Im freien Fall (3/3)

Die „Konziliare Kirche“ ist ein revolutionäres Gebilde und befindet sich als solches stets im „freien Fall“, der höchstens einmal verlangsamt, nie aber wirklich gestoppt oder gar umgekehrt werden kann. Begonnen hat er mit „DEM Konzil“, hinter das es kein Zurück gibt. Hier der dritte und letzte Teil der Analyse von Hw. P. Weinzierl.

Kein „Zurück hinter das Konzil“!

Als Atheist erkennt Lorenzer zwar nur die halbe Wahrheit, ist ihm ja die göttliche Offenbarung eine bloße Mär, aber selbst diese ist für uns Katholiken außerordentlich bedenkenswert: Es gibt nämlich tatsächlich in dem Sinne kein Zurück hinter das Konzil, daß man dieses Ereignis nicht einfach ungeschehen machen kann, daß man nicht so tun kann, als wäre nichts geschehen. In dieser Weise vermeinen die Traditionalisten seit Jahrzehnten, die heutige „Krise“ bewältigen zu können, sie bauen ihr Tradiland – als Museum der angeblich goldenen Fünfzigerjahre der Kirche – und meinem damit, den katholischen Glauben zu bewahren! Dabei ignorieren sie den schon mehr als eineinhalb Jahrhunderte existierenden Einfluß des Modernismus auf die kirchlichen Institutionen.

Dementsprechend meinen sie auch, das sog. 2. Vatikanum dadurch „retten“ zu können, daß sie dieses im Sinne „der Tradition“ interpretieren, wobei diese „Tradition“ letztlich die große Unbekannte in dem System des heutigen Traditionalismus ist, hat doch jeder Traditionalist seine eigene Tradition. Und sie meinen zudem, die göttliche Liturgie retten zu können, indem sie sich für den 1962er Ritus entschieden haben, wohingegen der Rest ihrer „Kirche“ einen in ihren Augen zumindest so unwürdigen Ritus feiert, daß sie selber meinen, sich weigern zu müssen, diesen gleichfalls zu verwenden – obwohl er andererseits weltweit der Ritus ihrer „Kirche“ ist! Das sind eigentlich für einen Katholiken alles Ungeheuerlichkeiten, für einen Tradi hingegen Selbstverständlichkeiten.

So gesehen ist es schon richtig, wenn Lorenzer feststellt: „Rituale, die einmal zerstört wurden, lassen sich so wenig restaurieren, wie Getötete durch Zuspruch wieder zum Leben erweckt werden können. Zweifellos führt im Guten kein Weg hinter das II. Vatikanische Konzil zurück.“

Letzteres ist die alles entscheidende Einsicht: „im Guten“ führt kein Weg mehr hinter das sog. 2. Vatikanum zurück, denn man kann die verkündeten Irrlehren und den zerstörten Ritus nicht einfach ignorieren.

Eine Kirche mit zwei Riten?

Das Buch von Alfred Lorenzer trägt den Untertitel: „Die Zerstörung der Sinnlichkeit“. Als Atheist kann der Autor selbstverständlich keine theologische Diskussion gegen das sog. 2. Vatikanum führen, aber er kann das Erscheinungsbild analysieren, ist doch die katholische Kirche eine sichtbare Gemeinschaft und keine reine Geistkirche wie bei den Protestanten. Dementsprechend kann er vor allem den neuen Ritus und die damit verbundenen Änderungen betrachten und beurteilen.

Die Traditionalisten haben von Beginn an auf das Gesetz verwiesen: lex credendi lex orandi. Dem Gesetz des Glaubens entspricht das Gesetz des Betens, also der öffentliche Gottesdienst. Weiterhin haben die Traditionalisten einen so großen Unterschied zwischen der „alten“ und der „neuen“ Liturgie konstatiert, daß sie sich gegen die neue Liturgie entschieden haben. Aber daraus haben sie niemals weitere theologische Schlußfolgerungen gezogen, sondern sich eine „Kirche“ mit zwei sich dem Glauben nach widersprechenden Riten zusammengereimt.

