Was die Armen Seelen im Fegfeuer uns zu sagen haben

Vor nunmehr zwei Jahren, kurz vor seiner Attacke, die ihn wenige Monate später in die Ewigkeit führen sollte, brachte Hw. P. Weinzierl diese Gedanken zum Papier. Mögen sie uns daran erinnern, wie die armen Seelen leiden und wie wir ihnen helfen können, und möge der Verstorbene in den Genuß der Früchte seiner Mühen und Arbeiten gelangen. R.I.P.

Der Spätherbst lenkt unsere Gedanken unwillkürlich auf das Ende hin. Die sterbende Natur, die abgeernteten Felder und die allmählich entlaubten Bäume sprechen ganz laut von der Vergänglichkeit alles Irdischen – und davon, daß es dem Menschen gesetzt ist zu sterben.

Sobald wir im Monat November öfter auf den Friedhof gehen und die Gräber besuchen, begegnet man dem Tod in vielfältiger Weise. Denn wie viele Freunde und Bekannte liegen schon in einem der Gräber, so daß man sich fragt: Wie wird es ihnen in der anderen Welt gehen? Wir Katholiken wissen ja, daß es eine andere Welt gibt. Zudem wissen wir, daß diese andere Welt derzeit noch sich dreiteilt: Himmel, Fegfeuer und Hölle.

Während der Gedanke an den Himmel unser Gemüt mit Freude und Dankbarkeit erfüllt, weckt der Gedanke an das Fegfeuer oder gar die Hölle spontan Unbehagen. Es fällt uns bei diesen Gedanken recht schwer, nüchtern zu bleiben, insofern wir diese ernst nehmen, also tatsächlich an die Existenz einer Hölle oder eines Fegfeuers glauben – und uns somit mit der realen Möglichkeit auseinandersetzten müssen, nach unserem Tod womöglich sogar in die Hölle und noch viel möglicher wenigstens ins Fegfeuer zu kommen.

Es fällt uns Menschen außergewöhnlich schwer, uns die Qualen der Hölle oder des Fegfeuers auch nur vorzustellen, geschweige denn, diese als echte Schmerzen zu erspüren. Und uns modernen Menschen kommt nur allzu schnell der an sich gotteslästerliche Gedanke, irgendwie ist das unrecht, jemanden so leiden zu lassen. Wenn etwa die hl. Katharina von Genua, die Mystikerin des Fegfeuers, uns aufgrund ihrer Visionen versichert: „Die Schmerzen sind so groß, daß keine Zunge sie beschreiben, keine Verstand sich ihr Ausmaß vorstellen kann.“ Denselben Gedanken drückt auch der hl. Thomas von Aquin mit den Worten aus: „Ein einziges Fünklein des Fegfeuers übersteigt die allerschwersten Peinen dieses Lebens.“

Liebe und Schmerz

Der Schlüssel zum Verständnis dieser unsagbaren Schmerzen ist die Gottesliebe. Denn die wahre, die echte, Gottesliebe in diesem Leben, erzeugt neben der Freude immer auch den Schmerz, können wir doch Gott nie so lieben, wie es IHM allein gebührt, nämlich unendlich. Nun vermag aber Gott allein unendlich zu lieben, die Geschöpfe hingegen nicht, weil ihre Kräfte nur endlich sind. Deswegen muß das Geschöpf zur Gottesliebe erst ertüchtigt werden durch die übernatürliche Tugend der Liebe, die in uns ist durch den Heiligen Geist.

Sühnende oder sich aufbäumende Schmerzen

Dennoch verspüren wir in diesem Leben immer auch unser Unvermögen, Gott so zu lieben, wie ER es verdient. Hinzu kommt noch das eigene Versagen, unsere vielen Sünden, durch die unsere Lieben zu Gott gemindert oder gar ausgelöscht wird, wenn es schwere Sünden sind. Dieses Versagen zu erkennen, läßt uns leiden. Wir können nun dieses Leiden entweder als Sühne für unsere Sünden annehmen oder uns dagegen auflehnen. Dieses Auflehnung steigert gewöhnlich noch den Schmerz und macht ihn zur Qual. Von der ersteren Art ist das Leiden im Fegfeuer. Die Hölle hingegen ist der verschlossene und sich aufbäumende Schmerz, in dem es keine Ausnahme des Leidens gibt.

