen die Bezeichnung eines ganzen Teil-Genres des Kriminalromans geworden ist: „Whodunnit?“ Sie sucht den Täter, also die Wirkursache. Das Gericht fragt sodann: „Was hat er getan?“ Es untersucht, um was für eine Tat es sich formell handelt, z.B. ob es Mord war oder Totschlag. Dazu befragt sie insbesondere das Motiv, also die Zweckursache, und diese entscheidet wesentlich über die Bewertung der Tat und die dafür verdiente Strafe.
Während wir nun in allen Bereichen unseres Lebens und der Wissenschaft dieses Prinzip notwendig und erfolgreich verwenden, hat es sich ausgerechnet die moderne Wissenschaft zur Aufgabe gemacht, es systematisch zu leugnen. Daß sie sich damit in einen Widerspruch mit sich selbst begibt und sogar ihre eigenen Grundlagen untergräbt, ist ihr bisher offensichtlich noch nicht zu Bewußtsein gekommen, dazu bleibt sie in ihrer Ursachenforschung doch zu oberflächlich. Sie bedient sich hierbei der sogenannten methodischen Beschränkung auf jeweilige Fachgebiete. Dagegen wäre nichts zu sagen, würden erstens die Fachgebiete insgesamt alle Bereiche des Seins abdecken, und würden sich zweitens die Fachwissenschaftler wirklich auf ihr Fachgebiet beschränken. Beides ist leider nicht der Fall. Denn zum einen finden wir diese Fachgebiete heute fast nur noch auf dem Gebiet der „Naturwissenschaft“, d.h. man beschäftigt sich ausschließlich mit dem, was sichtbar, wägbar oder meßbar ist, mit Materie. Die Welt des Geistes bleibt außen vor, sie gilt als nicht „wissenschaftlich“. Höchstens die Geschichts- und Sprachwissenschaften will man noch gelten lassen, aber auch sie nur mit hochgezogener Nase und herablassendem Grinsen. Zum anderen aber, und das wiegt noch viel schlimmer, behauptet man einfach und frech, außerhalb der eigenen Fachgebiete gäbe es gar nichts, und wer etwa metaphysische Gründe behaupte, der sei ein Phantast und kein Wissenschaftler. Derlei Dinge gehörten allenfalls in den Bereich des Glaubens, der aber sei nicht wissenschaftlich. Der Wissenschaftler ist Agnostiker und Atheist aus Prinzip. Daß er damit aus seiner methodischen Beschränkung ein metaphysisches Prinzip gemacht hat, fällt ihm nicht ein und kann ihm gar nicht einfallen, denn Metaphysik gibt es ja nicht.
Der moderne Wissenschaftler leugnet das Kausalitätsprinzip nicht ganz. Partiell wenigstens wendet er es an. Im Alltagsleben wird er auch gar nicht daran denken, es zu leugnen. Hat etwa jemand sein schönes neues Auto zerkratzt, so wird er nicht rasten und ruhen, ehe er den Übeltäter dingfest gemacht hat. Untersucht er jedoch das Wunder der Doppelhelix, so kommt es ihm nicht in den Sinn danach zu fragen, wer dies wohl erdacht oder ersonnen hat. Eine solche Frage wäre unwissenschaftlich und bleibt, wenn überhaupt, Glaubenssache. Nun, so könnten wir antworten, dann ist es auch eine Glaubenssache, wer seinen Luxuswagen zerkratzt hat. Alles, was wir feststellen können, ist, daß er sehr kunstvoll zerkratzt worden ist. Das wird unseren Wissenschaftler hier kaum befriedigen können, in seiner Wissenschaft jedoch will er selbst, daß es so sei. Merkwürdig, nicht wahr? Und unwillkürlich fragt man sich, warum es so ist. Wir können als Scholastiker halt nicht umhin, dem Kausalitätsprinzip auch hierin zu folgen.
Warum also bemüht sich die moderne Wissenschaft, das Kausalitätsprinzip außer Kraft zu setzen oder es doch nur noch in einem sehr engen Bereich gelten zu lassen? Warum will man vor allem nicht zu den tieferen, den metaphysischen Ursachen durchdringen, was doch jedes Kind notwendigerweise tut und mit seiner Fragerei keine Ruhe gibt, bis man ihm antwortet: „Das hat der Liebe Gott so gemacht.“ Kann es vielleicht daran liegen, daß man gerade diese Antwort nicht will? Daß man von Gott nichts hören will und damit notwendig auch von der Seele, von Himmel und Hölle, von der Notwendigkeit, das Gute zu tun und das Böse zu lassen, weil auch hier das Kausalitätsprinzip gilt und die das Gute getan haben, auferstehen werden zum ewigen Leben, die aber das Böse getan haben, auferstehen werden zum Gericht (Joh 5,29)? Wir werden wohl kaum fehlgehen, hier, im Gewissen, die Antwort auf unsere Frage zu suchen.