In Shakespeares „Hamlet – Prinz von Dänemark“ sehen Wachleute den Geist von Hamlets verstorbenem Vater. Als Hamlet von seinen Freunden Horatio und Marcellus darauf aufmerksam gemacht wird, begibt sich dieser, wenn auch ungläubig, aber doch bereit, sich selbst zu überzeugen, mit seinen Freunden an den besagten Ort. Da erscheint der Geist tatsächlich und winkt Hamlet zu sich. Ängstlich und bestürzt über diese Erscheinung fragt Horatio: „Welch Ende wird das nehmen?“, worauf Marcellus ahnungsvoll antwortet: „Etwas ist faul im Staate Dänemarks“.

Tätige Teilnahme – liturgische Freiheit?

Als den Traditionalisten der Geist des Konzils erschien und ihnen die neue Liturgie bescherte, haben sie nicht mit Shakespeare ahnungsvoll ausgerufen: „Etwas ist faul im Staate Dänemarks“, sondern sich mit der absurden Feststellung beruhigt: „Immerhin ist die ‚Neue Messe‘ noch gültig.“ Einer solch absurden Fehlinterpretation kann der Atheist Alfred Lorenzer nicht erliegen, was zeigt, daß es manchmal besser ist, gar keinen Glauben zu haben als einen falschen.

Dieser untermauert seine Überlegungen mit einer spannenden Feststellung, die leider in der traditionalistischen Diskussion völlig ausgeblendet wurde, obwohl sie zum Verständnis dessen, wohin die „neue“ Liturgie letztlich hinauswill, ganz und gar grundlegend ist:

Betrachtet man die Reform der Liturgie insgesamt, dann fällt nicht nur der Anschein der »Demokratisierung«, die unter dem Stichwort der »tätigen Teilnahme« proklamiert wurde, in sich zusammen, sondern es zeigt sich auch, daß das Konzil in allen entscheidenden Belangen die Autoritätsstruktur verschärft hat:

1. Die »Verbalisierung« der Liturgie als »mensa verbi« [Tisch des Wortes] entpuppt sich als Instrument einer systematischen Pädagogisierung und Indoktrinierung – als Einbahnstraße einer Pseudodiskussion, als Mittel einer zunehmenden Beeinflussung der Laien. Der Laie ist rezeptiv eingespannt in einen Scheindialog, wobei »jedes Glied zu sprechen, zu singen und zu tun hat, was ihm zukommt«. (Ebd. S. 81)

Ritus als „gruppendynamisches Ritual“

Die vermeintliche liturgische Freiheit in der „Neuen Messe“ ist eine raffinierte Täuschung – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Den Konservativen und Traditionalisten gegenüber wird diese Freiheit mit der sog. „Editio typica“ verborgen, die dem unbedarften Betrachter suggeriert – und unsere Tradis sind sehr unbedarft! –, es gäbe nur einen einzigen neuen Ritus. In Wirklichkeit gibt es ein ganzes Sammelsurium von „Neuen Messen“ mit inzwischen über 300 von Rom genehmigten „eucharistischen Hochgebeten“. In der sog. „Editio typica“ sind es immerhin schon vier, um diese Vielfalt vorzubereiten! Die sog. Konservativen beruhigen sich gewöhnlich damit, daß das „erste Hochgebet“ immerhin noch fast dem römischen Kanon der „alten“ Messe gleicht.

Während sich also die äußere Form des Ritus in einer Vielzahl von Formen verflüchtigt und Freiheit vortäuscht, wird der Ritus als Ganzes zu einem Propagandamittel umgeformt. Letztlich ist dieser „Ritus“ ein gruppendynamisches Ritual! Es ist durchaus wert, ernsthaft und gründlich darüber nachzudenken, was Lorenzer beschreibt: „Der Laie ist rezeptiv eingespannt in einen Scheindialog, wobei ‚jedes Glied zu sprechen, zu singen und zu tun hat, was ihm zukommt‘.“

