Katholische Theologie statt Ideo-Theologie (3/3)

Das beste Mittel gegen die Ideo-Theologie der „Traditionalisten“ ist das Studium einer gut katholischen Dogmatik. Wir haben uns deshalb zuerst mit dem dogmatischen Lehrbuch von Diekamp beschäftigt und sind dann zu dem etwas ausführlicheren von Pohle übergegangen. Damit wollen wir hier abschließen.

Indirekter Gegenstand des authentischen Lehramts

Sehr zu beachten ist der folgende, sechste Satz, obwohl dieser kein Dogma ist: „Indirekter Gegenstand des authentischen und unter den erforderlichen Voraussetzungen unfehlbaren Lehramtes sind Wahrheiten, die nicht selbst offenbart sind, aber mit offenbarten so zusammenhängen, daß diese ohne jene nicht wirksam geschützt, erklärt und angewandt werden könnten. Theologice certum“ (ebd.). „Theologice certum“, „theologisch sicher“, so lesen wir bei Pohle an anderer Stelle, nennen wir Wahrheiten, „über die das kirchliche Lehramt sich noch nicht endgültig und unfehlbar geäußert hat, so daß ihre Zugehörigkeit zum depositum fidei oder ihr Zusammenhang mit der Offenbarung noch nicht endgültig feststeht, die aber doch einen solchen Grad der Sicherheit besitzen, daß die gegenteilige Ansicht nicht ohne Gefahr für den Glauben, und, sofern die Kirche dieselben authentisch als sicher anerkannt hat, nicht ohne Verletzung der schuldigen Unterwerfung unter deren gottgesetzte Autorität gelehrt oder gehalten werden kann“ (S. 98-99). Zwar gebührt diesen „selbstverständlich nicht eine Zustimmung göttlichen oder auch nur kirchlichen Glaubens, sondern die theologisch sichere Zustimmung bzw. die sichere, innere und äußere, religiöse Unterwerfung des Verstandes unter die sacra auctoritas des kirchlichen (religiösen) Lehramtes (assensus religiosus certus internus et externus)“ (S. 99). Da der „moderne Mensch“ solche Kategorien wie die „sacra auctoritas des kirchlichen (religiösen) Lehramtes“ nicht mehr kennt und zu irgendeiner „Unterwerfung“ sowieso nicht bereit ist, haben auch die „Traditionalisten“ diese getilgt. Sie kennen, wie wir wissen, nur noch eine Art von Gewißheit, der sie notgedrungen zustimmen, nämlich die „absolute Sicherheit“ von feierlichen, ausdrücklich als unfehlbar vorgelegten Lehren, die sie so eng definieren, daß sie sie zu ihrem Glück nur maximal alle hundert Jahre einmal, also höchst selten vorfinden, und somit auf insgesamt ungefähr maximal zwei Dutzend in der ganzen Kirchengeschichte reduzieren können.

Pohle gibt folgende Erklärung dazu: „Direktes Objekt des authentischen Lehramtes sind alle Wahrheiten, die zum Depositum fidei gehören, und nur diese. Indirektes Objekt sind solche Wahrheiten, die selbst nicht offenbart sind, aber mit offenbarten Wahrheiten in solch innigem, d.h. inneren (logischen) oder äußeren (tatsächlichen) Zusammenhang stehen, daß jeder, der die eine behauptet, vernünftigerweise auch die andere behaupten, wer die eine leugnet, auch die andere leugnen muß; sie heißen auch technisch ‚Katholische Wahrheiten‘“ (S. 81). Weiter: „Was so mit der Offenbarung zusammenhängt, muß man als mittelbar offenbart bezeichnen; denn wer für eine von zwei Aussagen, die nur zusammen wahr oder falsch sein können, einsteht, bietet tatsächlich zugleich die Gewähr für die Richtigkeit auch der anderen“ (ebd.). Das ist nur logisch.