Unser Gewissen ist natürlicherweise ganz im Einklang mit der Heiligen Schrift und der Stimme der gesunden Vernunft. Es sagt uns: Das Gute ist zu tun, das Böse zu meiden. Das Gute muß belohnt, das Böse bestraft werden. Jede Tat aber kann je nach ihren Ursachen gut oder böse sein, und somit ist ihr Urheber dafür entweder zu belohnen oder zu bestrafen. Auch das wissen schon kleine Kinder, wenn in ihnen die Vernunft erwacht. Für die gefallene Natur aber ist das peinlich, und wenn einer die Finsternis mehr liebt als das Licht, weil seine Werke böse sind (Joh 3,19), was wird er tun, um der Stimme seines Gewissens mit ihren unausweichlichen Forderungen zu entfliehen, sich zu verbergen vor dem Zorn Gottes und dem Tag des Gerichtes? „Da wird man den Bergen zurufen: 'Fallt über uns!', und den Hügeln: 'Bedeckt uns!'“ (Lk 23,30). Man bringt deshalb das metaphysische Gebäude zum Einsturz, um sich unter seinen Trümmern zu verbergen. Man leugnet das Kausalitätsprinzip, man leugnet die Ursachen, zumindest die metaphysischen. Dann gibt es keine Verantwortung mehr, keine guten und bösen Taten, und vor allem keinen Gott, der unser Schöpfer ist und von uns Rechenschaft verlangt, weil er uns ja für sich erschaffen hat. Es gibt kein Weiterleben nach dem Tod, keinen Himmel und keine Hölle. So steckt man seinen Kopf in den Sand und meint auf diese Weise gerettet zu sein, wie ein kleines Kind, das die Augen schließt, wenn es Angst hat vor dem Butzemann. Nun aber wird dieses Vogel-Strauß-Gehabe systematisch und streng methodisch, mit ungeheurem Aufwand an Geld und Forschung betrieben – da haben wir die moderne Wissenschaft.
Ihren Stein der Weisen hat sie gefunden im Dogma des Evolutionismus. Auf dem Gebiet der Biologie läßt sich die Leugnung metaphysischer Prinzipien am volkstümlichsten betreiben. Wer hätte nicht Freude an Tieren und Pflanzen? Der studierte Theologe und angehende, schließlich aber verhinderte anglikanische Pfarrer Charles Darwin war es, der mit seiner höchst unwissenschaftlichen Theorie den Anstoß gab. Aus seiner Beobachtung gewisser Vogel- und Schildkrötenarten, die sich unter den besonderen Lebensbedingungen der Galapagos-Inseln offensichtlich in einer bestimmten Weise differenziert und entwickelt hatten, schloß er kühn auf eine „Entstehung der Arten“ dergestalt, daß alles in der Welt einem kontinuierlichen Veränderungsprozeß unterliegt und alle Organismen von gemeinsamen Vorfahren abstammen. Das sind sehr weitreichende und ungesicherte Folgerungen, wenn man die mageren Anfangserkenntnisse bedenkt. Wissenschaftlich wäre aus Darwins Beobachtung vor allem zu folgern gewesen, daß aus Finken immer wieder Finken werden und aus Schildkröten immer wieder Schildkröten, wenn man denn schon den Horizont von den Galapagos-Inseln gleich auf die ganze Welt ausdehnen wollte. Gerade das, was seine bahnbrechende „Entdeckung“ ausmacht, war durch die Befunde nicht belegt, sondern eher widerlegt. Bis heute ist das so. Es gibt keinen einzigen fossilen Fund, keine einzige experimentelle Beobachtung, die etwa das Hervorgehen eines Reptils aus einem Fisch oder nur das eines Mehrzellers aus einem Einzeller (geschweige das einer lebenden Zelle aus einer „Ursuppe“) belegen würde. Dennoch gilt Darwins Theorie heute als gesichert und „wissenschaftlich erwiesen“. Wieso klammert man sich mit solcher Energie und solchem wissenschaftlichen und technischen Aufwand an ein Hirngespinst, das ein typisches Produkt des mehr phantastischen als wissenschaftlichen Geistes des 19. Jahrhunderts ist?