So ergeben sich also aus der göttlichen Liebe, die unendlich ist, drei Möglichkeiten der Antwort des Menschen: Himmel, Fegfeuer und Hölle. Im Himmel stellt sich der göttlichen Lieben nichts entgegen, so daß sie als reines Licht erscheinen kann und vollkommene Freude bringt. Insofern sich aber gegen diese Liebe ein Widerstand aufbaut – die Sünde! – erscheint sie als Feuer. Dabei gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Im Fegfeuer wird dieses Feuer zu einem Genugtuungsleiden, das die Seele für die Anschauung Gottes bereitet. In der Hölle wir der Widerstand unheilbar. Er beherrscht den Geist vollkommen, der das Böse (die Sünde) bejaht und sich gegen Gott auflehnt. So kann man das Fegfeuer ein Freudenfeuer nennen, wohingegen das höllische Feuer Qualenqualen verursacht.

Ein geheimnisvoller Gefangenenbesuch

Das geheimnisvolle Fegfeuer, das ist letztlich Gott, dessen Gegenwart zwar die Seele verspürt, mit dem aber eine Vereinigung noch nicht möglich ist. Dennoch weiß die Arme Seele um ihrer ewige Rettung und nimmt deswegen alle diese Läuterungsschmerzen gerne an, weshalb die hl. Katharina von Genua an einer Stelle schreibt: „Ich glaube nicht, daß man eine Zufriedenheit finden kann, die derjenigen der Seelen im Fegfeuer gleichkommt, es sei denn, die Zufriedenheit der Seligen im Himmel. Die Zufriedenheit wächst jeden Tag, je mehr Gott diese Seele durchdringt, und er durchdringt sie, je mehr Hindernisse, die sich ihm entgegenstellen, dahinschwinden.“

Gemäß der Lehre unserer hl. Kirche wissen wir Katholiken also um das Leiden und die Sehnsucht des Fegfeuers und darum, daß wir den Armen Seelen im Fegfeuer durch unsere Gebete und Opfer helfen können. Es handelt sich dabei sozusagen um einen Gefangenenbesuch, wobei wir den Gefangenen durch unsere Geschenke Erleichterung verschaffen dürfen.

Wie sollten aber diese Armen Seelen, unsere Besuche, die wir bei diesen leidenden Gliedern des mystischen Leibes Christi machen, nicht auch segnen? So gibt es einen überaus wunderbaren Austausch, unsere Werke der Barmherzigkeit an den Armen Seelen führen zu einer großen Dankbarkeit bei diesen. Oder wie der hl. Bernhard von Clairvaux einmal sagt: „Die Heiligen im Himmel müssen wir ehren durch die Nachahmung, den weniger heiligen Seelen im Fegfeuer müssen wir helfen durch das Mitleid.“

Der hl. Bernhard mahnt zum Gebet für die Armen Seelen

Der heilige Bernhard war nicht nur ein hervorragender Lehrer und Verteidiger der heiligen Kirche, er war zudem ein großer Freund der Armen Seelen. In seinen Ansprachen an die Mönche kommt er oft auf das Fegfeuer zu sprechen. So sagt er etwa in seiner 42. Rede: „Laßt mich hingehen an den Ort und schauen das große, wunderbare Geheimnis, wie der gute Vater seine Kinder, die zur ewigen Verklärung bestimmt sind, bestraft, nicht zu ihrem Verderben, sondern damit sie gereinigt werden. Nicht aus Zorn, sondern aus Barmherzigkeit; nicht aus Ärger, sondern zur Erbauung, damit sie nicht Gefäße des Zornes seien zum ewigen Untergang, sondern Gefäße der Barmherzigkeit zur ewigen Verherrlichung. Laßt mich ihnen zu Hilfe kommen. Ich will für sie bitten unter Tränen und flehentlich zum Himmel rufen und für sie das heilige Meßopfer darbringen, damit Gott gnädig auf sie herniederschaue und ihre Mühsal in Ruhe, ihr Elend in Herrlichkeit und ihre Qualen mit der himmlischen Krone entgelte. Durch diese und ähnliche Werke kann ihre Buße gelindert, ihre Mühsal abgekürzt und ihre Strafe aufgehoben werden. Wer du also immer sein magst, christliche Seele, verweile recht oft an diesem Ort. Im Umgang mit den Armen Seelen wirst du auch auf deine eigene Seele schauen und sowohl mit deiner eigenen Seele als auch mit den Armen Seelen Mitleid zu haben lernen.“