Unterscheidungen

Eine weitere Unterscheidung ist diese: „Offenbart kann etwas sein per se und per accidens: per se oder seiner selbst willen ist offenbart, was sich dem Zweck der Offenbarung innerlich einordnet, d.h. was dem übernatürlichen Zwecke des Menschen dient; per accidens oder wegen zufälliger Verbindung mit Dingen, die ihrer selbst wegen geoffenbart sind, werden tatsächlich manche Dinge in den Offenbarungsquellen ausgesagt, die nicht dem Heil der Menschen positiv dienen, z.B. historische Nebensächlichkeiten. Was aber tatsächlich, sei es nun per se oder per accidens, geoffenbart ist, ist auch direktes Objekt des Lehramtes“ (ebd.). Schließlich ist auch das „per accidens“ Offenbarte von Gott dem kirchlichen Lehramt übergeben.

Ferner unterscheiden wir zwischen dem, was „unmittelbar (immediate seu formaliter)“, und dem, was „mittelbar (mediate seu virtualiter = in principiis) geoffenbart“ ist. „Unmittelbar geoffenbart ist das, was in der Offenbarung gesagt ist, und zwar entweder ausdrücklich (formaliter explicite), wenn es in gleichen oder gleichgedeutenden Worten in der Offenbarungsaussage enthalten ist, oder einschlußweise (formaliter implicite), wenn es nur ideenmäßig in anderen Begriffen enthalten ist; so ist z.B. in der Aussage, daß jemand von einer menschlichen Mutter geboren worden sei, die Wahrheit mitenthalten, daß er eine menschliche Natur habe, oder in der Behauptung, daß jemand Mensch sei, ist mitenthalten, daß er einen Leib und eine Seele habe; denn nach allgemeiner und vulgärer, nicht erst wissenschaftlicher Anschauung, ist das eine mit dem anderen gegeben, und die Offenbarung bedient sich der vulgären Redeweise“ (S. 81–82). („Vulgär“ ist hier nicht im abwertenden Sinn gemeint, sondern bezeichnet, abgeleitet vom lateinischen „vulgus = (gemeines) Volk“ und „vulgaris = allgemein; alltäglich, gewöhnlich“, den gewöhnlichen, alltäglichen Sprachgebrauch. Dabei ist freilich der Sprachgebrauch gemeint, der dem gesunden Menschenverstand entspricht, und nicht der einer verrückten Ideologie.) Es gilt: „Alles, was unmittelbar geoffenbart ist, ob ausdrücklich oder einschlußweise, ist direkter Gegenstand des Lehramtes“ (S. 82).

„Mittelbar geoffenbart ist das, was nur durch einen erweiternden (nicht bloß erklärenden) Schluß aus einer geoffenbarten Wahrheit unter Zuhilfenahme einer natürlichen Erkenntnis erschlossen wird; solche Schlüsse nennt man theologische Konklusionen. Beispiel: Der Sohn Gottes ist das geistige Wort des Vaters (geoffenbarter Satz); das geistige Wort geht aber aus dem Verstande hervor (natürliche Erkenntnis). Also geht der Sohn Gottes aus dem Verstande des Vaters hervor (theologische Konklusion)“ (ebd.). Auch die theologischen Konklusionen „sind mittelbares Objekt des Lehramtes“, wie die Kirche gegen den älteren „Traditionalismus“, den Ontologismus, „die Systeme des Hermes und Günther“ entschieden hat, die allesamt die Vernunftschlüsse aus der Offenbarung ganz heraushalten wollten (und umgekehrt). Ja, die Kirche „schreibt sich auf dem Vatikanum das Recht zu, eine fälschlich sogenannte Wissenschaft zu ächten“ (ebd.). Offenbarung und Wissenschaft sind zwar unterschieden, aber keine getrennten Größen, so daß die eine mit der anderen nichts zu tun habe.