Nein, um Wissenschaft geht es nicht, jedenfalls nicht um Naturwissenschaft. Die Evolutionstheorie ist ein philosophisches Problem, und eigentlich noch mehr ein sittliches und religiöses. Doch bleiben wir vorerst bei der philosophischen Seite. Was Darwin und seine Nachbeter hier in das naturwissenschaftliche Gewand gekleidet haben, ist nichts anderes als die Leugnung des Kausalitätsprinzips. Der Evolutionismus will uns ja vor allem weismachen, es gebe eine dauernde kontinuierliche (oder neuerdings auch sprunghafte) Entwicklung, und diese gehe insbesondere ohne jede Zielrichtung vor sich. Es gibt also weder Zweck- noch Formursache. Uns erscheint es zwar so, als gäbe es feste Formen, dies jedoch nur, weil der Veränderungsprozeß so langsam und in so großen Zeiträumen abläuft, daß wir ihn nicht direkt beobachten können. Auch erscheinen uns diese Formen sinnvoll, als seien sie gezielt für ihre Aufgabe und Umgebung geschaffen worden, während sie in Wirklichkeit das Resultat eines endlos langen Ausleseprozesses ist, bei dem alles ausgemerzt wurde, was weniger gut angepaßt war. Mutation und Selektion, das ist es, was man an die Stelle der alten Ursachen von Form und Ziel gesetzt hat. Gibt es keinen Sinn und keine Form mehr in den Dingen, so auch keinen Plan und keine Information. Der planerische und gestalterische Geist ist somit ebenfalls entbehrlich. Als Wirkursache genügt das durch Zufall und Notwendigkeit geprägte Spiel der Materie. Diese Theorie ist somit kompatibel sowohl mit dem Atheismus als auch mit dem Pantheismus, und dann natürlich auch abwärtskompatibel zu irgendwelchen Naturgottheiten. Mit einem transzendenten Schöpfergott, wie ihn uns die Bibel lehrt, ist sie unverträglich. Als letztes gestalterisches Element bleibt ihr die ständig in Fluß befindliche Materie, und auch diese löst sich zusehends ins Nichts auf. Somit landen wir letztlich konsequenterweise im Nihilismus, der nun seinerseits am besten mit den fernöstlichen Systemen wie dem Buddhismus harmoniert.
Für den sittlichen und religiösen Bereich ergeben sich daraus einige bedeutsame Folgerungen, die ohne Zweifel das eigentliche Motiv dieses philosophischen Irrtums sind, der seinerseits in vorgeblich naturwissenschaftlichem Gewand als Evolutionismus erscheint. Zunächst: der Mensch ist frei! Er ist frei im liberalen Sinn. Er ist nicht das mit Geist und Verantwortung begabte Geschöpf eines transzendenten Gottes, der einst Rechenschaft von uns verlangen wird. Er hat keine unsterbliche Seele, die nach dem Bild und Gleichnis seines Schöpfers gestaltet ist und die wir mit der philosophia perennis als Form des Leibes erkennen. Sinnlos ist die erste Katechismusfrage nach der Zielursache: „Wozu sind wir auf Erden?“ Der Mensch ist nur das Produkt eines natürlichen Ausleseprozesses, nicht mehr als ein Tier, mehr oder minder gelungen und in stetiger weiterer Entwicklung begriffen.
Es gibt namentlich keine Sünde, denn auch hier regieren nur Zufall und Notwendigkeit. Der Determinismus der menschlichen Handlungen ist ein beliebtes wissenschaftliches Postulat der Neuzeit. Und immer wieder können wir es lesen, wie die Wissenschaft erneut festgestellt hat, daß unsere Handlungen nur Produkte unserer Gene, unserer Hormone oder atavistischer Verhaltensweisen aus grauer Vorzeit unserer Entwicklungsgeschichte sind. Wenn einer trinkt, dann sind es die Gene. Begeht einer ein Sittlichkeitsverbrechen, dann sind die Hormone daran schuld. Der Liebhaber, der seinen Nebenbuhler erschlägt, hat nur getan, was in unserer Stammesgeschichte als Affen noch notwendig fürs Überleben gewesen ist. Eine Erbsünde gar gehört vollends ins Reich der Fabel. Vielmehr ist in der Entwicklungsgeschichte des Menschen die Großhirnrinde zu schnell gewachsen, ein Evolutionsfehler, den die Selektion mit der Zeit von selber beseitigen wird. Somit ist der Mensch gerade in seiner Determiniertheit frei von jeder Verantwortung und kann sündigen, so viel er will – solange er die anderen nicht schädigt, denn dann muß ihn die Gesellschaft „ausselektieren“. Die Religion entspringt der Hirnanhangdrüse und ist ihrerseits den Gesetzen der Evolution unterworfen. Sie behauptet sich, solange sie einen Selektionsvorteil bietet, und ist überflüssig oder sogar schädlich, sobald das nicht mehr der Fall ist. Vom Sozialdarwinismus, der später so schreckliche und tödliche Früchte trug, hat sich Darwin selbst in seinem Spätwerk distanziert. So weit wollte er dann doch nicht gehen. Er konnte freilich damit nicht hindern, daß andere diese Konsequenz aus seiner Theorie zogen, die er selbst nicht ziehen wollte.
