Unser Leben ist nicht immer so vernünftig wie es sein sollte, verbirgt sich doch manche Lebenslüge hinter dem alltäglichen Schein. Daß das zweifelsfrei so ist, wird in bestimmten Situationen augenblickshaft greifbar, wir sprechen sodann von Situationskomik. Diese hinwiederum ist der Nährboden für viele Witze. Ein Witz entlarvt meist eine bestimmte Unwahrheit, Unstimmigkeit, Unehrlichkeit – weshalb das Sprichwort sagt: Wer den Schaden hat, der braucht für den Spott nicht zu sorgen. Zuweilen entlarven unvorhergesehene Umstände Lebenslügen in einem Augenblick, was nicht selten ein Gelächter zur Folge hat. Der Mensch steht dann meist da wie ein begossener Pudel und möchte sich am liebsten in ein Mauseloch verkriechen – oder auch nicht, muß man hinzufügen, denn nicht alle wachen nach einem solchen Schock aus ihrer Lüge auf und finden zurück zur Wirklichkeit.
Aus diesem Verhalten wird wiederum die Satire geboren. Wenn eine Lebenslüge so gefestigt, zementiert ist, daß sie unkorrigierbar geworden ist, wird es schwierig, keine Satire zu schreiben, d.h. ernst zu bleiben, was im Grunde der Situation am meisten entsprechen würde, denn unser Leben ist nun einmal sehr ernst. Wie wir schon öfter haben feststellen müssen, bleibt einem dennoch bei manchen Gegebenheiten nichts anderes übrig, als eine Satire zu schreiben, weil diese schlußendlich diese Art der Wirklichkeit am besten beschreibt. Je widersprüchlicher das Leben wird, desto satireähnlicher wird es in der Tat. Im höchsten Maße bedenklich wird es, wenn die Betroffenen ihre Lebenslüge selbst in keiner Weise mehr wahrnehmen, sondern unbelehrbar in ihrem Irrtum verharren – das nennt man dann Wahn-Sinn…
Ein Buch im Ozean
Werden wir nach diesen theoretischen Erwägungen ein wenig konkreter, um das Gesagte zu verdeutlichen – und uns auf den noch zu besprechenden herausgekitzelten Wahnsinn entsprechend vorzubereiten.
Auf einem Dampfer mit Kurs auf Europa unterhielt sich auf Deck der Schriftsteller Sinclair Lewis mit einem Freund. Plötzlich bemerkt er eine Frau, die ein Buch liest, … und mit Entzücken stellt er fest, daß es sich um eines seiner Bücher handelt! Seinem Freund flüstert er zu: „Dieses Buch habe ich geschrieben. Das nenne ich berühmt sein! Hier stehe ich, Sinclair Lewis, und dort ist eine intelligent aussehende Frau, die von meinem Buch mitgerissen ist. Jetzt ist sie sogar von dem Gelesenen überwältigt, erhebt die Augen, blickt auf das weite Meer und…“ – In diesem Augenblick wirft die Frau das Buch über Bord.
Da war er plötzlich aus seiner Illusion in die Wirklichkeit gestürzt worden, der eingebildete Schriftsteller. Aus war es mit seinen Träumen, sein tolles Buch versankt in den Fluten des Ozeans, wo es womöglich am besten aufgehoben war.
Theater im Tradiland
Blickt man derzeit ins Tradiland, so kommt dort dank Bergoglio die Wahrheit allenthalben zum Vorschein. Seit dem Erscheinen seines gekonnten und in seinem Sinne sicherlich auch erfolgreichen Gegen-Motu-Proprios geht es im Tradiland drunter und drüber. Uns wundert das nicht, denn verkehrt war alles von Anfang an. Nun werden die Widersprüche ganz offen greifbar, die Satire ist überall am Werk. Leider ist man, das ist eine überaus traurige Feststellung, wie schon die letzten Jahrzehnte auch, nicht mehr fähig, die Chance zu nützen und von der Illusion in die Wirklichkeit zurückzukehren. Darum werden im Tradiland fast täglich neue Stücke fürs absurde Theater geliefert.
Erfolglose Schocktherapie
Um die unhaltbare Situation als solche zu entlarven, müßte man eigentlich nur die Augen aufmachen. Dabei wäre nun wirklich Herr Bergoglio eine äußerst große Hilfe, so möchte man denken – aber falsch gedacht. Auch die bergogliosche Schocktherapie zeitigt keinerlei Erfolg. Unsere Tradis sind nun einmal allzu sehr verliebt in ihre Tradiideen und ihr Tradiland.
Kuckucksei …
Es zeitigte schon damals, als das Motu-aller-Proprios Ratzingers veröffentlicht wurde, keinerlei Erfolg, darauf hinzuweisen, daß dieses ein Absurdum konstruiert, mit dem sich selbstverständlich kein echter Katholik identifizieren kann. Für einen echten Katholiken ist es ganz einfach so: Die römische Kirche hatte und hat immer nur einen hl. Ritus. Dieser wurde von der hl. Kirche unfehlbar den Katholiken als heiliger Ritus vorgegeben, weil die Kirche eine heilige, gottgegründete Institution ist. Dabei ist dieser Ritus einer der ältesten, altehrwürdigsten der Kirche überhaupt.
Wenn also Ratzinger katholisch gedacht hätte, was freilich von einem Modernisten ein bißchen viel verlangt wäre, dann hätte er ganz einfach feststellen müssen: Der wahre römische Ritus war niemals in der katholischen Kirche verboten, also braucht es auch keine besondere Erlaubnis, ihn feiern zu dürfen. Ganz im Gegenteil, der Ritus der sog. Neuen Messe ist ein illegitimer Ritus, der von keinem Katholiken gefeiert werden darf, weil er dem Glauben der katholischen Kirche vollkommen widerspricht.
Wie jeder kundiger Leser weiß, hat Ratzinger genau das Gegenteil gemacht. Er hat den wahren römischen Ritus zur außerordentlichen Form des Ritus der sog. Neuen Messe erklärt und zur Bedingung gemacht, daß jeder, der den wahren römischen Ritus verwenden möchte, die Gültigkeit und Würdigkeit des bugninischen Afterritus anerkennen muß. Das Kuckucksei lag von Anfang an im Nest, und inzwischen hat der schon lange ausgeschlüpfte Kuckuck seine Konkurrenten fast alle aus dem Nest geworfen.
Kein wahrer Katholik konnte sich auf eine solche Lehrbasis stellen, die Sache war ganz klar: Non possumus! Wir können Ratzinger nicht recht geben! Was er schreibt, widerspricht jeder gesunden Lehre und zudem der Vernunft! Man muß diese Tatsache ganz klar vor Augen haben, denn nur dann kann man sich über die Reaktion der Tradis gebührend verwundern. Diese jubelten, jauchzten und stimmten ein Te Deum an! Wenn das nicht ein Wahn-Sinn war, herausgekitzelt von Joseph Ratzinger, einem Meister der Dialektik.