Die beste Hilfe für die Armen Seelen

In seinem Buch über das heilige Meßopfer, schreibt Pater Martin von Cochem auch: „Das heilige Meßopfer ist die beste Hilfe für die armen Seelen“:

„Es gibt viele Mittel, die den leidenden Seelen helfen und sie aus ihren schrecklichen Qualen erretten. Keines hilft aber so gewiß, und keines ist so kräftig wie das heilige Meßopfer. Dies bezeugt die katholische Kirche auf dem Konzil von Trient: ‚Die allgemeine Kirchenversammlung lehrt, daß die Seelen im Fegfeuer durch die Fürbitte der Gläubigen, vorzüglich aber durch die heilsame Aufopferung der heiligen Messe Hilfe erlangen‘ [25. Sitzung], Das gleiche hat auch der ‚engelgleiche Lehrer’, der heilige Thomas von Aquin, schon 300 Jahre vorher gelehrt mit den Worten: ‚Es gibt kein anderes Opfer, wodurch die Armen Seelen aus dem Fegfeuer schneller erlöst werden, als das heilige Meßopfer.‘

Bei der heiligen Messe bitten nicht allein der Priester und die Gläubigen eifrig für die Erlösung der Seelen, sondern sie opfern Gott zugleich eine vollgültige Zahlung für die Schulden auf und versöhnen so den gerechten Zorn Gottes. Wenn jemand nicht bloß um Erlösung eines armen Schuldners aus dem Gefängnis bittet, sondern zugleich die ganze Schuld bezahlt, bewirkt er die Befreiung des Schuldners. Die Armen Seelen sind in der Gnade Gottes; denn sie haben den erzürnten Gott durch Reue und Beichte versöhnt. Sie liegen wegen der Sündenstrafen im fürchterlichen, brennenden Kerker gefangen. Wenn du ihnen das Verdienst deines Gebetes schenkst, bezahlst du einen Teil von ihren schweren Schulden. Du wirst sie aber schwerlich aus ihrer bitteren Qual erretten, denn der Richter hat das strenge Urteil gesprochen: ‚Siehe zu, daß du nicht in den Kerker geworfen wirst. Wahrlich, sag ich dir, du wirst von da nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast.‘ [Mt 5,25-26], Hörst du die heilige Messe für eine Arme Seele und opferst sie dem gerechten Gott auf, bezahlst du einen großen Teil der Schulden dieser armen gefangenen Seelen.“

Dem Gesagten fügt Marin von Cochem noch hinzu, daß es aber besser ist, die heiligen Messen schon während diesem Leben zu hören. Er zitiert den hl. Anselm, der lehrt: „Eine heilige Messe, bei Lebzeiten gehört, gilt mehr als viele, die nach dem Tode gelesen werden.“ Zudem teilt Gott die Gnaden im Fegfeuer gemäß der Liebe der Armen Seelen zu. Wenn jemand in seinem Leben gleichgültig gegenüber dem hl. Meßopfer war und dieses nur selten besucht hat, wird er im Fegfeuer von diesen Gnaden auch nur wenig erhalten. Wenn er aber jemand eifrig die hl. Messe hört und sie zudem für die Armen Seelen aufopfert, dann wird auch jede nach seinem Tod gefeierte hl. Messe ein großer Trost für ihn sein.