Dogmatische Tatsachen

An nächster Stelle folgen die „dogmatischen Tatsachen“. „Wie bei den theologischen Konklusionen logische, so verbinden sich hier historische natürliche Erkenntnisse mit Offenbarungselementen“ (ebd.). Die Dogmatik erklärt genauer: „Unter dogmatischen Tatsachen werden hier also nicht verstanden: die historischen Tatsachen, die inhaltlich zum Depositum fidei selbst (wie z.B. die Lebensgeheimnisse Jesu) gehören – man könnte sie insofern auch ‚dogmatische‘ nennen – und somit unter das direkte Objekt des authentischen Lehramts fallen“ (ebd.). Eine solche direkt offenbarte Tatsache wäre etwa die, daß Jesus in Bethlehem geboren ist, daß die Heilige Familie nach Ägypten fliehen mußte, daß der Heiland durch Pontius Pilatus zum Tode verurteilt wurde und auf Golgotha den Kreuzestod starb usw. Die hier gemeinten „dogmatischen Tatsachen“ sind „generell Tatsachen, die selber nicht geoffenbart sind, aber mit einem Dogma in besonderer Verknüpfung stehen, näherhin: die zwar nur historisch, äußerlich und kontingent mit einem Dogma zusammenhängen, ohne die aber das Dogma keine Geltung haben könne (facta dogmatica proprie dicta, technice sumpta)“ (ebd.). So ist z.B. „die Rechtmäßigkeit eines Konzils oder eines Papstes Voraussetzung für die Unfehlbarkeit ihrer Glaubensentscheidungen. Wenn die Kirche diese Rechtmäßigkeit nicht authentisch und auch unfehlbar lehren könnte, so könnte durch Leugnung der Rechtmäßigkeit jedes Dogma in seiner Geltung erschüttert werden“ (ebd.). Ohne die Verankerung in den dogmatischen Tatsachen hinge alles, Glaube und Theologie, vollkommen in der Luft.

Neben diesem generellen Begriff der „facta dogmatica“ gibt es seit den jansenistischen Streitigkeiten eine Auffassung, die „unter factum dogmaticum speziell die Tatsache“ versteht, „daß ein bestimmter nicht inspirierter Text oder ein nicht inspiriertes Buch eine bestimmte recht- oder irrgläubige Lehre enthält“ (S. 82-83). Die Kirche hat das zu allen Zeiten so gesehen und danach gehandelt, doch zwang der Jansenismus-Streit sie zu einer eindeutigen Klarstellung in dieser Sache. Die Kirche ist also auch in dieser Beurteilung der Bücher authentisch und unfehlbar. Dabei gilt jedoch: „Wenn die Kirche (…) über die Rechtgläubigkeit einer Lehre oder eines Werkes urteilt, so urteilt sie nicht über die subjektive Gesinnung des Verfassers (sensus subjectivus), der sich vielleicht falsch ausgedrückt hat oder in gutem Glauben irrt, sondern über den objektiven Sinn des Buches (sensus objectivus), der sich aus Wortwahl und Zusammenhang ergibt; verurteilt wird somit der Verfasser als Verfasser des Irrtums (auctor objectivus)“ (S. 83). Über den Seelenzustand eines lebenden Menschen steht dem Lehramt kein Urteil zu. Dieser ist kein „factum dogmaticum“ und muß in foro interno im Beichtstuhl mit dem Beichtvater geklärt werden.