… und makaberes Possenspiel
Wie jeder sehen kann, befanden sich die Tradis damals sozusagen immer noch an Bord des Schiffes und lauschten gespannt ihrem Freund der Tradition, also Ratzinger, und dachten: Was für ein intelligenter und mutiger Mann, der ein solches Motu Proprio schreibt! Und was für intelligente Tradis, die Ratzinger zujubeln und als Retter der „Alten Messe“ feiern! Jeder nur einigermaßen aufrichtige Katholik dagegen würde sich schämen, wenn er dem Possenspiel Ratzingers überhaupt Beachtung schenkte und zudem noch dessen Lüge nachplapperte, die „Alte Messe“ sei sowieso nie verboten gewesen.
Einer der altehrwürdigen Pfarrer, die um ihrer Treue zum wahren katholischen Meßopferritus willen viel hatten leiden müssen, hatte damals etwas lakonisch bemerkt: Da müssen wir alle die letzten Jahrzehnte etwas ganz falsch verstanden haben. Denn warum hat man uns denn dann so sehr verfolgt? Stand nicht Montini, alias Paul VI., hinter all diesen wütenden Verfolgungen der Bischöfe? Hatte Montini nicht ganz einfach den „alten“ römischen Ritus durch seinen „neuen“ ersetzt, so daß der „alte“ fortan obsolet wurde. War es nicht das Allerschlimmste, was sich ein Pfarrer leisten konnte, an der „alten“ Messe festzuhalten und sich standhaft zu wehren, den montinischen Afterritus zu zelebrieren? Von wegen nie verboten!
Nun, Ratzinger dachte und denkt wie Montini, auch für ihn war und ist der „neue“ Ritus das Maß aller liturgischen Dinge. Er stellt die Wirklichkeit vollkommen auf den Kopf und macht den wahren römischen Ritus zu einer außerordentlichen, einer Sondererlaubnis bedürfenden Form der „Neuen Messe“! Wenn das kein Wahnsinn war und ist!
Wahnsinnsfreude
Nochmals sei es hervorgehoben: Wie befremdend ist es festzustellen, die Tradis freuten sich über diesen Wahnsinn! Fortan war in ihren Augen die „Alte Messe“ gerettet, weil sie diese mehr oder weniger unbehelligt – immerhin mußten sie die „Neue Messe“ als Maß aller liturgischen Dinge akzeptieren! – in ihrem Tradiland feiern durften.
Einem echten Katholiken wird es bei dem Gedanken, den hl. römischen Ritus selbstverständlich neben der „Neuen Messe“ zu feiern, ganz unheimlich zumute. Die Tradis aber denken: Man muß ja nur um den Altar herumgehen, einmal zum Volk gekehrt und einmal vom Volk abgekehrt, „ad orientem“ – dem Tabernakel zugewandt kann man sicherlich nur noch in den seltensten Fällen sagen, denn der steht irgendwo auf der Seite, dem Allerheiligsten zugewandt kann man wohl fast gar nicht mehr sagen, denn das gibt es nicht mehr in diesen Kirchen – was für ein Wahnsinn!
Synthese von Kain und Abel?
Rückblickend kann man es kaum fassen: Über ein Jahrzehnt fühlten sich die Tradis in dieser Lebenslüge wohl. Sie spielten fleißig „Alte Messe“ und taten so, als wäre das ein wohlverbrieftes, dauerndes, unaufhebbares Recht – was doch Ratzinger niemals geschrieben und natürlich auch nicht gewollt hatte. Die Wirklichkeit sah vorneweg so aus: Die „Alte Messe“ war nunmehr ein bloßes liturgisches Auslaufmodell in der neuheidnischen Menschenmachwerkskirche. Nach einer Übergangszeit des gegenseitigen Befruchtens sollte der ordentliche und außerordentliche Ritus gemäß der ratzingerschen Dialektik in einer Reform der Reform wieder zu einem Ritus zusammengeschmolzen, also zur Synthese gebracht werden.
Divide et impera! (Spalte und herrsche!)
So weit ist es jedoch gar nicht mehr gekommen, denn Ratzinger verließ die Bühne, und es kam Bergoglio ins Spiel. Nach dem Meister der Dialektik kam der Meister der Spaltung. Bergoglio liebt es offensichtlich, so sagen wenigstens diejenigen, die ihn länger und besser kennen, Leute gegeneinander auszuspielen. Und wenn man ehrlich ist und nüchtern urteilt, die Tradi-Lebenslüge schrie geradezu danach, ausgespielt zu werden. Es war allerhöchste Zeit, Ratzingers Sondererlaubnis der nie verbotenen „Alten Messe“ wieder aufzuheben – was für ein Absurdum: Sondererlaubnis der nie verbotenen „Alten Messe“! –, d.h. die Tradis auf den Boden der Realität zurückzuholen. Sie erinnern sich: Die Frau warf das Buch einfach über Bord und der eingebildete Schriftsteller stand da wie ein begossener Pudel…
Bergoglio erklärte also nach synodaler Rücksprache mit den Bischöfen kurzerhand das Experiment der Versöhnung beider Riten für gescheitert. Insofern kann man Bergoglio übrigens mehr Realitätssinn zugestehen als den Tradis, die auf seine Feststellung hin mit einem lauten Gejammer oder gereizten Geschimpfe reagierten. Es ist tatsächlich so, Bergoglio hat den Wahnsinn überaus gekonnt herausgekitzelt: Die Großzügigkeit Wojtylas und Ratzingers mit ihren „Motu-Proprios“ sei „dazu benutzt worden, die Distanzen zu vergrößern, die Unterschiede zu verhärten, Gegensätze aufzubauen, die die Kirche verwunden und ihren Fortschritt behindern und sie der Gefahr der Spaltung aussetzen“. Also Schluß mit lustig – das Motu-aller-Proprios versank in den Fluten des Ozeans… Und die Tradis?
Galgenhumor
Beginnen wir bei den Petrusbrüdern, den, so könnte man es sagen, Hauptleidtragenden, an denen sich alle anderen „amtskirchlichen“ Traditionalisten einst orientierten. Bekanntermaßen haben diese auf Anregung und unter dem Protektorat Ratzingers nach den unerlaubten Bischofsweihen Erzbischofs Marcel Lefebvre dessen Piusbruderschaft verlassen und eine eigene Traditionsgemeinschaft, versöhnt mit und anerkannt von „Rom“ errichtet. Ein tollkühner Schritt, muß man sagen, insofern man „Rom“ tatsächlich kennt. Mit „Rom“ ist ja das postkonziliare, modernistische, apostatische, den katholischen Glauben hassende Rom gemeint.