Auf dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gebiet ergibt sich aus diesen Prinzipien das freie Spiel aller Kräfte, wie wir es in den liberalen Demokratien modernen Zuschnitts und in der „freien Marktwirtschaft“ erleben. Mutation und Selektion, „survival of the fittest“. Zumindest in der freien Wirtschaft wird damit harter Ernst gemacht. Wer nicht schnell genug mit den „globalen“ Entwicklungen Schritt hält, bleibt eben auf der Strecke. In der Politik ist man weniger konsequent und gewährt oft „Minderheitenschutz“, anstatt gelassen abzuwarten, ob sich die Minderheiten allmählich durchsetzen oder wegselektiert werden. Dies geht oft so weit, daß man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, als solle die Evolution bewußt gesteuert werden, also in eine bestimmte Richtung gelenkt. Dagegen müssen wir uns als „Wissenschaftler“ energisch verwahren! Dies würde doch die Kausalität wieder einführen, die wir eben erst beseitigt haben!
Überhaupt können eingefleischte Darwinisten selten der Versuchung widerstehen, selber Selektion zu spielen. Seit Malthus, der übrigens großen Einfluß auf Darwin und seine Theorien hatte, die Behauptung aufgestellt hat, die Menschheit wachse schneller als die natürlichen Ressourcen, und somit das Gespenst der „Überbevölkerung“ an die Wand gemalt hat, hat es nie an Versuchen gefehlt, dieser Entwicklung durch politische oder soziale „Hygiene“-Maßnahmen zu steuern. Wir wollen hier nicht auf jene entsetzlichen Auswüchse zu sprechen kommen, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in dieser Hinsicht grausam gewütet haben. Uns genügt der Hinweis auf das heutige „reproductive health“-Programm der Vereinten Nationen, das von so ehrenwerten Organisationen wie dem „Green Cross“ Gorbatschows, den Rotariern oder der „Bill Gates Stiftung“ reiche Unterstützung findet. Auch das ist eine Folge des ausgeschalteten oder besser willkürlich reduzierten Kausalitätsprinzips.
Im privaten Leben führt es zu einem Hedonismus der besonderen Art: das folgenlose Vergnügen, die Lust ohne Konsequenz und ohne Reue. Das ermöglicht nicht nur die moderne Pharmazie und Medizin mit ihren verschiedenen Methoden der Empfängnisverhütung und der Abtreibung. Von besonderer Bedeutung war vielmehr die Erfindung der „virtual reality“, der nicht wirklichen Realität, oder wie man es übersetzen soll. Da die Wirklichkeit, wie ihr Name schon sagt, aus Wirkungen und deren Ursachen besteht, dachte man eine Schein-Wirklichkeit zu schaffen, die letztlich wirkungslos ist. Vor dem Bildschirm kann man töten, metzeln und morden und sich allen anderen Lastern hingeben, unter beinahe realistischen Bedingungen, doch ohne wirkliche Folgen – so meinte man zumindest. Erst wenn es wieder zu einem Amoklauf oder einem Massaker auf dem Schulhof gekommen ist, nimmt man verwundert zur Kenntnis, daß auch die „virtual reality“ dem Kausalitätsprinzip gehorcht und ihre Zerstörungen in der Seele hinterläßt, die bei solchen Ausbrüchen so brutal, real und handgreiflich ans Tageslicht kommen.