Kirchengesetze, religiöse Orden

Zu den Objekten des authentischen kirchlichen Lehramts gehören jedoch auch die „Kirchengesetze, die das religiös-sittliche Leben und den Kult betreffen“, enthalten diese doch „praktische Anwendung von Offenbarungslehren“, die „oft ohne Verbindung mit natürlichen Erkenntnissen nicht möglich“ ist. „Ein Befehlen im Namen Christi ist für den, der im Nahmen Christi die reine christliche Lehre verkündigen muß, zugleich ein Lehren, daß das Befohlene mit der reinen Lehre Christi vereinbar ist. Darum z.B. auch das Axiom: ‚Legem credendi statuat lex supplicandi‘ (Dz 139).“ Glaube und Glaubenspraxis müssen übereinstimmen. „Auch für diese Lehren muß die Kirche authentisch und unter den erforderlichen Voraussetzungen unfehlbar sein; sonst würde sie unter Umständen in der feierlichsten Weise in Irrtum führen“ (ebd.). Damit würde die Kirche eklatant ihrer Sendung widersprechen, die der Heiland ihr übertragen und wofür Er sie ausgerüstet hat, nämlich nicht nur die Völker im Glauben zu unterrichten und zu taufen, sondern auch sie alles halten zu lehren, „was Ich euch geboten habe“, sie also zu einem wahrhaft christlichen Leben anzuleiten. Zweifellos ist das eine authentische Aufgabe der Kirche. „Beispiele sind die Gesetze über die heilige Kommunion, häufige Kommunion, Alter der Zulassung (…) und über die Ehe“ (ebd.). Wenn also beispielsweise das wahre kirchliche Lehramt wirklich die „Handkommunion“ zulassen wollte, so könnten wir uns dieser nicht widersetzen, denn sie wäre zweifellos mit der „reinen Lehre Christ vereinbar“.

Zweifellos ein Objekt des kirchlichen Lehramtes ist auch die „Bestätigung religiöser Genossenschaften und Orden“, ist diese doch „eine authentische Empfehlung einer gewissen Lebensweise als Strebens nach Vollkommenheit“. Die Bestätigung der Kirche „enthält auch das Lehrurteil, daß diese Lebensweise zum Streben nach Vollkommenheit geeignet ist“ (ebd.). Würde die Kirche hierin irren, so würde sie die nach Vollkommenheit strebenden Seelen in Irrtum und Untergang führen. „Bei Orden mit feierlichen Gelübden ist diese Gutheißung, wie aus den Formeln hervorgeht, eine unter Einsatz der ganzen päpstlichen Autorität erfolgende Empfehlung an die ganze Kirche; sie ist deswegen hinsichtlich des darin enthaltenen Lehrurteils nicht nur authentisch, sondern auch unfehlbar“ (S. 83-84). Solche Orden tragen gewöhnlich das „O“ für „Ordo“ (Orden) in der offiziellen Abkürzung ihres Namens, wie z.B. der Benediktinerorden (OSB), der Dominikanerorden (OP oder OPr), der Karmeliterorden (OCarm oder OCD), der Zisterzienserorden (OCst) oder der Franziskanerorden (OFM).

Liturgie und Heiligsprechungen

Ebenfalls authentisch ist das Lehramt bei der „Einführung von Riten und Zeremonien“, denn dadurch „beabsichtigt die Kirche den Gottesdienst, besonders die Feier des heiligen Opfers und die Spendung der Sakramente, würdiger und erbauender zu gestalten“ (S. 84). Man beachte: „Das in diesen Dekreten enthaltene Lehrurteil über Eignung der Riten zu dem beabsichtigten Zweck ist stets authentisch. Bei vollem Einsatz der höchsten Autorität und bindender Anordnung für die ganze Kirche ist es unfehlbar“ (ebd.). Mögen die „Traditionalisten“ versuchen, das mit ihrer Lehre zum Einklang zu bringen, daß der „Novus Ordo Missae“ ein „für den Glauben schädliches Gift“ enthält! Bis heute konnten sie keine überzeugende Erklärung dafür vorbringen und sind letztlich gezwungen, auch dieses Objekt von der Liste ihres „Lehramts“ zu streichen und diesem die Authentizität und vor allem Unfehlbarkeit in liturgischen Dingen abzuerkennen und das „Lehrurteil über Eignung der Riten zu dem beabsichtigten Zweck“ lieber selber zu fällen.