Fortan war es den Petrusbrüdern offiziell erlaubt, innerhalb der Menschenmachwerkskirche unter den schon genannten Bedingungen als traditionelle Gemeinschaft zu existieren. In ihrem Hauptseminar in Wigratzbad kommt dieses Faktum ganz besonders eindrucksvoll zur Darstellung, denn in der nach der Renovierung noch um einiges häßlicher gewordenen Sühnekirche „Alte Messe“ zu spielen, verlangt durchaus einen gewissen Galgenhumor. Anderseits wird gerade durch diese Sühnekirche geradezu karikaturhaft dokumentiert, daß die Theologie der „Neuen Messe“ die Basis der versöhnten Vielfalt ist und nicht der katholische Glaube vom hl. Meßopfer. Mit anderen Worten: Die Seminaristen der Petrusbruderschaft erleben in Wigratzbad Tag für Tag diesen im Gebäude sichtbar gewordenen Wahnsinn. Ob das ohne dauernde Schäden bleiben kann?
Wojtyla und die Petrusbruderschaft
Nun, die Petrusbrüder haben bei ihrer Neugründung zwar nicht den Gallikanismus, aber die Wahrnehmungsstörung von der Piusbruderschaft mitgenommen. Die folgenden Jahrzehnte mußten sich diese darum wieder und wieder einreden, daß es Rom gut mit ihnen meine. Ja, daß Rom hinter ihrer Tradition stünde. Denn ihren damaliger „Papst“ Wojtyla konnte man nun beileibe keinen Freund derselben nennen. Es waren wohl ausschließlich situationsbedingte Rücksichten, die ihn zu diesem Entgegenkommen drängten, um ein noch größeres Schisma zu verhindern. Für die dahinterstehenden theologischen Divergenzen hatte Wojtyla, der mit seiner „Kirche“ auf dem Weg ins dritte Jahrtausend war, sicherlich kein Verständnis. Die Vision seiner „Kirche“ ging über das, was sich die Petrusbrüder in ihrer Naivität überhaupt vorstellen konnten und wollten, meilenweit hinaus. Hier noch Gemeinsamkeiten entdeckten zu können, forderte durchaus einen gewissen Wahn-Sinn.
Das „Gründungsdokument“ der Petrusbruderschaft
Auf der Homepage der Petrusbrüder wird ihre „Gründungsurkunde“, wie man des Motu Proprio „Ecclesia Dei Adflicta“ vom 2. Juli 1988 ganz zurecht nennen kann, eigens wiedergegeben. Ob sie es aber auch wirklich aufmerksam gelesen haben? Wenn ja, dürften sie wohl kaum so jammern, wie sie es derzeit tun. Da heißt es nämlich zunächst (wir haben ein paar kleinere Fehler herauskorrigiert; ist den Petrusbrüdern ihr Gründungsdekret nicht einmal wert, fehlerfrei abgedruckt zu werden?):
1. Die Kirche Gottes hat mit großer Betrübnis von der unrechtmäßigen Bischofsweihe Kenntnis genommen, die Erzbischof Marcel Lefebvre am vergangenen 30. Juni vorgenommen hat. Dadurch wurden alle Anstrengungen zunichte gemacht, die in den letzten Jahren unternommen worden waren, um der von Msgr. Lefebvre gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. die volle Gemeinschaft mit der Kirche sicherzustellen. In der Tat blieben alle, besonders in den letzten Monaten sehr intensiven, Bemühungen, in denen der Apostolische Stuhl Geduld und Nachsicht bis an die Grenzen des Möglichen gezeigt hat, ohne Erfolg.
2. Diese Trauer empfindet besonders der Nachfolger Petri, dem es an erster Stelle zukommt, die Einheit der Kirche zu schützen, auch wenn die Anzahl derer, die direkt in diese Ereignisse verwickelt sind, klein sein mag; denn jeder Mensch wird um seiner selbst willen von Gott geliebt und wurde durch das Blut Christi erlöst, das zum Heil aller am Kreuz vergossen wurde.
Wojtyla ging es selbstverständlich nicht um die liturgischen Anliegen der Traditionalisten im Dunstkreis Erzbischof Lefebvres, sondern es ging ihm um die Einheit seiner „Kirche“ – Einheit im Modernismus, muß man erklärend hinzufügen, den er gerade erst zwei Jahre zuvor in dem interreligiösen Treffen von Assisi sehr eindringlich vor aller Weltöffentlichkeit zur Schau gestellt hat. Es ist unzweifelhaft die Einheit im Sammelbecken aller Häresien! Eine äußerst skurrile Einheit, ein Widerspruch in sich, ein richtiger herausgekitzelter Wahnsinn!
Treue zu wem?
So gesehen ist es ganz richtig, wenn Wojtyla weiterfährt:
Die besonderen Umstände, sowohl objektiver wie subjektiver Art, unter denen die Tat des Erzbischofs Lefebvre vollzogen wurde, geben allen Gelegenheit, zu gründlichem Nachdenken darüber, und Anlaß, ihre eigene Treue gegenüber Christus und seiner Kirche zu erneuern.
Wobei man hier „eigene Treue gegenüber Christus und seiner Kirche zu erneuern“ besonders hervorheben muß, würde doch eine wahre Besinnung auf die eigene Treue gegenüber Jesus Christus und Seiner Kirche notwendigerweise fordern, die Menschenmachwerkskirche des Karol Wojtyla sofort zu verlassen.
Das wollten die Petrusbrüder bekanntermaßen am allerwenigsten, ganz im Gegenteil, sie wollten innerhalb des in Assisi neu profilierten römischen Modernistenvereins ihr eigentümliches Charisma leben. Wojtyla fügte noch hinzu:
5. Das Geschehene vor Augen, fühlen wir uns verpflichtet, alle Gläubigen auf einige Gesichtspunkte aufmerksam zu machen, die durch dieses traurige Geschehen besonders deutlich werden. a) Der Ausgang, den die Bewegung Erzbischof Lefebvres nunmehr genommen hat, kann und muß für alle katholischen Gläubigen ein Anlaß zu einer gründlichen Besinnung über die eigene Treue zur Tradition der Kirche sein, wie sie, durch das ordentliche und das außerordentliche kirchliche Lehramt, authentisch dargelegt wird, besonders durch die Konsilien, angefangen vom Konzil von Nizäa bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Diese Besinnung muß alle erneut und wirksam von der Notwendigkeit überzeugen, daß die Treue noch vertieft und gefestigt werden muß und irrige Interpretationen sowie willkürliche und ungerechtfertigte Erweiterungen in Dingen der Glaubenslehre, der Liturgie und der Disziplin vollständig zurückzuweisen sind.