Die schlimmsten Folgen hatte freilich die Übertragung des Evolutionismus und damit der Leugnung der Kausalität auf das Gebiet der Religion. Dies geschah im katholischen Bereich durch den Modernismus. Der Modernismus basiert wesentlich auf dem Prinzip der Evolution. „In einer Religion, die lebt, ist nichts unveränderlich, darum muß es verändert werden“, so hat der heilige Pius X. den Grundsatz der Modernisten formuliert. Er hat auch gezeigt, welch weitreichende und verheerende Folgen dieser Grundsatz für den Glauben und das Glaubensleben hat. Die Dogmen sind nie fertige und feste Lehren, sie bedürfen „weiterer Präzisierung“ (Ratzinger) und Anpassung. Namentlich auch der Gottesdienst muß laufend angepaßt und verändert werden. Die heilige Messe, die Sakramente, nichts kann unverändert bleiben. Das „II. Vatikanum“ hat mit dieser Lehre radikal ernst gemacht. Tatsächlich blieb nichts unverändert. Was das für die Sakramente bedeutet, die doch für unser geistiges Leben so unabdingbar sind und ganz auf der Kausalität beruhen, können wir nur mit Schaudern erahnen. Ein Sakrament ist ja per se eine causa, eine Instrumentalursache, ein Mittel, um uns die für das übernatürliche Leben notwendige Gnade mitzuteilen. Es hat als Urheber Unseren Herrn Jesus Christus selbst, und es verlangt zu seiner Gültigkeit nach den von Ihm eingesetzten Ursachen der entsprechenden Form und Materie, des rechtmäßigen Spenders und der richtigen Intention. Fehlt eine dieser Ursachen, so kommt das Sakrament nicht zustande. Was aber, wenn man an diese Ursachen gar nicht mehr glaubt und an ihre Stelle die „Evolution“ gesetzt hat? Was bleibt noch von unserem Glauben, von unseren Sakramenten, von unserer Kirche?
Die Leugnung des Kausalitätsprinzips ist umso unheilbarer, als es sich bei diesem um ein analytisches, notwendiges und allgemein gültiges Prinzip handelt. Es kann weder deduktiv aus höheren Prinzipien abgeleitet werden (obwohl es von ihnen gestützt wird) noch induktiv oder experimentell aus der Welt der Erscheinungen bewiesen. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Begriff der Wirkung, d.h. aus der Erfahrung des Werdens oder des Gewordenen und damit aus der Erfahrung der Wirklichkeit. Diese Wahrnehmung geschieht ebenso spontan und natürlich wie die Ableitung des Kausalitätsprinzips, sie ist unserer Vernunft so selbstverständlich, daß jedes Kind sie bereits anwendet, wie wir oben schon gesehen haben. Das Kausalitätsprinizip ist sozusagen aus sich einleuchtend und kann und braucht nicht bewiesen werden. Eben darum kann man es so leicht leugnen – wenigstens in der Theorie. Wie will man etwa jemandem, der mitten im Regen steht, beweisen, daß es regnet? Es ist doch offensichtlich, es kann und braucht nicht bewiesen werden. Wenn er nun gar noch seinen Regenschirm aufspannt und gleichwohl weiterhin leugnet, daß es regnet – wie will man argumentieren? Man wird sagen, dieser Mensch sei von Sinnen, eine Diskussion aber ist schlechterdings nicht möglich, wo selbst das Offensichtlichste und Selbstverständlichste geleugnet wird. Mit diesem Moment des frappanten Wahn- und Widersinns arbeitet der moderne Geist des Evolutionismus und Agnostizismus. Darum gibt es gegen ihn so gut wie kein Heilmittel, zumal es sich mehr um eine Krankheit des Herzens als um eine des Verstandes handelt. „Denn verstockt ist das Herz dieses Volkes. Mit den Ohren hört es schwer, seine Augen hat es geschlossen, damit es mit den Augen nicht sieht und mit den Ohren nicht hört, mit dem Herzen nicht versteht und sich nicht bekehrt, daß ich es heile“ (Mt 13,15).
Es geht also im Letzten nicht um eine wissenschaftliche Diskussion, auch nicht um eine philosophische. Der heilige Pius X. nennt in seinem Lehrschreiben über den Modernismus außer der nächsten Ursache für dieses Übel, nämlich einem Irrtum des Verstandes, zwei entferntere Ursachen: die Neugier und den Stolz. Eine Lösung liegt daher weniger im Disput und der Belehrung, als vielmehr in der Bekehrung. „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider! Bekehrt euch zum Herrn, eurem Gott! Denn gnädig ist er, barmherzig, langmütig, reich an Erbarmen und läßt sich das Unheil gereuen“ (Joel 2,13).