„Die Einsetzung von Festen“, der nächste Punkt, „dient der Verehrung eines Glaubensgeheimnisses oder einer heiligen Person. Darin ist notwendig ein Lehrurteil über die Richtigkeit und Verehrungswürdigkeit des Glaubensgeheimnisses und über die Verehrungswürdigkeit der betreffenden Person enthalten“ (ebd.). Es ist jedoch darauf hinzuweisen: „Nicht unbedingt muß man darin auch eine authentische Bestätigung von Privatoffenbarungen (der hl. Juliana von Lüttich für Fronleichnamsfest, der hl. Margareta Maria Alacoque für Herz-Jesu-Fest u.ä.) sehen, die zur Einführung Anlaß gegeben haben, aber nicht Gegenstand des Festes geworden sind“ (ebd.). Anders ist das beim Fest der Erscheinung Unserer Lieben Frau von Lourdes am 11. Februar, wo diese selber „Gegenstand des Festes“ ist. Nicht unbedingt gewährleistet ist die kluge und angemessene Einfügung eines Festes in den Festkalender oder die hohe Qualität oder Eignung der Texte des Festformulars.

Mit dieser Einsetzung von Festen in engem Zusammenhang steht die „feierliche Heiligsprechung“, die meist Grundlage für die Einführung eines Festes ist. Diese „ist ein Akt, durch den die Heiligkeit einer Person erklärt und ihre Verehrung der ganzen Kirche vorgeschrieben wird [vorgeschrieben wohlgemerkt, nicht nur gestattet oder empfohlen!], und zwar, wie die Formeln zeigen, unter Einsatz der ganzen päpstlichen Autorität. Es ist also ein unfehlbares Lehrurteil darin enthalten“ (ebd.). Mit den Heiligsprechungen haben die „Traditionalisten“ schon lange ihre Probleme und leugnen deren Authentizität und Unfehlbarkeit inzwischen in der Regel rundheraus.

Zweck des kirchlichen Lehramtes

„Der allgemeine Beweis für den Satz“ – gemeint ist der „sechste Satz“ von dem „indirekten Gegenstand des authentischen und unter den erforderlichen Voraussetzungen unfehlbaren Lehramtes“ – „ergibt sich aus dem Zweck des kirchlichen Lehramtes“. Das kirchliche Lehramt hat nämlich „den Zweck, die Menschen über die Offenbarung so zu belehren, daß sie ihr vernünftigerweise zustimmen und auch praktisch ihr religiös-sittliches Leben nach ihr einrichten können. Das wäre aber ohne die Ausdehnung der Lehrbefugnis auf die genannten Gegenstände nicht möglich. Also muß die Lehrgewalt sich tatsächlich auf alle diese Dinge erstrecken“ (ebd.), auch wenn die „Traditionalisten“ es nicht wahr haben wollen. Indem sie dem Lehramt einen Gegenstand nach dem anderen wegnehmen, leugnen sie im Grunde den gesamten „Zweck des kirchlichen Lehramtes“ und damit dieses überhaupt. Denn der Zweck gibt die Form, die Form gibt das Sein. Ohne Zweck hat das Lehramt keine Form und Bestimmung mehr und löst sich auf. Mit ihrer Weigerung, Entscheidungen des Lehramt in den „indirekten Objekten“ anzunehmen, leugnen die „Traditionalisten“ das Lehramt insgesamt, denn es läßt sich nicht aufteilen.

„Auch der Anspruch der Kirche ist beweiskräftig“, fährt Pohle fort. „Denn die Lehrautorität der Kirche stützt sich auf ihre göttliche Sendung und den verheißenen göttlichen Beistand, nicht auf menschlichen Auftrag oder Billigung. Die Kirche muß also auch die Umgrenzung ihres Lehrgegenstandes kraft dieses göttlichen Auftrages und Beistandes festsetzen können“ (ebd.), und eben das hat sie getan, ohne zuerst bei den „Traditionalisten“ nachzufragen. Denn sie hat „alle genannten Gegenstände zum Objekt ihrer Lehrtätigkeit gemacht und Zustimmung gefordert“, auch von den „Traditionalisten“. „Also ist sie dazu zuständig“ (ebd.). Da gibt es keine Ausflucht.