Liturgischer Wildwuchs
Eine durchaus richtige Anmerkung des Polen, und Herr Wojtyla hätte alle Hände voll zu tun gehabt, wenn er tatsächlich alle irrige(n) Interpretationen sowie willkürliche(n) und ungerechtfertigte(n) Erweiterungen in Dingen der Glaubenslehre, der Liturgie und der Disziplin vollständig hätte zurückweisen wollen. Aber wie alle Modernisten war er auf dem linken Auge vollkommen erblindet, weshalb er selbstverständlich genau das Gegenteil tat. Dem weltweiten liturgischen Wildwuchs setzte er nicht nur keine Grenzen, sondern er präludierte diesen geradezu mit seinen interreligiösen, neuheidnischen Spektakeln. In dieser Hinsicht reichte er durchaus an Montini heran, dessen Zerstörungswerk er ganz konsequent weiterführte.
Wie kann nun aber irgendjemand all das, was unter ihm gesagt, geschrieben und getan wurde, mit dem katholischen Glauben in Einklang bringen? Selbst Wojtyla muß, wenn auch wohl eher ungewollt, zugeben, daß das recht schwierig sein dürfte, weshalb er fordert:
b) Wir möchten ferner auch die Theologen und Fachgelehrten der anderen kirchlichen Wissenschaften darauf aufmerksam machen, daß auch sie von den augenblicklichen Umständen herausgefordert sind. Die Breite und Tiefe der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils machen nämlich neue und vertiefte Untersuchungen notwendig, in denen die Kontinuität des Konzils mit der Tradition klar hervorgehoben wird, vornehmlich in jenen Bereichen der Lehre, die, weil sie vielleicht neu sind, von einigen Teilgruppen der Kirche noch nicht recht verstanden wurden.
Hermeneutik der Reform unter Wahrung der Kontinuität
Im modernen Sprachchargon würde man sagen: Bewußtseinserweiterung. Bei dieser wird Ratzinger mit seiner dreisten Behauptung ansetzen, es gab und gebe gar keinen Bruch in der Menschenmachwerkskirche mit der Vergangenheit, es gebe nur Kontinuität. Die wenigen Brüche waren sozusagen nur aus dem Übereifer einzelner hervorgegangen. Er wird diese Brüche heilen und die wahre Einheit in der Vielfalt wieder herstellen. Das gilt vornehmlich in jenen Bereichen der Lehre, die, weil sie vielleicht neu sind, von einigen Teilgruppen der Kirche noch nicht recht verstanden wurden – und damit für all diejenigen, die sich auf der Basis des Motu Proprio „Ecclesia Dei Adflicta“ den Modernisten in Rom anvertrauen. Wie kann man bei dieser Sachlage auch nur auf die Idee kommen, ein solches Entgegenkommen aufgrund des Schismas Lefebvres könne von Dauer sein? Wie heißt es im Text?
Ferner muß überall das Empfinden derer geachtet werden, die sich der Tradition der lateinischen Liturgie verbunden fühlen, indem die schon vor längerer Zeit vom Apostolischen Stuhl herausgegebenen Richtlinien zum Gebrauch des Römischen Meßbuchs in der Editio typica vom Jahr 1962, weit und großzügig angewandt werden.
Das alles ist nun immerhin schon 33 Jahre her und Rom hat genügend auf das Empfinden derer geachtet, die sich der „vorkonziliaren“ Liturgie verbunden fühlen. Die Petrusbrüder hatten also Zeit genug, die Breite und Tiefe der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils zu studieren und ihr Ressentiment gegenüber der neuen Messe und der neuen Kirche und dem neuen Glauben abzulegen, so müßte man meinen. Denn das müssen sie zugeben, die Petrusbrüder, ein Ressentiment gegenüber all diesen Neuerungen blieb doch zurück bei aller Beteuerung ihrer Treue „zum gesamten Lehramt der Kirche und zur Treue gegenüber dem Papst und den Nachfolgern der Apostel“, wie es im Offiziellen Kommuniqué der Priesterbruderschaft St. Petrus zum Motu Proprio Traditionis Custodes zu lesen ist. Darum folgt auch gleich ein geistiger Klimmzug: „Indem sie sich in ihren Konstitutionen auf die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils beruft, hat sie immer versucht, Teil dessen zu sein, was der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 ‚die Hermeneutik der Reform unter Wahrung der Kontinuität der Kirche‘ nannte (vgl. Ansprache an die Römische Kurie, 22. Dezember 2005).“
Einmal ganz ehrlich, wenn sie das ernst nehmen, was sie hier sagen, die Herren von der Petrusbruderschaft, warum beeilen sie sich nicht, ihre Tradition über Bord zu werfen und sich rückhaltlos der Tradition der Römer anzuschließen, wie es ihnen Ratzinger allzeit vorgelebt hat? Ratzinger meinte sicherlich mit seiner Hermeneutik der Reform nicht dasselbe wie sie. Außerdem muß man sich nüchtern fragen, wo ist eigentlich das Problem genau? Da die Petrusbrüder die Gültigkeit und Würdigkeit des Bugniniritus immer anerkannt haben, was soll sich da ändern, wenn sie ihn auch feiern – wie die Mehrheit ihrer Mitbrüder im „Priesteramt“ auch? Was verlieren sie, wenn sie den außerordentlichen gegen den ordentlichen Ritus tauschen, außer ihr eingebildetes Charisma?
Ende der Schonfrist
Es ist somit durchaus richtig, wenn „Papst Franziskus“ nach 33 Jahren feststellt, daß das Gegenteil der laut Ratzinger beabsichtigten „inneren Versöhnung“ eingetreten ist. Die Weigerung aller Tradis, einfach die „Neue Messe“ zu lesen, ist letztlich ein unübersehbarer Beweis dafür, daß Bergoglio recht hat. Die Tradis halten tatsächlich hartnäckig an ihrer Sicht der Dinge fest, obwohl durch das ordentliche und das außerordentliche kirchliche Lehramt authentisch dargelegt wird, daß zur Wahrung der Einheit in der Kirche nur ein römischer Ritus gefeiert werden kann – was übrigens nachweislich immer auch Ratzingers Meinung war! Dementsprechend konstatiert Bergoglio in seinem Begleitbrief: „In den Worten und Haltungen vieler wird immer deutlicher, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen der Wahl der Feiern nach den liturgischen Büchern vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Ablehnung der Kirche und ihrer Institutionen im Namen dessen, was sie für die ‚wahre Kirche‘ halten.“
Eine äußerst treffende Feststellung, muß man zugeben. Auch der Schlußfolgerung kann man nur zustimmen, wenn man das Tradiland einigermaßen kennt: Das sei „ein Verhalten, das der Gemeinschaft widerspricht und jenen Drang zur Spaltung nährt“, weshalb er nun „gezwungen“ sei, „die von meinen Vorgängern gewährte Befugnis zu widerrufen“. Mit anderen Worten: Bergoglio möchte mit seinen Maßnahmen das latente Schisma heilen. Was freilich inmitten seines Modernistenhaufens wiederum eine besonders kuriose Form des Wahnsinns ist! Wo bitteschön gibt es da irgendeine Einheit, außer vielleicht dem gemeinsamen Haß gegen alles Katholische?