Durch den revolutionär veränderten Ritus soll das ganze Kirchenvolk umerzogen und zu Neuheiden gemacht werden. Rückblickend kann man feststellen, wie erfolgreich diese Strategie war. Aber das ist immer noch nicht alles:

2. Die Veränderung der Liturgie ist eine zentralistische Verordnung von oben, dazu bestimmt, Umgestaltungen rechtzeitig aufzufangen, zu kanalisieren und stillzustellen. Auch darin erweist sich das Konzil autoritärer, als es die alte Ordnung war, die durch Jahrhunderte regionale Wandlungen und Nuancierungen sich entwickeln ließ. …

Das Konzil und die kurialen Ausführungsorgane nach dem Konzil haben ebendiese Vielfalt erfolgreich wegzentralisiert. (Ebd.)

Der NOM – „Antiritus zum katholischen hl. Meßopfer“

Es ist schon recht merkwürdig. Der liturgischen Willkür sozusagen nach innen, also im Sinne der neuen, gruppendynamischen „Liturgie“, die nicht mehr Gott, sondern den Menschen zum Mittelpunkt hat, steht eine vollkommen rigorose Vernichtungsstrategie der katholischen Liturgie entgegen. Was nüchtern betrachtet aus der antithetischen Absicht bei der Erfindung dieses „Ritus“ unmittelbar ersichtlich ist – die „Neue Messe“ ist als Antiritus zum katholischen hl. Meßopfer konzipiert! Nur in diesem Zusammenhang wird verständlich, was Alfred Lorenzer außerdem noch erkannt hat:

3. Die sich »volksnah« gebenden »Vereinfachungen« des Rituals enthüllen sich in Verbindung mit der Verbalisierung der Liturgie nicht als Zubilligung von Eigenaktivität an die Beteiligten, sondern – verknüpft mit der Verschiebung vom Ritual zum Wort - als ein besonders subtiles Mittel der bis in die Körperlichkeit eindringenden Pädagogisierung. Spielte sich die Liturgie – in der von Traven karikierten Weise – hinter der Ikonostase der lateinischen Kultsprache in ritueller Eigenständigkeit ab, so bot diese Eigenständigkeit (und Fremdheit zugleich) einen Freiraum für die »Selbstbeschäftigung« der Laien und einen Spielraum für die Phantasie, bis hin zu persönlichkeits-, gruppen- und kulturspezifischen Interpretationen des Geschehens. Die Zentrierung des Kults auf das Wort löscht diese Freiheit aus. Sie erweist sich als Moment der Beherrschung. Das Ritual wird zur Gleitschiene der Bevormundung. Die Unterordnung des Rituals unter die Wortverkündigung konstituiert einen ideologisierend-disziplinierenden Zwang, eine gradlinige Zufuhr zentralistisch gesteuerter Maximen für Weltdeutungen, eine Reglementierung der Lebenspraxis durch ein pausenlos ablaufendes, didaktisch geschickt eingerichtetes Erziehungsprogramm. (Ebd. S. 81 f.)

Pädagogische Umerziehung mittels neuer Riten

Es ist überaus erschreckend: Der „neue“ Ritus ist ein ausgeklügeltes System der pädagogischen Umerziehung des „pilgernden Gottesvolkes“ zum neuheidnischen Glauben der Menschenmachwerkskirche. Die Freiheit der Gestaltung ist immer nur eine scheinbare. In Wirklichkeit wird das ganze Ritual „zur Gleitschiene der Bevormundung“. Dieses Ritual wurde als Propagandainstrument erdacht, das durch „eine gradlinige Zufuhr zentralistisch gesteuerter Maximen für Weltdeutungen, eine Reglementierung der Lebenspraxis durch ein pausenlos ablaufendes, didaktisch geschickt eingerichtetes Erziehungsprogramm“ die Revolution ins Volk bringt.

Irgendwie ist es schon genial, wie Lorenzer diese „neue Liturgie“ analysiert und was er hier als Quintessenz dieser „Liturgie“ formuliert hat. Vergleichbares findet man unseres Wissens bei keinem „katholischen“ Autor. Schon gar nicht bei einem traditionalistischen!