Unbedingt Zustimmung zu leisten

Es gilt die unerbittliche Forderung: „Zu diesen Lehrurteilen der Kirche ist unbedingt Zustimmung zu leisten“ (S. 85). Unbedingt, das heißt ohne Bedingungen zu formulieren, wie es etwa Lefebvre in seiner „vorgängige Unterscheidung“ tat: „Wenn der Papst etwas sagt, was mit der Tradition konform ist, folgen wir ihm, wenn er etwas sagt, was unserem Glauben zuwiderläuft, oder wenn er zu etwas ermutigt oder etwas tun läßt, was dem Glauben schadet, dann können wir ihm nicht folgen!“ (Sie haben Ihn entthront, S. 230). Vielmehr: „Da es sich um eine Zustimmung handelt, die wegen einer auf göttlicher Offenbarung beruhenden Lehrautorität geleistet wird, sagen die Theologen einstimmend, sie sei als Glauben zu bezeichnen“ (Pohle a.a.O.). Wie könnte etwas, was wir zu glauben haben, dem Glauben „zuwiderlaufen“ oder „schaden“?

Freilich gibt es bei den Theologen „zwei Ansichten betreffs der Frage, was für ein Glaube es sei“. „Die einen (Suarez, Lugo, Schiffini, Gloßner, de Grandmaison, Gardeil, Marin-Sola) behaupten, es sei göttlicher Glaube (fides divina), da Gott in den Lehrurteilen durch die Kirche als sein Instrument spreche und deswegen der Grund der Zustimmung seine Autorität sei. Andere (Wilmers, Scheeben, Billot, Pesch, Diekamp) sagen wohl mit mehr Recht, es sei ein der Kirche geleisteter Glaube (fides ecclesiastica); denn die Sprecherin ist die Kirche, und Gott ist nur ihr Beistand. Wäre Gott der Sprecher, so läge eine neue Offenbarung vor, die das Depositum fidei erweiterte, und eine solche gibt es nicht“ (ebd.) – außer beim „II. Vatikanum“, wo der „Heilige Geist“ persönlich zu den „Vätern“ gesprochen und sie in die „Fülle der Wahrheit“ eingeweiht hat (Wojtyla).

Für uns und unser Glaubensleben ist diese theologische Unterscheidung wenig von Bedeutung. Denn auch die „fides ecclesiastica“ geht ja letztlich auf Gott zurück, dessen authentische Sprecherin die Kirche ist. Wir glauben der Kirche, weil wir Gott glauben. Die Theologie bestätigt in ausführlicher und eindrucksvoller Weise nur das, was wir im Kirchenlied bekennen: „Fest soll mein Taufbund immer steh’n, ich will die Kirche hören; sie soll mich allzeit gläubig sehen und folgsam ihren Lehren. Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad’ in Seine Kirch’ berufen hat; nie will ich von ihr weichen.“ [1]

Anm 1:Wikipedia“ bemerkt dazu: „Der Liedtext weist darauf hin, dass alle Gläubigen verpflichtet sind, dem Lehramt und Hirtenamt des Papstes und des Ortsbischofs zu folgen. Sie sollen glauben, was diese lehren, und befolgen, was als Ordnung in der Kirche vorgeschrieben wird. (…) Vor diesem Hintergrund wurde teils nicht nur die erste Strophe umgetextet, sondern auch mit neuen Strophen andere Aussagen formuliert.“ Das sieht dann so aus: „In einigen Diözesananhängen gibt es eine Neufassung, in der Teile des Textes geändert wurden, etwa ‚ich will zum Herrn gehören‘ statt ‚ich will die Kirche hören‘ und [der Herr] will sein Wort mich lehren’ statt ‚und folgsam ihren [der Kirche] Lehren‘.“ Die „Traditionalisten“ sollten vielleicht zu diesen Neu- und Umdichtungen greifen, die viel besser zu Ihrer Ideologie passen als der Originaltext, den sie aufrichtigerweise gar nicht mehr singen können.