Der gelebte Widerspruch
Die Gretchenfrage für alle Tradis ist nun die: Darf er das, der Bergoglio, oder darf er das nicht? Immerhin ist Bergogolio ihr Papst…
Man muß es schon äußerst gekonnt nennen, wenn Bergoglio die Tradis gleich mit dem Titel seines Motu-aller-Propios an ihrer wundesten Stelle packt: Traditionis custodes – Hüter der Tradition! Dabei stellt Bergoglio – wie übrigens auch Wojtyla! – ganz richtig fest, daß „die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom“ als „Wächter der Tradition“ aufgestellt sind und daß es ihnen zukommt, die Liturgie zu ordnen und zu leiten – und nicht den Tradis!
Bei den Petrusbrüdern liest man jedoch: „Wir sind daher zutiefst betrübt über die Motive, die angeführt werden, um den Gebrauch des Messbuchs des hl. Johannes XXIII. einzuschränken, das im Zentrum unseres Charismas steht. Die Petrusbruderschaft erkennt sich in keiner Weise in den vorgebrachten Kritikpunkten wieder.“
Na so etwas! Es ist so, im Tradiland ist immer alles in Ordnung, da gibt es keine Kritikpunkte, aber es gibt Widersprüche zur Wirklichkeit: „In diesem Zusammenhang möchten wir einerseits unsere unerschütterliche Treue zum Nachfolger Petri bekräftigen und andererseits zum Ausdruck bringen, dass wir unseren Konstitutionen und unserem Charisma treu bleiben und den Gläubigen weiterhin dienen wollen, wie wir es seit unserer Gründung getan haben.“
Da haben wir es: einerseits – anderseits. Also doch keine unerschütterliche Treue und schon gar kein bedingungsloser Gehorsam – was hier durchaus die richtige Benennung wäre. Dennoch unterscheidet sich die Petrusbruderschaft von ihrem älteren Bruder, der Piusbruderschaft, darin, daß sie ihren Autoritäten gehorchen wollen und sich auch all die Jahre redliche Mühe gaben, diesen Vorsatz auszuführen, weshalb sie „hoffen, auf das Verständnis der Bischöfe zählen zu können, deren Autorität wir immer respektiert und denen gegenüber wir uns stets loyal verhalten haben“.
Die „Ecclesia-Dei-Oberen“
Weil diese Hoffnung nicht ohne Wehrmutstropfen ist, haben sich am 31. August die „Ecclesia-Dei-Oberen“ zu Courtelain, „45 km südlich von Chartres“, versammelt und in einer „gemeinsamen Erklärung“ ihren Standpunkt gegenüber Rom erklärt – wobei diese Formulierung schon eher eine Übertreibung sein dürfte. In dem „Kommunique der Ecclesia-Dei-Oberen“ heißt es einleitend:
Die unterzeichnenden Institute wünschen vor allem anderen, ihre Liebe für die Kirche und ihre Treue zum heiligen Vater zu unterstreichen. Diese kindliche Liebe ist heute durch großes Leid beeinträchtigt. Wir fühlen uns verdächtigt, ins Abseits gedrängt und verbannt. Jedoch erkennen wir uns nicht wieder in der Beschreibung, die der Begleitbrief des Motu Proprio Traditionis Custodes vom 16. Juli 2021 von uns gibt.
Wenn ein echter Katholik versucht, die „Kirche“ des Herrn Bergoglio zu lieben, dann ist es unvermeidlich, daß es ihm speiübel wird. Nicht so diesen Tradi-Oberen. Der Grund des Leids dieser treuen, aber verkannten Söhne der Kirche ist, daß sie sich verdächtigt, ins Abseits gedrängt und verbannt fühlen. Anstatt daß sie froh sind, um der Gerechtigkeit willen leiden zu dürfen, jammern sie und erklären:
Wir sehen uns in keiner Weise als die „wahre Kirche“. Im Gegenteil sehen wir in der katholischen Kirche unsere Mutter, in der wir Erlösung und Glauben finden. Wir sind loyale Untertanen der Befehlsgewalt des obersten Pontifex und der Diözesanbischöfe, wie das aus den guten Beziehungen in den Diözesen (die unseren Angehörigen Funktionen als priesterliche Ratgeber, Archivare, Kanzler oder Richter anvertraut haben) sowie den Ergebnissen kanonischer und apostolischer Visitationen der vergangenen Jahre hervorgeht. Wir bekräftigen unsere Treue zum Lehramt (einschließlich dessen des II. Vatikanums und dem darauf folgenden) gemäß der katholischen Lehre von der ihm gebührenden Zustimmung (s. insbesondere Lumen Gentium Nr. 25 und Katechismus der katholischen Kirche Nr. 891 und 892), wie das zahlreiche Studien und Dissertationen belegen, die von uns in den vergangenen 33 Jahren vorgelegt wurden.
Bekenntnis zur Menschenmachwerkskirche
Also über allem steht ein klares Bekenntnis zur Menschenmachwerkskirche mit all ihren Irrlehren, das ist schließlich die notwendige Eintrittskarte ins derzeitige römische Reich der Finsternis. Nein, kein wahrer Katholik darf und kann in der Menschenmachwerkskirche mitspielen, denn wer dies möchte, muß sein Bekenntnis durch entsprechende Studien und Dissertationen zeigen und öffentlich bekräftigen. An den Irrlehren des Konzils und des Lehramtes der Pestilenz kommt kein Tradi vorbei, wenn er mit diesem Rom vereint leben möchte.
Ein wandelndes Oxymoron
Nun bilden sich unsere Tradis aber dennoch ein, sie könnten beides zugleich sein, treue Söhne Bergoglios und Nostalgiker der Kirche vor dem Konzil mit den entsprechenden liturgischen Gebräuchen. Es ist nicht wirklich wert, die daraus folgenden kniefälligen bis peinlichen Ausführungen näher zu erläutern. Es sei nur darauf verwiesen, daß die Ecclesia-Dei-Oberen sich in ihren weinerlichen Klagen soweit vergessen, abschließend Bergoglios Liebesfreud zu zitieren:
Wir müssen „Urteile (…) vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen. … Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer »unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien« Barmherzigkeit empfindet.“ (Amoris Laetitia Nr. 296-297).