Die Änderungen bei den Kirchengebäuden

Ein weiterer Gedanke von Alfred Lorenzer soll unsere Arbeit abrunden. Er spricht vom „Vandalismus des Zweiten Vatikanischen Konzils“.

Neben den liturgischen Änderungen sprangen dem einfachen Gläubigen vor allem die Änderungen bei den Kirchengebäuden ins Auge. Jedes katholische Kirchengebäude ist um den Altar gebaut und für das hl. Meßopfer bestimmt und stellt zudem als Gesamtkunstwerk die hl. Kirche sinnbildlich dar. Im Mittelalter wurden die Dörfer und Städte um die Kirche herum gebaut. Deswegen muß naturnotwendig eine antithetische Änderung und Deformierung des Ritus auch eine entsprechende Auswirkung auf den Kirchenbau und die Lehre von der Kirche haben.

Man kann sicherlich festhalten: Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts geriet die kirchliche Kunst in die Krise, hat doch die Kunst immer auch prophetischen Charakter, denn sie setzt einen gelebten Glauben voraus. Ein lebendiger Glaube zeugt wahre christliche Kunstwerke. Aufgrund der Modernismuskrise begannen sich parallel zur weltlichen Kunst auch in der kirchlichen Kunst die Formen aufzulösen und der Kult des Häßlichen zumindest bemerkbar zu machen. Spätestens ab den 50er Jahren zeigte sich die Moderne auch in den Kirchengebäuden. Manche nahmen die „Liturgiereform“ schon vorweg, der Kirchenraum war entleert und anstatt des Altars fand man einen von zwei Seiten zu bedienenden Tisch. Nach dem sog. Konzil brachen schnell alle Dämme, denn die Falltüre war weit aufgerissen worden – es war jetzt unübersehbar, man befand sich im freien Fall!

Aber schauen wir mit Alfred Lorenzer zunächst noch einmal kurz zurück in jene Zeit, als man die Kirche noch im Dorf ließ:

Die mittelalterlichen Städte waren nicht nur überragt von ihren Kirchentürmen, nicht wenige von ihnen waren konzentrisch angelegt um das aufsteigende Bauwerk einer Hauptkirche. »Daß […] die […] mittelalterlichen Städte von den zeitgenössischen Chronisten nicht konkret nach ihrer sozialen und baulichen Gestalt, sondern […] als ein System der Heiligtümer gesehen und beschrieben wurden«, belegt, daß Kommune als unentflechtbare Einheit von Sakralem und Weltlichem galt. Die Idealgestalt des Mittelalters, die Gottesburg „Jerusalem“, wurde markiert vom Mauerring und vom Ensemble der Kirchen und Kirchentürme, die schon Rabanus Maurus als „Symbol der Stadt“ nahm. Üblicherweise dienen solche Hinweise dazu, auf die Christlichkeit des mittelalterlichen Ordo aufmerksam zu machen. Betrachten wir diesen Sachverhalt einmal von der anderen Seite aus: Das Sakrale war ein integrierender Bestandteil des Kollektiv-Allgemeinen. Die Sakralbauten bildeten den Kern kommunaler Bedeutungsträger. (Ebd. S. 207 f.)

Ein Kirchbau ist kein Privatgebäude. In der mittelalterlichen Stadt war die Kirche das Zentrum, weil der katholische Glaube ganz selbstverständlich den Mittelpunkt des Lebens bildete. Die Ordnung der ganzen Gesellschaft spiegelte sich im Stadtbild wieder.

In der Neuzeit änderte sich das allmählich. Fürstenresidenzen oder Rathäuser drängten sich in die Mitte. Aber dennoch blieb das Stadtbild einigermaßen erhalten, und vor allem auf dem Land blieb die Kirche gewöhnlich noch im Dorf.