Man ist doch nicht wenig verblüfft: Am Ende dieser servilen Unterwürfigkeit steht das vermessentliche Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, also die seit Wojtyla allgemein gelehrte Sünde gegen den Heiligen Geist: einer »unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien« Barmherzigkeit. So weit sind sie also durch ihr Studium der Irrlehren der Menschenmachwerkskirche gekommen, die Ecclesia-Dei-Oberen und ihre Gefolgsleute, daß sie die göttliche Barmherzigkeit nicht mehr von der Sünde gegen den Heiligen Geist unterscheiden können. Es bleibt nun einmal nicht ohne Auswirkungen, wenn man ständig im Sumpf der modernistischen Irrlehren herumwatet. Was nützt da noch die Alte Messe, wenn man so weit gefallen ist? Von ihr bleibt nichts übrig als eine charismatische Schwärmerei. Was bedeutet das nun konkret?
Wohin geht die Reise?
Vielleicht kann uns ein weiterer Witz weiterhelfen?
Professor George W. Carver war wieder auf Vortragsreise. Im Zug kam der Schaffner, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Carver konnte seine Fahrkarte nicht finden. Der Schaffner, der ihn gut kannte, lachte: „Das kennen wir schon: die zerstreuten Professoren! Lassen Sie das. Es ist in Ordnung!“ Carver suchte weiter und sagte: „Es ist nicht in Ordnung. Ich muß doch wissen, wohin die Reise geht!“
Für die Zuhörer des Vortrags ist es von existentieller Wichtigkeit, daß der zerstreute Professor noch vor Erreichen des Zielbahnhofes seine Fahrkarte wiederfindet, denn sonst fährt er unweigerlich bis zur Endstation. Ob man gerade dort auf ihn wartet, ist mehr als zweifelhaft.
Man meint nun, auch für die Tradis wäre es nicht uninteressant, wohin denn eigentlich ihre Reise im Zug der Menschenmachwerkskirche geht. Ratzinger hatte ihnen die Fahrkarten ausgestellt, aber keiner von ihnen hat jemals danach gefragt, welcher Zielbahnhof auf dieser verzeichnet war. Das hatten sie vor lauter Freude über ihre wiedergewonnene „Alte Messe“ ganz vergessen. Als sodann Bergoglio den Zielbahnhof nannte, fielen sie aus allen Wolken, dabei hätten sie nur auf die Fahrkarte schauen müssen.
Charismatische Schwärmerei
Die allermeisten Tradis sind in der Tat nur noch Charismatiker, wie es wohl eher ungewollt, aber überaus deutlich P. Daniel-Ange, einer der bekanntesten Priesterpersönlichkeiten Frankreichs und Gründer der Gebets- und Evangelisationsschule „Jeunesse Lumière“ („Lichtjugend“), in seinem Kommentar zum jüngsten Motu Proprio Traditionis custodes pointiert und charismatisch bewegt beschreibt:
Ich bin verblüfft und bestürzt über dieses Motu proprio. Das Mindeste, was wir sagen können, ist, dass es uns umhaut! Ich teile die Tränen so vieler meiner Freunde und Verwandten. Ich bete, dass sie nicht zu Bitterkeit, Verbitterung, wenn nicht gar zu Aufruhr und Verzweiflung verleitet werden.
Die Überraschung war überaus groß, sozusagen über Nacht ist der Traum vom Tradiland in sich zusammengebrochen, so daß die Verbitterung sogar zur Gefahr des Aufruhrs oder der Verzweiflung werden könnte. Verantwortlich für all das Leid ist eine kleine Minderheit:
Natürlich gibt es unter diesen katholischen Brüdern, die an der Tradition hängen, einige, die - ach! ach! - verhärtet, starr, verschlossen, in ein Ghetto zurückgezogen, bis hin zur Verweigerung der Konzelebration bei der Chrisam-Messe – was unzulässig ist. Aber hätte es für diese kleine Minderheit nicht ausgereicht, eine deutliche Ermahnung auszusprechen, verbunden mit der möglichen Androhung von Sanktionen?
Da haben wir des Pudels Kern: Bei aller Liebe zur liturgischen Tradition der Kirche darf man diese dennoch niemals so ernst nehmen, daß man sich von den Modernisten und ihrem Ritus abgrenzt, so daß man etwa gar am Gründonnerstag die Konzelebration mit dem Bischof bei der Chrisam-Messe verweigert. Das ist ganz und gar unzulässig! Aber solche Hardliner sind – Gott sei Dank! – nur eine kleine Minderheit. Warum also gleich das Kind mit dem Bade ausschütten?
Wie ist das, „weiß der Papst, wenn er nur von Frankreich spricht, dass es dort wunderbar strahlende Gruppen und Gemeinschaften gibt, die viele junge Menschen, junge Paare und Familien anziehen? Der Sinn für das Heilige, die Schönheit der Liturgie, die kontemplative Dimension, die schöne lateinische Sprache, die Fügsamkeit gegenüber dem Sitz Petri, der eucharistische Eifer, die häufige Beichte, die Treue zum Rosenkranzgebet, die Leidenschaft für die zu rettenden Seelen und so viele andere Elemente, die sie nicht finden - ach! - in vielen unserer Kirchengemeinden.“
Der charismatische Pater kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus, wenn er all die Früchte bedenkt, die in diesen traditionellen Gruppen zu finden sind. „In ihren Gemeinden dominieren junge Menschen, Haushalte und Familien, die sonntags zu fast 100 % anwesend sind. Man soll nicht sagen, dass sie nostalgisch und anachronistisch sind. Im Gegenteil: Latein, Messe ad orientem, Gregorianik, Soutane: das ist alles neu für sie. Es hat den Reiz der Neuheit.“
Überall blühende Gemeinden, überall junge Menschen, die sich wieder für den Glauben und fürs Priestertum begeistern lassen.
„Ich bin Zeuge der wunderbaren Begeisterung, die im Priesterseminar von Wigratzbad in Bayern herrscht, das dank eines gewissen Kardinals Ratzinger gegründet wurde. … In der trockenen Wüste einer Gesellschaft, in der ‚die stille Abtrünnigkeit des Menschen, der glaubt, ohne Gott glücklich zu sein‘ (Johannes Paul II.) an Boden gewinnt, sind diese Gruppen und Gemeinden wahre und erfrischende Oasen. Ihre schönsten Blumen sind die jungen Menschen und sogar Kinder, die die leuchtenden Höhen der Heiligkeit erreicht haben. Wie könnte man Anne-Gabrielle Caron aus der Pfarrei der Missionarinnen der Barmherzigkeit in Toulon unerwähnt lassen, deren Seligsprechungsprozess bereits eingeleitet wurde. Und die kleine Märtyrerin Jeanne-Marie Kegelin im Elsass, deren zwei Brüder Priester der Petrusbruderschaft sind. (Vorausgesetzt, dies ist nicht der Grund, der diese Sache verzögern würde).“
Ist etwa Bergoglio, sind etwa die Bischöfe nur neidisch? „Ist dies nicht ein Dolchstoß in den Rücken oder vielmehr in das Herz unseres lieben Benedikt XVI. Sein Geniestreich war es, diesen Ritus zu retten, indem er ihn einfach zur zweiten Variante oder Form des einzigen römischen Ritus machte.“
Genial gelogen?