Durch die Liberalisierung wurde jedoch gesellschaftspolitisch die Religion mehr und mehr zur Privatsache erklärt, wodurch auch die Kirchengebäude im Bewußtsein des Volkes nur noch privaten Charakter hatten. Lorenzer gibt zu bedenken:

Für die sinnliche Erfahrung von Stadt (oder Dorf) blieben die Kirchen kollektive Symbole, kultureller Kollektivbesitz, obschon diese Erfahrung in dem Maße verdrängt und entwertet wurde, wie Religion zur »Privatsache« und die Kirchen zum Privatbesitz der kirchlichen Organisationen wurden. Jener spanische Dorfpfarrer, der vor einigen Jahren seine alte Kirche in die Luft sprengte (weil er eine neue wollte) und, deswegen zur Rede gestellt, sich darauf berief, die Kirche sei »Privatbesitz«, über den er (als Pfarrer) ebenso verfügen könne wie ein Privatmann über sein Eigenheim, hat aus dieser Auffassung nur die Konsequenz gezogen. (Ebd. S. 208)

Weltweiter, alles Bisherige in den Schatten stellender Bildersturm

Nach dem sog. 2. Vatikanum zeigte diese Einstellung schnell ihre verheerenden Früchte. Jeder Pfarrer meinte nunmehr das Recht zu haben, wenn es ihm gefällt, seine Kirche in die Luft sprengen zu dürfen:

Natürlich fügt sich dieser Zerfall des kollektiven Bewußtseins ein in den Prozeß der allgemeinen »Privatisierung« von Bedeutungsträgern. Und natürlich war der Verzicht auf den Besitzanspruch des Kollektivs an den Kirchenbauten auch der Preis dafür, sich von der kirchlichen Bevormundung freizukaufen und zugleich die Religionsfreiheit zu respektieren. Doch der kirchliche Verfügungsanspruch über die Kirchenbauten wird mit diesem Konzil prekär. Plötzlich kündigt ja die Kirche die Bewahrung dieses Kulturbesitzes, der ihr anvertraut ist, auf. So offen bis zu dieser Stelle die Gründe für die Zerstörung blieben – wir haben nur einen Ideologisierungsschub und eine seltsame Intellektualisierung notiert –, so eindeutig ist der Vorgang selbst: ein Bildersturm, der alle bisherigen geschichtlichen Vernichtungswellen in den Schatten stellt. Weder die Bilderstürmer der Reformation noch die der Revolutionen haben ähnlich systematisch Hand an den Sakralraum gelegt und sind dabei so bedenkenlos (ohne theologische oder politische Legitimation) kaltblütig ans Werk gegangen.

Daß dieser weltweite Bildersturm nicht auf nachdrückliche Empörung gestoßen ist, läßt sich nur zum Teil mit dem großen Einfluß der Kirche auf das gegenwärtige politische Spiel erklären. Auch in den Staaten des Ostblocks hat sich kein Einspruch artikuliert. Freilich wirkt dort das alte Vorurteil gegen die Religion noch fort. Die sinnlichen Symbole werden dort umstandslos mit der ideologischen Position der Religion in eins gesetzt. Die geistigen Nachfahren jener Jakobiner, die an den französischen Kathedralen den Heiligenfiguren die Köpfe abschlugen, blicken desinteressiert beiseite, wenn heute die Hierarchen das nämliche Geschäft besorgen. (Ebd. S. 208 f.)

Es war ein unheimliches, dämonisches Geschehen, das genauso wie die Zerstörung der kirchlichen Lehre jederzeit vom neuen „Geist des Konzils“ gedeckt wurde: „ein Bildersturm, der alle bisherigen geschichtlichen Vernichtungswellen in den Schatten stellt“. Daß dieser Bildersturm so unspektakulär über uralte Kulturgüter hinwegstürmen und diese einfach vernichten konnte, offenbart die weitgehende geistige Leere des kirchlichen Personals. Die Kirchengebäude sollten fortan nicht mehr zur Gottesverehrung dienen, sondern dem Kult des Menschen. Diesem Kult des Menschen standen die alten Kirchen im Wege. Eigentlich hätten die Revolutionäre neue Gemeindesäle bauen müssen, aber der Haß auf das Alte saß zu tief und war so groß, daß er nicht einmal mehr vor diesen bedeutenden Kulturgütern halt machte. Die Altäre mußten zertrümmert und die Heiligenfiguren verbrannt werden. Ganz zurecht stellt Lorenzer fest:

Allerdings, die Kirche taugt ebenfalls nicht mehr länger, Sachwalter eines so wichtigen Teils der Kultur zu sein. Wäre es nicht konsequent, wenn der Erzbischof von Freiburg eine neue konzilsgerechte Versammlungshalle (die dann gemeindegerecht-klein alle um den Tisch versammeln könnte) in den Garten seines Priesterseminars stellen würde, nachdem er mit seiner gotischen Kathedrale nichts mehr anzufangen weiß? Und fraglos hätten sich mit dem Aufwand, den die marmorne Verwüstung der Kirchen landauf, landab kostete, bequeme, wetterfeste Vortragshallen für eine Liturgie neuen Stils errichten lassen. Aber wenn auch die Kirche nicht mehr bereit ist, die geschichtliche Kontinuität festzuhalten, so beharrt sie doch auf der geschichtlich gewonnenen Zentralposition ihrer Kirchenräume in Stadt und Land. (Ebd. S. 210 f.)

Mitgehangen, mitgefallen

Was den Bildersturm überlebt hat, was mancherorts nur dem Denkmalamt zu verdanken war, hat letztlich nur noch museale Bedeutung. Die Tische und Altarinseln verschandeln meistens erfolgreich das alte Kunstwerk, es bleibt nur noch Nostalgie übrig. Das ist genauso wie bei der „alten Messe“ der Traditionalisten. Sobald man nur etwas genauer hinsieht, wird es offenbar: Es fehlt das tragende Fundament des katholischen, des göttlichen Glaubens und deswegen das Wissen um die großen Zusammenhänge. Nur deswegen ist es möglich, daß sie nicht wahrnehmen, daß auch sie sich im freien Fall befinden, gehören sie doch willentlich und ausdrücklich zu dieser Menschenmachwerkskirche.

Wir schließen unsere Überlegungen mit dem Schlußwort Alfred Lorenzers, der seine beeindruckende Analyse so beendet:

Unser Interesse hatte sich nicht zuletzt deshalb auf die Sozialisationsagentur Kirche gerichtet, weil die Kulturzerstörungen des Zweiten Vatikanums exemplarisch sind für einen weit über die Kirche hinausreichenden gesellschaftlichen Destruktionsprozeß. Machen wir uns klar, daß das Konzil einem »Systemdruck« unterlag, der auf allen Sozialisationsagenturen lastet und sie alle in die gleiche Richtung drängt. Die ungehemmte Rasanz und die weitreichende Ausdehnung der Kulturzerstörung, die so verblüffend kontrastieren mit der professoral-zölibatären Naivität der Konzilsväter, deuten auf die Schärfe dieses Destruktionsprozesses. Daß sich der Wirbelsturm der Zerstörung der sinnlichen Symbolsysteme einer alten Kultur inmitten einer gänzlichen Windstille (einer lautlosen Indolenz aller anderen »Kulturinstanzen« gegenüber dem konziliaren Vandalismus) abspielte, verrät den hohen Grad der Übereinstimmung des Konzils mit dem »Zeitgeist«, d.h. mit den herrschenden Verhältnissen. Dieser Zerstörungsprozeß ist zur Kenntnis zu nehmen. Die Zerstörung der kirchlichen Kultur ist nur ein Fall unter anderen Fällen. Die Analyse ist fortzusetzen. (Ebd. S. 290)

Das ist wahr und wir nehmen Letzteres als Auftrag: Die Analyse ist fortzusetzen.

Dazu ist es leider nicht mehr gekommen, denn der Tod hat Hw. P. Weinzierl allzu früh die Feder aus der Hand genommen. Umso dankbarer sind wir für die wertvollen Arbeiten, die er uns hinterlassen hat, und können allen Lesern nur empfehlen, diese immer und immer wieder zu lesen, zu studieren und zu durchdenken. Es gibt kaum mehr katholische Stimmen wie die von P. Weinzierl, die wir hier noch einmal posthum zum Sprechen gebracht haben. R.I.P.