Seit wann ist eigentlich eine Lüge ein Geniestreich? Der Charismatiker scheint vor lauter Begeisterung den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verloren zu haben, so daß er sich zu der Frage versteigt: „Wird Benedikt XVI. in seinem klösterlichen Ruhestand seinen Nachfolger um die Erlaubnis bitten müssen, diesen Ritus wieder zu zelebrieren, den er so sehr liebte und den er meisterhaft zu retten wusste?“
Wie jeder weiß, hat Ratzinger, sobald er Benedikt XVI. war, niemals mehr diesen Ritus in der außerordentlichen Form gefeiert und wird es sicherlich auch jetzt nicht tun. Ratzinger wußte immer, wohin die Fahrt geht, er wußte, welche Fahrkarten er den Tradis ausgestellt hatte. Den P. Ange treibt sodann noch ein Schreckgespenst um:
„Ich zittere: viele könnten einfach versucht sein, sich Ecône und der Gesellschaft St. Pius X. anzuschließen, der Papst Franziskus im Jahr der Barmherzigkeit großzügig die Hand gereicht hat. Vor etwa 40 Jahren trennten sie sich heldenhaft von Erzbischof Lefebvre und kehrten zur Mutterkirche in Rom zurück, wo sie von Papst Johannes Paul II. mit offenen Armen empfangen wurden…
Kurzum, es besteht die reale Gefahr von ‚Schismen, die auf allen Seiten gedeihen werden, wenn abrupte Bischöfe ihre Macht auf starre Äbte ausüben‘ (G. Privat). Sonst ist die Versuchung groß, in den Untergrund zu gehen…“
Mit anderen Worten: Das Schlimmste für diesen Pater ist nicht die offensichtliche Apostasie, sondern das Schlimmste wäre, wenn diese Leute durch den Vorstoß Bergoglios vom latenten ins offene Schisma getrieben würden.
„Hat er das wahrscheinliche Erdbeben unter so vielen jungen Menschen, jungen Paaren, ganzen Familien vorausgesehen, die destabilisiert, verunsichert, entmutigt und zur Revolte verleitet sein werden? Bis jetzt haben sie ihren Papst Franziskus geliebt – so liebenswert und verwirrend er auch ist –, sie waren dem römischen Lehramt treu, und jetzt sind sie hier, bedroht von Zweifeln, Misstrauen, wenn nicht gar Ablehnung, mit dem bitteren Eindruck, betrogen, verleugnet, wenn nicht gar verraten worden zu sein. Wie können wir nicht mit ihnen weinen?“
Da ist er nun wirklich herausgekitzelt, der Wahnsinn: Bis jetzt haben sie ihren Papst Franziskus geliebt – so liebenswert und verwirrend er auch ist. Kann man den Teufel lieben? Kann man den Papst als Glaubenszerstörer lieben? Kann man ihn als Götzendiener lieben? Kann man ihn als Lehrer der Sünde gegen den Heiligen Geist lieben? Mit einer solchen Liebe im Herzen würde man sich selber verdammen!
Lehrmäßige Verrenkungen
Und stimmt das tatsächlich? …sie waren dem römischen Lehramt treu? Nein, sie wollten ihm treu sein in Rahmen ihrer Tradition, was zu recht seltsamen lehrmäßigen Verrenkungen führte und in Zukunft sicherlich noch mehr führen wird, denn nachdem Bergoglio die tridentinische Seitenkapelle geschlossen hat, fällt das Alibi einer eigenen Rituskirche weg, in der man einfach so sein und bleiben konnte, wie man war. Ein ganz eigenes Kuriosum war dieses Wunschdenken schon immer, handelt es sich doch hier nicht um zwei uralte Riten aus der reichen Tradition der Kirche, sondern um zwei spinnefeindliche Riten, denen zwei diametral entgegengesetzte Kirchenbilder entsprechen, wie man im Modernistenchargon sagt.
Kriegsausbruch?
Mit diesem Gedanken sind wir bei der Piusbruderschaft angekommen. Bevor wir jedoch diese in Augenschein nehmen, noch ein Witz:
Am Sonntag steigt der Herr Pfarrer wie gewohnt auf die Kanzel und beginnt: „Meine Lieben, heute halte ich keine Predigt. Denn heute habe ich euch etwas zu sagen…“
Leider hat sich der Generalobere der Piusbrüder nicht an den Vorsatz des Pfarrers gehalten, er hat, obwohl er nichts zu sagen weiß, am 23. Juli 2021, also drei Tage nach seinen jüngeren Brüdern, einen Brief geschrieben. Der Brief gibt sich kämpferisch, denn nun ist eindeutig wieder einmal die Zeit der harten Worte. Nachdem man fast zwei Jahrzehnte einer Wiedervereinigung mit dem modernistischen Rom hinterhergehechelt war, dürfte das für den Italiener fast eine Wohltat sein, der die Kunst des Nichstssagens mit vielen Worten nicht ganz so gut beherrscht wie sein Vorgänger aus der Schweiz. Angesichts Bergoglios Todesstoß gegen die von Ratzinger für immer gerettete Messe fallen nun harte Worte, denn man befindet sich im Krieg! Das Kampfgeheule des Piusgenerals gipfelt in der Einsicht:
„Es ist definitiv ein Krieg zwischen zwei unterschiedlichen, sich widersprechenden Auffassungen über die Kirche und das christliche Leben; diese Auffassungen sind absolut unüberwindbar und miteinander unvereinbar. Sinngemäß könnte man mit dem heiligen Augustinus sagen: zwei Messen haben zwei Städte errichtet: die Messe aller Zeiten errichtete die christliche Stadt und die neue Messe errichtete eine humanistische und laizistische Stadt.“
Der aufmerksame Leser stutzt etwas und fragt sich unwillkürlich: Ist der Piusobere plötzlich zur Einsicht der papstlosen Zeit gekommen – ein Krieg zwischen zwei unterschiedlichen, sich widersprechenden Auffassungen über die Kirche? Wenn sich nämlich tatsächlich beide Auffassungen widersprechen, muß man sich doch wohl entscheiden: entweder – oder!
„Es handelt sich folglich darum, den katholischen Glauben in seiner Vollständigkeit zu erwählen und sich durch ihn für unseren Herrn Jesus Christus, sein Kreuz, sein Opfer und sein Königreich zu entscheiden.“
Bravo! Ja, genau, darum handelt es sich! Für jeden denkfähigen Menschen ist nun die unausweichliche Konsequenz aus dieser Einsicht die: Jeder Katholik muß die Menschenmachwerkskirche als ein von Menschen gemachtes Monster entlarven, um die wenigen übriggebliebenen Katholiken vor deren vielfältigen Irrtümern zu schützen – oder etwa nicht?
Indirektes Schisma
Zieht der Piusgeneral diese Konsequenz? Nein, natürlich nicht! Wir haben vor lauter Begeisterung vergessen, daß der Generalobere zwar auf die Kanzel gestiegen ist, aber nichts zu sagen weiß, also muß man sein Geschwätz, genauso wie er selber, in keiner Weise ernst nehmen. Dementsprechend plätschert es mit ein paar spirituellen Überlegungen seinem Ende entgegen:
„Zuerst ist es unsere Pflicht, ihnen durch Fakten die Gewissheit zu geben, dass die tridentinische Messe nie vom Angesicht der Erde verschwinden wird: es handelt sich hier um ein äußerst notwendiges Zeichen der Hoffnung.“
Also weiter „Alte Messe“ spielen, d.h. nichts Neues unter dem Piustradihimmel. Oder doch? Sicherlich ohne es zu merken – Bergoglio kitzelt den Wahnsinn ganz nebenbei aus ihm heraus –, bekennt sich der Piusgeneral eindeutig und ganz unmißverständlich zum real existierenden Schisma seiner Gemeinschaft, indem er feststellt:
„Diese sehr klaren und eindeutigen Maßnahmen betreffen die Bruderschaft nicht direkt, aber sie sollen uns zu tiefem Nachdenken anregen.“
So ist es, wenn man sich im Schisma befindet: Selbst die klarsten und eindeutigsten Maßnahmen des eigenen „Papstes“ betreffen einen immer nur indirekt, weil man seinen Jurisdiktionsprimat nicht anerkennt. Wie hat es einer der alten Piusgranden einmal in einem Vortrag ausgedrückt: Der Papst kann machen, was er will, ich bleibe katholisch! Jawohl, so denken sie die Piusbrüder und all ihre Anhänger! Und in dieser schismatischen Haltung sind sie alle felsenhart gefestigt.
Was meint der Hellseher?
Wie geht es nun – nach Bergoglios Motu-aller-Proprios –im Tradiland weiter? Wird es etwa gar noch zu einer Art Aufstand kommen gegen den „Papst“? Vielleicht kann uns ein Hellseher die Frage beantworten…
Tristan Bernard wurde einmal gefragt: „Was halten Sie von Hellseherinnen?“ „Nicht viel“, erwidert Bernard. „Unlängst wollte ich zu einer gehen, klopfte an die Türe, und sie fragte: ‚Wer ist da?‘“
Wir haben trotz dieser wohlbegründeten Zweifel einen Hellseher aufspüren können, konnten ihn aber leider nicht persönlich besuchen und mit ihm den Hellsehertest machen. Martin Grichting, ehemaliger Generalvikar des Bistums Chur (Schweiz), meint:
„Dieser Erlass macht die Eucharistiefeier – ‚Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens‘, Lumen Gentium 11 – definitiv zum Kampfplatz, ausgerechnet das Herz des christlichen Lebens. Denn der Gesetzestext ist in seiner Rigidität nach allem, was in den letzten 50 Jahren geschehen ist, für die Betroffenen so verletzend und demütigend, dass er nur Widerstand hervorrufen kann, hoffentlich friedlichen und geistlichen, der sich unterscheidet vom Geist der Ausgrenzung und Verhärtung, durch den er erzeugt wird.
Die Verbannung dieser Form der Liturgie aus den Pfarrkirchen, wo sie teilweise seit Jahrzehnten in der Regel friedlich beheimatet war, bedeutet, den Anstoß zur Untergrundkirche einer neuen Art zu geben. Man sollte inzwischen gelernt haben, was die Aufhebung von Toleranzedikten für Folgen haben können. Die Spaltung, die durch den Erlass bewirkt wird, wird zuerst eine örtliche sein. Da sich die Gläubigen verschiedener liturgischer Formen jedoch nun noch weniger physisch begegnen werden, wird es in der Folge auch zu einer verstärkten sozialen, pastoralen, ja schließlich ekklesiologischen Segregation der Gläubigen kommen. Zudem werden nicht überall Kapellen verfügbar sein. Nicht immer wird der Platz in solchen Kirchen, die naturgemäß eher klein sind, ausreichen. Die Hl. Messe wird deshalb wohl auch wieder vermehrt in Privathäusern, im Geheimen, in profanen Sälen gefeiert werden. Der dadurch geförderte Geist der Konspiration wird erst recht verschworene Gruppen hervorbringen. Es wird für die Betroffenen zukünftig schwer sein, nicht in Verhärtung zu leben…“
Das ist die größte Sünde für die Modernisten: Verhärtung! Verhärtung angesichts des Sammelbeckens aller Häresien, Weigerung, den Wahnsinn mitzumachen. Der katholische Begriff für dieses Verhalten ist: Den göttlichen Glauben göttlich ernst nehmen. Wie jeder Katholik wissen sollte, darf man bei den Modernisten alles, nur das nicht. Man darf die „Alte Messe“ feiern, so viel wie man nur will, man darf aber nicht sagen, daß die sog. „Neue Messe“ ein neuheidnischer Afterritus ist, eine Verhöhnung des Dreifaltigen Gottes und des Sühnopfers Jesu Christi am Kreuz. Das ist Verhärtung! In diesem Sinne waren und sind die Katholiken immer schon verhärtet, weil sie ihren Glauben absolut nehmen.
Die von Martin Grichting geäußerten Befürchtungen zeigen überdies, unser Hellseher gehört schon der älteren Generation an. Er projiziert darum die Vergangenheit unbesehen in die Gegenwart hinein, weshalb er sich gründlich getäuscht haben dürfte, denn sowohl diese „Priester“ als auch diese Gläubigen werden sicher nicht wieder vermehrt in Privathäusern, im Geheimen, in profanen Sälen „Alte Messe“ spielen. So ernst ist ihnen die Sache dann doch nicht. Vielmehr werden sie sich nach einer Zeit der moralischen Entrüstung nach einer anderen, weniger folgenreichen Lösung umsehen. Manche werden versuchen, den neuen Ritus möglichst würdig zu feiern – mit gregorianischem Gesang, Weihrauch und „ad orientem“ – und die Tradis werden schwärmen: Schön hat Hochwürden es gemacht, und wie fromm er doch ist! Manche werden versuchen, sich irgendwie mit den Bischöfen zu arrangieren, um wenigstens noch einige Zeit weiter unbehelligt ihrem „Charisma“ frönen zu dürfen – und ganz ganz wenige werden vielleicht die einzig richtige Schlußfolgerung ziehen, die sich dank Bergoglios Motu-aller-Proprios und seines allseits herausgekitzelten Wahnsinns geradezu aufdrängt…